Margaery


Margaerys erster Eindruck von Winterfell war, dass ihr alles neu vorkam. Es waren noch die alten Mauern, die gleichen Steine, aber alles andere war neu. Neue Befestigungen, neue Treppen, neue Ställe. Im großen Hof liefen beständig die Arbeiter hin und her. Balken wurden getragen, Werkzeuge gebracht und aus den Schmieden erklang das beständige Hämmern von Metall. Die hölzernen Treppen und Übergänge waren noch hell und glatt, die Pferdeställe auf das Doppelte angewachsen.

Robb erwartete sie im Hof. Sein Arm lag in einer Schlinge und er bewegte sich etwas steif, doch er schien nicht schwer verletzt zu sein.

Mit Arya an ihrer Seite blieb Margaery im Tor stehen und beobachtet ihren Mann. Robb unterhielt sich mit Kleinjon Umber, dem Lord vom Letzten Herd. Dabei rief er immer wieder Befehle in Richtung der Arbeiter.

„Warum gehen wir nicht zu ihnen?", fragte Arya verwirrt.
„Einen Moment noch. Ich will ihn nur ansehen. Er macht das so gut. Regieren.", antwortete Margaery versonnen.

Arya schnaubte und spielte am Zaum ihres Mantels herum. Sie war immer noch sauer auf Margaery, weil diese sie nicht zur Schwarzen Festung hatte reiten lassen. Doch Margaery hatte nicht gewollt, das Arya sie verließ. Ein ungutes Gefühl hatte sie ergriffen, so als würde ein Unglück geschehen, wenn Arya zur Mauer ritt.

Robb entdeckte sie. Er lächelte Margaery an, dann wanderte sein Blick zu Arya, die diesen irritiert erwiderte. Doch er kam nicht zu ihnen. Stattdessen dreht er sich um und rief jemanden.
Als der Junge neben Robb auftauchte, schlug Margaery eine Hand vor den Mund. Aryas Reaktion, war weniger subtil. Mit einem lauten Schrei und Tränen in den Augen rannte sie auf den Jungen zu, der ebenso vor Freude weinte und warf sich in seine Arme. „Du lebst. Du lebst. Du lebst.", schluchzte Arya und schloss Rickon Stark noch fester in die Arme.
Margaery ging langsam auf Robb zu. Laufen ging seit einem Monat nicht mehr. Robb legte eine Hand auf ihren Bauch, lächelte glücklich und umarmte sie. Margaery genoss es, wieder bei ihm zu sein, doch eine Frage konnte sie ungefragt lassen. Sie löste sich von Robb und beugte sich zu Rickon hinunter. Der jüngste Sohn von Eddard Stark war um mehrere Zoll gewachsen und groß für sein Alter, auch wenn Margaery nicht sagen konnte, wie alt er genau war. „Wie hast du überlebt?", fragte sie ihn.

Rickon lächelte. „Osha hat mich gerettet. Mich, die Wölfe, Hodor und Bran."
Margaery konnte ihr Erstaunen nicht verbergen. Sie sah, dass es Arya genau so ging.
„Ja. Bran lebt. Oder zumindest tat er das noch, als ich ihn an der Mauer verließ.", erklärte Rickon weiter.

„Wir sollten das drinnen besprechen. Da haben wir unsere Ruhe und sind ungestört. Hier draußen ist es mir zu kalt.", Margaery zog den Mantel enger um sich.

„Eine Gute Idee," Rickon grinste Arya an. „wer zuerst in der großen Halle ist," rannte er los. Arya zögerte kurz, dann breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus und sie rannte ihrem Bruder freudestrahlend hinter her.

Robb stellte sich neben Margaery und ergriff ihre Hand. „Wann hast du Arya jemals so lachen sehen?" fragte er. Sie stieß ihn mit der Schulter an. „Sag du es mir. Ich muss Hazel holen. Sehen wir uns in der großen Halle?", sie wollte gehen, doch Robb hielt sie fest. Sein Gesicht wurde traurig.

