Kapitel 1 *Überarbeitet*
Mit schweren Atem und heftig schlagendem Herz schreckte Zunae aus diesem, ihr nur allzu bekannten, Traum auf. Der Schweiß rann ihr in die Stirn und die Kleidung klebte unangenehm an ihrer Haut. Anspannung hielt sie in ihrem Griff, als sie den Arm über ihre Augen legte, um die Sonne zumindest ein bisschen abzuschirmen. Die Intensität, mit der sie durch die Vorhänge drang, verriet ihr, dass es weit nach Mittag sein musste und sie lag immer noch im Bett.
Draußen huschten die emsigen Diener vorbei, die jedoch ihren Raum nicht betraten. Belle, ihre Kammerzofe, wartete geduldig vor der Tür, bis Zunae von sich aus erwachte. Ihre Träume waren nicht immer einfach und ihre Reaktionen nach dem Aufwachen auch nicht. Das letzte Mal, als Belle versucht hatte, sie zu wecken, war sie von Zunaes Magie erfasst und zurückgeschleudert worden. Nur durch Glück war an diesem Tag niemand verletzt worden. Es hatte aber einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zunae gelang es bis heute nicht, Belles überraschten, aber auch ängstlichen Blick zu vergessen.
Erschöpft setzte sie sich auf, bevor sie leise gähnte. Ihre Kleidung klebte, vom Schweiß durchnässt an ihrer Haut und ihr Körper fühlte sich noch immer bleischwer an. Schon allein daran zu denken, was sie als nächstes tun sollte, strengte sie an. Kein unvertrautes Gefühl, auch wenn seit einigen Monaten ein wackeliger Waffenstillstand zwischen ihren Südlanden und den barbarischen Nordlanden herrschte. Es war ihrer Mutter Nion gelungen, den König der Nordlande zu einem kurzweiligen Waffenstillstand zu bewegen. Auch sie waren den Krieg leid und empfanden die Idee einen ihrer Prinzen in die Südlande zu verheiraten gar nicht so abwegig, wenn sie dafür eine Prinzessin bekamen.
Allerdings wusste Zunae zu gut, dass sie auch Hintergedanken hatten, wenn sie einen Heiratskandidaten auswählten. Darum stand dieser Frieden auf der Kippe. Die Südlande konnten es sich nicht leisten, noch einen Vorschlag abzulehnen, doch Zunae hoffte auf das Beste. Nur, wenn sie es schaffte, mit den Nordlanden ein Bündnis zu schließen, würde sie die Vernichtung beider Reiche verhindern können. Nur hatte sie bisher immer ein schlechtes Gefühl bei den Briefen gehabt. Zunae war mit der Gabe der Hellsicht aufgewachsen. Sie brauchte die Briefe nur berühren, um in einen Strudel aus möglichen Zukünften gezogen zu werden. Zumindest dann, wenn sie ihren eigenen Tod als Ziel hatten.
Dass sie nun schon wieder von diesem Drachen träumte und nicht davon, wie der Anwärter der Raenacs sie tötete, war eigentlich ein gutes Zeichen. Zumindest hoffte sie das.
Um die Müdigkeit zu vertreiben, fuhr sie sich durch das zerzauste, rote Haar. Sie massierte ihre Kopfhaut, doch es brachte nichts. Ihr Kopf dröhnte noch immer und sie verteilte eigentlich nur Schweiß in ihren Haaren.
Frustriert stieß sie ein Seufzen aus, bevor sie sich erhob. Im selben Moment wurde die Tür zu ihrem Schlafzimmer geöffnet. Belle, ihre persönliche Zofe hatte, wie jeden Morgen, vor ihrer Tür gewartet, bis Zunae erwachte, um ihr nun zu Diensten zu sein. Sie war zwar noch ein junges Mädchen, das ihre Eltern im Krieg verloren hatte, doch der Palast hatte sie aufgenommen und so sah sie die Königin als eine Art Mutter und wollte ihr bei ihren Pflichten beistehen. Dabei war Zunae nur ein paar Jahre älter als Belle. »Guten Morgen, Mylady«, grüßte sie höflich und vollführte einen wackeligen Knicks. Ein paar blonde Haarsträhnen lösten sich unter ihrer Haube, was Zunae leise lachen ließ. Sie erledigte ihre Aufgaben mit einem strahlenden Lächeln, das ansteckend war. Zunae brauchte am Morgen nur ihr Summen zu hören, eine Melodie, die sie mit warmen Sommernachmittagen im Garten verband, und wusste sofort, dass sie gut aufgehoben war.
