Kapitel 4 *neu*

Die Kutsche ruckelte über den schlammigen Boden und machte das Vorankommen schwieriger als angenommen.

Es hatte in der Nacht geregnet und jetzt kämpfte die kleine Gruppe gegen die Auswirkungen an.

Während Zunae mit ihrer Schwester Aidina in der Kutsche saß, ritten die anderen auf den Pferden nebenher.

Ilan und Kali schützten ihren kleinen Tross, denn neben der Kutsche, in der die beiden Frauen saßen, gab es eine zweite, die voller Schätze war. Hochzeitsgeschenke, die Zunae selbst ausgewählt hatte.

Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann wäre sie nur mit ihren beiden Dienstmädchen und Ilan gereist, doch Kali und Aidina hatten darauf bestanden, mitzukommen. Vermutlich wäre auch Nuya mitgekommen, wenn sie keine Pflichten in ihrer Heimat erledigen müsste.

Das Volk hatte es nicht ganz so gut aufgenommen, dass Zunae den Posten an ihre Schwester übergeben hatte. Erst recht nicht, als klar wurde, dass sie in die Nordlande einheiratete. Zum Glück waren sie von Protesten verschont geblieben.

Zunae konnte dennoch nicht leugnen, dass ihr Herz blutete, wenn sie an die stolzen Männer und Frauen dachte, die sie verabschiedet hatten. Zu sehen und hören, wie sie versucht hatten, ihre Königin dazu zu überreden, nicht zu gehen, hatte Zunaes Gefühle nur noch mehr ins Wanken gebracht.

Sie wusste, dass es richtig war, was sie tat, doch ihr war auch bewusst, dass ein Leben in den Nordlanden nicht einfach sein würde.

Es gab viele Vorurteile, was die Nordländer anbelangte. Zunae glaubte diesen nicht, doch das hieß nicht, dass sie wirklich nicht wahr waren.

Was sie wusste war, dass es in den Nordlanden wesentlich kälter war als bei ihnen. Darum hatte sie auch viele Winterkleider eingepackt und war in einen Umhang gehüllt.

Als Göttergeborene der Drachen konnte sie mit kurzzeitigen Temperaturschwankungen gut umgehen, doch sie musste sich dennoch aufwärmen. Zu lange und zu viel Kälte war nicht gut für sie.

Aidina nahm Zunaes Hand, da ihr nicht entging, wie sie die ganze Zeit aus dem Fenster blickte. »Du kannst uns jederzeit besuchen kommen«, versuchte Aidina ihre Schwester zu beruhigen.

Allerdings half das Zunaes Gefühlen nur wenig. Trotzdem lächelte sie vorsichtig. »Ich weiß und ich bin ja nicht allein.«

Obwohl der Pass, der die Nord- und Südlande trennte, recht gefährlich war, war er doch passierbar. Außerdem hatte sie Belle und Jane dabei. Die beiden Dienstmädchen, denen sie am meisten vertraute.

Aidina öffnete gerade den Mund, um noch etwas zu sagen, da tauchte Kali am Fenster auf. Das blaue Haar zu einem festen Zopf gebunden und das lockere Kleid, das sie zuhause immer trug, gegen eine dunkle Uniform getauscht. Auf der Brust dieser prangte das Wappen des Clans der Drachen in schimmernden Bronze. »Wir nähern uns dem Treffpunkt«, erklärte sie mit fester Stimme.

Während Aidina anzusehen war, wie ungern sie Zunae hier verlassen wollte, war Kalis Gesicht bar jeder Regung. Sie versteckte, was sie fühlte gut, denn sie wollte sich nicht erneut streiten.

Zunae kannte diesen Zustand. Einen, den sie auf dem Schlachtfeld zu oft gesehen hatte. Kali rechnete damit, in den Krieg zu ziehen. Was auch irgendwie der Fall war. Trotzdem machte sich Zunae Sorgen darum, dass sie die andere Partei vielleicht angreifen würde, sollte etwas schiefgehen. Was auch der Grund war, warum bisher nur per Brief kommuniziert wurde.

»Es wird alles gut gehen. Kein Grund, so angespannt zu sein«, sagte Zunae sanft, die einfach nur ihrer kleinen Schwestern etwas den Druck und die Angst nehmen wollte. Wie nervös sie selbst war, versteckte sie gut.

Kali verzog den Mund und verschwand vom Fenster. Wenn Zunae das sagte, würde es so sein, doch gefallen tat es ihr nicht. Sie war absolut gegen diese Reise. Vor allem mit so wenigen Begleitern.

