Kapitel 14
Tom
Die geröteten Wangen die Amber, seit er mit ihr im Auto sitzt, hat, gefallen Tom. Dabei muss er unweigerlich an gestern denken. An ihr lustvolles stöhnen. An ihren Körper, der sich verdammt gut angefühlt hat. Er ist kein Mann, der eine angetrunkene Frau ausnutzt, aber ihre Berührung, der unschuldige Blick und die Art wie sie eingekeilt zwischen der Wand und seinem Körper vor ihm stand, hat Tom den Rest gegeben. Er wollte Amber. Wollte sie anfassen. Ihre vollen, himbeerroten Lippen kosten die ihm dermaßen den Kopf verdreht haben, dass er kaum klar denken konnte. Sie ist perfekt. Und das in so vieler Hinsicht. Selbst Eric fühlt sich bei ihr wohl und das soll schon etwas heißen.
Sein Freund meidet den menschlichen Kontakt. Bis auf zwanglose On-night-Stands und schnelle Ficks hat er lange keine Frau mehr an sich gelassen. Wenn man von Jenny mal absieht. Doch auch bei ihr hat er Jahre gebraucht, in ihrer Nähe kein kalter Eisklotz zu sein. In Ambers Nähe jedoch, hat sich sein Freund anders verhalten. Als würde er nicht permanent diesen Druck auf seiner Brust spüren, der ihn an seine Vergangenheit erinnert. Das zeigt, wie gut sie zu ihnen passt, wenngleich Eric das noch nicht ganz so sieht wie er.
„Wie hast du die Nacht geschlafen?", fragt er sie.
Während Tom den Pick Up durch den Stadtverkehr manövriere, blickt er kurz zu ihr hinüber. Sie scheint etwas nachdenklich zu sein.
„Gut", antwortet sie ruhig und blickt abermals verträumt aus dem Fenster.
Ihre zurückhaltende Art ist ihm bereits in der Küche aufgefallen. Hat es etwas mit Eric zu tun? Er weiß, das sein Freund auf Spanking und BDSM im Bett steht und obwohl Eric auf seine Spielgefährtinnen achtet, hat Tom auch schon eine andere Seite kennengelernt. Die, in der sein Freund, die Wut nicht kontrollieren kann und ungefiltert nach oben befördert. Selbst Tom, dringt in diesen Momenten kaum zu ihm durch. Es ist wie ein Schleier, der sich über seine Augen und Ohren legt und etwas bösartiges Tiefes in Eric die Kontrolle übernimmt. Hat Amber dieses Monster heute Morgen gesehen?
Er hatte sie zu ihm runtergeschickt, damit die beiden ihre Wogen gleiten und miteinander reden. Dass es derart ausgeht, hat er nicht erwartet. Obwohl weder Amber noch Eric ein Wort über das, was im Keller passiert ist, geäußert hat, weiß Tom auch so, dass sein Freund ihr seine Welt gezeigt hat. Das unruhige Hin und Her rutschen beim Frühstück auf ihrem Stuhl, hat ihn vermuten lassen, dass sie einen wunden Hintern hat. Dass er sie gezwungen hat, glaubt Tom nicht. Doch ob es ihr gefallen hat, ist er sich ebenfalls nicht sicher. Er dringt einfach nicht in ihren Kopf und dass soll schon etwas heißen.
Nachdem sie ihren kleinen Einkaufsbummel im Baumarkt beendet hatten, ladet Tom die letzten Holzplanken auf die Ladefläche des dunkelblauen Chevrolet, als ein weißes Cabrio direkt neben seinem Auto hält. Jenny steigt breit lächelnd aus und winkt ihnen zu. Ihre langen, schwarzen Locken hüpfen federnd auf ihren Schultern, als sie auf die beiden zugeht.
„Hey, ihr beiden", grinst sie.
Sie kommt direkt vor Tom zum Stehen und stellt sich auf Zehenspitzen, um ihm einen leichten Kuss auf die Wange zu geben.
„Hey."
Anschließend wendet sie sich zu Amber, die sie in eine herzliche Umarmung schließt, als würden sich die Frauen schon ewig kennen.
„Bist du bereit?", erkundigt sich Jenny.
„Bereit für was?", fragt Amber nach und sieht dabei zwischen ihnen hin und her.
„Shoppen gehen, natürlich", antwortet ihr Jenny freudig.
„Ich habe Jenny gefragt, ob sie mit dir einkaufen geht", bestätigt er ihre Aussage.
Amber würde es sicherlich guttun für ein paar Stunden mit einer Frau unterwegs zu sein. Außerdem ist er nicht sonderlich scharf darauf, shoppen zu gehen.