Sie nahm seine Arm. „Was ist los?", fragte sie sanft.

Robb zog sie an sich. „Es geht um Loras."

Margaerys Knie wurden weich, als sie ihren Bruder sah. Er lag in einem der neu eingerichtet Zimmer und schlürfte an einer Schale. Er war abgemagert und seine Haare hingen schlaff an ihm herunter. Seine Wangen wirkten eingefallen. Doch als er sie sah, lächelte er.
„Loras.", sie trat an sein Bett. „Was ist passiert?

Er zuckte mit den Schultern. „Lungenentzündung. Hätte mich fast umgebracht. Aber der neue Maester, Alyn? ist nicht der schlechteste." Er legt sich die Schüssel zwischen die Knie und ergriff ihre Hand. „Mit mir ist alles in Ordnung. Ich muss mich bloß ausruhen, das ist alles."
Margaery erwiderte sein Lächeln. „Und du willst dich vor der Hochzeit mit Talla Tarly drücken.", sagte sie. Es war als Scherz gemeint, doch Loras lächeln verschwand. Er zog seine Hand aus ihrer. „Ich brauche Ruhe.", sagte er und wich ihrem Blick aus.
Margaery hatte ihn nicht verletzen wollen. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Werde schnell wieder gesund, ja?"

Loras antwortete nicht.
Draußen wartet Robb auf sie. „Alles gut?"

Seine Frage rührte sie und sie nickte. „Alles gut. Arya und Rickon warten sicherlich auf uns," sie wollte gehen, doch erneut bleib Robb stehen. Allmählich wurde sie ungeduldig. „Was ist denn los? Sag es endlich. Hast du eine der Dienstmägde geschwängert und willst es mir nicht sagen?", doch sofort bereute sie ihre Worte. „Entschuldige," sagte sie zerknirscht. „Meine Schwangerschaft. Sie macht mich manchmal, aufbrausender."

„Wie gut, dass wir Starks ein Gemüt aus Eis haben," er zog sie an sich. „aber nein, ich habe keine Dienstmagd geschwängert. Ich habe einen Mann, den ich zuriefst bewundert habe, töten müssen."

Sie musste nicht fragen, wen er meinte. „Wir hörten Gerüchte über den Kampf, in Weißwasserhafen. Hast du dich ihm, Mann gegen Mann gestellt?"
„Ja. Mache mir bitte keine Vorwürfe deswegen."
„Keine Vorwürfe? Du meinst, das unsere Kinder beinahe ohne Vater aufgewachsen wären? Solche Vorwürfe?"

„Margaery..."

Sie wischte seine Worte beiseite. „In Ordnung. Was ist passiert, nachdem du Stannis besiegt hast?"

„Seine Frau hätte beinahe Selbstmord begangen. Wir konnten sie gerade noch davon abhalten. Die meisten seiner Männer haben sich ergeben. Wir haben ihnen angeboten, das Schwarz anzulegen, und viele haben sich dafür entschieden. Die anderen, die Fanatiker der Roten Frau, haben gesagt sie würden lieber hängen, als ohne ihren König zu Leben. Ich habe ihnen die Gnade gewahrt und sie mit Eis enthauptet.", berichtet Robb.

„Und die Rote Frau? Und Stannis Tochter?"

„Sharin hat ein Zimmer in der Burg bekommen. Sie versteht sich gut mit Rickon. Die Rote Frau hingegen... Sie ist uns entkommen. Genau wie der Zwiebelritter. Die Priesterin hat sich nach dem Duell, eines der Pferde genommen und ist geflohen, wohin weiß keiner. Der Zwiebelritter, Ser Doran, oder Dawen? Er war überhaupt nicht bei Stannis Armee. Auch bei ihm wissen wir nicht, wo er ist."

Margaery hörte Robb aufmerksam zu. „Davos."

Robb sah sie irritiert an. „Was?"