Wer war nur auf die Idee gekommen, mitten auf dem Pass, zwischen den Gebirgen, den Austausch vorzunehmen? Was, wenn die Nordlande sie reinlegten?

Geplant war, dass sie sich trafen, Zunae mit dem Prinzen der Raenacs ausgetauscht wurde und die Reise dann wieder zurückging. Was Kali jedoch nicht verstand war, warum Zunae darauf bestanden hatte, dass nur sie, die Dienstmädchen, Aidina und Ilan mitkamen. Sie hätte lieber ein ganzes Heer gesehen, das Zunae beschützte. Was, wenn Harpyien sie angriffen? Diese lebten immerhin im Gebirge und waren eine Gefahr für sie alle.

Kali war zwar eine gute Kriegerin, doch in Sachen Taktik war sie wirklich nicht besonders gut. Sie verstand daher auch nicht, dass ein großes Heer ihre Bewegungsfreiheit noch mehr einschränkte. Der Pfad war schmal und die Klippen links und rechts sorgten dafür, dass es schwer war, neben der Kutsche zu reiten. An einigen Passagen war es sogar schwer, mit der Kutsche vorbeizukommen. In einer kleinen Gruppe hatten sie einfach mehr Möglichkeiten und Zunae hatte ihre besten Krieger dafür ausgewählt. Kali und Ilan vertraute sie mehr als allen anderen.

Ihr Ziel kam in Sicht und Kali spannte sich noch mehr an. Es war ein Bereich, der groß genug war, damit sie die Kutschen leicht wenden konnten.

So, dass zwei Kutschen halten konnten, ohne dass sie sich in die Quere kamen.

»Sie sind schon da«, bemerkte Ilan, der auf der anderen Seite der Kutsche ritt und eine bessere Sicht hatte. Er war angespannt, denn wie Kali rechnete auch er mit einem Hinterhalt. Er sehnte ihn sogar herbei, denn dann könnte er Zunae schnappen und mit ihr in die Südlande zurück fliehen.

Es war ein egoistischer Gedanke, doch er wollte diesen Austausch irgendwie aufhalten. Gleichzeitig hielt er sich zurück, da er Zunae vertraute. Er wusste, dass sie ihre Gründe hatte, auch wenn es ihm nicht gefiel.

Sofort verspannte sich Kali nur noch mehr. Ihre Hand ging wie selbstverständlich zu ihrem Schwert, das an ihrer Seite hing, während ihre Augen die Umgebung absuchten. Potentielle Vorteile nahm sie sofort in sich auf, um einen guten Kampf liefern zu können. Allerdings ermahnte sie sich zur Ruhe. Zunae hatte gesagt, dass alles gut gehen würde und sie Ruhe bewahren sollte. Nur war das nicht so leicht.

»Wir halten hier«, entschied Kali. Belle, welche die Kutsche mit der Königin steuerte, ließ die Pferde sofort langsamer werden, bevor sie hielten. Sie war ähnlich angespannt wie die anderen, doch mehr, weil sie bisher noch nie mit den Nordländern in Kontakt gekommen war. Sie hasste diese, weil sie ihre Eltern getötet hatten, verstand aber, dass der Krieg Schuld war. Dass dieser durch eine Hochzeit aufhören würde, sah sie jedoch noch nicht. Für sie war es im Moment nur wichtig, an der Seite ihrer Königin zu stehen und diese zu beschützen. Belle erkannte das Opfer, das sie bereit war zu bringen, und würde daher alles tun, um diesen Krieg zu beenden.

Die Männer, die auf einigem Abstand warteten, waren Kali nicht fremd. Sie war ihnen auf dem Schlachtfeld schon mehrere Male begegnet und wusste, dass die drei Prinzen erbarmungslose Krieger waren.

Besonders gefährlich war der Mann mit den kurzen, braunen Haaren und grünen Augen, obwohl er eine unauffällige Rüstung trug.

Sein Name war Yelir und er galt als unberechenbar und sehr gefährlich. Kali hatte bisher nur ein einziges Mal mit ihm gekämpft und wäre Nuya nicht dazwischengegangen, hätte sie vermutlich verloren.

Eben jener hatte seinen Blick fest auf Kali gerichtet und versteifte sich. Wut flackerte in seinen Augen, doch er versuchte sich zurückzuhalten. Auch ihm waren die Ankömmlinge nicht fremd. An den Kampf mit Kali erinnerte er sich sehr gut und auch Ilan erkannte er vom Schlachtfeld wieder.

