Kapitel 28 *neu*

Zunae rieb sich die Schläfen, als sie sich zu Yelir an den Tisch setzte. Heute gab es Fisch, der wirklich wunderbar duftete. Allerdings sah es nicht aus wie ein Gericht, das Belle oder Jane gekocht hatte. Die Gewürze rochen anders, was Zunae neugierig machte. Neugierig genug, um zu vergessen, dass sie sich mit Charlet angelegt hatte. Zunae war bereits klar gewesen, dass es vermutlich einige Probleme in ihrer neuen Heimat geben würde, doch dass ausgerechnet die Frau des ehemaligen Königs mit ihr Probleme haben würde, hatte sie nicht angenommen. Es überraschte sie, dass sie mit den Männern wesentlich besser klarkam, als mit Charlet. Auch, wenn sie Lacrew nicht wieder gesehen hatte.

Allerdings bemühte sich Zunae auch nicht darum, weiter in die Angelegenheiten der Familie hineingezogen zu werden. Ihr Ziel war es, Yelir für sich zu gewinnen, damit er sie nicht mehr so sehr im Auge behielt und sie sich auf das vorbereiten konnte, das auf sie zukommen würde. Immerhin hatte sie sich schlussendlich nur für diese Hochzeit entschieden, weil die Nordlande zu stärken der sicherste Weg war, um ihr eigenes Volk zu schützen. Nur so konnte verhindert werden, dass die Dunkelheit, die sie gesehen hatte, über die Nordlande rollte und dann die Südlande verschlang.

»Was schaust du so nachdenklich?«, fragte Yelir, dem Zunaes verbissener Ausdruck und ihre Geste nicht entgangen war. Sie wirkte erschöpft, dabei hatte sie heute nichts zu tun gehabt. Zumindest nichts, was er wusste. Yelir hatte gehofft, sie nutzte die Zeit, um sich auszuruhen. Er selbst hatte den Tag mit den Berichten seines Bruders zugebracht. Berichte, die ihn sehr beunruhigten, denn die Banditenangriffe nahmen zu.

Viele Männer waren, so Degonis Vermutung, nicht mehr in der Lage, ihre Familien zu versorgen und begannen daher, von reichen Händlern zu stehlen. Nur sorgten sie so dafür, dass der Handel zunehmend schwieriger wurde, was auch die Waren teurer machte. Darum diskutierten sie gerade die Möglichkeit einer Finanzierung für Söldner. Die Soldaten, die einst auf den Schlachtfeld gekämpft und so ihren Lohn verdient hatten, können für die Händler als Begleitung angestellt werden. Nur konnten sich das die Händler selbst nicht leisten, ohne die Endpreise erneut zu erhöhen. Was aber dazu führte, dass die Bevölkerung sich noch weniger leisten konnte. Allerdings war auch nicht mehr genug Geld da, um viel dazu zu geben. Die Abgaben aus den Dörfern war so weit gesunken, dass kaum noch Geld in der Staatskasse war. Und durch die ausbleibenden Eroberungen in den Südlanden, wurden diese Einbuße auch nicht wieder aufgefangen.

Yelir hatte zwar darüber nachgedacht, Zunaes Mitgift zu nehmen, doch noch hatte es keine Hochzeit gegeben. Er wollte sie so bald wie möglich, doch sowohl sein Vater, als auch sein Bruder wollten Zunae vorher noch weiter beobachten. Eine Hochzeit machte es endgültig und dafür scheuten sie zurück. Im Gegensatz zu den Südlanden.

»Ich versuche nur herauszufinden, was das für ein Gericht ist«, erklärte Zunae, die den Fisch vorsichtig zerlegte.

Zum Glück funktionierte die Kette nicht immer und so war es ihr durchaus möglich, Yelir anzulügen oder eher nicht die ganze Wahrheit zu sagen. »Außerdem war der Tag anstrengend«, gab sie jedoch trotzdem zu, da sie ein Gespräch beginnen wollte. Darum sah sie nun auch auf und lächelte. »Aber vermutlich nicht so anstrengend, wie deiner.«

Hoffentlich ging Yelir darauf ein, denn sie wollte nicht über Belanglosigkeiten sprechen. Ihr Pensum dafür hatte sie heute bereits mit Charlet verbraucht.

»Ich habe gehört, Charlet hat dich in den Harem geführt«, bemerkte er, wobei eine unausgesprochene Frage in seinen Worten mitschwang.

»Ja. Sie hat mit den Schneider Anui vorgestellt«, erklärte Zunae, die fein säuberlich die Gräten aus dem zartrosa Fleisch des Fisches entfernte. »Er soll mir passende Winterkleider machen.« Zumindest war das Charlets Intention.

Yelir nickte. »Sofern du sie brauchst«, sagte er, auch wenn er sich nicht ausrechnen wollte, was das schon wieder kosten würde.

»Eigentlich nicht, aber Charlet hat sich nicht davon abhalten lassen. Ich glaube, sie findet meine Kleider ... unpassend«, bemerkte Zunae, wobei sie aus den Augenwinkeln Yelirs Reaktion beobachtete, dabei aber wirkte, als wäre es ihr egal und sie ganz auf ihren Fisch fokussiert.

