Kapitel 39 *neu*
Als Zunae Dravern erreichte, wunderte sie sich über den großen, hölzernen Wall, der diese umgab.
Aufregung machte sich in ihr breit, denn es gab sogar ein Haupttor, das von Soldaten bewacht war.
War das vielleicht die erste Stadt, die sie in den Nordlanden sehen würde? Wie waren sie aufgebaut? Was unterschied sie von Kavalare?
Arcas ritt voraus und blieb kurz bei den Soldaten stehen. Zunae folgte ihm zwar, versteckte sich aber so gut es ging unter ihre Kapuze. Sie hoffte darauf, dass die Männer keine Fragen stellten, weil Arcas dabei war. Als Mitglied der Raenac-Familie hatte er sicherlich einiges an Ansehen und war bekannt.
»Lord Arcas«, erklang die raue Stimme des Mannes, der auf der Rechten stand. Sofort spannte sich der andere an, als hätte er bis eben nicht gewusst, wer er war. Das ließ Zunae leicht schmunzeln.
»Wir sind hier, um mit Fürst Dravar zu sprechen«, erklärte Arcas unumwunden.
Die Wache nickte, bevor er zur Seite trat und ihn einließ. Sie waren dazu da, um die Stadt zu schützen, nicht, um die Händler oder Besucher zu kontrollieren.
Zunae folgte schnell und sah sich neugierig um.
Die Straßen waren mit Kies markiert und so breit, dass Kutschen leicht darauf Platz hatten und sich ausweichen konnten. Das war anders als in Kavalare. Ansonsten sahen die Häuser jedoch ähnlich aus. Einfach und kaum mit dem zu vergleichen, was sie aus den Südlanden kannte. Vorrangig waren Holz und Schilf verarbeitet. Kein Stein. Außerdem gab es nur wenig mehr Häuser als in Kavalare.
Was Zunae jedoch erst nach ein paar Minuten bemerkte, war das Haus, das den Mittelpunkt bildete. Es war tatsächlich aus Stein und ähnelte einer kleinen Burg. Sie brauchte nicht zu fragen, was es war. Es konnte nur das Zuhause des Fürsten sein.
Arcas steuerte direkt darauf zu.
Zunae würde ihm das Gespräch überlassen und zuhören. Es wäre zu auffällig, wenn sie sich in die Unterhaltung einmischte. Dann würde man vermutlich auch ihre Stimme als weiblich erkennen. Leider war sie nicht besonders gut darin, diese zu verstellen. Sie konnte ihre Vertrauten nutzen, doch noch war sie unsicher, in wie fern die magische Kette sie ihre Magie überhaupt nutzen ließ.
Sie wurden bemerkt, als sie das Grundstück betraten. Es war ein älterer Mann, die sofort auf sie zukam und sich verneigte. »Lord Arcas«, grüßte er, weil Arcas in der Gegend bekannt war. Er hatte sich in seiner Rolle als einer von Yelirs Generälen oft in die nahen Dörfer und Städte begeben, um Männer für die Front zu suchen. Trotzdem kannte er Fürst Dravar nicht. Nicht einmal von der Front. »Fürst Dravar erwartet Euch«, erklärte er schnell, was sowohl Zunse als auch Arcas verwunderte. Warum wurden sie erwartet? »Bitte folgt mir.« Der Diener erhob sich und führte sie dann Richtung Haus.
Zunae bemerkte sofort das geschäftige Treiben. Überall hischten Männer umher, die sich um alles kümmerten.
Als sie durch die Tür traten, wurden sie geben, ihre Mäntel abzugeben.
Während Arcas diesen auszog und dem Mann reichte, schüttelte Zunae lediglich ihren Kopf, was nicht weiter hinterfragt wurde.
Während der Mann sie in das Gauß führte, starrte Arcas ihn die ganze Zeit an. Irgendwoher kam er ihm bekannt vor, doch es gelang Arcas nicht zu sagen, woher er ihn kannte. War er vielleicht ein Veteran von der Front? Da er nicht viel jünger als Arcas schien, konnte es durchaus sein, dass sie ihre Ausbildung zusammen gemacht hatten.
»Fürst Dravar, Ihr habt Besuch«, verkündete der Mann, als er in eine Raum trat. Erst danach ließ er Arcas und Zunae eintreten.
In dem Moment, als Arcas den älteren Mann erblickte, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Jerome«, bemerkte er perplex, was Zunae verwunderte. Hatte er nicht gesagt, er kenne ihn nicht?
»Arcas«, grüßte der Mann mit den grauen Haaren und erhob sich. Dabei fuhr er sich über seinen Bart, der ein Lächeln teilweise versteckte. »Es ist lange her.«
Arcas wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er hatte nicht erwartet seinen alten Lehrmeister hier vorzufinden. »Ich wusste gar nicht, dass du ein Fürst geworden bist«, platzte es aus Arcas heraus. Dravar war kein Nachname, den er schon immer besessen hatte, daher hatte er ihn nicht zuordnen können.
