Kapitel 25 *neu*

Zunae fühlte sich unwohl, als sie Yelir hinterherritt. Dass er ihr überhaupt erlaubt hatte, ein eigenes Pferd zu nutzen, überraschte sie. Fühlte er sich allein durch die Kette wirklich so viel sicherer in ihrer Gegenwart? Wenn ja, wäre das sehr beruhigend. Zunae war nicht dumm. Ihr war aufgefallen, dass die ehemaligen Bediensteten auf sie hinabgesehen, sie aber gleichzeitig gemieden hatten. Auch Charlet hatte sich in ihrer Gegenwart unwohl gefühlt.

»Wo willst du mit mir hin?«, fragte Zunae zum wiederholten Male, auch wenn sie sich keine andere Antwort erwartete.

»Das wirst du sehen«, erwiderte Yelir mit einem Schmunzeln. Eine Antwort, die er in der letzten Stunde schon zweimal gegeben hatte. Er hatte erwartet, dass sie irgendwann einfach umkehrte, wenn er ihr nichts sagte, doch stattdessen genoss es Zunae, auszureiten. Auch, wenn sie neugierig war. Yelir bekam von ihr jedoch nicht das Gefühl der Ungeduld.

Sie konnte jedoch so oft fragen, wie sie wollte. Dass sie nach Kavalare ritten, wollte er ihr nicht verraten. Außerdem hatte er sie die ganze Zeit im Blick. Es war das erste Mal, dass sie die Burg verließ, weshalb er aufpasste, dass sie nicht versuchte zu fliehen. Er glaubte zwar nicht daran, doch Degoni hatte ihn gebeten, dennoch vorsichtig zu sein.

Mit der Kette konnte er sie zwar überall ausfindig machen, doch solange es nicht nötig war, wollte er das Artefakt nicht überstrapazieren.

Zunae genoss es einfach erst einmal, die Umgebung der Nordlande zu erkunden. Ihr war zwar kalt, weshalb sie einen Mantel trug, der einen Pelzkragen besaß, doch das hinderte sie nicht daran, zu genießen.

Die Umgebung war von Wäldern und Wiesen dominiert, die jedoch nicht ansatzweise so fruchtbar waren wie in den Südlanden. Der Boden war oft steinig und rau. Die Wälder hatten sich irgendwie in einer recht zerklüfteten Landschaft gebildet und trotzten dem Wetter.

»Was ist das hier?«, wollte Zunae wissen, die erneut an einem Baum vorbeikamen, den sie nicht kannte. Es waren wieder die großen Palmen, die sie aus Savrana kannte, noch die Bäume aus Naytan, die große, hellgründe Blätter trugen. Diese Bäume hatten einen dunklen, recht gerade Stamm und nur sehr kleine Äste, die dunkelgrüne, nadelartige Blätter trugen.

»Bäume«, bemerkte Yelir, der ihre Frage nicht ganz verstand. Er ritt sogar zu Zunae zurück, um zu sehen, ob sie vielleicht etwas im Baum entdeckt hatte.

Diese streckte jedoch nur ihre Hand nach den Nadel aus. »Ich habe solche Bäume noch nie gesehen«, sagte sie und zuckte leicht zurück, als sie bemerkte, dass die Blätter wirklich unangenehm anzufassen waren.

Es überraschte Yelir, dass sie so offen war. Er hätte nicht erwartet, dass so ein einfaches Ding sie derart faszinieren würde. Yelir erkannte sogar das Schimmern ihrer Augen, das sie irgendwie überraschend niedlich machte.

Als er bemerkte, dass er sie anstarrte, wie sie fasziniert den Baum betrachtete, räusperte er sich leise. »Vermutlich, weil der Wetterunterschied so groß ist«, bemerkte er.

Immerhin war ihm durchaus aufgefallen, dass sie sehr viel trug, im Gegensatz zu den Frauen seines Landes.

Als er sie das erste Mal gesehen hatte, war ihr Kleid leicht und vermutlich auch sehr kühl gewesen. Jetzt aber war ihr Körper komplett bedeckt und sie trug sogar einen Mantel darüber. Dabei war es noch nicht einmal Winter. Ob sie sehr fror?

