#14 - Gießplan

Er wusste nicht, woran es lag. Aber er hatte eine Vermutung. Diese weißen, verwöhnten Hipstergören hier auf der Willow Park High waren das gute Zeug nicht gewöhnt. Und mit gut meinte er pur. Vermutlich hatte sich bisher kein Dealer zwischen die ganzen Snobs getraut. Und diejenige, der etwas hatte, hatte es vermutlich bis zur Unkenntlichkeit gestreckt um eine möglo hat große Gewinnspanne zu haben.

Aber Parker wusste aus Erfahrung, dass sie Gewinnspanne bei wiederkehrenden Kunden am höchsten war. Und sie kamen wieder, wenn sie zufrieden waren. Also galt es Qualität statt Quantität abzuliefern. Eine Strategie, die der bisherige Versorger der Willow High wohl nicht verinnerlicht hatte.
Parker selbst war sich auch nicht wirklich sicher, ob er hier das Richtige tat. Die Kids waren beinahe süchtig nach seinem Gras. Und gierig nach mehr.

Aber er hatte sich vorgenommen, keine weiteren Experimente zu starten. Wer wusste schon, ob der Streber aus der 11. sich nicht direkt mit dem Tütchen auf den Weg ins Zimmer des Direktors machen und ihn verpfeifen würde? Genau - niemand. Besser also bei dem einfachen Zeug bleiben und alle glücklich machen so lange er konnte. Wenn es so weiter ging, konnten seine Pflanzen gar nicht schnell genug wachsen.

Nachdem er bis zum Sonnenaufgang am Donnerstag unterwegs gewesen war, hatte er sich beeilen und in der hintersten Ecke des Gartens ein kleines behelfsmäßiges Gewächshaus aus Draht und Folien für die Pflanzen zusammenschießen müssen. Müde war er dann ins Bett gekrochen um wenigstens noch ein, zwei Stunden Schlaf abzukriegen, bevor ein neuer Tag begann.

Es hatte sich am Freitag wie ein Lauffeuer herumgesprochen, dass er etwas Gutes dabei hatte, und so hatte es nicht einmal bis zum Mittag gedauert, bis er sein Zeug los war. Wenn das so weiter ging, würde er Krösus höchstpersönlich bald Konkurrenz machen, denn diese verzogenen Rotzlöffel hier zahlten nicht schlecht für das beste Gras ihres Lebens.

Also war Parker auch Freitagnacht direkt wieder in den Wald gefahren, um weitere Pflanzen zu holen. Nach der dritten Tour musste er zugeben, dass es mehr als mühselig war. Aber er musste schließlich dranbleiben, damit er für Nachschub sorgen konnte, wenn seine letzte Ernte aufgebraucht war.

Schließlich hatte er das ganze Wochenende um die Schichten im Blumenladen herum geplant, weitere Pflanzen und Material für das Behelfsgewächshaus geholt und unendlich viele Tütchen zum Verkauf abgewogen.

Auch heute rissen die ach so feinen Kids ihm das Gras wieder förmlich aus der Hand. Vermutlich waren sie völlig ausgedurstet nach einem ganzen Wochenende ohne ihr neues Lieblingszeug. Am Ende der zweiten Pause war er alles los. Fast alles. Er hatte noch genau ein Tütchen und dann konnte er in den wohlverdienten Feierabend gehen und sich gedanklich nur noch der Schule und dem Blumenladen widmen.

Es kam zwar keine echte Freude auf, aber immerhin war sein Zuverdienst gesichert und er ohne Zwischenfälle durchgekommen. Er konnte nicht klagen. Wirklich nicht.

"Hey, Parker." Ein Typ mit einer Hose, die für jemanden, dessen Hauptjob es war (und wohl für immer bleiben würde), ein reiches Söhnchen zu sein, mächtig tief hing, kam auf ihn zugeschlendert und legte ihm den Arm auf die Schultern. Mit seiner freien Hand zog er sich sein Cap tiefer ins Gesicht und beugte sich dann verschwörerisch zu ihm herüber. "Haste noch was?", flüsterte er, während er einen Geldschein aus der Hosentasche zog und Parker vor die Nase hielt.

Parker unterdrückte ein Fluchen. Hatte er es denn hier wirklich nur mit Idioten zu tun? Er war aufgrund seiner nächtlichen Ausflüge müde und sein Geduldsfaden entsprechend dünn. Als er heute Morgen in seinem provisorischen Gewächshaus nach dem Rechten sehen wollte, hatte er bemerkt, dass seine Pflanztöpfe feucht waren. Dabei hatte er sich strikt an seinen Gießplan gehalten.

