Kresnik, Vodnik, Ved'mak
Kostja konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als die Strazha gekommen war, um ihn zu holen.
Er war gerade einmal neun gewesen, vielleicht schon zehn, aber manchmal fühlte es sich so an, als wäre an diesem Tag ein ganz fremder Junge gestorben.
Kostja erinnerte sich noch heute das Trommeln des Regens, hörte sein dumpfes Pochen auf der tropfenden Holzüberdachung und fühlte die klammen, vollgesogenen Socken an seiner Haut.
Selbst wenn seine Schuhe nicht an mehreren Stellen schlecht geflickt, ausgebessert und gerissen wären, wahrscheinlich hätten sie trotzdem nicht den Wassermassen standhalten können, die ganz Shirokov zu ertränken drohten.
Ungeduldig trommelten Kostjas Beine gegen das Fass, auf dem er saß, während er den Marktplatz Shirokovs Arbeiterviertel anstierte.
Oder eher das, was davon übriggeblieben war. Während Blitze gleißend über den Himmel zuckte und Donner grölte, lag er vollkommen verlassen vor seinen Füßen. Das Wasser stand ihm bis zum Knöchel, Stände waren umgeworfen und traurige, verschrumpelte Äpfel schwammen in einer Pfütze, während irgendwo ihr Korb über das Flaster rollte.
Seine Mutter hatte ihn vor einer knappen Stunde hierhergeschickt.
Das hatte sie noch nie getan. Immer hatten das seine älteren Geschwister tun müssen - eine Spule Garn holen, etwas Brot, wenn sie Glück hatten sogar einen alten Schinken. Aber nie bei einem solchen Wetter und nie an diesem Wochentag.
Seine Füße wurden unruhiger und er zupfte an seinem hellen Halstuch.
Am liebsten wäre er einfach fortgegangen. Nach Hause und hätte sich unter dem Rock seiner Mutter versteckt. Wie immer.
Aber sie seine Mamotschka hatte ihn schließlich ja nicht umsonst hierhergeschickt!
Ein Quieken zu seinen Füßen riss seine Aufmerksamkeit auf sich. Kostja zuckte zusammen, dann spürte er ein Pieksen an seinem kleinen Zeh. Unter ihm hatte eine fette, hässliche Ratte begonnen, an seinen Schuhen zu nagen.
Ein spitzer Schrei entkam ihm , da schnellte seine Hand vor und er ballte sie in der Luft zur Faust.
Ein stechender, kaltes Kribbeln züngelte seinen Arm herauf, da stieß die Ratte ein schrillen Laut aus und ihr ganzer Körper... er schien zu schrumpen. Lebendig zu verdorren, als eine leicht trübe Flüssigkeit von unsichtbaren Kräften aus ihrem Körper gezogen wurden.
Tot.
Keuchend sackte Kostja etwas zusammen.
Zuhause hatte er das schon öfter getan.
Ratten und Mäuse waren eine Plage, fraßen ihre wenigen Vorräte und ruinierten ihre Wäsche.
Es war einfach gewesen. Zumindest, nachdem er am Kanal gesessen hatte, der die Altinitsa eingeschlossen hatte und kleine Bälle - am Anfang so groß wie Tautopfen- zu seinen Fingern hatte schweben lassen. Oder später, wo er die Pfütze unter den Füßen der Bande aus Straßenjungen zu Eis hatte erstarren lassen, nachdem sie ihn wegen seinem Laib Brot durch die halbe Stadt gejagd hatten. Er musste noch immer leicht schmunzeln, als er an ihren stöhnenden Berg aus Gliedmmaßen dachte.
Das Lachen verstummte sofort, als ein Brüllen den Himmel zerriss und die Schlange selbst jeden Moment aus dem Boden zu brechen schien.
Erschrocken fuhr Kostja zusammen, wollte zurückweichen, aber da war nichts, nur Luft.
Noch bevor er wieder halt hätte finden, stürzte Kostja strampelnd das Fass hinterrücks herab und donnerte auf den Boden.