»Mir war nicht bewusst, dass es so einen großen Unterschied gibt«, murmelte Zunae. Als sie hier angekommen war, war es kühl gewesen. Nicht so unangenehm, wie sie erwartet hatte, allerdings hatte sie zu dem Zeitpunkt auch noch nicht gewusst, dass es noch kein Winter war. Daher hatte sie sich auch nicht darauf eingestellt, dass es noch kälter wurde. Zum Glück half ihre Magie, damit sie nicht zu sehr auskühlte. Für jemand mit Drachenblut war Kälte fatal. Eine Schwäche, die sie alle geheimhielten, weshalb sie auch versuchte, Yelir nichts in diese Richtung zu verraten.

»Du wirst dich an die Kälte gewöhnen. In ein paar Wochen sollte der erste Schnee fallen«, erklärte Yelir, der sie nicht aus den Augen ließ.

Zunae erschauderte allein bei dem Gedanken. »In Naytan hat es eher selten geschneit«, bemerkte sie und hoffte, dass es nicht zu viel Schnee geben würde.

Allerdings wurden ihre Befürchtungen bestätigt, als sie sich zu Yelir umdrehte und einen skeptischen Blick erhielt. Sie würde wirklich aufpassen müssen. Hoffentlich gelang es ihr, diese Schwäche mit ihrer Magie zu verdecken.

»In den Nordlanden liegt fast die Hälfte des Jahres Schnee«, informierte Yelir, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, als er Zunaes entsetzten Gesichtsausdruck sah.

In einer Geste, die Yelir als sehr niedlich empfand, schlang sie die Arme um sich und erzitterte, obwohl er nicht glaubte, dass ihr kalt war. Es schien die Vorstellung zu sein, was Yelir noch mehr schmunzeln ließ. Zu sehen, dass sie auch ein paar Schwachstellen hatte, machte sie nahbarer und niedlicher.

Schnell schüttelte Yelir diese Gedanken ab. Jetzt, wo sie die Kette trug, fühlte er sich zwar sicher genug, sie auch als Frau und nicht nur als Feindin zu sehen, doch er musste trotzdem noch immer vorsichtig sein.

»Wir sollten jetzt weiter, wir haben einen straffen Zeitplan«, bemerkte Yelir, der sie noch immer genau beobachtete.

Überraschung huschte über Zunaes Gesicht, als sie wieder zum Pferd lief und aufstieg. »Das hast du gar nicht gesagt«, bemerkte sie, wobei ihre Lippen leicht verzogen waren. »Dann hätte ich nicht gestoppt«, fügte sie hinzu, als Yelir schon kurz glaubte, dass sie sich darüber ärgerte, dass sie etwas zu tun hatten. Allerdings klangen ihre Worte eher, als wollte sie ihn nicht von Wichtigerem abhalten.

Das war ihm an ihr schon mehrmals aufgefallen. Sie wirkte immer, als wäre alles andere wichtiger als sie.

»Dafür haben wir noch Zeit«, versicherte Yelir, der sein Pferd wieder in die richtige Richtung lenkte. Zunae in seinem Rücken zu haben, war nicht mehr ganz so unangenehm, obwohl er trotzdem noch den Drang hatte, sie sehen zu wollen. Vielleicht, weil ihre Emotionen in ihrem Gesicht so gut zu lesen waren.

Das war zwar auch bei anderen Frauen der Fall, doch bisher hatte sich Yelir nicht sonderlich dafür interessiert.

Er wusste, dass sein Bruder Degoni und auch Dainte einige nächtliche Abenteuer hatten, wie es für die Blutlinie der Seelenkatzen üblich war, doch er hatte sich nie für Frauen interessiert. Noch nicht einmal auf die Art und Weise, wie es Misha tat.

Aber seitdem Zunae hier war, drängten sich Fragen auf, die ihn vermuten ließen, dass er gerade in eine Phase kam, die sein Vater als Erwachen des Blutes bezeichnete.