Zunae, die nicht ganz verstand, zupft leicht an Arcas Oberteil.
Dieser wandte sich leicht zu ihr um. »Sobald ein Mann Oberhaupt eines Dorfes wird, nimmt er einen Namen passend zu seiner Stellung an. Darum konnte ich ihn nicht gleich einordnen«, erklärte Arcas das, was für seine Region normal war.
Zunae verzog das Gesicht. Für Arcas war es vielleicht Tradition und ergab Sinn, für sie aber barg es viele Gefahren. Es war viel zu leicht, unterzutauchen oder ganz zu verschwinden.
Was Zunae auch nervös machte, war die Tatsache, dass Arcas ihn kannte. Würde er trotzdem weiter bohren können, um herauszufinden, was los war?
»Dein Diener hat gesagt, du würdest uns erwarten. Ich wüsste nicht, dass ich mich angekündigt habe«, bemerkte Arcas, der durchaus gewillt war, weiter an der Sache zu arbeiten. Selbst ihm wurde langsam klar, dass hier irgendwas nicht stimmen konnte.
Jerome lachte gut gelaunt und deutete auf den Tisch, der gerade von Dienern mit Tee und Keksen gedeckt wurde. Ein Luxus, den Arcas aus dem Harem kannte. Für Zunae, die seit ihrer Ankunft hier auf derlei Dinge verzichtet hatte, zeigte es nur zu gut, wie reich Jerome war.
»Ihr seid wegen der Minen hier, nehme ich an. Da jetzt der Krieg vorbei ist, ist es Natürlich nicht mehr nötig, dass ich der Burg die Magiesteine zu einem Vorzugspreis verkaufe. Mich würde es nicht wundern, wenn ihr die Verträge auflösen wollt«, erklärte er frei heraus.
Es fiel Zunae schwer, in seinen Worten versteckte Botschaften zu lesen. Er meinte sie vermutlich ernst. Aber warum sprach er davon, dass die Burg die Steine zu einem Vorzugspreis einkaufte? An die Burg war nie eine Lieferung gegangen. Nur in den Finanzbüchern tauchte ein kleiner Gewinn auf.
Zunae runzelte die Stirn. »Sind die Minen Ihr Hauptgeschäft?«, fragte sie, wobei ihre Stimme leise, aber eindringlich klang.
Sofort erhielt sie Jeromes Aufmerksamkeit. Sein bohrender Blick direkt auf sie gerichtet, machte er den Dienern gegenüber eine scheuschende Geste.
Erst als sie den Raum verlassen hatten, wandte er sich Zunae zu. »Nein. Ich handle eher mit Waffen. Die Mienen bringen das benötigte Erz. Die Magiesteine sind eher Nebenprodukte. Auch, weil es hier niemanden gibt, der sie füllt. Weshalb mit der Verkauf an die Burg gelegen kam.«
Nickend nahm Zunae diese Informationen auf. Leere Magiesteine, die angeblich an die Burg verkauft wurden.
Sollten sie Jerome einweihen oder nicht? Wie sehr vertraute Arcas ihm? Sollte ie vielleicht Chiaki auf ihn ansetzen? Aber dieser war gerade dabei, Yelei zu folgen.
»Ich bin eigentlich hier, um dich zu bitten, die Verträge noch eine Weile bestehen zu lassen«, erklärte Arcas. Er glaubte nicht, dass Jerome etwas damit zu tun hatte. Vermutlich war auch er reingelegt worden. Das hieß sie mussten die Hintermänner finden. »Ich wollte nur sichergehen, dass die Steine gut ankommen. Das letzte Mal gab es Probleme mit Banditen«, erklärte Arcas, der diese Sache für sich nutzte. Viele Händler hatten aktuell damit Probleme.
»Ich habe von den Problemen gehört. Wir sind zum Glück bisher davon verschont geblieben«, erklärte Jerome erleichtert und nahm einen Keks.
Zunae fragte sich, ob das Glück war oder es eine Verbindung zu den Banditen gab. Allerdings waren das alles nur Spekulationen.
»Wir würden gern die nächste Lieferung begleiten. Wäre das in Ordnung?«, fragte Arcas. »Wir sind bemüht die Wege der Handelskarawanen sicherer zu gestalten und müssen dafür einen Einblick bekommen, welche Wege genutzt werden«, fügte er erklärend hinzu.
Jerome musterte ihn nur kurz, bevor er zu Zunae blickte. »Greift ruhig zu, Lady«, sagte er schmunzelnd.
