Kapitel 48 *neu*
»Eine traditionelle nordländische Hochzeit findet eigentlich in den Sommermonaten statt«, erklärte Ariel mit ruhiger Stimme.
Yelir hatte erlaubt, dass sie für eine Stunde am Tag zu Zunae gehen und ihr weitere Lektionen in der Kultur der Nordlande geben durfte.
Zunae selbst hütete noch immer das Bett, war dieses Mal aber auch nicht böse darüber. Ihr ganzer Körper brauchte länger, um sich zu erholen und entsprechend erschöpft war sie noch immer.
»Ich habe schon gehört, die Wintermonate sollen sehr kalt sein«, bemerkte Zunae, die es leicht fröstelte. Es war so kalt, dass sie mittlerweile ungern nach draußen ging. Die Luft war zwar wunderschön frisch, doch sie hatte ständig das Gefühl, ihre innere Wärme zu verlieren. Drachengeborene waren eben nicht für solche Temperaturen gemacht. Allerdings musste sie lernen, sich damit zu arrangieren. Wenn sie ein paar kleine Magiesteine auftrieb, konnte sie mit dem Schneider reden, damit dieser Wärmezauber in ihre Kleider nähte. Nur so würde sie die Temperaturen bezwingen können, denn Yelir hatte angedeutet, dass es noch kälter werden würde.
»Unter anderem. Aber auch, weil Frühling und Herbst dazu da sind, dass König und Königin das Land bereisen. Bei uns ist es üblich, dass der König nur in wenigen Monaten in seiner Burg residiert«, erklärte Ariel, die Zunae immer wieder neugierig musterte. Es interessierte sie sehr, was sie von ihrer Kultur hielt. Ob sie diese als rückständig betrachtete?
Zunae runzelte nachdenklich die Stirn. »Ergibt schon Sinn. Gerade in einem Land, das nicht ganz so dicht bevölkert ist.«
Ariel nickte.
Sie hatte noch nicht ganz so viele Stunden mit Zunae verbracht, da diese viel beschäftigt und dann krank gewesen war, doch sie sog die Informationen über ihre Kultur auf wie ein Schwamm. Das machte sie Ariel sympathisch, da sie nicht das Gefühl hatte, Zunae würde ihre Kultur nicht schätzen.
»Und durch die Reise kann der König auch die Probleme im Auge behalten«, erklärte Ariel weiter. »Allerdings ist es auch eine sehr anstrengende Reise. Als Königin ist es Eure Aufgabe, ihn zu begleiten. Sofern ihr Euch dazu entscheidet, Lord Yelir zu heiraten.«
Zunae runzelte leicht die Stirn. »Ich dachte, das wäre schon entschieden«, bemerkte sie überrascht.
Ariel schüttelte leicht den Kopf. Jetzt verstand sie auch, warum Yelir sie gebeten hatte, sich bei ihren Lektionen auf die Hochzeit zu konzentrieren.
»In den Nordlanden ist es so, dass die Frau auf den Mann zugehen und ihm einen Antrag machen muss«, erklärte Ariel, die überrascht war, dass Zunae das nicht wusste.
»Die Frau muss den Mann fragen?«, fragte Zunae unsicher. Bei ihnen war es egal, wer wen fragte und bei einer politischen Hochzeit war das sowieso kein Thema, da die Eltern entschieden oder ein Vertrag gemacht wurde. »Heißt das, ich müsste fragen?«, wollte sie wissen, weil sie nicht so ganz verstand. Das Thema Hochzeit stand immerhin auf der Liste und es hatte so geklungen, als wäre Yelir bereits an den Vorbereitungen.
Ariel nickte zustimmend. »Genau. Und es ist Euch auch gestattet Degoni, Arcas oder Dainte zu wählen. Wichtig ist nur, dass er ein Sohn von Lord Lacrew ist«, erklärte Ariel weiter, die Zunae genau musterte.
Diese runzelte die Stirn. Sie verstand nicht so ganz, was genau das nun hieß. Nur, dass es scheinbar ihre Entscheidung war. »Aber warum sollte ich jemand anderen als Yelir heiraten, wenn es doch eine Hochzeit für den Frieden ist?«, fragte sie unsicher. War das wirklich so egal in den Nordlanden?
»Weil Ihr dann Teil der Familie währt. Das reicht aus. Außerdem hat jeder der Männer seine Vor- und Nachteile.«
»Welche Nachteile hätte es denn, Yelir zu heiraten? Im Vergleich zu ... Arcas?«, wollte Zunae wissen. Sie hatte weder eine wirkliche Beziehung zu Degoni noch zu Dainte. Potentiell hatte sie nur mit Arcas etwas mehr Zeit verbracht. Daher nannte sie auch seinen Namen, obwohl sie keinerlei Interesse an ihm hatte.