„Oh, okay", bringt sie leise heraus.
„Gut. Lasst euch Zeit und genießt den Nachmittag", grinst Tom. „Bringst du sie später zurück?"
„Klar mache ich", erwidert Jenny kichernd, ehe sie sich bei Amber einhakt und sie mit sich in Richtung Mall zerrt.
Vor sich hin glucksend steigt Tom ins Auto, da er noch etwas in der Stadt zu erledigen hat. Vielleicht möchte er sich ablenken, oder einfach dem rechten Sehen, aber heute zieht es ihn ins Belle.
Nach etlichen Minuten fahrt, durch den grauenhaften Verkehr durch die Innenstadt, bleibt er direkt vor seinem Club stehen. Das Reklameschild über dem mehrstöckigen Gebäude ist noch erloschen und würde erst in vier Stunden angehen, dann wenn der Nachtclub seine Türen öffnet.
Durch den Hintereingang betritt er den Club und schreitet durch den spärlich beleuchteten Gang an Toiletten und das Büro seines Stellvertreters vorbei. Sein Eigenes befindet sich in der zweiten Etage, was ihm um einiges mehr Ruhe ermöglicht.
Tom betritt den vorderen Club, der ihn zum Tanzbereich, sowie der Bar führt. Der DJ steht auf einer erhöhten Plattform, die Kopfhörer auf seinen Ohren, während er Licht- und Nebelmaschine testet. Er bewegt sich zu einem stummen Beat, den er höchstwahrscheinlich über sein Headset hört. Der junge DJ ist das erste Mal in seinem Club. Bis auf das Wochenende wechselt er diese regelmäßig, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Und es funktioniert. Das Belle läuft gut. Sehr gut sogar. Die Wochenenden sind meist so voll, dass die Gäste Stundenlanges anstehen, in Kauf nehmen, nur um reinzukommen.
Tom erblickt an der Bar seinen Türsteher und Sicherheitschef, auf den er sich zielstrebig zubewegt. Kenai lehnt an der Theke, die mit türkisfarbenen Elementen angestrahlt ist und so moderner und hipper wirkt. Er starrt auf ein Tablett vor ihm und tippt unelegant mit zwei Fingern darauf herum. Als Tom sich neben ihn stellt, blickt dieser zu ihm auf.
„Hey Boss", begrüßt der Mann ihn.
Kenais Erscheinung ist nichts für schwache Nerven. Der, mit indianischen Wurzen abstammende, zwei Meter Riese ist übersät mit Tätowierungen. Zwar sieht man sie meist unter seiner Arbeitskleidung nicht, da jeder seiner Security Männer lange, schwarze Hemden und Hosen tragen, doch Tom hat ihn auch schon anders gesehen. Die karamellfarbene Haut ist mit Symbolen und Runen geschmückt, die bei seinem Volk Tradition haben und Stärke Symbolisieren. Die seidig, glatten, schwarzen Haare trägt er beim Arbeiten zu einem Zopf gebunden, doch in der Freizeit fallen sie ihm über sein breites Kreuz.
„Hey Kenai", antwortet Tom und setzt sich zu ihm an die Bar. „Wie sieht es aus?"
Nach den Sturmschäden hatte er gestern schon gefragt und ist erleichtert, dass nur wenig kaputt gegangen ist.
„Alles bestens, Boss. Strom funktioniert wieder, wie du siehst und das Wasser in den Kühlhäusern wird gerade noch abgepumpt", erklärt er ihm. „Keine größeren Schäden wurden bis jetzt entdeckt."
Das beruhigt ihn ungemein. Der Club bedeutet ihm viel und noch so kleine Ausfälle, machen ihn traurig. Abermals blickt er zu dem Bären neben sich. Auch wenn man es seinem Türsteher nicht ansieht, ist Kenai alles andere als hart. Man könnte sagen, er ist ein sanfter Bär. Doch das wissen seine Gäste nicht und benehmen sich daher anständig, wenn er in der Nähe ist.
„Hey Tom", trällert eine helle Stimme und Tom wendet sich dieser zu.
Eine junge Frau mit hellblonden Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden sind, tritt hinter die Bar. Ein breites Lächeln ziert ihre dunkelroten Lippen, als sie auf die beiden Männer zusteuert und sich ihre Hände an der kurzen Hose abwischt.
„Hey Lisa", begrüßt er seine Barfrau.
„Möchtest du etwas trinken?", fragt sie lieblich nach, doch Tom schüttelt den Kopf.