»Guten Morgen, Belle«, erwiderte sie, denn allein der Anblick heiterte sie etwas auf. »Kannst du mir ein Bad vorbereiten?«, fragte sie und lächelte noch immer etwas schlaftrunken. Dabei nahm der Schmerz in ihrem Kopf durch das Sprechen zu, doch sie wollte Belle nicht besorgen, weshalb sie davon absah, ihren Nasenrücken zu reiben.
Die Zofe brauchte diese Geste jedoch nicht, um zu wissen, wie es ihrer Königin ging. Ihre blasse, verschwitzte Haut und die müden Augen sprachen Bände. »Sehr wohl, Mylady«, erwiderte sie, da sie darauf bereits vorbereitet war. Nach einem solchen Traum schätzte die Königin ein ausgiebiges Bad. »Jane wird sich in der Zeit um Euer Zimmer kümmern«, fügte sie hinzu, bevor sie zu einer nahen Tür ging.
Anders als die Diener hatte die Königin ein eigenes Badezimmer. Eines, das von den Fluren und aus ihrem Gemach betreten werden konnte.
Da Belle ihre Königin sehr gut kannte, hatte sie bereits alles dafür veranlasst und so musste sie die Tür nur öffnen und ein kurzes Zeichen an die wartenden Frauen geben. Eine von ihnen ließ einen kleinen, roten Stein in das bereits vorbereitete Wasser des Badezubers fallen. Daraufhin stieg Dampf auf, der zeigte, dass es kochte. Wenig später kamen drei Dienstmädchen mit kaltem Wasser und kippten es schnell hinzu. Es folgten mehrere Eimer, bis das Wasser die perfekte Temperatur hatte.
»Es ist alles bereit«, wandte sich Belle wieder an ihre Königin, die sich gerade streckte, um zumindest ein Stück ihrer Eleganz zurückzuerlangen. Sie fühlte sich steif und eingerostet. Daher fiel ihr das Bewegen besonders am Morgen schwer.
Zunae schleppte sich in das Badezimmer und atmete den frischen Minzduft ein. Es war, als würde dieser ihr mit Watte ausgestopftes Hirn klären.
Belle kam sofort auf Zunae zu und half dieser, sich aus dem verschwitzten Nachthemd zu schälen. Diese war dankbar dafür, denn heute war jede Bewegung eine Qual. Selbst die Vorstellung, ihr verschwitztes Kleid von ihrem Körper zu schälen, erschöpfte sie.
Meist machte sie es selbst, doch heute war ihr Kopf einfach nicht bereit dazu, ihren Körper zu bewegen. Daher mühte sie sich auch ab, nicht in den Zuber zu fallen, sondern möglichst unbeschadet hineinzugleiten.
Das warme Wasser wärmte ihre Glieder und ließ sie leise zufrieden seufzen. Wäre nicht der ganze Berg an Arbeit, würde sie sich wieder hinlegen.
Zunae erinnerte sich daran, was ihre Mutter in solchen Momenten zu sagen pflegte: »Die eigene Gesundheit geht vor.« Womit sie definitiv Recht hatte. Wäre Zunae einfach nur ein normaler Bewohner der Südlande. Aber als Königin hielt sie die Gesundheit und Zukunft so vieler Menschen in den Händen, dass sie nicht einfach einen Tag im Bett verbringen konnte, wenn es nicht absolut nötig war. Immerhin war sie die Königin, die über dieses Land herrschte und solange das so war, wollte sie alle Probleme beseitigen, die es im Moment gab. Ihre Zeit in den Südlanden war dabei abzulaufen, auch wenn sie dieses Geheimnis hütete. Damit wollte sie niemanden außer sich selbst belasten.