Ein Schmunzeln huschte über Yelirs Lippen. »Sie sind wirklich ungewöhnlich«, stimmte er zu, klang aber eher belustigt. Das passte zu Charlet und er hatte nichts anderes von ihr erwartet. Sie glaubte jede Frau, die einen ihrer Söhne ansah, würde sie verzaubern und in ihren Bann ziehen wollen. Dass sie ähnliches damals mit Lacrew gemacht hatte, schien sie immer wieder zu vergessen.

Zunae verzog die Lippen. »Wenn mir seine Entwürfe gefallen, würde ich ihn gern mein Hochzeitskleid entwerfen lassen«, sagte sie, obwohl sie eines dabei hatte. Die lokale Wirtschaft zu stärken, wäre jedoch wichtiger.

Yelir hob die Augenbraue. »Es gibt noch keinen Termin für die Hochzeit«, erinnerte er sie, was Zunae schmunzeln ließ.

»Ich weiß. Allerdings gibt es wohl schon Pläne, wann meine Schwester heiraten wird«, sagte sie, denn erst heute Morgen war ein Brief angekommen.

»Misha hat mir ähnliches geschrieben«, erwiderte Yelir, der Zunae weiterhin anblickte und nur an seinem Wein nippte, statt zu essen. Es war viel zu interessant zuzusehen, wie sie versuchte jede Gräte zu erwischen. Fast so, als hätte sie Angst, daran zu ersticken. »Sie wollen den Winter abwarten, damit wir bei der Hochzeit dabei sein können«, erklärte er, was Zunae überrascht innehalten ließ.

»Das erklärt es«, sagte sie, denn das Datum lag noch ein wenig in der Zukunft, doch sie hatte nicht verstanden, warum. Wenn sie jedoch daran dachte, dass der Winter in den Nordlanden bald anstand, ergab es Sinn.

»Willst du sie ebenfalls einladen?«, fragte Yelir, der sie genau musterte. An sich hatte er nie darüber nachgedacht, dass das eine Möglichkeit war. Er hatte bisher immer vergessen, dass sie auch eine Familie hatte. Nach Mishas Brief und seinem eigenen Wunsch, seinen Bruder zu sehen, fragte er sich, ob es ihr auch so ging.

Zunae senkte den Blick wieder auf ihr Essen. Sie machte sich Sorgen, dass ihre Schwestern herausfanden, was sie wirklich dazu bewogen hatte, in die Nordlande zu gehen. Oder, dass sie doch noch einmal über den Entschluss nachdachten.

»Müssten wir dafür warten, bis der Winter vorbei ist?«, fragte sie, denn das war ihr zu lange. Allerdings wollte sie nicht, dass sich Yelir gedrängt fühlte. Für sie war klar, dass er sie noch immer versuchte, einzuschätzen.

»Wenn wir sie abhalten, bevor der Winter startet, nicht. Aber ... so wichtig mir der Frieden ist ...«, setzte er an, wusste aber auch nicht, wie er erklären sollte, dass er ihr noch immer nicht vertraute.

Zunae hob die Hand und fuhr damit über den kleinen Halbmond des Artefaktes. Allerdings sagte sie nichts, was Yelir seine Worte noch einmal überdenken ließ. Jedoch fiel ihm nicht ein, wie er seinen Satz noch retten konnte.

»Ich verstehe, dass du mir nicht vertraust«, sagte sie schließlich mit einem leisen Seufzen, bevor sie mit der Gabel den Fisch nahm, ihn aber nur anstarrte. »Da Frauen bei euch nicht die gleichen Rechte haben, wie Männer bei uns, muss es wohl noch schwieriger sein«, bemerkte sie und nahm dann die Fisch in den Mund.

Ein saftiger, leicht buttriger Geschmack machte sich in ihrem Mund breit, den Zunae so nicht kannte.

Sie genoss ihn und nutzte es als Ausrede, nicht weiter zu sprechen. Eigentlich wartete sie auf Yelirs Antwort, doch dieser schwieg. Er griff nach seinem Wein und nahm einen Schluck.

Nur das Besteck durchbrach ab und an die Stille zwischen ihnen, während sie aßen und ihren eigenen Gedanken nachhingen.

Es war schließlich Yelir, der diese Stille wieder unterbrach. »Ich habe ein paar Anwärter auf die Stellen der Diener. Sie alle entsprechen deinen Anforderungen«, sagte er schließlich und blickte abwartend auf Zunae.

Diese wischte sich gerade den Mund ab und hielt einen Moment inne. »Wann kann ich sie sehen?«, fragte sie, denn eine Bedingung war es gewesen, sie erst einmal kennenzulernen. In einem intensiven Gespräch. Immerhin musste sie sichergehen, dass die Kandidaten alle passend waren.

»Ich habe sie für morgen einbestellt«, erklärte Yelir, der bereits alles geregelt hatte. Die Kandidaten würden morgen erscheinen, damit sie eine Entscheidung fällen konnte. »Ich habe morgen auch nichts vor«, fügte er hinzu, denn er wollte dabei sein. Nicht nur, weil er Zunae überwachen wollte, sondern auch, weil er neugierig war.

Zunae strahlte. »Ich freue mich schon drauf«, sagte sie voller Vorfreude. Sie konnte es kaum erwarten.

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