„Nein, danke. Ich bin gleich wieder durch die Tür."
„Kenai?"
Süß lächelnd wendet sie sich an den Hünen, der wieder auf das Tablett vor sich blickt und ungeschickt darin eine Nachricht tippt.
„Ne, lass mal. Muss gleich noch mit Luca, bezüglich heute Abend, reden", murmelt er mit gesenktem Kopf.
Kurz huscht ein trauriger Ausdruck über Lisas Gesicht und Tom fragt sich, wann sie endlich den Mut aufbringt, Kenai nach einem Date zu fragen. Denn nicht nur ihm ist aufgefallen, wie die hübsche Barfrau seinen Securitymann anschmachtet. Jeder weiß es, bis auf Kenai. Seufzend schüttelt Tom den Kopf. Die zwei müssen selbst auf den Trichter kommen, da würde er sich nicht einmischen.
„Oh, okay", antwortet sie bedrückt und wendet sich ab, um Obst Garnituren für die Cocktails zu schneiden.
„Ist für heute Abend alles geregelt?", möchte Tom von Kenai wissen.
Auch wenn sich Tom aus dem Club zurückgezogen hat, ist es sein Baby, das er umsorgt. Ebenso die Angestellte, die er sich mühselig zusammengesucht hatte. Dabei war ihm nicht wichtig, wie rein ihre Westen sind. Das Persönliche ist für Tom das Ausschlaggebende. Kenai war im Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung. Er hat damals einen Mann fast totgeprügelt, doch Genaueres wollte Tom gar nicht erst wissen. Er vertraut ihm und bis jetzt bereut Tom seine Entscheidung, Kenai eingestellt zu haben, nicht.
Lisa ist mit vierzehn von zuhause abgehauen. Hat auf der Straße Drogen konsumiert und sich einen Dreck um alles geschert. Mittlerweile ist sie clean und hat einen wunderbaren einjährigen Sohn namens Benny und dank Tom eine kleine Wohnung in der Nähe. Nicht jeder, der eine düstere Vergangenheit hat, ist ein schlechter Mensch. Dass weiß Tom aus eigener Erfahrung. Daher hat er ihnen eine zweite Chance gegeben, die sie beide zu schätzen wissen.
„Klar, Boss", antwortet der Bär ruhig.
„Jetzt nenn mich doch nicht immer Boss", schnauft Tom und schüttelt seinen Kopf.
„Wie du wünscht, Boss", grinst Kenai und erhebt sich. „Muss los."
Kopfschüttelnd blickt ihm Tom nach, als der Hüne in Richtung VIP-Bereich verschwindet. Er hat ihm schon so oft gesagt, dass er ihn wie alle anderen, Tom, nennen soll. Doch der Türsteher hält sich nicht daran.
„Mr. O'Brain. Was für ein Zufall, Sie hier anzutreffen."
Die Stimme hinter ihm lässt einen kalten Schauer über seinen Rücken jagen. Langsam dreht sich Tom dieser zu und ein gleichgültiges Lächeln erscheint auf seinen Lippen, als er den großen Mann im Designer Anzug auf sich zu schreiten sieht.
„Mr. Wilson", antwortet Tom freundlich, obwohl er ihn auf den Tod nicht ausstehen kann. „Was möchten Sie hier?"
Henry Wilson ist einer der größten Immobilien Händler von Vancouver. Er ist skrupellos und ein unangenehmer Zeitgenosse, wie Tom vermehrt feststellen musste.
Galant setzt er sich neben ihn auf einen der Barhocker. Der Mann steht Kenai in nichts nach. Er ist groß und breit gebaut und unter dem hellblauen Anzug, schlägt ein dunkles Herz. Seit Jahren versucht er ihm den Club abzukaufen, doch egal wie viel Geld er ihm bietet, Tom lehnt jedes Mal ab. Das Belle hat eine Bedeutung für ihn, dass kein Gold der Welt es Wert ist. Irgendwann versteht auch Wilson das. Zumindest hofft er dies.
„Warum so kalt? Ich hatte einen harten Tag", brummt Wilson. „Mein Kätzchen ist mir davongelaufen."
Verwundert hebt Tom seine Augenbrauen. Für tierlieb hält er den Hünen vor sich nicht, aber ihm kann es egal sein. Er kann die Katze von Wilson verstehen. Wer möchte schon mit ihm zusammenleben.
„Dann hoffe ich für Sie, dass sie ihre Kätzchen bald wieder finden", antwortet Tom freundlich.