Es gab gute Gründe, warum der Herrscher der Seelenkatzen und seine männlichen Nachkommen einen Harem voller Frauen hatten. Dass Lacrew mit mehreren Frauen Kinder hatte, zeigte nur zu deutlich, wie aktiv er war.

»Stimmt etwas nicht?«, erklang Zunaes Frage. Erst jetzt bemerkte Yelir, dass er mit seinem Pferd so langsam war, dass er fast stehenblieb.

Yelir schüttelte schnell den Kopf und ließ sein Pferd wieder loslaufen. Er versuchte sich, auf das zu konzentrieren, was kommen würde. Wenn er ehrlich war, hatte er Zunae absichtlich verschwiegen, was er vorhatte. Er war zu neugierig darauf, wie sie reagierte. Würde sie ihn enttäuschen oder eine gute Vorstellung abliefern?

Als sie sich Kavalare näherten, stieg seine Neugier.

»Ist das ein Dorf?«, fragte Zunae, der durchaus auffiel, dass es Felder gab, denen sie sich näherten. Sie glaubte sogar, in der Ferne die Dächer einiger Häuser zu erkennen. Allerdings waren es nicht sonderlich viele.

»Kavalare. Die Siedlung, welche der Burg am nächsten ist«, erklärt Yelir nun doch, sollte sie doch zumindest wissen, wo sie waren.

Er erkannte das Funkeln in ihren Augen, als sie weiter zu ihm aufschloss. Ihr Blick nach vorn gerichtet und voller Erwartungen.

Das sorgte dafür, dass Yelir sich ein wenig unwohl zu fühlen begann. Wie würde sie über die Siedlung denken? Würde sie sich darüber lustig machen? Kavalare war nicht mehr sonderlich groß und hatte durch den Krieg viel Schaden genommen. Es hatte im Laufe der Zeit mehr als die Hälfte seiner ursprünglichen Einwohner eingebüßt. Allerdings musste es in den Südlanden ähnlich aussehen. Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass sie viel größere Siedlungen hatte. Vielleicht die Hauptstädte, wenn sich dort die Bevölkerung tummelte.

»Die Bewohner der Nordlande waren früher Normaden, die mit den Pferden umhergereist sind. Es ist erst ein paar Generationen her, dass wir sesshaft geworden sind«, erklärte er, wobei er versuchte seine innere Unruhe zu verbergen.

Als sie noch umhergereist waren, hatten sie keine Vorräte anlegen können. Sie waren dazu gezwungen gewesen, der Nahrung zu folgen. In einem Land, das jedoch sehr harte Winter hatte, war das nicht immer einfach gewesen.

Yelir erinnerte sich nicht mehr an die Zeit, doch sein Vater hatte manchmal davon erzählt. Es war Yelirs Großvater gewesen, der die Burg errichtet hatte. Oder eher seinem ehemaligen Zweck wieder zugeführt.

Laut alter Legenden waren der Clan der Seelenkatzen über den Horizont gekommen und hatten sich dann in den Nordlanden niedergelassen.

Das war jedoch schon viele Jahrhunderte her und manchmal stieß Yelir auf seinen Reisen noch auf alte Bauwerke dieser Zeit. Die Nordländern mussten also am Anfang ihrer Ankunft hier sesshaft gewesen sein, bevor sie sich doch wieder dazu entschieden hatten, als Nomaden zu leben. Leider gab es über diese Zeit keine Aufzeichnung, weshalb auch Yelir nicht viel davon wusste. Hoffentlich fragte Zunae nichts, was er nicht beantworten konnte. Als Herrscher sollte er sein Volk besser kennen, doch historische Aufzeichnungen gab es kaum. Alles wurde mündlich überliefert, was es sehr anfällig für Änderungen machte.

Was Yelir jedoch mit Sicherheit wusste, war, dass er seine alte Heimat wieder blühen sehen wollte. Hoffentlich war seine Entscheidung richtig, auch wenn er nie zugeben würde, dass er Zunaes Hilfe dazu brauchte. Er selbst würde nicht viel ausrichten können.