»Soll ich Euch die Haare waschen?«, fragte Belle höflich, doch Zunae schüttelte lediglich den Kopf.
»Ich möchte mich ein wenig entspannen. Bitte bereite mein Arbeitszimmer vor und informiere mich in einer Stunde, sollte ich noch nicht da sein«, bat sie, denn sie brauchte etwas Ruhe und wollte ein wenig dösen, damit sie wacher an die Arbeit konnte. Es gab viel in ihrem Kopf, das sie verarbeiten musste.
Belle knickste. Sie verstand ihre Königin gut. Immerhin wusste sie, wie anstrengend es sein konnte, über eine Gabe zu verfügen. Belle selbst war nicht von göttlichem Blut und besaß daher keine, doch die Kinder der Königinmutter waren alle damit gesegnet und so hatte Belle nicht nur einmal einen Zusammenbruch aufgrund dieser Gaben miterlebt. Das ließ sie auch einen besorgten Blick über die Schulter werfen und unruhig auf ihrer Unterlippe kauen.
Darum fühlte sie sich auch unwohl, als sie das Bad verließ. Was, wenn die Königin einschlief und in der Wanne ertrank?
Zunae blickte müde auf die Tür und seufzte leise, als sie ins Schloss fiel und sie endlich allein war. Sofort begann sie, ihre Nasenwurzel zu reiben, um so den Kopfschmerz zu verdrängen.
Ihr Magen knurrte leise, doch darüber machte sie sich jetzt keine Gedanken, denn sie wusste, dass Essen auf ihrem Schreibtisch bereitstehen würde. Damit würde sie die Kopfschmerzen noch besser vertreiben können. Zumindest hoffte sie das, denn heute waren sie besonders hartnäckig.
In dem Versuch, sich zu entspannen, lehnte sich Zunae zurück und schloss ihre Augen.
Es war, als würde der Traum sie nicht loslassen wollen, denn vor ihren inneren Augen tauchte der Drache auf. Zusammen mit dem Gefühl von beißendem Rauch und heißem Feuer, das sie umgab.
Nach Luft schnappend riss Zunae ihre Augen wieder auf, während sie sich hektisch atmend umsah, nur um festzustellen, dass sie in der Badewanne lag.
War sie schon wieder eingeschlafen?
Wieso wurden diese Träume schlimmer? Rückte der Tag des Untergangs so schnell näher? Nur so konnte sie sich die Häufigkeit erklären, mit der sie von diesem einen Vorfall träumte.
Ihr Magen verkrampfte sich, als die Bilder ihrer Visionen wieder in ihre Erinnerungen drangen. Der Geruch von Asche, vermischt mit dem von verbranntem Fleisch, ließen sie leise würgen. Sie brauchte die verbrannten Felder und die verstümmelten Leichen nicht sehen. Der Geruch allein ließ sie verzweifeln.
Zunaes Blick wanderte zum Fenster. Die Sonne hatte sich kaum bewegt, weshalb es unwahrscheinlich war, dass sie geschlafen hatte. Sie musste wirklich nur kurz die Augen geschlossen haben.
Frustriert rieb sie sich diese, denn sie taten weh. Leider brachte es keine Besserung, doch die Augen wieder schließen wollte sie nicht. Angst, dass sie zurück in den Traum gezogen wurde, hielt sie im Griff.
Um sich abzulenken griff Zunae nach einem Schwamm, den sie mit einer Seife einrieb, die hier in den Südlanden sehr beliebt war. Sie roch nach Rosen und wurde aus den Gebieten der Einhörner importiert.
Trotz des Krieges hatten die Südlande den Handel mit den Einhorninseln nie stocken lassen.
Zunae genoss den Duft, als sie begann, sich damit einzuseifen. Sie war so darin versunken, dass sie erschrocken keuchte, als sich plötzlich die Umgebung änderte.
Die Wanne wurde zu einem Dach und plötzlich wehte ihr kalter Wind entgegen.
