Kapitel 51 *neu*
Es war schon sehr spät, als Arcas den Mut aufbrachte, an Zunaes Zimmertür zu klopfen. Er hoffte wirklich, dass sie noch wach war. Immerhin wollte er die Zeit nutzen, in der Yelir nicht da war. Nur, solange dieser nicht ständig um Zunae herumwuselte, konnte er mit dieser überhaupt noch reden. Was dafür sorgte, dass er die letzten Tage kaum noch Kontakt mit ihr gehabt hatte. Nur aus der Ferne hatte er sie beobachten können. Manchmal durch die Fenster ihres Zimmers und ganz selten, wenn sie ein paar Minuten draußen im Garten war. Nie ohne Yelir, der sie förmlich einsperrte.
Es ärgerte Arcas, dass er sie so umsorgte. Zunae war eine starke Frau, die diese Art der Fürsorge nicht brauchte. Sie brauchte niemanden, der ihr sagte, sie dürfe nicht raus, obwohl sie wollte. Er war sich sicher, dass Zunae ihren Zustand selbst einschätzen konnte.
In ihm regte sich Eifersucht. Eifersucht darauf, dass sein Bruder die ganze Zeit bei ihr sein durfte, er aber nicht.
Er wollte, dass sie ihm verfiel und treu ergeben war, doch dazu musste er erst einmal an sie heran. Ohne Augen, die ihn ständig kontrollierten.
»Ja?«, erklang Zunaes sanfte Stimme hinter der Tür. Sie saß noch immer in einem Sessel vor dem Kamin und las, jetzt wo sie es wieder konnte.
Als Arcas eintrat, klappte sie überrascht das Buch zu. »Was führt dich her?«, fragte sie, obwohl sie schon viel früher mit ihm gerechnet hatte. Dass er erst jetzt kam, wo Yelir schon fast einen Tag lang weg war, überraschte sie.
»Ich wollte sehen, wie es dir geht«, log er. Das war nicht der Grund, warum er hier war, doch mit der Tür ins Haus fallen wollte er nicht. Zumindest nicht sofort.
»Mir geht es schon viel besser«, erwiderte Zunae mit einem Lächeln.
Dass sie jedoch noch immer blass war und eine Decke über ihren Beinen hatte, während ein warmes Kleid sie einhüllte, wollte irgendwie nicht zu ihren Worten passen.
Zunae deutete auf einen Sessel neben ihren. Zwischen diesen stand ein kleiner Tisch mit ein paar Keksen, die ihr regelmäßig aus der Küche geliefert wurden. Der neue Koch machte seine Aufgabe überraschend gut und Zunae fand gefallen an den kreativen Speisen, die sowohl Nord- als auch Südlande präsentierten.
Auch Yelir mochte sie, der überraschend gern Süßigkeiten aß. So hatte Zunae ihn nicht unbedingt eingeschätzt, doch das machte ihn ihr sympathischer.
»Wie hast du dich mittlerweile in den Nordlanden eingelebt?«, fragte Arcas neugierig.
Dass Yelir ihr so viel Verantwortung gegeben hatte, störte ihn auf eine Art und Weise, die nichts damit zutun hatte, dass sie eine südländische Königin war. Mehr, weil diese Verantwortung nicht auf ihren schmalen Schultern lasten sollte. Sie war vielleicht eine starke Frau, doch er sah ihr an, was diese Dinge mit ihr machten. Er gab sich auch selbst die Schuld, sie nicht beschützt zu haben.
Allerdings erinnerte er sich auch nicht mehr an viel, was in Kavalare geschehen war. Ein heftiger Magiesturm hatte ihn umgehauen, als er gerade versucht hatte, durch das Schild, das sie erschaffen hatte, einen Banditen zu töten.
»Ich denke ganz gut, auch wenn das Wetter mir zu schaffen macht«, gestand Zunae lächelnd. »Ich mag eure Kultur. Sie ist so erfrischend neu«, gab sie zu, auch wenn nicht alle Aspekte dieser immer gut waren. Allerdings konnte sie das auch über ihre Kultur sagen.
Sie hatte gelernt, dass man diese Dinge vorsichtig und langsam angehen musste. Der Wille zur Änderung sollte vom Volk selbst, nicht von den Königshäusern kommen.
»Hast du dich schon entschieden, wen du heirateten möchtest?«, fragte er nun doch, um sich langsam an das Thema heranzutasten.