Zunae versuchte nicht ertappt zu zucken. Sie hatte sich Mühe gegen, sich unter dem Umgang zu verstecken, doch ihre Stimme musste sie verraten haben. Da war es nun auch egal, dass sie ihre feingliedrigen Finger mit den zurechtgemachten Nägeln präsentierte. Kein Mann aus dem Norden würde sich die Mühe machen, seine Hände so zu pflegen. Daher hatte sie bewusst vermieden sie zu zeigen. Nun aber griff sie nach einem Keks, während sie Jerome beäugte. Er war ein gerissenen Mann, weshalb es ihr schwerfiel zu glauben, er wüsste nicht, was vor sich ging.
Obwohl Jerome ihr Geschlecht erkannt hatte, war ihm nicht in den Sinn gekommen, dass es sich vielleicht um die südländische Königin handelte, die Arcas begleitete. Viel mehr ging er von Königin Charlet aus, da sie Arcas Mutter war. Allerdings gab es für diese keinen Grund sich zu verstecken.
»Die nächste Lieferung findet in einer Woche gegen Morgen statt«, erklärte Jerome, wunderte sich aber, dass Arcas davon nichts wusste. Immerhin müssten die waren nur ein paar Tage später bei ihnen ankommen. Aber womöglich war es nicht er, der sich um die Annahme kümmerte.
Zunae biss in den Keks hinein, der beim schlucken unangenehm kratzte. Sofort griff sie zum Tee, Mühe sich aber ab, nicht das Gesicht zu verziehen. Das wäre unhöflich und der Keks schmeckte auch nicht schlecht. Sie wollte keinen falschen Eindruck übermitteln. Allerdings schien etwas mit ihr nicht zu stimmen.
Nach dem Keks und auch nach dem Tee fühlte sich ihre Kehle an, als würde etwas darin stecken. Das Bedürfnis zu Husten oder sich wenigstens zu räuspern, war groß, doch sie unterdrückte es.
Da Zunae noch nie krank war, konnte sie diese Anzeichen auch keiner Erkältung zuordnen. Auch das Gefühl in ihrer Nase, durch die ihr das Atmen immer schwerer fiel, war für sie neu.
»Dann werden wir wiederkommen«, erwiderte Arcas. Hier zu warten wäre verschwendet, auch wenn eine Reise zwei Tage Zeit brauchte. Er war es gewohnt, Spaß es langsamer ging und die Reisezeit lang war. So war es schon immer gewesen.
Zunae, die sich durchaus etwas mehr erhofft hatte, versuchte nicht zu seufzen. Dann würde sie wohl geduldig sein müssen. Etwas anderes blieb ihr kaum übrig.
»Bleibt doch noch ein bisschen«, schlug Jerome vor, der gern noch etwas mit seinem alten Schüler reden wollte.
Arcas erhob sich jedoch. »Wir müssen leider weiter«, erklärte er entschuldigend. Wenn sie sich beeilten, konnten sie den See heute noch erreichen. Dann verschwendete sie nicht noch einen Tag.
Ein Lachen entwich Jerome. »Immer auf dem Sprung«, bemerkte er, denn für ihn war Arcas schon immer sehr pflichtbewusst gewesen. »Du willst den Harem nicht zu lang allein lassen, oder?«, mutmaßte er. Etwas, das Arcas gerade recht kam, auch wenn es nicht stimmte. Tatsächlich wollte er einfach noch mehr Zeit mit Zunae verbringen. Allein.
»Mutter wird immer so unruhig, wenn ich zu lange weg bin«, stimmte Arcas zu, der die Vorlage nicht ungenutzt lassen wollte. Dass er damit jedoch verriet, dass es sich bei der Frau an seiner Seite nicht um Charlet handelte, ahnte er nicht. Das machte Jerome neugierig. Vor allem da Arcas nicht bekannt dafür war, mit Frauen zu reisen.
Es gab zwar Gerüchte, dass er einigen Frauen aus dem Harem den Kopf verdrehte, doch Jerome hatte diese bisher nie geglaubt.
»Kann ich verstehen. Wird deine Begleitung das nächste Mal auch wieder dabei sein?«, fragte er, da er hoffte so mehr über die Frau zu erfahren, die Arcas Favoritin zu sein schien.
»Wenn es sich ergibt«, erwiderte Arcas vage und mit einem Lächeln, das eine herausfordernde Note hatte. Dann deutete er Zunae als erstes zu gehen, sodass er ihr den Rücken decken konnte. Arcas rechnete mit allem, weshalb er erleichtert war, als sie wieder draußen waren. Ihm war klar, dass er Zunae einer größeren Gefahr ausgesetzt hatte, als er erst angenommen hatte. An dieser Sache war wirklich etwas faul und wie tief sein Lehrmeister darin steckte, konnte er schwer sagen. Das würde die Zeit zeigen müssen.
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