Kapitel 24 *neu*

Zunae lief durch die Gänge, die für sie noch immer ein einziges Labyrinth bildeten. Es fiel ihr schwer, sich hier zurecht zu finden und sie wunderte sich, wie Belle es so einfach gelang.

Heute war sie es, die Zunae abholte und nicht Charlet. Dass diese sich geweigert hatte mit der Königin aus den Südlanden in Kontakt zu treten, bis sie nicht mehr so eine große Gefahr darstellte, ahnte Zunae nicht. Trotzdem fragte sie sich, was los war. Charlet hatte ihr immerhin gesagt, dass es eigentlich ihre Aufgabe war. Oder hing das auch mit den Dienstleuten zusammen.

Da Yelir ihr versprochen hatte, mit ihr zusammen die Ideen für das Personal durchzugehen, hoffe Zunae wirklich, dass er es heute ansprach. Die Unterlagen hatte er bereits alle, doch ein Ausflug nach Kavalare war ihm in die Quere gekommen.

Als Zunae den Speiseraum betrat, sah er aus wie immer.

Yelir sah abwartend an der sonst leeren Tafel und blickte sie aus seinen grünen Augen heraus raubtierhaft an, als sie durch den Raum lief.

Vor ihm lag eine kleine Schatulle, die Zunae misstrauisch machte. »Guten Morgen«, grüßte sie, was yelir dazu veranlasste, sich zu erheben und ihr einen Stuhl hevorzuziehen. Der direkt neben ihm an der Ecke des Tisches. Als würde er so dafür sorgen wollen, dass sie sich such nirgendwo anders hinsetzen.

»Setz dich«, forderte er ohne ihre Begrüßung zu erwidern.

Auf Zunae wirkte er zwar angespannt, doch sie ahnte nicht, dass er innerlich im Zwiespalt war.

Er hatte die Nach überlegt, was er tun sollte, doch so ganz gefiel ihm seine Entscheidung nicht. Nur gab es keine andere Wahl.

Er hoffte sehr, dass sie nicht zu misstrauisch werden würde.

Zunae ließ sich nieder, wobei die versuchte möglichst unbedarft und naiv zu wirken. »Gibt es gar kein Frühstück?«, fragte sie, da der Tisch noch leer war.

»Später. Wir haben erst einige Dinge zu klären«, erwiderte Yelir ausweichend. Er spürte den Drang die Sache hinauszuschwieben, doch das sollte er nicht tun darum zwang er sich dazu, zu der Schatulle zu greifen, die Zunae unauffällig musterte. »Das hier ist ein Schmuckstück, das normalerweise die auserwählte Königin trägt, bevor sie den König heiratet«, sagte er und öffnete die Schatulle. Dabei spürte er die Lüge schwer auf seinen Schultern. Es gab zwar einen derartigen Brauch, doch nicht mir diesem Artefakt.

Zunae blickte überrascht auf den Halbmond-Kettenanhänger auf dem eine kleine Katze saß.

Es war die Kette aus ihrer Vision.

Unruhe machte sich in ihr breit, weil sie die Magie des Artefaktes spüren konnte. Dennoch versuchte sie nicht zu zeigen, dass sie wusste, was es war. »Eine sehr schöne Kette«, sagte sie und streckte ihre Finger danach aus. Immer darauf bedacht die Vision, die sie warnen würde, zu spüren.

Aber selbst, als sie das Kühle Metall berührte, geschah nichts. Nur ein Gefühl von Ruhe, das sich auf sie legte. Zunae verstand es nicht. War diese Kette doch nicht gefährlich? Sollte sie darauf eingehen?

»Sie wird dir helfen, dass die Bewohner des Schlosses dich nicht mehr ... als Fremde sehen«, sagte er, auch wenn Fremde eigentlich eher Feindin bedeutete.

Wenn er wirklich wollte, dass sie sein Volk verwaltete, musste er dafür sorgen, dass sie keine Gefahr war.

Zunae fühlte sich zwar unwohl, doch da ihre Visionen sie nicht warnten, ging sie davon aus, dass es nicht sonderlich gefährlich war. Also hob sie ihre Haare hoch und drehte sich mit dem Rücken zu Yelir. »Würdest du sie mir umbinden?«, fragte sie und horchte in sich hinein. Selbst jetzt, wo Yelir ungläubig, dass es so leicht war, zur Kette griff, reagierten Zunaes Visionen nicht. Was auch der Grund war, warum sie ruhig dasaß, als Yelir die Kette um ihren Hals legte und vorsichtig schloss.

Sie saß enger als ihr eigenes Artefakt und so passte es recht gut zusammen. Zunae spürte jedoch die Magie darin.

Als Yelir von ihr abließ, wandte sich Zunae mit einem Lächeln zu ihm um. »Fühlst du dich jetzt sicherer?«, fragte sie, ohne zu zeigen, wie angespannt sie war.

Über Yelirs Gesicht huschte einen Moment Verwunderung, bevor er sich leise räusperte. Es konnte nicht sein, dass sie wusste, worum es sich handelte.