Er weiß, dass Henry Wilson ein mächtiger Mann in Vancouver ist. Auch, wenn er ihm jedes seiner Angebote ausschlagen wird, ihn ans Bein pissen, möchte er ihm trotzdem nicht. Der Kerl ist skrupellos und unbarmherzig. Die meisten Gebäude gehören ihm bereits und weitere werden folgen, da Henry Wilson vor nichts und niemanden zurückschreckt. Dabei geht er über Leichen und Tom bevorzugt, noch ein wenig auf der Erde zu verweilen.
Er winkt Lisa zu sich, die sichtlich ungern zwischen die Männer geraten möchte.
„Bourbon! Richtig?", fragt er nach und Henry nickt.
Lisa stellt ihnen zwei Gläser bernsteinfarbener Flüssigkeit an die Theke, ehe sie sich eilig zurückzieht und am Ende der Bar beschäftigt wirkt.
„Aber kommen wir zu ihrem Besuch. Wegen Ihrer Katze sind sie wohl nicht ins Belle gekommen."
„Da haben Sie vollkommen Recht", erwidert Henry grinsend und nippt an seinem Glas. „Ich möchte Ihnen ein letztes Angebot unterbreiten und hoffe, dass Sie es annehmen werden. Sehe Sie, Mr. O'Brain. Sie sind sicherlich ein Mann, der ein ruhiges Leben bevorzugt. Ich kann Ihnen das geben. Eine Frau, Geld und ein Anwesen, nach ihrem Geschmack. Sie müssten nie wieder einen Finger krumm machen. Nie wieder arbeiten."
„Mr. Wilson. Was versuchen Sie hier gerade? Mir ihre Drogengelder anbieten? Einer ihrer gekauften Frauen schenken oder ihre durch Gewalt erlangten Immobilien schön reden?", sanft lächelt er und erhebt sich lässig. „Lassen wir doch die Freundlichkeiten. Ich möchte nichts von Ihren illegalen Geschäften und noch weniger möchte ich, dass Sie das Belle damit beschmutzen. Ich werde es Ihnen nicht verkaufen, daher bitte ich Sie jetzt höflich, meinen Club zu verlassen. Der Bourbon geht aufs Haus."
Das breite Grinsen verschwindet aus Henry Wilsons Gesicht und ein abwertendes erscheint.
„Mr. O'Brian. Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass Sie einen großen Fehler begehen", antwortet er kalt, ehe er sein Glas leert und sich erhebt.
„Drohen Sie mir etwa?", fragt er ruhig nach.
Kurz huscht ein Lächeln auf Henrys Lippen, dass so kalt ist, das selbst Tom zu frösteln beginnt: „Nein. Ist nur ein guter Rat."
Selbstgefällig knöpft er sein Jackett zu, ehe er sich umdreht und Richtung Ausgang marschiert.
„Ich kann ihn nicht leiden", ertönt Lisas Stimme neben ihm und Tom wendet sich ihr zu.
Die blonde Barfrau erschaudert, während sie Wilson beobachtet, wie er die Treppe emporsteigt und das Belle verlässt.
„Ich auch nicht. Hoffentlich versteht er endlich, dass ich den Club nicht verkaufen werde", murmelt Tom.
„Mason hatte nach dir gefragt."
Tom hebt seine Augenbrauen. Mason hat er zu seiner Unterstützung eingestellt, damit sich auf seinem Schreibtisch nichts häuft. Er hat ihm so gesehen die Verantwortung über das Belle gegeben, solange Tom selbst nicht da ist. Mason tätigt Bestellungen, teilt das Personal ein und bezahlt Lieferantenrechnungen. Bis jetzt erledigt er seine Aufgaben vorbildlich, daher hat sich Tom immer weiter zurückgezogen und ihn mehr Verpflichtung überschrieben.
„Ist er in seinem Büro?", fragt er nach und Lisa nickt.
Tom macht sich auf dem Weg zu Masons Büro und bleibt direkt vor der schwarz lackierten Tür stehen, ehe er klopf und es umgehend betritt. Sein Stellvertreter sitzt hinter seinem massiven Schreibtisch in einem, für Toms Verhältnisse, lieblosen Zimmer. Zwei Besucherstühle stehen vor dem gewaltigen Tisch und eine Pflanze in der Ecke, die bereits bessere Tage gesehen hat. Ein Stapel Papiere vor sich, blickt er zu ihm auf.
„Hey Tom", begrüßt er ihn lächelnd.