Zunae runzelte etwas die Stirn. »Es ist ungewohnt, dass die Entscheidung bei mir liegt. Als ich ankam, dachte ich, es wäre bereits alles geklärt«, gestand sie, da sie noch immer nicht genau wusste, wie sie damit umgehen sollte. Wenn sie das richtig in Erinnerung hatte, dann standen ihr Yelir, Degoni, Arcas aber auch Dainte zur Auswahl.
Sie mochte den Heiler, weil er eine ruhige Ader hatte, doch sie hatte bei ihm das Gefühl ihn zu einer Hochzeit zu zwingen, wenn sie ihn fragte. Wie es bei den anderen Männern war, konnte sie nur schwer einschätzen.
»Machen bei euch die Männer den Antrag?«, fragte Arcas neugierig, denn das erwartete er. Nur so konnte er Zunaes langes Zögern erklären. Sie wartete darauf, dass einer der Männer Interesse an ihr anmeldete, bevor sie sich entschied.
»Nein, nicht unbedingt, aber da die Hochzeit für einen Frieden entschieden wurde, habe ich nicht damit gerechnet, ein Mitspracherecht bei der Wahl zu haben«, gestand sie, da sie mit dem Wissen hierhergekommen war, einen Nordmann zu heiraten, der ihr zugeteilt wurde.
Arcas lächelte, denn die Antwort reichte ihm aus. Er griff in seine Tasche und zog eine kleine Schachelte hervor. Normalerweise war es bei ihnen die Frau, die nach einer Ehe fragte und der Mann erwiderte die Geste mit dem schenken einer Blumenbrosche, wenn er den Antra annahm. Allerdings war Zunae nicht von hier und kannte den Brauch vielleicht nicht. Daher hoffte er, dass er verstanden hatte, wie ein Antrag in den Südlanden gemacht wurde. Er hatte lange überlegt, wie er es angehen sollte und dann einige Informationen aus den Südlanden gesammelt. Daher wusste er auch, dass es dort egal war, welcher Partner den Antrag machte. Es war jedoch wichtig, ein Schmuckstück zu schenken, das beide tragen konnten und das sich ähnelte.
Arcas nahm all seinen Mut zusammen und öffnete die Schachtel. Darin lagen zwei einfache, aber schön gearbeitete, silberne Armbänder. »Willst du mich heiraten?«, fragte er offen heraus, auch wenn die Frage ihn viel schwerer von den Lippen ging, als gut war. Er hatte sie die letzten Tage sehr viel geübt, da er nie damit gerechnet hatte, dass er jemals derjenige war, der sie stellen würde.
Obwohl Arcas schon viele Frauen diese Frage hatte stellen hören, war er sich doch nie bewusst gewesen, wie viel Kraft sie kostete.
Innerlich spürte er ein Gefühl von Unsicherheit und Verwundbarkeit. Die Vorstellung, abgelehnt zu werden, erfüllte ihn mit Furcht, die er so nicht kannte.
Zunae starrte ihn an und dann auf die Schatuelle. Ihr wurde bewusst, dass er es ernst meinte, wenn er schon so weit gegangen war, nach Bräuchen aus ihrer Heimat zu suchen, um ihr diesen Antrag zu machen. Allerdings fühlte sich etwas falsch an. Sie wusste, dass sie auch Arcas heiraten konnte, um den Frieden aufrechtzuerhalten, doch Zunae hatte das Gefühl, Yelir zu betrügen. Dabei waren sie eigentlich kein Paar.
Was sollte sie denn jetzt tun?
»Ich ... brauch Bedenkzeit«, brachte sie hervor. »Damit habe ich nun gar nicht gerechnet«, gestand sie, denn sie hatte sich gerade erst mit dem Gedanken abgefunden, dass sie wählen konnte. Was, wenn sie durch die Wahl von Arcas Probleme heraufbeschwor? Sie wollte gern mit Yelir sprechen und abwarten, ob eine Vision ihr vielleicht den Weg wies.
Obwohl es Arcas schmerzte, dass sie nicht sofort annahm, blieb ein Fünkchen Hoffnung, da sie lediglich Bedenkzeit wollte und nicht gleich abgelehnt hatte. Allerdings konnte das auch nur das Unausweichliche verschieben.
Arcas lächelte, obwohl ihm nicht dazu zu mute war. »Natürlich.« Er hoffte nur, dass sie sich für das Richtige entschied.
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