Ariel lachte leise. »Lord Arcas wäre eine sehr gute Wahl, wenn Ihr Euch Euren eigenen Wünschen widmen wollt«, erklärte Ariel fast schon schwärmerisch. »Lord Yelir ist der Herrscher, was zwar mit einiger Macht unter den Frauen, aber sehr viel Verantwortung einhergehen würde. Ihr hättet kaum Zeit für Euch.«
Zunae lachte leise. Ariel dachte zuerst, diese würde sie auslachen, doch das änderte sich, als sie ihre Worte hörte. »Als Königin wäre ich für die Menschen dieses Landes zuständig und was könnte schöner sein, als sich um andere zu kümmern?«, fragte sie, wobei sie es durchaus ernst meinte. »Ich habe schon immer gemacht, was mir Freude bereitet hat.«
Zuerst blickte Ariel sie ungläubig an, dann räusperte sie sich. »Nun, wenn das so ist, ist Yelir die beste Wahl für Euch«, sagte sie und deutete schließlich wieder auf das Buch. »Lasst uns jetzt mit den Hochzeitstraditionen weiter machen«, schlug sie vor.
Zunae, die mehr über das Thema wissen wollte, nickte sofort und so widmeten sich beide wieder ihrer eigentlichen Aufgabe.
Allerdings konnte Zunae nicht anders, als daran zu denken, dass Yelir vielleicht auf ihre Entscheidung wartete.
Obwohl sie versuchte, sich auf Ariels Worte zu konzentrieren, versank sie dennoch in ihren eigenen Gedanken. In ihr machte sich Trauer breit, als sie daran dachte, dass sie eigentlich nichts mehr wollte, als eine liebevolle Familie und ein Kind, um das sie sich kümmern konnte. Ein Traum, der für sie vermutlich niemals Realität werden würde. Nicht, wenn sie dafür sorgen wollte, dass ihren Schwestern und ihrem Land nichts geschah.
Ein Klopfen riss sie aus ihren Gedanken, das auch Ariel aufsehen ließ. »Ist es schon wieder so weit?«, murmelte sie zu sich selbst, schlug das Buch zu, aus dem sie Zunae vorgelesen hatten und erhob sich. Als sie zur Tür ging, um diese zu öffnen, stand Yelir davor, der sie einen Moment mit seinen intensiven, grünen Augen anstarrte. Dann wandte er jedoch den Blick ab.
»Ich wusste nicht, dass ihr noch immer lernt«, sagte er ausweichend, wobei er Ariels Blick mied.
Diese lächelte leicht. »Kommt herein«, sagte sie und machte einen Schritt zurück. »Ich wollte den Unterricht gerade beenden.«
Yelir trat ein und nickte, bevor sein Blick zu Zunae wandte. Diese saß im Bett und war gut eingepackt, was ihn beruhigte. Da sie das letzte Mal sehr schnell wieder Bewegung gebraucht hatte, waren die Sorgen, dass sie sich während seiner Abwesenheit überanstrengte, sehr groß. Sie konnten es sich nicht leisten, dass sie noch länger ausfiel, doch hetzen wollte er sie auch nicht. Der Winter kehrte ein und in dieser Zeit war es wichtig, Vorbereitungen zu treffen. Die Burg zu verlassen, würde bald nicht mehr so leicht möglich sein. »Dann kannst du jetzt gehen. Ich habe etwas mit Zunae zu besprechen«, erklärte Yelir, der direkt zu dem Sessel ging, in dem Ariel bis gerade eben noch gesessen und Zunae vorgelesen hatte.
Sofort knickste Ariel. »Sehr wohl.«
Yelir ließ sich erst nieder, als Ariel die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann blickte er auf das Buch, das auf dem Nachttisch lag. »Hochzeitsriten«, las er murmelnd zu sich selbst. Hoffentlich bekam sie bei ihren Traditionen keinen Kulturschock. Er hatte einige Sachen aus den Südlanden gehört und dort lief eine Hochzeit ganz anders ab. Viel formeller.
»Eure Traditionen sind so interessant«, strahlte Zunae, deren Augen funkelten. Sie liebte es neue Dinge zu lernen, auch wenn sie nicht immer Zeit dazu hatte. Dass sie Ariel als ihre Hauslehrerin hatte, war wunderbar. Sie wusste so viel über die Nordlande.
»Aaron hat dir einen Brief geschrieben«, bemerkte Yelir plötzlich, der diesen aus seiner Tasche zog. Es war ein recht dicker Brief, der Zunae ein ungutes Gefühl bescherte. Warum sollte er so viel schreiben?