»Das heißt, dass erst in den letzten Jahren diese Felder angelegt wurden?«, fragte Zunae, die sich bereits drauf konzentrierte, was hier angebaut wurde. Es war wichtig das zu wissen. Die Nordlande waren so ganz andere als die Südlande. In diesem Klima war es sicher schwierig, Gemüse oder Weizen anzubauen. Trotzdem schienen es die Bewohner dennoch zu versuchen. Ob Magie helfen könnte? Aber dazu würde es mehrere magischer Kristalle benötigen.

»Du siehst aus, als würdest du am liebsten wieder anhalten«, bemerkte Yelir, dem auffiel, dass sie langsamer wurde und die Felder genau musterte.

Zunae riss sich sofort davon los. Sie spürte Wärme in ihre Wangen steigen und hoffte, dass man nicht sehen konnte, dass es ihr ein wenig peinlich war. »Es interessiert mich, aber ich weiß, wir haben keine Zeit.«

»Mit welcher Waffe kämpfst du normalerweise?«, fragte Yelir ohne großen Kontext, was Zunae verwirrt die Stirn runzeln ließ.

»Einen Stab«, erwiderte sie, denn vorrangig war sie Magierin und keine Kriegerin. Mit dem Schwert konnte sie zwar auch umgehen, doch nicht so gut.

Yelir blickte zu Aaron, dem er zunickte. Dieser erwiderte das Nicken, bevor er zu einem kleinen Holzgestell ging, in dem Holzwaffen standen. Er griff einen Stab und ein Schwert, bevor er es zu Zunae brachte.

Diese kniff die Augen zusammen, nahm den Stab aber nicht entgegen. »Was genau wird das hier?«, fragte Zunae verwirrt darüber, warum ihr der Stab entgegengehalten wurde.

»Ein Wettkampf«, bemerkte Yelir mir einem Schmunzeln.

Zunae kniff die Augen zusammen, als ihr klar wurde, dass er offensichtlich wollte, dass sie gegen jemanden kämpfte.

Ergeben stieß sie die Luft aus und blickte dann an sich hinab. Der dicke Mantel war nicht gerade dazu geeignet, in einem Kampf genutzt zu werden. »Du hättest mich vorwarnen können«, bemerkte sie und öffnete den Mantel, um ihn sich von den Schultern zu streifen.

Darunter kam ein Kleid zum Vorschein, das ebenfalls nicht unbedingt für einen Kampf geeignet war. Es war jedoch so geschnitten, dass der Rock weit genug war, um damit gemütlich zu reiten. Das lag daran, dass der Rock aus mehreren Stoffen gemacht wurde, die zwar augenscheinlich einen ganzen Rock zeigten, doch genug Beinfreiheit gewährten.

Zunae hielt Yelir den Mantel entgegen, der ihn verwundert annahm. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie kommentarlos zustimmte. Wenn er ehrlich war, hätte er sich ein wenig Widerstand gewünscht, weil er sie necken wollte. Allerdings war er auch neugierig auf den Kampf, weshalb er sich den Mantel über die Schulter warf und Zunae deutete, endlich die Waffe entgegenzunehmen.

Aaron, der nicht erwartet hatte, dass sie ihren schweren Mantel ausziehen würde, konnte nicht anders, als sie anzustarren. Das Kleid, das sie trug, zeigte viel zu viel und sorgte dafür, dass er unruhig wurde. Wie sollte er gegen sie gewinnen, wenn er nicht einmal den Blick von ihr wenden konnte.

Er hatte noch nie gesehen, dass Stoff einen Körper so umschmeicheln konnte. Die Frauen in seiner Gegend trugen keine solchen Kleider. Einfache Leinenkleider, die warmhielten und eher versteckten, statt zeigten. Manchmal auch mit Fell, das nur noch mehr versteckte. Darum war auch die Kette an ihrem Hals, welche einen Halbmond mit einer Katze zeigte, deutlich sichtbar. Aaron kannte dieses Artefakt und spürte eine gewisse Erleichterung.

