Robb
Eigentlich hatte Robb vorgehabt, so schnell wie möglich an die Mauer zu reisen. Doch auch zwei Monate nach Rickons Rückkehr hatte er es nicht geschafft. Zu viele Aufgaben beschäftigten ihn. Vor allem wollte er Winterfell wieder aufbauen. Er hatte mit Margaery die Gemächer seiner Eltern bezogen. Arya und Rickon waren in ihre alten Zimmer gezogen und verbrachten den meisten Teil ihrer Zeit zusammen. Bogenschießen, Fechten und Wettrennen im Schnee. Doch wenn Rickon nicht mit Arya übte, war er bei Prinzessin Sharin. Die Tochter von Stannis war ein in sich gekehrtes, schüchternes Mädchen, das viel las. Doch manchmal brachte Rickon sie zum Lächeln und beide wurden rot, wenn sie zusammen gesehen wurden.
Arya war erneut zum Schrecken der Burg geworden, wenn auch anders als früher. Statt Schabernack und Unsinn verbrachte sie viel Zeit in der Waffenkammer. Ihre Fähigkeiten wuchsen, doch sie wirkte nicht ganz zufrieden. Osha hatte sich überraschend mit Margaery angefreundet. Die beiden ungleichen Frauen wurden oft dabei gesehen, wie sie durch dem Götterhain spazierten.
Robb mochte sein Leben. Er war König des Nordens. Mit der schönsten Frau der Sieben Königslande verheiratet und bald Vater von zwei starken Kindern. Und seine Familie war beinahe wieder komplett.
Er stand auf dem Wachgang über dem großen Haupttor, als er sie sah. Eine Gruppe von drei Reitern, die sich Winterfell näherten. Es war eigentlich nichts Ungewöhnliches. Winterfell war das Zentrum des Nordens. Fischer von der Steinigen Küste, Pelzjäger aus den Bergen, Handwerker aus Weißwasserhafen und Händler aus dem Süden, gingen in Winterfell ein und aus. Doch etwas an dieser Gruppe kam ihn merkwürdig vor.
Robb gab den Wachen ein Zeichen, die Gruppe durch das Tor zu lassen. Er sammelte mehrere Wachen und erwartete sie.
Es waren drei Schwarze Pferde, wie sie die Nachtwache nutzte. Nordpferde, robust und stark. Die drei stiegen aus dem Sattel und nahmen ihre Kapuzen ab.
Robb erkannte Melissandre sofort. Die Rote Frau trug schwarze Gewänder, die mit roten Mustern versehen war, weshalb Robb sie nicht sofort erkannt hatte. Der Ritter an ihrer Seite, ein ältere Mann, mit weißem Bart und einer Halbglatze, starrte Robb finster an.
Doch es war ihr Anführer, der Robbs Aufmerksamkeit forderte.
Seine Haare waren zurückgebunden worden. Narben zierten sein Gesicht und er war größer, als bei ihrer letzten Begegnung. Doch seine Augen waren noch die gleichen. Das dunkle Braun wirkte nur trauriger.
Robb ging auf ihn zu. „Du solltest doch Schwarz tragen, wenn wir uns das nächste Mal sehen.", sagte er vorwurfsvoll.
Sein Gegenüber lachte leise. „Ist wohl doch nicht meine Farbe."
Robbs strenger Ausdruck wich einem herzhaftem Lachen und sie fielen sich in die Arme. „Ich hatte gehofft, dich wieder zu sehen Jon."
In den Gemächern des Lords von Winterfell bot Robb seinem Halbbruder einen Kelch heißen Gewürzwein ein.
„Was führt dich nach Winterfell, Lord Kommandant? Ich hoffe du bist nicht desertiert?", es war nur ein halber Scherz. Robb hoffte inständig, das Jon nicht desertiert war. Er könnte ihn niemals umbringen.
Jon nahm den Wein dankbar an. „Ich bin nicht desertiert. Doch meine Wache ist zu Ende.", Jon starrte ins Feuer, als würde er dort die Offenbarung finden. „Was weißt du über die Weißen Wanderer?", fragte er dann.