»Was meinst du?«, fragte er ausweichend.

Zunae deutete auf den Anhänger. »Es ist nicht schwer zu bemerken, dass es sich dabei um ein Artefakt handelt«, erwiderte sie ruhig.

Yelir versteckte die Fassungslosigkeit, die in ihm aufstieg. Sie wusste was es war und trotzdem hatte sie zugelassen, dass er es ihr einfach umlegte? War diese Frau dumm oder naiv?

Zunae blickte ihn weiterhin bohrend an, was Yelir dazu veranlasste, sich zu räuspern. »Da du es weißt:«, sagte er und hob die Hand. Magie glitt von dieser zu der Kette, die nun Zunae trug. »Ab sofort wirst du gezwungen sein, mir gegenüber die Wahrheit zu sagen. Solltest du gegenüber meinem Volk böse Absichten hegen, wird das Artefakt deine Aktionen unterbinden und mich informieren.«

Die Kette glühte auf und schickte Magie durch Zunaes Körper, worauf sich an ihrer Schulter ein schimmernder Halbmond mit einer Katze bildete. Wie in Tattoo, das zeigte, dass der Zauber aktiv war.

Zunae ließ es zu, während sie auf Warnungen wartete. Nichts geschah, weshalb sie schließlich den Kopf schieflegte. Funktionierte das Artefakt überhaupt oder wurde es von ihrem eigenen ausgetochen? »Das erklärt, warum mich die Bewohner des Schlosses jetzt nicht mehr als Gefahr sehen. Das wolltest du doch sagen, oder?«

Yelir hasste es, wie selbstsicher sie in ihrer Position war. War ihr eigentlich klar, dass er ihr gerade ein Sklavensiegel verpasst hatte? Nahm sie es wirklich so leicht? Es kribbelte ihm in den Fingern, ihr zu zeigen, was auf sie zukommen würde.

Yelir räusperte sich noch einmal. »Warum bist du hier?«, fragte er direkt und blickte sie genau an.

»Ich möchte den Untergang meines Reiches verhindern«, erwiderte Zunae, ohne zu zögern, was Yelir nicht überraschte. Das war wohl ein Grund, aus dem sie beide dieser Hochzeit zugestimmt hatten. Allerdings wunderte es ihn, dass es keine Hintergedanken gab. Oder hatte er die Frage falsch gestellt?

»Weiter nichts?«, fragte er, was Zunae zu brachte, den Kopf zu schütteln.

Yelir fragte sich mittlerweile, ob die Kette überhaupt funktionierte. »Nach welchen Kriterien wählst du die Diener aus?«, fragte er weiter.

»Nach ihren Fähigkeiten und Einstellung gegenüber den Südlanden. Ich habe keine Lust, noch einmal vergiftet zu werden.«

Yelir kam nicht umhin ihre Antworten frustrierend zu finden. War sie wirklich so, wie sie sich gab? Keine Hintergedanken und keine geheimen Absichten?

»Warum willst du sie selbst bezahlen?«, fragte er weiter, was Zunae überraschte.

»Das ... ist vermutlich eine alte Angewohnheit«, gab sie zu, denn sie wusste es selbst nicht so genau. »Und als Unterstützung«, fügte sie hinzu.

Während sich Yelir fragte, ob die Kette funktionierte, konnte Zunae durchaus spüren, dass sie es tat. Immer, wenn sie plante zu lügen, bekam sie die Worte nicht heraus. Sagte sie die Wahrheit jedoch, konnte sie sprechen, die Worte aber trotzdem selbst wählen.

Yelir fuhr sich durch die Haare. »Das im Wald«, sagte er schließlich und blickte sie ernst an.

Allerdings verstand Zunae die Frage nicht. »Was meinst du?«, fragte sie irritiert und legte den Kopf schief. Eine Geste, die Yelir als sehr süß empfand. Generell ließen Zunaes Antworten in ihm nur noch mehr den Wunsch aufsteigen, sie zu beschützen. So wie er sie bisher sah, war sie wirklich so naiv und gutgläubig. So würde sie sich bald in Gefahr begeben. Das wollte er nicht.

Doch im Moment gab es Wichtigeres.

»Bei der Reise, als du schwankend in den Wald gewandert bist«, erklärte Yelir, der ihre Reaktion genau musterte. »Was genau habe ich dort gesehen? Was hat es mit dem Feuer zu tun?«

Zunaes Mund wurde trocken, als sie spürte, wie sie gezwungen wurde, die Wahrheit zu sagen. Dabei hatte sie überhaupt nicht vor gehabt, ihn davon zu berichten.

»Das Feuer ... im Zimmer«, brachte sie angespannt hervor, während sie gedanklich versuchte, ihre Worte so zu drehen, dass sie zwar die Wahrheit sagte, doch nicht zu viel verriet. Es war überraschend schwer. »Ein Ausschnitt der Zukunft«, sagte sie schließlich und gab auf. Ihr Körper fühlte sich schwach an, was dazu führte, dass sie sich an den Kopf griff.

