Kapitel 21 *neu*
Tage vergingen, in denen Yelir Gefallen daran gefunden hatte, Zunae bei ihren Morgenübungen zuzusehen.
Er hatte aus seinem eigenen Zimmer einen sehr guten Blick in den kleinen Garten, den sie jeden Morgen aufsuchte. Egal wie kalt es war oder ob es regnete. Sie schien es ernst zu meinen, was Yelir beeindruckte. So hartnäckig hatte er sie nicht eingeschätzt.
Ein Klopfen an seiner Tür erklang, bevor Degoni eintrat. Er hielt einige Dokumente in den Armen, doch Yelir blickte weiter aus dem Fenster.
»Du scheinst fasziniert zu sein«, bemerkte Degoni, der das durchaus verstand. Auch er hatte angefangen, sie zu beobachten. Sie verhielt sich einfach so anders, dass er neugierig darauf war, was sie als nächstes tat. Erst recht, seitdem er wusste, was ihre Pläne waren. Pläne, die er gedachte Yelir mitzuteilen.
»Ich will nur sichergehen, dass sie keine Dummheiten macht«, erwiderte Yelir, obwohl er sehr genau wusste, dass das nicht stimmte. Es ging ihm nicht nur darum.
»Sie hat mich gebeten, ihr ein paar Dinge zu besorgen. Für ihr Zimmer«, erklärte er und legte ein Schreiben von Zunae auf Yelirs Schreibtisch. Sein Arbeitszimmer hatte sich schon immer in seinem Schlafzimmer befunden. Er brauchte keines, das abseits lag.
»Wirst du dich darum kümmern?«, fragte Yelir und wandte sich zu Dainte um.
»Das sollte sie lieber selbst tun, denn sie gedenkt dafür zu zahlen«, bemerkte er nüchtern. Er verstand ihre Intentionen nicht. Wenn sie etwas brauchte, würden sie sich darum kümmern. Allerdings hatte sie darauf bestanden, dass es ihre Dinge waren, die sie sich auch leisten konnte.
Yelir stieß die Luft aus. »Es fühlt sich falsch an«, gestand er, denn das hieß, dass er sich nicht um sie kümmern durfte. Gleichzeitig musste er sich aber auch eingestehen, dass alles andere schwierig werden könnte. Das Geld für eine komplett neue Einrichtung war nicht leicht aufzutreiben. Selbst, wenn er die aus ihrem alten Zimmer verkaufte. Was auch nicht leicht sein würde, da es sich um Dinge aus dem Harem handelten. Dieser war für ihn unantastbar, da er seinem Vater gehörte.
»Sie hat mir einen Vortrag gehalten, dass sie es gewohnt ist, sich um sich selbst zu kümmern und sie das tun wird, solange sie es kann«, erklärte Degoni, der sich an den Schreibtisch lehnte. »Und sie möchte gern die Dörfer und Städte kennenlernen. Soweit ich das einsehen konnte, plant sie ihr Geld zu investieren.«
Nun hatte Degoni Yelirs volle Aufmerksamkeit. Er kam auf seinen Bruder zu und griff nach dem Blatt Papier, was jedoch nicht sonderlich aussagekräftig war. Darauf waren lediglich Dinge aufgeschrieben, die sie brauchte, um ihr Zimmer auszustatten.
»Sie will investieren?«, fragte Yelir, der nicht verstand, was sie damit bezweckte. »Woher weißt du das? Hat sie dir das erzählt?«
Degoni schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich konnte mir ihre Notizen ansehen, ohne, dass sie es mitgekommen hat.«
Yelir gab einen nachdenklichen Laut von sich. »Ich verstehe nicht, was sie damit bezweckt.«
»Ich auch nicht. Warum sollte sie als Südländerin in die Nordlande investieren? Mit ihren eigenen Geld. Das klingt, als hätte sie Hintergedanken.«
»Sie ist jetzt nicht einmal einen Monat hier und tut schon so, als würde sie bleiben«, murmelte Yelir. Allein wie akribisch sie sich um die Sache mit den neuen Dienern kümmerte, ließ ihn fragen, ob sie plant so die Macht an sich zu reißen. Warum sonst sollte sie so viel Arbeit in die Dinge stecken?
»Wir müssen herausfinden, was sie eigentlich will«, stellte Degoni fest, wobei er damit versuchte, seinen Bruder endlich in die richtige Richtung zu lenken. »Sonst fällt sie uns in den Rücken.«
Yelir stieß die Luft aus. Er wusste, worauf sein Bruder hinauswollte und wenn er ehrlich war, dachte er schon länger darüber nach. Allerdings fühlte er sich auch schlecht. Trotzdem war das Vertrauen einfach nicht da, um sie gewähren zu lassen.