„Der Zwiebelritter. Er heißt Davos Seewert. Mein Vater hat immer über ihn hergezogen.", erklärte sie. „Was ist dann passiert?"

„Drei Tage nach der Schlacht, ist der Kleinjon aufgetaucht. Er hat, neben eintausend Mann, Rickon, Struppel und diese Wildlingsfrau, Osha mitgebracht. Aber das soll Rickon dir selber erklären. Ich kann es immer noch nicht glauben. Meine Brüder lebt. Sie leben! Wenn wir jetzt auch noch Bran finden..."

„Dann wären wir komplett.", die Freude über die Rückkehr seines verschollenen Bruder war Robb anzusehen, doch da war noch etwas anderes. „Dich bedrückt etwas. Was ist es?", sie hatten Inzwischen einen der Durchgänge erreicht, wo niemand war.

Robb lehnte sich an eine Wand, die Energie schien seinen Körper zu verlassen. „Ich musste Stannis töten, Margaery. Alles in mir hat sich dagegen gesträubt, seit dem Zeitpunkt, an dem wir beschlossen haben, Renly zu krönen. Er ist, war, der rechtmäßige König der Sieben Königslande. Mein Vater, Eddard Stark, hat sich für ihn entschieden und dafür mit seinem Leben bezahlt. Habe ich nicht alles verraten, für das mein Haus steht, indem ich ihn getötet habe?"

Die Verzweiflung in seinen Augen war so groß, das es Margaery das Herz brach. Wortlos schlang sie ihre Arme um ihn. „Du hast getan was du tun musstest, um deine Familie zu beschützen. Stannis hätte es niemals akzeptiert, das der Norden unabhängig wäre. Es wäre erneut zum Krieg gekommen," sie sah zu ihm hoch und nahm sein Gesicht in ihre Hände. „Du hast das Richtige getan."