Schluckend griff er sein Schwert fester, als er sich abwandte und Richtung Kampfring ging. Er musste aufpassen, sich nicht ablenken zu lassen. Allerdings hatte er auch schon einmal auf dem Schlachtfeld gegen Südländer gekämpft. Allerdings waren ihre Rüstungen nicht so freizügig wie dieses Kleid.

»Keine Magie«, sagte Yelir, als Zunae Aaron folgte.

Diese blickte Yelir nur einen Moment an, in dem sie den Mund verzog und sich dann wieder abwandte.

Ihre Finger griffen den Stab fester, während sie gegen ihre innere Wut ankämpfte. Sie hasste es, dass er sie so einfach in diese Lage brachte. Es ärgerte sie sehr, dass er sie nicht vorgewarnt hatte. Allerdings würde es interessant werden. Wie stark Aaron wohl war? Vermutlich stärker als sie. Besonders, da sie die letzten Tage nicht wirklich geübt hatte. Allerdings war sie auch nicht so aus der Übung, dass ihr Körper nicht mehr mitmachte.

Sie würde sich so gut schlagen, wie sie konnte, denn es gab keinen Grund, dass sie unbedingt gewinnen musste. Da Zunae nicht wusste, was Yelir hier vorhatte, würde sie tun, was er wollte, ohne sich großartig zu verausgaben.

Aaron blickte zu Yelir, während er versuchte, Zunae erst einmal zu ignorieren. Er wollte sich nicht weiter ablenken lassen, fragte sich aber, warum Yelir noch einmal darauf hinweis, dass keine Magie benutzt werden sollte. Immerhin hatte er sein Artefakt gar nicht dabei und erkannte auch keines bei der Prinzessin. Außer die Kette, die sie an die Seelenkatzen band.

Als Aaron schließlich seinen Platz erreicht hatte, blickte er zurück zu der Prinzessin. Er ging noch immer davon aus, dass sie nicht gegen ihn antreten würde. Warum sollte eine Frau auch kämpfen? Allerdings erkannte er das Feuer der Vorfreude in ihren goldenen Augen, als sie zu ihm in den Ring trat.

Aaron ermahnte sich dazu, sie nicht zu sehen wie eine Frau von ihnen. Sie war eine Südländerin und er würde ihr begegnen wie auf einem Schlachtfeld, auch wenn sie viel schwächer aussah, als sie vermutlich war.

Wusste sie überhaupt, was auf dem Spiel stand? Hatte Yelir ihr irgendwas erzählt?

Wenn Aaron an die Unterhaltung der Beiden dachte, wirkte es nicht so. Er konnte auch nicht ahnen, dass sie nicht einmal davon wusste, dass es sich um eine Prüfung handelte.

Yelir hatte seine Gründe. Er wollte sehen, wie sie kämpfte, ohne, dass sie wusste, was am Ende für sie dabei raussprang. Außerdem wollte er ihr nicht etwas in Aussicht stellen, dass sie am Ende nicht haben konnte, weil sie vielleicht doch zu schwach war. Die Enttäuschung in ihren Augen wollte er nicht sehen.

Als Zunae gegenüber Aaron zum Stehen kam und die Kampfstange auf eine Art packte, die Yelir zeigte, dass sie wirklich Ahnung hatte, konnte er nicht anders, als zu lächeln.

»Der Kampf ist beendet, wenn einer aufgibt, länger als zehn Sekunden am Boden liegt, seine Waffe verliert oder den Ring verlässt«, erklärte Yelir mit erhobener Stimme, während sich die Dorfbewohner um den Kampfring versammelten. Er hörte sie tuscheln, ignorierte es aber.

Einige von ihnen waren neugierig, andere hatten Angst. Ein normales Verhalten. Was Yelir aber Sorgen machte, waren diejenigen, die ihn beschuldigten, eine arme Frau zu missbrauchen, um seine Ziele zu erreichen.

Es ärgerte ihn, weil die Worte im Grunde wahr waren. Er nutzte Zunae zu seinen Vorteilen, was er nicht tun würde, wenn sie eine von ihnen wäre. Aber sie bettelte seiner Meinung nach förmlich darum.

»Fragen?«, wollte er wissen, wobei er von Zunae zu Aaron blickte.