»Ich überlege, eines der Artefakte zu nutzen«, gestand er schließlich, doch noch war er nicht ganz zufrieden. Er musste seine Wünsche an dieses Artefakt mit Bedacht wählen.
»Das ist eine gute Idee. Das solltest du vor der Hochzeit unbedingt tun. Dann könnte sie auch den Harem betreten, ohne, dass sich alle fürchten. Dort herrscht jetzt schon Chaos.«
Yelir fragte sich, ob er der einzige war, der dieses Artefakt nur im Notfall nutzen wollte. Es würde Zunaes Leben beeinträchtigen und das fühlte sich nicht richtig an. Genau wie Misha war auch sie ohne Vertraute oder Hilfe in einem fremden Land. Yelir wollte, dass man seinen Bruder gut behandelte, was aber auch hieß, dass er Zunae gut behandeln musste. Er wusste nicht, was sie dazu gebracht hatte, diese Entscheidung zu fällen, doch er verstand, was sie aufgegeben haben musste. Ob sie eine gute oder schlechte Herrscherin gewesen war, konnte er nicht einschätzen, doch er hatte bemerkt, dass ihr diese Dinge ins Blut übergegangen waren. Dazu musste er sich nur die detaillierten Dinge auf dem Zettel ansehen, die sie für ihr Zimmer brauchte. Sie hatte die Maße dazu geschrieben und auch vermerkt, dass sie es praktisch haben wollte. Es gab eine Angebe zur Anzahl der Schubladen im Schreibtisch mit Größe und Funktion. Ähnlich umfangreich war auch der Rest. Nichts war dabei, was sie nicht zwingend brauchte oder für die Arbeit nutzte.
Er hätte mit Instrumenten, einer Staffelei oder zumindest einem Schachbrett gerechnet. Das waren Dinge, die im Harem beliebt waren. Mit denen sich die Frauen die Zeit vertrieben. Stattdessen erinnerte ihre Ausstattung ihn an sein eigenes Zimmer. Eines, in dem er arbeitete.
»Ich fühle mich unwohl damit«, gestand Yelir, der genau wusste, was dieses Artefakt alles konnte.
»Musst du nicht. Sie ist nur eine Südländerin«, winkte Degoni ab, der seinen Bruder nicht ganz verstand. Es war besser den Feind in Ketten zu legen. Seiner Meinung nach gewährte Yelir ihr viel zu viel Freiraum. Er nannte es zwar eine Prüfung, aber Degoni war sich da nicht sicher. Zumindest verstand er nicht, was Yelir prüfen wollte.
»Genau deshalb weiß ich nicht, was ich mit ihr machen soll«, gestand Yelir. »Sie ist so anders als unsere Frauen.«
»Das ist richtig«, stimmte Degoni zu und ließ sich auf dem Sessel nieder, während er nach draußen blickte. »Wir sollten vielleicht anfangen, herauszufinden, was sie kann und wie wir es nutzen können.«
Yelir fand die Idee, herauszufinden, was sie konnte zwar gut, doch wollte er sie wirklich benutzen, wie Degoni es formulierte?
»Mit dem Artefakt halten wir sie in Schach, sollte sie Dummheiten anstellen«, bemerkte Degoni, der zwar bemerkte, dass sein Bruder in Gedanken war, sich davon aber nicht gestört fühlte.
»Und dann? Ich kann sie doch nicht einfach behandeln wie einen Mann«, erwiderte Yelir, dem Degonis Worte nicht sonderlich halfen. Er wusste immer noch nicht, wie er mit ihr umgehen sollte.
»Warum denn nicht? Sie ist eine Südländerin. Sie kann es sicher vertragen, wenn man sie nicht mit Samthandschuhen anfasst.«
Yelir wandte den Blick hinaus in den Garten, wo Zunae gerade gegen den Baum schlug. Er war sich nicht sicher, ob die Idee gut war, aber er könnte es probieren. Allerdings musste er zuerst die Gefahr, die von ihr ausging, aus dem Weg räumen, bevor er ihre Fähigkeiten für sein Volk nutzen konnte. Auch, wenn der Gedanke sie zu benutzen sich falsch anfühlte. Nur wusste er auch nicht, was er sonst mit ihr anfangen sollte.
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