Kapitel 5


Eric

Er hatte nicht vorgehabt, ihr so nahe zu treten. Nicht dass er Amber nicht anziehend findet. Im Gegenteil! Etwas an ihr, fasziniert ihn, seit sie das erste Mal die Augen aufgeschlagen hat. Dieses leuchtend Grünen Iriden, wie ein Smaragd im Sonnenlicht. Ihre zarte Haut, übersät mit schrammen und Schnitte, die seinen Beschützerinstinkt geweckt haben. Ihre lieblichen Seufzer, die er gerne im Bett hören würde und diese sinnlichen Lippen, die sein Schwanz pochen lassen. Er freut sich schon auf den Tag, wenn sie vor ihm kniet und verdammt noch mal an ihm lutscht. Alleine diese Vorstellung lässt ihn grinsen.

Eric weiß, dass in dieser Frau mehr steckt, als sie es bis jetzt gesehen haben. Amber ist mutig, obwohl sie eine Geschichte in sich trägt, die sie mitten im Sturm stundenlang durch den dunklen Wald hetzten, ließ. Aber auch eine devote Seite hat sich eben gezeigt, als er sie oben in seinem Büro gegen das Regal gedrängt hat. Er hat das Kribbeln, das in ihrem Körper vibriert, deutlich gespürt, als seine Finger, ihre zarte Haut entlang strichen. Hat das wilde Hämmern ihres Herzens vernommen, als er sie berührt hat.

Am liebsten wäre er weiter gegangen, hätte ausprobiert, wie weit sie seine Berührung zulässt. Doch er wollte sie nicht verschrecken und diese Tatsache, hat ihn mehr verstört als ihr verwirrter Ausdruck im Gesicht. Denn Eric ist es schon immer egal gewesen, wen er mit seiner kalten Art einschüchtert und wen nicht. Ihn juckte es nicht, ob Frauen vor ihm Angst hatten und sich lieber in die sicheren Arme von Tom flüchten. Ihm ist es egal! Doch aus irgendeinem unerklärlichen Grund ist es ihm wichtig, dass Amber keine Angst vor ihm hat.

Schweigend sitzen sie zu dritt in der Küche und essen das leckere Hähnchen, das Tom zubereitet hat. Der Sturm hat draußen abermals zugenommen und beklommen hört man das Knarzen der Bäume des Waldes, gemischt mit dem Kratzen des Besteckes auf dem Porzellan.

„Irgendwie habe ich das Gefühl etwas verpasst zu haben", unterbricht Tom ihr Schweigen.Dabei sieht er Eric mit hochgezogenen Augenbrauen an, als könnte er seine Gedanken lesen. Doch dieses Mal nicht.

„Was meinst du?", möchte Amber wissen und sieht Tom dabei unschuldig entgegen.

Allein dieser Augenaufschlag lässt Eric schlucken. Gott. Wieso geht diese Frau ihm so unter die Haut. Ob es seinem Freund ebenfalls so ergeht? Neugierig blickt er zu ihm hinüber, und sieht kurz das Zucken seiner Braue, ehe Tom sich zu einem Lächeln hinreißen lässt.

„Ich meine", antwortet Tom Amber, mit einem breiten Grinsen, „das ich, dass Gefühl habe, ihr habt etwas ausgeheckt."

Amber sieht kurz verwirrt aus und eine leichte Röte ziert ihre sonst so hellen Wangen.

„Wir hatten nur vorhin überlegt", rette Eric sie aus der Patsche, „später Es anzusehen. Amber ist fasziniert von Horrorfilmen."

„Ihr wollt einen Horrorfilm anschauen?", fragt Tom ungläubig nach und blickt Amber an.

Ein kleines gequältes Grinsen huscht über ihr Gesicht, ehe sie nickt. „Ja. Horror!"

Zwar sieht Tom nicht überzeugt aus, doch er bietet ihr auch keinen Ausweg aus ihrer misslichen Lage.

„Cool", antwortet er. „Das Wetter passt bestens zu Horrorfilme."

Wie bestellt, wallt ein dunkler Donner über den Himmel und lässt Amber zusammenzucken. Wenn es ihn nicht täuscht, ist sie eine Spur blasser um die Nase geworden. Das wird ein Spaß!


Nachdem sie sich eine Schüssel Popcorn zubereitet haben und sich jeder auf einem Teil der geräumigen Couch, die in L-Form aufgebaut wurde, gemütlich gemacht haben, startet er einen seiner Lieblingshorrorfilme von Stephen King - „ES".