Mit schwirrendem Schädel und tauben Glieder blinzelte er gegen den Schmerz an, bis er es nach zähen Sekunden schaffte, endlich wieder den Kopf zu heben und zum Marktplatz zu blicken.
Sein Herz drohte, in seiner Brust zu zerspringen.
Vier Gestalten hatten den überschwemmten Platz betreten und alle waren in dunkle Uniformen gehüllt.
Allein eine Person hob sich von ihnen ab. Eine Frau mit hellen, blonden Locken, an deren Ärmel ein golden-silbriges Sonnenrad prangte.
Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
Die Strazha.
Er kannte diese Uniform.
Sie- Sie kamen um die bösen Magier umzubringen. Aufzuhängen. Den Kopf ab. Was auch immer.
Aber er selbst war doch nicht... Nein, nein. Bestimmt nicht. Definitiv nicht. Woher sollten sie überhaupt wissen...
Er wusste nicht wieso, vielleicht war es Vorahnung, vielleicht auch nur kindliche Angst, aber Kostja wagte es nicht einmal mehr zu atmen, als er da so am Boden kauerte.
"Was ist das denn für ein Dreck!", hörte er sich eine männliche Stimme beschweren. Die Worte hallten über den gesamten Platz. "Hätten die sich nicht einen anderen Tag aussuchen können, diesen Bengel einzusacken? Immer diese möchtegern patriotischen Schreibtischhocker!"
"Hör auf, diesen defätistischen Mist auszukotzen", kam es von einem anderen zurück, doch eine weitere Stimme mischte sich ein.
"Haltet den Mund!", zischte die Frau. "Ich bin mich hier gerade am konzentrieren!"
"Und Sie sind sich ganz sicher, die Magie wirklich genau hier gespür-"
"Natürlich bin ich das." Ärgerlich verzogen sich ihre Lippen. "Das bin ich immer. Aber bitte, wenn die Herren es besser können! Versuchen Sie doch einfach selbst, bei so-"
Mit einem Mal wirbelte ihr Kopf herum. Direkt in Kostjas Richtung.
Wimmernd drückte er sich etwas weiter hinter das Fass.
Vorsichtig, ganz langsam, richtete er sich auf alle viere auf und schob sich nach hinten.
Wenn er ganz leise war, ganz mucksmäuschenstill, vielleicht bemerkte man ihn gar nicht.
Vielleicht wollte man ihn auch gar nicht?
Vielleicht waren sie für jemand ganz anderen hier. Bestimmt.
Nein, nein, er sollte die Erwachsenen nicht stören, wirklich nicht, überhaupt nicht-
Er hatte es gerade hinter eine Kiste geschafft, da traf sein Fuß einen Eimer.
Klirren.
Scheppern.
"Da!", hörte er sofort jemanden rufen.
Die Frau setzte sich prompt in Bewegung, steuerte auf ihn zu und er hörte ihre feine Stimme sprechen:
"Komm her, kleines Lämmchen. Möchtest du nicht zu uns ins Warme? Eine Tasse Tee trinken?"
Die Worte klingelten bedeutungslos in Kostjas Ohren, da war er schon auf de Füße gesprungen.
Ohne jeden weiteren Gedanken an irgendetwas zu verschwenden, hechtete er los, tauchte unter einem aufgespannten Fischernetz hinweg und quetschte sich zwischen zwei Kisten hindurch.
In Windeseile rannte auf seinen kurzen Stummelbeinen über den Platz, doch das Klatschen von Stiefelsohlen in Pfützen dröhnte immer lauter in seinen Ohren.
Kostja wagte es, einen Blick über die Schulter zu werfen.
Beinahe wäre er vor Schreck stehengeblieben.
Einer der Soldaten hatte ihn bereits mit langen Schritten überflügelt, streckte bereits die Pranke nach ihm aus-
Kostjas Herz machte einen Sprung.