Beide schüttelten den Kopf und machten sich kampfbereit.

Yelir musste schmunzeln, als er die beiden betrachtete. Er spürte ein Kribbeln in den Fingern. Nordländer waren wirklich ein kämpferisches Geschlecht. Es wunderte ihn also nicht, dass auch Aaron einen Kampf suchte. Selbst gegen jemanden wie Zunae.

»Dann legt los«, wies Yelir an, der den Mantel in den Armen hielt und direkt auf den Kampf blickte.

Es war Aaron, der sich als erstes bewegte. Sein Angriff war langsamer als Yelir ihn aus der Schlacht kannte. Als würde er testen wollen, was Zunae konnte.

Diese wischte seinen Angriff mit ihrem Stab jedoch elegant bei Seite und nutzte dabei sogar seine eigene Angriffskraft, um ihn weiterzuleiten.

Aaron, der nicht damit gerechnet hatte, machte einen Ausfallschritt, während sich ein Lächeln auf seine Lippen schlich.

Er wirbelte herum und schlug erneut nach Zunae. Dieses Mal etwas schneller und stärker.

Erneut wurde sein Angriff geblockt und sein Holzschwert rutschte an dem Stab entlang, ohne Zunae zu verletzen.

Sie war besser als er erwartet hatte, was dafür sorgte, dass sein Blut in Wallung geriet.

Dieser Kampf begann, ihm Spaß zu machen und so wurden seine Angriffe schneller und stärker, doch Zunae ließ sich davon nicht verunsichern. Sie blockte, leitete die Angriffe weiter und wich aus, ohne ein Anzeichen von Erschöpfung.

Es war ihr zwar nicht erlaubt, Magie zu nutzen, doch der passive Effekt wirkte dennoch. Während Aarons Atmung immer angestrengter wurde und sich Schweiß auf ihrer Stirn bildete, sah man Zunae nicht an, dass dieser Kampf bereites fast eine halbe Stunde andauerte.

Yelir erkannte, dass Aaron zwar sein Bestes gab, doch gegen Zunae nicht ankam. Er fragte sich nur, warum diese nicht auf die Idee kam, den Kampf zu beenden und Aaron anzugreifen. Sie wäre durchaus in der Lage, ihm schnell genug zu schlagen.

Yelir erinnerte sich daran, wie sie ihm in der Küche geholfen hatte. Allerdings auch daran, wie ihr Handgelenk geschwollen war. Durch einen einzigen Schlag.

Ihm kam in den Sinn, dass sie vielleicht deshalb nicht angriff. Wenn er es richtig betrachtete, dann nutzte sie die ganz Zeit Aarons eigene Stärke, um ihn weiterzuleiten. Nie blockte sie direkt, sodass es kein Kampf der Stärke wurde.

Das war aber auch der Grund, warum Yelir nicht genau wusste, was er tun sollte. Wenn es Aaron gelang, diese Schwäche zuerkennen, würde er gewinnen. Wenn nicht, dann war Zunae die Siegerin, weil Aaron ihr einfach in punkto Ausdauer nicht das Wasser reichen konnte.

Gerade, als er überlegte, ob er abwarten sollte, machte Aaron mehrere Schritte zurück. »Ich ergebe mich«, erklärte er völlig außer Atem, bevor er sich in einer zitternden Bewegung den Schweiß von der Stirn wischte und nach Luft rang.

Einen Moment herrschte Stille und Zunae blickte ihn perplex an, bevor die Bewohner von Kavalare zu tuscheln begannen. »Gewinnerin ist Zunae«, verkündete Yelir mit erhobener Stimme und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass auch er perplex darüber war, dass Aaron aufgegeben hatte.

Jubel brach aus, was Yelir nur noch mehr verwirrte. Er hatte zwar einen ähnlichen Ausgang erwartet, doch nicht so.

Zunae ging langsam auf Aaron zu und reichte ihm mit einem Lächeln die Hand. Dieser nahm sie und spürte dabei, dass sie kein Stück zitterte. »Das war ein wirklich guter Kampf«, sagte sie zufrieden und mit einem Lächeln, das Aaron ein gutes Gefühl verlieh, auch wenn er verloren hatte.