Die Frage überraschte Robb. „Die alte Nan hat uns früher Geschichten erzählt, über die lange Nacht."
„Sie sind wahr. Alle. Die weißen Wanderer kommen. Uns steht eine weitere lange Nacht bevor. Ich habe sie gesehen Robb. Sie sind der Grund, warum das freie Volk, nach Süden will." Jons Stimme war voller Grauen.
Der Wein in Robbs Händen schien mit einem mal weniger heiß zu sein. „Wie lange haben wir noch?", er zweifelte nicht an Jons Worten.
„Ich weiß es nicht. Monate, Jahre. Vielleicht greifen sie die Mauer auch schon Morgen an. Sie haben achttausend Jahre gewartet. Was machen da ein paar Jahre mehr?"
„Die Mauer. Ist sie stark genug, um sie aufzuhalten?"
Jon sah in an und eine Müdigkeit, wie Robb sie noch nie gesehen hatte, lag in seinem Blick. „Die Mauer? Ja. Die Nachtwache? Nein. Auch mit den tausend Mann, die du ihnen durch deine Kriege geschickt hast, reichen sie nicht aus. Tommen und Theon machen sich übrigens gut, auch wenn ich Theon nur ungern aufgenommen habe. Nach allem was er unserer Familie angetan hat."
„Bran und Rickon leben.", sagte Robb sanft.
Jon sah ihn an und für einen Moment, war er ganz der alte. „Das ist gut. Das Rudel muss zusammen sein, wenn sie den Winter überleben will."
„Willst du ihn sehen? Arya würde sich freuen. Ich weiß, ihr standet euch immer sehr nahe."
„Später.", Jon stand auf und nahm sich noch etwas von dem Wein.
Etwas an seinen Bewegungen, wie er die Hand auf die Brust presste, machte Robb stutzig. „Jon. Warum trägst du kein Schwarz mehr? Was ist an der Mauer passiert?"
Jon stützte sich mit beiden Händen auf dem Kaminsims ab. „Ich habe getan, was ich für richtig hielt. Das Freie Volk verdient seine Chance auf Überleben. Doch meine Männer haben das nicht verstandene. Sie haben mich erstochen.", seine Stimme war voller Verzweiflung.
Robb stand auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wenn sie dich verletzt haben, erklärt das nicht..."
„Sie haben mich nicht verletzt. Sie haben mich getötet. Ich war tot, Robb.", langsam öffnete Jon seinen Wams und drehte sich um. Fünf gebogene Narben waren zu sehen. Vier in der Brust und Bauch, eine über dem Herzen. „Ich war tot. Ich verdanke es Ser Davos und Lady Melissandre, dass ich wieder hier stehe."
„Ich verstehe nicht.", gab Robb zu.
Jon lächelte. „Ich auch nicht. Ich weiß nicht, warum der Herr des Lichts mich zurückgeholt hat. Aber er tat es. Und nun muss ich gehen."
Robb legte die Stirn in falten. „Gehen? Warum? Und wohin", Robb wollte nicht, dass Jon ging. Er war gerade erst wiedergekommen.
„Ich gehe nach Volantis. Der größte Tempel für den Herrn des Lichts steht dort. Wenn ich Antworten auf meine Fragen bekommen will, dann dort."
„Und was ist mit den Wanderern? Wenn das, was du sagst, stimmt, dann wäre es Falsch, wenn du uns jetzt verlässt!", rief Robb aufgebracht.
„Ich weiß. Aber ich muss gehen. Es ist mein Weg. Das ist alles was sich weiß.", sagte Jon traurig.
„Was ist mit Geist?"
„Ein Schattenwolf gehört nicht nach Essos. Er wird bei dir bleiben müssen, so sehr es mich auch schmerzt."
Robb packte ihn an den Schultern. „Ich kann vielleicht nicht verhindern, das du uns verlässt, aber ich werde dich nicht gehen lassen, bis du unsere Familie kennengelernt hast. Arya würde mich umbringen."
Jon seufzte ergeben. „In Ordnung. Dann zeig mir das Rudel."