Zunae erzitterte, doch ihr Blick glitt über die weiten Wiesen, die ihr Heimatschloss umgaben. Etwas in der Luft blitzte, was Zunae dazu veranlasste, ihre Augen zusammenzukneifen. Die Sonne ließ den kristallenen Vogel wunderschön schimmern, sodass es Zunae schwerfiel, ihn richtig zu erkennen.
Es dauerte lange, bis sie ihn als Kristallvogel aus den Nordlanden ausmachen konnte.
Entsetzt riss sie die Augen auf, als der Vogel nah genug war, um das kleine Papier an seinem Fuß zu erkennen.
Ein weiterer Brief aus den Nordlanden!
Doch dieses Mal kam kein ungutes Gefühl auf. Sie spürte gar nichts, während sie den Kristallvogel betrachtete. Kein eisiges Frösteln, kein Magengrummeln. Nichts. Als würde das Schicksal seine stumme Zustimmung geben.
Zunae rang nach Luft und sackte in der Wanne zusammen.
Heißes Wasser umgab sie und im nächsten Moment befand sie sich wieder in der Badewanne.
Ein heißer Schmerz bohrte sich in ihre Schläfe. Als hätte jemand glühende Nadeln hineingerammt. Zunae keuchte und atmete flach, um den Schmerz zu verdrängen und ihre Sicht wieder zu klären.
Sie war eben nicht für diese Art der Gabe geschaffen. In ihr rang das Blut um Vorherrschaft. Die Gabe der Raben und das Blut der Drachen vertrugen sich nicht. Nie. Aber sie konnte ihm nicht entfliehen. Trotzdem fragte sie sich, was sich ihre Mutter dabei nur gedacht hatte.
Brummend erhob sich Zunae, während sie sich weiter die Nasenwurzel rieb. Es brachte nicht viel, denn die Vision hing ihr noch immer nach.
Als sie aus dem Waschzuber stieg, spürte sie die Kühle kaum. Ihr Körper war nicht derart empfindlich und in Naytan herrschten zudem sehr gemäßigte Temperaturen. Es war nie wirklich kalt, dafür aber oft sehr warm. Zumindest brannte die Luft hier nicht, wie in der Wüstenstadt Savrana, wo jeder Atemzug nach trockenem Sand schmeckte und nicht einmal die Schatten eine Abkühlung versprachen. Dort konnte das Leben nur Dank den Oasen gedeihen. Hier aber gab es üppige Wiesen und Felder und durch das Klima war der Traubenanbau sehr einfach und beliebt.
Langsam schlang sich Zunae das große Leinentuch um, bevor sie zum Fenster trat.
Sie befand sich in der dritten Etage des Schlosses, wodurch sie von unten kaum zu sehen war. Allerdings war es ihr möglich, das rege Treiben im Schloss zu verfolgen.
Daher bemerkte sie auch, dass eine kleine Gruppe von Pferden mit ihren Reitern durch das große Haupttor auf dem Vorhof ritten.
Der erste Reiter war ein Mann mit langem, blonden Haar, der sofort zu ihren Gemächern sah, als er den Vorhof erreicht hatte.
Zunae konnte nicht anders als zu schmunzeln und hob sogar ihre Hand. Wissend, dass ihr Kindheitsfreund und Heerführer Ilan sie sehen konnte.
Dieser reagierte, als wäre nichts gewesen, als er den Blick wieder senkte, doch Zunae erkannte, wie er sich entspannte.
Schnell drehte sie sich weg, um sich anzukleiden. Wenn Ilan von seiner Aufgabe zurück war, hatte er sicherlich einiges zu berichten. Das hieß, sie konnten gemeinsam Essen, wie sie es früher immer getan hatten.
Zunae war schon neugierig, was er herausgefunden hatte.
- War das Kapitel interessant genug?
- Was habt ihr für einen ersten Eindruck von Zunae?
- In der alten Version startete die Geschichte, ohne vorher viel über Zunaes Umstände und ihr Leben zu erfahren. Welche Variante fandet ihr besser?
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