Der Film beginnt alles andere als harmlos. Schon in den ersten Minuten sieht man den kleinen Jungen im Regen seinem Boot folgen, ehe es im Abfluss verschwindet und Pennywise, der Clown auftaucht.

Obwohl Amber auf der anderen Seite der Couch sitzt, schwört Eric, ihr Zähneklappern bis zu sich zu hören. Er kann es sich nicht nehmen, den roten Wirbelwind mehr anzustarren, als den Film. Sie hat sich die weiße Decke über die Knie gelegt, die jedoch kontinuierlich höher wandert, bis von ihr nur noch die Augen hervor blicken. Alleine dieser Anblick bringt Eric zum Grinsen.

Als ein Donner hinter ihnen ertönt, dringt ein Schrei aus Ambers Kehle, der Tom zusammenzucken und Eric in lautes Gelächter verfallen lässt.

Während er schon lange nicht mehr so heiter gelacht hat, wirft ihm sein bester Freund einen warnenden Blick zu, ehe er den Film pausiert und sich an Amber wendet, die nun gänzlich unter der Decke verschwunden ist.

„Ist alles gut bei dir?", fragt er, das Knäuel bestehend aus einem zitternden Haufen.

„Ist es vorbei?", dringt eine piepsige Stimme hindurch, die Tom ebenfalls ein Grinsen auf die Lippen zaubert, ehe er sich ermahnt und die Decke von Ambers Kopf wegzieht.

„Ja. Du kannst rauskommen", antwortet Tom in seiner fürsorglichen Stimme.

Ein hochroter Kopf erscheint, der von wirren, kupferfarbenen Strähnen umsäumt ist.

„Wohl doch kein Horror Fan?", vermutet Tom und Amber schüttelt beschämend den Kopf.

Ein Glucksen dringt aus Erics Kehle, ehe seine Hände in die Schüssel Popcorn gleiten. Dabei trifft ihn ein grimmiger Blick.

„Was denn?", fragt er schmunzelnd, ehe er sich den Mais in den Mund wirft. „Ist nicht meine Schuld, Kleines."

Ein Kissen trifft unerwartet sein Gesicht und lässt das restliche Popcorn auf den Boden rieseln. Grimmig sieht Eric zu ihr.

„Was soll das?", grummelt er und pickt das Popcorn von seiner Hose.

„Du hast mich dazu überredet", brummt Amber.

„Ich? Wer hat großkotzig geprahlt, dass er auf Horror steht. Ich bin nur darauf eingegangen", schmunzelt Eric.

„Was hätte ich den sonst sagen sollen. Du hast mir gar keine Wahl gelassen", murrt sie und lässt sie dabei total niedlich aussehen.

„Du hättest ja zugeben können, dass du auf böse Jungs stehst", grinst Eric und wirft sich abermals eine Hand voll Mais in den Mund.

„Ich stehe aber nicht auf Ärsche wie dich", keift sie und streckt ihm ihre Zunge entgegen.

Schnaufend packt er ein Kissen und wirft es mit Wucht in ihr Gesicht, dass Amber rückwärts auf die Couch fällt.

„Dein Ernst?", faucht der rote Wirbelwind aufgebracht und sieht dabei ein wenig wie eine fauchende Katze aus, was ihn abermals schmunzeln lässt.

„Leute nicht streiten", mahnt Tom und wirkt dabei so entsetzlich erwachsen, dass ihm nichts anderes übrig bleibt, als ein weiteres Kissen zu werfen. Nur dieses Mal mit Absicht, seinen besten Freund zu treffen, den er prompt am Kopf erwischt.

„Wirklich?", brummt dieser.

Doch als Amber Tom unerwartet mit ihrem Kissen schlägt, kann sich Eric das Lachen nicht verkneifen. Amber stimmt schnell in sein Gelächter ein und selbst Tom kann die ernste Miene nicht länger verstecken.

Nachdem sie sich alle beruhigt hatten, sitzen sie eine Zeitlang schweigend auf der Couch, ehe Amber das Wort ergreift.

„Ich hätte eine Frage", unterbricht ihre liebliche Stimme die Stille.