„JON!", riefen Arya und Rickon begeistert. Sie sprangen aus ihren Stühlen und rannten ihn fast um.
Jon lachte und drückte seine Halbgeschwister an sich. „Ich habe euch vermisst.", sagte er leise. Er brachte etwas Abstand zwischen sich und den beiden. „Du bist groß geworden Rickon. Wenn du weiterwächst, dann bist du irgendwann größer als Vater."
Stolz warf sich Rickon in die Brust.
„Arya. Hast du deine Nadel noch?"
Aryas fröhliches Gesicht wurde düster. „Nein. Einer der Lennister Soldaten hat es mir abgenommen. Ich werde sie wahrscheinlich nie wiederbekommen."
Jon wuschelte ihr durch die Haare. „Ich bin mir sicher, du findest eine neue, die ebenso gut ist.", er richtete sich auf und kam zu Robb und Margaery. „Euer Gnaden.", er wollte sich verbeugen, doch Margaery stoppte ihn. „Du gehörst zur Familie. Du solltest nicht knien.", Sie hob Hazel hoch. „Du hast eine Nichte."
Jons Miene wurde weich, als er Hazel über die Wange strich. Robbs kleines Mädchen giggelte fröhlich und griff nach seinem Finger. Ihre kleinen Finger umschlossen seinen Zeigefinger. Jon sah zu Margaery. „Du hast eine wunderschöne Tochter. Eine wahre Stark.", dann sah er zu Robb. „Jetzt hat Geist jemanden, auf den er aufpassen kann." Er drehte sich erneut zu Arya und Rickon um. „Passt auf die beiden auf. Ich wette, die beiden haben nur Augen für sich und irgendwer muss sie ja beschützen."
Rickon grinste, doch Arya sah ihren Halbbruder an. „Du verlässt uns? Warum?"
Jon sah sie traurig an. „Ich muss. Ich bin auf der Suche nach etwas. Und das finde ich nicht hier."
Arya umarmte Jon. „Ich will nicht das du gehst.", flüsterte sie.
„Ich will auch nicht gehen, aber ich muss.", Jon versuchte zuversichtlich zu klingen, doch es gelang ihm nicht. Er erhob sich und kam erneut zu Robb. „Beschütze die Mauer. Kümmere dich nicht um die Tradition. Jetzt müssen wir alle die Wächter auf der Mauer sein. Die Wildlinge wollen nur überleben. Denk daran, wenn du mit ihnen sprichst. Und pass auf deine Familie auf. Der Winter nahmt."
Am hinteren Ende der Halle tauchte plötzlich Melissandre auf. „Wir sollten bald los. Die kalten Winde erheben sich.", sie sah Arya an und Robb hatte das Gefühl, sie würden sich kennen. „Denk an das, was wir dem Gott des Todes sagen, kleine Wölfin."
Arya wurde stocksteif, dann nickte sie, ohne etwas zu sagen.
Jon drehte sich zu Robb um. „Wenn ich wiederkomme, seid nicht Tot."
Robb nickte. „Ich verspreche es dir."
Jon lächelte, dann verließ er mit Melissandre die Halle.
Zwei Tage später reiste Jon endgültig ab. Mit der Roten Frau an seiner Seite stand er im Innenhof von Winterfell, wo sich der gesamte Hofstaat von Robb versammelt hatte. „Wenn ich dich schon nicht halten kann, dann will ich dich wenigstens ordentlich verabschieden.", hatte Robb ihm gesagt und sich nicht davon abbringen lassen. Die Banner der Starks wehten im Wind, als Jon und Melissandre ihre Pferde bestiegen und langsam zum Tor hinaus ritten. Eine Eskorte von zehn Soldaten würde sie begleiten.
Mit Magaery in seinen Armen und Arya und Rickon neben sich beobachtet Robb, wie Jon langsam immer kleiner wurde und dann verschwand. „Wir sehen uns wieder. Das schwöre ich. Und wenn die Mauer vorher einstürzt. Er wird zurückkommen. Das weiß ich.
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