Die Sorgenfalten in seinem Gesicht glätteten sich. Er lächelte sie an und küsste sie. Margaery schloss die Augen und genoss den Augenblick. Er würde viel zu schnell vorbei sein.

~~~

„Da seid ihr ja.", meckerte Arya. Sie saß vor dem Feuer in der großen Halle und wärmte sich die Hände, Rickon saß neben ihr und schnitzte Holzspäne in den großen Kamin. Grauwind und Struppel hatten sich neben ihnen zusammen gerollt. Rickons Schattenwolf war gewaltig gewachsen. Er war nur wenige Handbreit kleiner als Grauwind, doch sein zotteliges schwarzes Fell und die grünen Augen ließen ihn wilder erscheinen.

Robb half Margaery dabei, sich hinzusetzten, dann nahm er selbst Platz. „Wie seid ihr aus Winterfell entkommen, nachdem Theon es erobert hat?", fragte Margaery den Jüngsten der Starks.

„Männer, die nur mit ihren kleinen Eiern denken, sind schlecht, um Burgen zu bewachen.", Eine Frau, die neben dem Kamin gestanden hatte drehte sich zu ihnen um. Sie trug gehärtetes Leder und ein Jagdmesser am Gürtel. Ihre Augen waren voller Misstrauen.

Sie kam Margaery vage bekannt vor, doch wären sie im Hof von Winterfell aneinander vorbei gelaufen, dann hätte Margaery sie für eine einfache Dienerin gehalten. Jetzt aber... „Du bist Osha. Die Wildlingsfrau, die Bran angegriffen hat, damals nach unserer Hochzeit.", fiel es ihr wieder ein.

„Ich verdanke ihr mein Leben. Ohne sie hätten wir Winterfell nie verlassen können.", Rickon warf Osha einen dankbaren Blick zu. Diese zuckte nur mit den Schultern, doch Margaery konnte ihr die Zuneigung ansehen.

„Nachdem Osha Theon und die Wachen abgelenkt hat, sind wir geflohen. Hodor hat Bran getragen. Wir sind zu einem Bauernhof gekommen und wollten uns dort verstecken, doch Bran wollte das nicht.", Rickons Hände verkrampften sich leicht. „Den Jungen hat das nicht geholfen.", murmelt er düster. Für einen Moment schwieg er, in seinen Erinnerungen gefangen, dann redete er weiter. „Wir haben uns in der Gruft von Winterfell versteckt. So lange bis die Eisenmänner geflohen waren. Oder wurden sie vertreiben? Ich weiß es nicht mehr. Wir sind nach Norden, immer weiter nach Norden, weil Bran unbedingt hinter die Mauer wollte."
Neben Margaery verkrampfte sich Robb. „Weißt du, warum er hinter die Mauer wollte?", fragte er.

Rickon dachte nach, schüttelte dann aber den Kopf. „Ich weiß es nicht mehr. Das Ganze ist schon so lange her. Ich weiß nur noch, dass Bran anders war. Er hatte Fähigkeiten, sagte er jedenfalls. Wolfsträume. Aber ich habe bei nicht alles verstanden, was er und Jojen..."

„Jojen Reed? Der Sohn von Howland Reet?", fragte Robb erneut.

„Ja. Wir trafen ihn und seine Schwester irgendwann und sie haben uns begleitet."

„Was meinst du mit, Wolfsträumen?", Arya wirkte merkwürdig unruhig.

Ein Grinsen zog sich über Rickons Gesicht. „Das meine ich mit Wolfsträumen.", seine Augen wurden mit einem Mal weiß und er kippte in seinem Stuhl zurück.

„Was hat er?", Robb sprang auf.

„Ich habe es schon gehasst, das sein Bruder das konnte.", knurrte Osha und richtet den Körper von Rickon auf.

„Was hat er?", fragte Robb mit einem fordernden Unterton. „Was ist mit ihm?"
Osha sah ihn gleichmütig an. „Er ist in Struppel"

„Was?", fragte Robb verwirrt, dann stand der schwarze Schattenwolf auf. Die grünen Augen hatten etwas von ihrer Wildheit verloren. Er starrte Robb an, dann stellte er sich mit den Vorderbeinen auf den Tisch und leckte Robb einmal über das Gesicht.
Arya prustete los vor Lachen und Margaery musste sich ebenfalls ein Lachen verkneifen, doch Robbs überraschtes Gesicht sah zu komisch aus. Er setzte sich wieder hin, sprachlos vor Überraschung.

Struppel rollte sich wieder zu einer Kugel zusammen. Rickon öffnete die Augen. „Das war ein Wolfstraum. Ich bin ein Warg,  sagt Osha."

„Ich habe dir auch gesagt, das ich es nicht mag, wenn du das machst.", zischte Osha.
„Weiter.", forderte Robb.

„Wir sind weitergezogen. Durch die Schenkung und zur Mauer. In der Nachtfeste, sind wir auf einen Bruder der Nachtwache getroffen. Einen Dicken mit einer Frau und einem Baby, glaube ich. Er hat versprochen, uns nicht zu verraten. Bran, Jojen Meera und Sommer sind hinter die Mauer gegangen. Osha hat mich dann zu den Umbers gebracht."

„Und die haben dir geglaubt, das du der letzte der Starks bist? In Begleitung einer Wildlingsfrau?
Wieder grinste Rickon. „Krähenfresser und Hurentod waren skeptisch, aber ein schwarzer Schattenwolf kann überzeugend sein."

„Und was hast du die letzten Jahre über gemacht? Du warst immerhin fast drei Jahre bei ihnen.", fragte Arya.

„Trainiert. Reiten, Kämpfen. Ich bin jetzt ein besserer Bogenschütze als du, große Schwester.", grinste Rickon.

„Das will ich sehen.", spottet Arya.

„Jetzt seid ihr an der Reihe.", Rickon beugte sich vor. „Was habt ihr erlebt? Wo sind Mutter und Sansa? Und was ist mit Theon und Jon?"

Robb machte eine Miene, zwischen lachen und stöhnen. „Wo soll ich da anfangen?"

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