Die Erde in den Pflanztöpfen hätten trocken sein müssen, zumindest oberflächlich. In den letzten Jahren hatte Parker durch viele Versuche herausgefunden, dass er die besten Ergebnisse erzielte, wenn er den Pflanzen gerade genug Wasser gab. Nicht so viel, dass sie Gefahr laufen, sich ihre Wurzeln zu vergammeln und nicht so wenig, dass die Triebe eintrocknen. Und ein Gießplan hatte ihm dabei geholfen, den besten Rhythmus herauszufinden.

Dass die Erde nun entgegen dem Rhythmus feucht war, ließ nur einen Schluss zu, über den Parker sich nicht nachzudenken traute. Sein Großvater musste am frühen Morgen durch den Garten spaziert sein und sein provisorisches Gewächshaus entdeckt haben.

Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht. Das würde sicherlich eine längere Diskussion geben, wenn er seine Mutter das nächste Mal traf. Sie hatte ihre Regeln klar und deutlich kommuniziert. Verdammt. Was waren noch gleich ihre Konsequenzen gewesen für den Fall, dass er die Regeln brach? Guillotine? Kerker? Ewige Verdammnis?

"Hey, was ist nun?" Die Stimme des Deppen rief ihn zurück ins Hier und Jetzt.

Parker schnappte sich den Geldschein und schüttelte im gleichen Atemzug den Arm von seinen Schultern.

"Reiß dich zusammen", zischte er dem Typen zu und fischte das letzte Tütchen aus seiner Hosentasche.

Ein prüfender Blick in alle Richtungen und dann übergab er ihm das Gras unauffällig mittels Handschlag. Er musste diesen Trottel hier dringend klarmachen, dass sich mit ihren Gold gepuderten Ärschen zwar fast alles kaufen konnten, er aber immer den kürzeren ziehen würde. Und dann wären sie die beste Quelle ihres Lebens wieder los.

"Hrrrm." Ein Räuspern ließ ihn zusammenfahren.

Der Trottel vor ihm, ließ augenblicklich seine Hand los und das Tütchen fiel auf dem Boden, während der Pfosten einen Satz zurück sprang, als hätte er sich an Parker verbrannt.

Parker sah dem Tütchen nach und fluchte innerlich in den schillerndsten Farben des Regenbogen. Doch er fing sich schnell, stellte betont lässig seinen Fuß darauf und setzte ein strahlendes Lächeln auf, dass der Direktor zu seinem Leidwesen überging.

"Mr. Wild, ich dachte ich hätte mich im letzten Gespräch mit Ihrer deutlich ausgedrückt. Wir können und werden solches Verhalten auf keinen Fall akzeptieren" dröhnte seine Stimme durch den Gang, während er ihm bedeutete, das kleine Päckchen aufzuheben und ihm auszuhändigen.

Parker beugte sich hinab und hob es auf.
Im Augenwinkel sah er eine Bewegung. Die Umrisse könnten zu dem einen Menschen gehören, den er um jeden Preis meiden musste. Doch die Schritte kamen näher und mit ihnen die Gewissheit um wen es sich handelte. Fuck, nein. Alles, nur nicht das. Er brauchte sicherlich kein weiteres Publikum, das bezeugen konnte, dass er ein durch und durch schlechter Mensch war.

Und auch sein Mitschüler schien sich immer unwohler in seiner Haut zu fühlen. Er trat von einem Bein auf das andere, bereit dem Direktor mit tausend Ausreden ins Wort zu fallen, sollte sich dessen Zorn auf ihn erstrecken.
Aber der Direktor beachtete ihn gar nicht. Auch Parkers Augenrollen blieb unbemerkt oder zumindest unkommentiert.

Stattdessen fuhr er seine Moralpredigt mit erhobenem Zeigefinger und inzwischen puterrotem Gesicht fort, während Parker ihm noch immer das kleine Tütchen entgegen hielt.

"Sie verhalten sich sich selbst Gegenüber respektlos, indem sie sich zu solchen Taten herablassen. Selbst, wenn Ihr eigenes Wohl Ihnen egal sein sollte, bringen Sie damit auch Ihre Mitschüler in Gefahr. Sie führen sie in Versuchung, locken Sie in eine Abhängigkeit, eine Abwärtsspirale und -"

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