Furcht und Kälte schossen durch seine Adern, im nächsten Moment stieß der Soldat einen spitzen Schrei aus, da schlitterte er schon über den vereisten Boden.
Bevor er auch noch Blinzeln konnte, krachte der Soldat in einen verfallenen Marktstand.
Das Holz klappte über ihm zusammen.
Ein Knacken fuhr durch die Luft und bevor er es hatte stoppen können, sprudelte ein erleichtertes Glucksen über seine Lippen.
Doch fuhr einen Augenblick zu lange klebten seine Augen an dem Spektakel.
Da brach schon eine massige Gestalt hinter einem Stand hervor, packte Kostja am Arm und riss ihn herum.
Panik flammte auf.
"Lassen Sie mich los, Sie hässlicher, deformierter-!"
Der Schlag ins Gesicht kam vollkommen unerwartet.
Erst war da nur Schock, ein setsames Kribbeln auf seiner Wange, doch schon im nächsten Herzschlag krümmte sich Kostja vor Schmerz.
Dunkle Flecken tanzten in seinem Blickfeld und alle seine Glieder waren taub, irgendwie wie weg, während allein sein Gesicht in Flammen stand.
Er konnte nur wie in Trance beobachten, wie sich der Griff um seinen Arm verfestigte und die Welt verwischte, als jemand ihn über das Kopfsteinpflaster schleifte.
Eine Person sagte etwas, schimpfte sogar, aber die Worte drangen nicht wirklich an seine Ohren.
Allein ein schwammiger dunkler Gegenstand ragte vor ihm in die Höhe. Erst langsam wurden die Konturen schärfer und noch langsamer drang das Schnauben und Hufgescharre der Pferde zu ihm durch, bis er endlich die Kutsche erkannte.
Sie war hübsch, musste er feststellen, während er so im Nichts schwebte. Schöner als die Gespanne und Karren, die er bis jetzt gesehen hatte. Und das Wappen, das an ihrer Seite glänzte, glitzerte goldener als die Sonne.
Es blieb ihm nicht viel Zeit zum Staunen.
Ein Stoß traf Kostja ihm Rücken.
Er ächzte, strauchelte und statt in die Kutsche zu fallen, knallte er auf den Boden.
Handflächen und Knien platzten auf dem Kopfsteinplfaster auf.
Wieder drang ein verräterisches Wimmern über seine Lippen, aber diesmal ätzte nur jemand hinter ihm:
"Selbst die Ved'ma letzte Woche war ein einfacherer Fall als das hier und die haben wir an den Galgen gebracht!"
Etwas in Kostjaerstarrte bei diesen Worten und riss ihn zurück in die Wiklichkeit.
Ved'ma.
Ein Todesurteil.
"Bitte- ich, ich will nicht sterben!", stammelte er noch hervor, doch er hörte nur ein raues Lachen.
"Sterben! Bei den zehn Heiligen!" Jemand schnaubte. "Es bleibt mir noch immer schleierhaft, wie es die Kresniknina schafft, aus solchen Bengeln brauchbare Gardisten für den Zaren zu machen."
"Wir schaffen es immer", merkte die Frau nur nüchtern an und zupfte einen unsichtbaren Fussel von ihrem Mantel. "Und jetzt kommt. Ich hab besseres zu tun, als mir hierwegen eine Lungenentzündungen zuzuholen."
Wie auf Kommando packte einer der Soldaten Kostja am Kragen und beförderte ihn in das Innere der Kutsche.
Sofort gab weiches Polster unter ihm nach und Kostja rutschte in eine sitzende Position. Er wagte es nicht einmal, sich zu bewegen, als sich die vier anderen auch in den Innenraum quetschten.
Der Junge konnte sie nur perplex anstarren.
Sie in ihren hübschen, warmen Uniformen, mit der gepflegten Haut und den ordentlich gestutzten Haaren und Bärten.
Keine halbe Minute verstrich, da setzte sich die Kutsche knarrend in Bewegung und Kostja blieb stumm.