»Du wolltest mich anlügen«, stellte er mit einem zufriedenen Lächeln fest. Es gab ihm Genugtuung zu sehen, dass die Kette wirkte. Dann allerdings wurde er sich ihrer Worte gewahr. »Was heißt ein Ausschnitt aus der Zukunft?«, wollte er angespannt wissen.

»Das, was es heißt. Ich weiß nicht, warum du es gesehen hast, aber das war ein Moment meiner Zukunft.«

Yelir runzelte die Stirn, als ihm das Bild wieder in den Kopf kam. Zunae tot auf dem Bett. Umgeben von Feuer. »Deiner Zukunft?«

»Ja. Ich sehe meinen Tod«, erwiderte Zunae, die zwar nicht log, aber auch nicht die ganze Wahrheit sagte.

»Du hast Visionen deines Todes?«, fragte Yelir geschockt, als ihm klar wurde, dass es vermutlich nicht das erste Mal war, das Zunae etwas Derartiges gesehen hatte.

Sorge machte sich in ihm breit. Wie konnte eine Frau, die ihren eigenen Tod sah, noch so normal leben? Nahm es sie nicht mit oder hatte sie sich damit arrangiert?

»Warum hast du nichts gesagt?«, fragte er angespannt, weil es ihn ärgerte, dass sie damit allein war. Er erinnerte sich, wie sie zusammengebrochen war. Was, wenn das noch einmal geschah? Brauchte sie vielleicht mentale Hilfe?

»Weil ich angenommen habe, dass man mir nicht glaubt. Außerdem ... wollte ich es geheim halten. Es geht niemanden etwas an.«

Yelir fuhr sich erneut durch die Haare und erhob sich. »Du wirst meine Frau. Glaubst du nicht, ich habe ein Recht darauf zu erfahren, wie du sterben wirst?«, fragte er frustriert, während er auf und ab lief. »Erst recht, wenn du in meinem Schloss umgebracht wirst?«

»Die Visionen sind nicht endgültig«, erwiderte Zunae mit ruhiger Stimme. »Sie sind mehr ... Warnungen.«

Yelir wirbelte herum. »Dann wirst du sie mir ab sofort mitteilen, wenn du eine Vision deines Todes hattest«, befahl er ihr ernst. »Damit ich reagieren kann. Hätte ich dich in das Zimmer gesteckt, das ich eigentlich geplant hatte, wärst du vermutlich schon tot.«

Jetzt, wo er wusste, dass es Visionen waren, war er nur noch frustrierter. Auch, wenn er nicht verstand, wie er sie hatte sehen konnten.

Zunae stieß die Luft aus. »Mach ich«, brummte sie schließlich leise. Sie wollte ihm nicht davon erzählen.

Yelir trat auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du musst dich nicht allein mit diesen Sachen herumschlagen«, sagte er ernst. »Vielleicht vertraust du mir nicht, aber ich habe kein Interesse an deinem Tod.«

»Das weiß ich«, brummte Zunae. »Sonst hätte ich das schon gesehen. Aber ... ich weiß auch nicht immer, was die Visionen sagen«, gab sie zu, weil sie nicht wusste, wie sie mit diesem plötzlichen Interesse an ihr umgehen sollte.

»Wie lange hast du das schon?«, fragte Yelir angespannt, der sie genau betrachtete.

Sie saß zwar noch immer recht ruhig auf ihrem Stuhl, doch ihr Blick wich seinem aus und er spürte das leichte Zittern.

»Seitdem ich zehn bin«, gab sie widerwillig zu.

Seitdem sie zehn Jahre alt war, sah sie ihren Tod? Yelir konnte nicht glauben, was er hörte. Wie war sie in der Lage, damit umzugehen? Waren die Visionen alle so, wie die, die er gesehen hatte? So lebensecht?

Noch immer spürte er das Feuer auf seiner Haut und den Rauch in den Lungen.

Yelir erkannte, dass sie sich unter seinen Blicken und seinem Griff wand, weshalb er sich entschied, die Befragung zu beenden. Er hatte erfahren, was er wissen musste, jetzt musste er sich nur überlegen, wie er damit umgehen sollte.

Langsam ließ er von ihr ab und ließ sich wieder nieder.

Wichtig war erst einmal, dass sie seinem Volk offensichtlich nichs Böses wollte. Also konnte er seinen Plan durchziehen. Vielleicht würde es sie etwas ablenken.

Ob sie, seitdem sie hier war, noch einmal eine Vision gehabt hatte?

Yelir könnte sie zwingen, es ihm zu sagen, doch er entschied sich dagegen. Er wollte das Artefakt nicht immer nutzen, sondern dafür sorgen, dass sie ihm von sich aus vertraute. So, wie er lernen musste, ihr zu vertrauen. Als ihr zukünftiger Ehemann war es seine Pflicht, sie zu beschützen. Aber konnte er das, wenn sie doch offensichtlich in seinem Schloss nicht sicher war?

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