Yelir schlenderte auf sie zu und legte Zunae den Mantel um die Schultern. »Was hat dich dazu bewogen, aufzugeben?«, fragte er, als sich Aaron erschöpft auf den Boden setzte. Seine Mutter Missina kam mit einem Trinkschlauch zu ihm und reichte ihm diesen.

»Egal was ich getan habe, sie hat alle meine Angriffe abgewehrt«, erklärte er nüchtern, bevor er einen tiefen Schluck nahm und erleichtert die Luft ausstieß. Ihm war so warm, dass er kaum noch stehen konnte. »Auf lange Sicht wäre ich nur zusammengebrochen, bevor ich eine Lücke gefunden hätte.«

»Deine Techniken waren wirklich sauber und du hast einiges an Kraft«, bemerkte Zunae, deren Wangen ein wenig gerötet waren, weil sie sich wohlfühlte. Obwohl man es ihr nicht ansah, war sie dankbar über die Bewegung, die ihren Körper erschöpft hatte.

Aaron schnaubte leise. »Eure Verteidigung ist einfach zu gut«, bemerkte er, während er seine restliche Kraft sammelte, um wieder aufzustehen.

»Das liegt nur daran, dass ich von meiner Schwester bei den Übungen regelmäßig verprügelt wurde«, rechtfertigte sich Zunae mit einem peinlich berührten Lachen.

Yelir blickte zu Aaron, der seinen blick erwiderte, bevor beide zu Zunae sahen.

»Deine Schwester?«, fragte Yelir, der immerhin genau wusste, wen sie meinte. Es fiel ihm jedoch schwer sich vorzustellen, wie die Frauen übten.

»Kali. Sie ist echt rabiat«, stellte Zunae fest, die sich gern daran erinnerte, wie sie mit ihrer Schwester gekämpft hatte. Oder eher als Zielscheibe für ihre Wut herhalten musste. Mit ihrer Magie war es nicht zu schwer gewesen, genug Kraft aufzubauen, doch die Techniken und Schnelligkeit hatte sie sich erst über die Jahre aneignen müssen.

Aaron lachte, als ihm bewusst wurde, dass er gegen jemanden gekämpft hatte, der mit dem blauen Blitz, der auf dem Schlachtfeld als größte Bedrohung gesehen wurde, geübt hatte. Es war kein Wunder, dass er keine Chance gehabt hatte. Zunae war eine Kriegerin, die im Rang weit über ihm stand. Er hatte einfach nicht genug Übung oder Erfahrung auf dem Schlachtfeld, um mitzuhalten.

»Du hast dich gut geschlagen«, erwiderte Yelir, der zu Zunae blickte, die ihn noch immer stolz, aber auch ein wenig müde anlächelte. Sie hielt die Stange noch immer in den Händen, was Yelir dazu veranlasste, sich diese zu besehen. Er erkannte Blutspuren daran, die zu ihren Händen führten. Was der Grund war, warum er ihr eine Hand auf den Rücken legte und sich so stellte, dass niemand ihre Hände sehen würde. Eine Schwäche, über die er mit ihr reden musste. Sobald er seine Wut darüber unter Kontrolle hatte.

»Mit diesem Kampf ist das neue Oberhaupt von Kavalare entschieden«, verkündete Yelir, der aus den Augenwinkeln bemerkte, wie Zunae ihn fragend anblickte. »Ab sofort wird Zunae sich um Kavalare kümmern. Irgendwelche Einwände?«, fragte er, was Zunae leise und ungläubig quietschen ließ.

»Bitte?«, fragte sie leise zu Yelir gerichtet, als sie verstand, was genau hier los war. Ihre Finger schlossen sich fester um den Kampfstab und sie widerstand dem Drang, ihm damit auf den Kopf zu schlagen.

Hatte er sie wirklich gerade, ohne sie vorzuwarnen, zum Oberhaupt dieses Dorfes gemacht? Was sollte das überhaupt heißen?

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