Weg.
Erst langsam sickerte die Erkenntnis durch seinen Körper.
Sie brachten ihn fort von hier.
Fort von Zuhause. Von seiner Mamotschka. Seinen Geschwister.
Wenn er ehrlich war - und das gestand er ohne Scham- dann bestand seine Familie heute nur noch aus verschwommenen Schemen. Ihre Namen waren schon viel länger aus seinem Gedächtnis verschwumden, ihre Gesichter höchstens verschwommen, aber umso mehr erinnerte er sich an die Panik in seiner Stimme, als er gekrächzt hatte:
"Was- Was wollt ihr? Wohin bringt Ihr mich?"
Man überging seine Frage einfach. Als wäre er nicht einmal richtig da.
Stattdessen lehnte sich die Frau nur etwas vor, packte sein Kinn und hob es leicht an. Ihre Haut war klirrend kalt.
"Soweit ich das beurteilen kann, hat er gutes magisches Potential. Etwas ungewöhnlich ausgeprägt für sein Alter vielleicht, aber das hat unser lieber Kamerad Černy ja schon bereits an eigener Haut erfahren dürfen."
Sie legte Kostjas Kopf leicht schief.
"Er ist auch ganz hübsch. Vielleicht schon ein bisschen alt, aber hübsch. Damit werden Sie in Altingrad gut arbeiten können."
Trotzdem warf sie einem der Soldaten einen finsteren Blick zu, als sie ergänzte:"Vorausgesetzt, du hast ihm nicht den Kiefer zertrümmert."
Sein Herz verkrampfte sich bei ihren Worten, aber er traute sich nicht, auch nur einen Mucks von sich zu geben.
Altingrad, die goldene Stadt, Haptstadt Velijas und Sitz der Zarenfamilie.
Vorsichtig drehte sich Kostja ein wenig um und blickte aus dem schmalen Fenster der Kutsche.
Und so sah er, wie sie die letzten Häuser Shirokovs an ihm vorbeizogen.
Die nächste halbe Stunde beobachtete er, wie sein Zuhause erst zu einer undefinierbaren schwarzen Masse verschwomm und schließlich zu einem kleinen Punkt zusammenschrumpfte, der schließlich gänzlich vom Horizont verschluckt wurde.
Somit verschwand alles von der Erdoberfläche, was er jemals zu kennen geglaubt hatte.
Yay, Kindesmisshandlung.
Ein Wunder, dass Grisha nicht bei der Strazha angefangen hat.
Man möge mich für diese Darstellung der Teestunde bitte nicht steinigen.
Aber wer auch misshandelt wurde?
Meine mentale Gesundheit, als ich Mikhail Lermontov (+Sangria) und seinen OG Fuckboy Petschorin gemalt habe.
Ich bereue alles und nichts hieran.
Ich hab Petschorin einfach submissive und breadable gemacht.
Und Girlboss Ergena:
(Die Haarnadeln sind nicht da, weil die wahrscheinlich schon in Grisha und/oder Bjalski gerammt wurden)
Und abschließend hätte ich noch Kostja und Zina in ihren feschen Dedektiv-outfits. (ja, er raucht Seifenblasen)... zumindest hätte ich das, könnte ich Zinas falsche Augenfarbe ändern. Geht aber momentan nicht.
Also habe ich eine Mini-Fotostrecke mit dem Fuckboy unserer Zeit gemacht, basierend auf einer Line, dass Petschorin bloß nicht wieder in Europa Urlaub machen will.
... somit nahm ich ihn ins ziemlich europäische Österreich mit.
Rache für Bela. Und Maxim. Und Mary.
(Leider hatte ich ihn an den coolen Orten nicht dabei... Aber das hätte er eh nicht verdient.)
Dass der Kerl auf dem Cover nicht mal aussieht wie Petschorin, macht mich ein wenig fertig... Naja, vielleicht soll es der namenlose Erzähler aus dem ersten Teil sein... oder so.
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