Erics Blick gleitet zu ihr. Die Haare liegen zerzaust und unordentlich auf ihrem Kopf. Die Decke abermals bis unters Kinn gezogen, während sie Tom betrachtet. Sie wirkt nervös und er fragt sich, woran es liegt.

„Ich weiß, es klingt vielleicht ein wenig seltsam, aber ich habe momentan kein Zuhause und da wollte ich fragen, ob ich hierbleiben könnte?", stammelt sie vor sich hin. „Also nicht kostenlos oder so. Ich könnte Arbeiten übernehmen. Das Haus putzen. Kochen und Wäsche waschen, im Garten helfen. Egal was. Ich mache alles."

Den letzten Satz spricht sie fast flehend, bevor sie ihren Blick senkt. Seine Augen gleiten zu Tom, der ihn ansieht. Ist es wirklich eine gute Idee, eine wildfremde Frau aufzunehmen? Sie wissen rein gar nichts von Amber? Weder, woher sie kommt, noch was sie mitten in der Nacht draußen im Wald zu suchen hatte.

Tom sieht ihn mit erhobenen Augenbrauen an. Verdammt. Er hatte eh keine Chance.

„Na gut", brummt er und Amber sieht ihn mit großen Augen an.

„Du kannst so lange hier bleiben, wie du möchtest. Wir haben genügend Platz", antwortet Tom ihr.

„Wirklich?", fragt sie ungläubig nach und sieht sie abwechselnd an. „Ich möchte euch nicht zur Last fallen oder so."

Tom lächelt breit und schüttelt den Kopf. „Mach dir bitte darüber keine Gedanken. Das Gästezimmer oben ist frei und das Haus ist groß genug. Wir können jede Hilfe gebrauchen."

Ein kleines Lächeln huscht über ihre Lippen und ihre Hände zucken, als wolle sie ihm um den Hals fallen. Doch sie bleibt still auf der Couch sitzen.

„Danke", haucht sie Tom zu, ehe sie ihm dieses Strahlen schenkt, dass ihn unbemerkt schlucken lässt.

„Ich werde mal die Pferde versorgen", antwortet Eric und erhebt sich.

Eilig tritt er in die kühle Oktoberluft heraus und schüttelt eine Zigarette aus der Schachtel, die er in der Tasche hatte. Er raucht nicht oft. Es war damals sein Laster, um sich zu beruhigen. Nikotin und Alkohol. Er hat seine Sinne betäubt, um den Schmerz nicht fühlen zu müssen. Irgendwann ging es und Eric hat beides reduziert. Nur gelegentlich gönnt er sich ein Glas Whiskey und noch weniger eine Zigarette. Doch heute hatte er das Gefühl, sie zu brauchen. Er fühlt sich unruhig und das liegt definitiv an der Frau in ihrem Haus. Er sollte vorsichtig sein, dass sie ihm nicht zum Verhängnis wird.

Er betritt den Stall, der Gott sei dank, nicht unter dem Unwetter gelitten hat. Gedankenverloren schaufelt Eric Heu in die Boxen der Pferde. Füllt ihre Tränken auf, ehe er jedem der fünf über den Hals streicht. Sie sind wunderbare Geschöpfe, die mehr als nur Tiere sind. Er hatte immer das Gefühl, sie würden ihn akzeptieren, gleichgültig wer er tief drinnen ist. Egal wie dunkel seine Vergangenheit ist. Beruhigend tätschelt er dem Morgan Horse über die Nüstern. Ihr braunes Fell ist mit weißen und schwarzen Punkten verziert und macht sie so einzigartig. Sie ist eines von fünf Stuten, die sie beherbergen. Ausgestoßen und ungewollt von der Gesellschaft, haben sie hier ein zweites Zuhause gefunden. Die Stute war einst ein Kutschenpferd, bis eine Verletzung sie unbrauchbar machte. Mittlerweile ist ihre Schulter verheilt und ein ruhiges Reitpferd bleibt zurück.

„Na meine Kleine", flüstert er Diamant zu. „Was machen wir nur mit ihr?"

Als würde das Pferd ihn verstehen, wiehert es. Schmunzelnd streicht Eric ihr über den langen Hals.

„Da stolpert eine wildfremde Frau in unseren Garten und schon verändere ich mich", murmelt er leise. „Das ist doch nicht normal?"

Über das Bild, das er gerade abgeben muss, schüttelt Eric den Kopf, ehe er ein letztes Mal über Diamants Mähne fährt und anschließend den Stall verlässt.

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