»Hast du ihn gelesen?«, fragte Zunae nicht ganz ohne Hintergedanken. Wenn Yelir schon einen Blick darauf geworfen hatte, könnte er ihr zumindest sagen, ob der Inhalt ... unangenehm war.
Allerdings schüttelte er den Kopf, da er nicht davon ausgegangen war, dass er den Brief lesen durfte. Immerhin war er an Zunae adressiert. Ihre privaten Unterhaltungen gingen ihn nichts an. Allerdings spürt er auch ein wenig Widerwillig. Es hatte ihn viel Kraft gekostet, nicht hineinzusehen.
»Er ist vermutlich geschäftlich. Wärst du so lieb ihn mir vorzulesen?«, fragte Zunae mit einem vorsichtigen Lächeln. Yelir darum zu bitten, gefiel ihr nicht, doch vom Lesen bekam sie noch immer Kopfschmerzen.
Diese Frage überraschte Yelir, da er erwartet hatte, dass sie diese Dinge für sich behalten wollte. Allerdings beruhigte ihn das sehr und so öffnete er vorsichtig den Brief, bevor er diesen vorlas.
Der Anfang war recht emotional. Aaron entschuldigte sich, dass sie nicht besser aufgepasst hatten und erkundigte sich, wie es ihr ging. Er hoffte auf ihre baldige Genesung und wünschte sich, sie wieder zu sehen. Auch schmeichelte er ihren Ideen und sah sie als gute Verwalterin des Dorfes.
Yelir wusste einiges davon, denn er hatte einen Moment mit Aaron genutzt, um zu reden. Allerdings sagte ihm der Brief viel mehr als dieses kurze Gespräch. Aaron klang fast, als würde er Zunae verehren.
Diese lächelte bei den Worten und entspannte sich. Die Angst, dass Aaron sie nicht mehr im Dorf haben wollte, verschwand. Immerhin waren die Banditen wegen den Steinen dort gewesen, die sie erschaffen hatte.
Yelir las weiter und kam schließlich zu den Punkt, der ihn besonders interessierte. Durch die Magiesteine in Kombination mit den Gewächshäusern hatten sie es geschafft, in dieser Jahreszeit frisches Gemüse zu ernten. Aaron fragte an, ob sie dieses im Lagerhaus für ihr Dorf aufbewahren sollten, oder sogar verkaufen.
»Das klingt eigentlich gut«, murmelte Zunae, die Yelir so unterbrach. »Aber wenn sie es verkaufen, wäre ich gern dabei. Nicht, dass die Karawane von Banditen überfallen wird.«
Yelir schnaubte. »Dafür musst du nicht selbst anwesend sein. Das ist zu gefährlich. Wir können Soldaten mitschicken. Damit die was zu tun haben«, bemerkte Yelir, der Zunae eingehend musterte. Das Lächeln, das sie zur Schau trug, verriet ihm, dass sie etwas plante. Er konnte nur noch nicht einschätzen, was.
»Glaubst du, dass der Banditenangriff auf Kavalare mit dem zusammenhängen könnte, was ich in Dravarn herausgefunden habe?«, fragte Zunae und zog einen Brief aus ihrem Nachttisch. »Fürst Dravar hat mir geschrieben und gefragt, warum die Burg nun doch den Vertrag beendet hat«, erklärte sie und hielt Yelir den Brief entgegen. Er war erst heute Morgen angekommen.
Yelir runzelte die Stirn und nahm den Brief entgegen. Langsam las er den Inhalt, bevor er die Luft ausstieß. »Ich weiß immer noch nicht, was es damit auf sich hat. Aber da wir bisher keinen Vorteil aus diesem Arrangement ziehen konnten, ist es nicht schlimm«, bemerkte er, denn für ihn waren diese Art der Probleme wesentlich weniger tragisch als die Banditenangriffe.
»Darf ich mich darum kümmern?«, fragte Zunae, die Fürst Dravar gern ein neues Angebot schicken wollte. Dieses Mal jedoch ohne Mittelsmann. Sie wollte die Steine direkt kaufen. Für einen höheren Preis, sodass es sich für Fürst Dravarn auch wieder lohnte.
Obwohl es Yelir nicht gefiel, nickte er. »Aber nur, wenn du dich ab sofort mit Soldaten umgibst, wenn du die Burg verlässt«, sagte er ernst. Es war zwar seine Schuld gewesen, dass die Kette sie derart eingeschränkt hatte, doch er wollte auf keinen Fall erneut einen solchen Angriff riskieren.
Zuerst wollte Zunae diskutieren, doch sie gab sich schließlich geschlagen. Auf sie wirkte Yelir, als würde er sich Sorgen machen. Das wollte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. In den Nordlanden schien es immerhin üblich, dass Frauen mit sehr vielen Soldaten reisten. Also würde sie sich fügen. Zumindest zum Teil.
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