Yelir war es, der diese Hochzeit angestrengt und gegenüber seinem Vater verteidigt hatte. Er wollte nicht selbst derjenige sein, der sie ruinierte. Trotzdem konnte er nicht anders als Hass empfinden, wenn er sie sah. Der blaue Blitz hatte viele seiner Männer getötet. Er hoffte sehr, dass nicht sie diejenige war, die als Prinzessin ausgewählt war. Damit würde Yelir nicht zurechtkommen.

Misha, sein kleiner Bruder, legte ihm eine Hand auf die Schulter, was Yelir zucken ließ, bevor er zu ihm blickte. Sein blondes Haar war zu einem lockeren Zopf gebunden und der Heiler lächelte beruhigend. Er hatte nicht einmal gegen die Idee protestiert. Im Gegenteil. Misha freute sich über die Möglichkeit, Frieden zu stiften.

Yelir unterdrückte ein Knurren. Er hasste es, dass Misha zugestimmt hatte. Nun würde er in die Familie der Naytas einheiraten. Für sie ein riesiger Verlust, da er einer der besten Heiler ihrer Generation war, doch sonst blieb nur Degoni und dieser war ungeeignet.

Was er nun auch deutlich zeigte, da er angespannt und böse dreinblickte. Er gab sich nicht einmal Mühe, seine Gefühle zu verstecken. Die ganze Situation war für ihn einfach nur absurd.

Sie alle machten kein gutes erstes Bild, doch auch die Frau, die nun aus der Kutsche stieg, war ihnen nicht unbekannt und heizte ihre Wut nur noch mehr an.

Aidina trug kein Kleid, sondern ebenfalls eine Uniform, was die Raenacs nur noch mehr beunruhigte. Zusammen mit Kali sah sie eher aus, als würde sie auf ein Schlachtfeld treten. Was allerdings auch für die Männer in ihren Lederrüstungen galt.

Eine Kriegerin und eine Heilerin. Als würden sie in den Kampf ziehen wollen, jedoch nicht unähnlich ihrer eigenen Zusammenstellung.

War sie die auserwählte Prinzessin? Tauschten sie Heiler gegen Heilerin? Das wäre vielleicht nicht übel, aber einen wirklichen Vorteil brachte es ihnen nicht.

Yelir beobachtete, wie Aidina die Hand ausstreckte und Zunae aus der Kutsche half.

Das schimmernde Kleid wallte um ihren Körper und verlieh ihr einen eleganten, edlen Ausdruck.

Als sie vorsichtig die Stufen hinabstieg, fiel der Rock so, dass ihr Bein sichtbar wurde. Etwas, das bei den Frauen der Raenacs absolut tabu war und bei Yelir einen Nerv traf.

Er musterte sie weiter und stellte fest, dass das Kleid zwar edel und elegant, doch auch freizügig war. Es betonte ihre Figur auf eine Art und Weise, die vielen Männern in den Nordlanden den Kopf verdrehen würde. Einfach, weil es bei ihnen unmöglich wäre, so etwas außerhalb des Ehebettes zu sehen.

Yelir musterte sie weiter, doch als er an ihrem Gesicht ankam, erstarrte er.

Es war sanft, rundlich und die großen, goldenen Augen sehr anziehend. Yelir lief ein Schauer über den Rücken, als diese Augen sich auf ihn richteten. Er hatte sie noch nie gesehen, denn an solche Augen würde er sich erinnern.

Auch das rote Haar, das wie Feuer tanzte, während sie sich langsam bewegte, wäre ihm in Erinnerung geblieben.

»Eine unbekannte Prinzessin«, murmelte Degoni neben ihm, der ähnlich fasziniert wie sein Bruder war, doch nicht vergaß, dass sie es hier mit dem Feind zu tun hatten. Er war bereit, jederzeit loszuschlagen.

»Guten Abend, die Herren«, grüßte Zunae mit sanfter Stimme und vollführte einen leichten Knicks, der Yelir für einen Moment den Atem raubte. Wie konnte eine Frau nur so strahlen? »Mein Name ist Zunae Naytas. Ich werde Euch in Euer Land begleiten«, sagte sie, damit keine Missverständnisse entstanden.

Yelir hielt die Luft an und weitete minimal seine Augen. Er hatte sie zwar noch nie gesehen, doch der Name kam ihm bekannt vor. Zunae. Die Königin der Südlande. Eines der wohl gehüteten Geheimnisse der Naytas. Ausgerechnet sie sollte als Braut fungieren? Das konnte doch nur eine Falle sein.

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