Mason war ein alter Klassenkamerad von ihnen in der High-School. Er war einer der Kerle, die immer stress suchten. Verschwand in der Pause hinterm Schulgebäude, um einen Joint zu rauchen. Ärgerte die Mädchen, schrieb schlechte Noten und prügelte sich täglich. Damals mochte Tom ihn nicht. Zwar ließ er ihn und Eric in Ruhe, was aber nur daran lag, dass ihm beide körperlich und geistig überlegen waren und immer noch sind.
Doch wie auch Kenai und Lisa, hat in seinem Club jeder eine zweite Chance verdient. Das Mason sich mittlerweile gemausert hat, wusste Tom. Er hat studiert und einen Job bei seinem Onkel begonnen. Er kennt sich super mit Zahlen aus und seitdem er Tom in der Buchhaltung unterstützt, ist es nicht mehr so ein Chaos wie zuvor.
„Hey Mason. Alles gut?", fragt er ihn und lässt sich auf einen der unbequemen Stühle vor seinem Schreibtisch nieder.
Mason streicht einer seiner blonden Strähnen hinters Ohr, die ihm wuschelig auf dem Kopf stehen, ehe er ihn seufzend ansieht.
„Nicht wirklich. Wir müssen über Nate reden", stöhnt er und lässt Tom hellhörig werden. „Ich habe ihn dabei erwischt, wie er sich in der Umkleide eine Line gezogen."
Skeptisch blickt er Mason an. Nate ist einer seiner Security Männer und arbeitet erst seit fünf Monaten für ihn. Der junge Mann studiert und verdient sich nebenbei etwas dazu. Tom ist es egal, was sein Personal in seiner Freizeit macht, solange es dem Ruf des Clubs nicht schadet, aber was er auf den Tod nicht ausstehen kann und einer seiner wichtigste Regel hier ist. Keine Drogen!
„Hast du ihn darauf angesprochen?", fragt er Mason sichtlich grimmig.
„Nein. Dachte vielleicht, dass du das machen möchtest", antwortet dieser ihm.
„Ist Nate heute hier?", möchte Tom wissen.
„Ja. Er müsste gerade im Darkroom sein."
Nickend erhebt er sich, als Mason weiter spricht: „Übrigens müsste ich dich fragen, ob du heute Abend hier bist. Ich weiß, sehr kurzfristig. Aber ich habe gerade einen wichtigen Anruf erhalten und müsste gleich los."
Unsicher kratzt sich Mason am Kopf.
„Kein Problem. Kannst abhauen. Ich spring heute Abend ein."
Vielleicht kann er Amber fragen, ob sie Lust hat, ihn in den Club zu begleiten.
„Klasse. Ich danke dir." Damit erhebt sich Mason lächelnd. „Ich mach das wieder gut. Versprochen."
Die Männer verlassen gemeinsam das Büro. „Kein Problem."
Während Mason den Hinterausgang nutzt und verschwindet, stapft Tom zurück in den vorderen Bereich, vorbei am Aufgang zur Lounge und an der Tanzfläche.
Der Darkroom, wie er ihn getauft hat, ist ein separates Zimmer, das abgeschottet vom restlichen Club ist. Es ist perfekt, um wichtige Gespräche zu führen oder mit seiner angebeteten Dame intim zu werden.
Tom betritt den Raum durch einen schweren Vorhang, der die Musik und unerwünschte Blicke abschirmt. Sichtschutzwänden sorgen für Privatsphäre und teilen das Zimmer in kleinere Abteile. Es ist im japanischen Stil eingerichtet. Ein weicher, flauschiger Teppich sorgt für heimische Atmosphäre und Wohlfühlmomente. Jedes der Separees ist mit Kissen und Couchsessel ausgeschmückt. Einige etwas Kuscheliger und intimer als andere, die eher für Besprechungen genutzt werden. Normalerweise ist der Darkroom mit gedämpftem Licht beleuchtet und wird mit ruhiger Hintergrundmusik begleitet. Doch noch sind die Deckenlampen an und die Musik aus.
Tom macht den dünn gewachsenen Mann mit den zotteligen, hellblonden Haaren in einem der Räume aus, wo er gerade an den Drähten des Lautsprechers herumfummelt.
Der Zwanzigjährige ist der Jüngste in seinem Team und soweit Tom weiß, studiert er Elektroingenieur. Seine dünne Figur gleicht er mit Flinkheit und dem schwarzen Gürtel in Karate aus, was Tom schon einige Male beobachtet hat. Seine Gäste unterschätzen Nate gerne, haben aber meist keine Chance gegen ihn.
„Nate!"
Dieser zuckt beim Klang seines Namens zusammen und dreht sich kurz um, eher er am Draht der Box herumbastelt.
„Oh, du bist es. Hab dich nicht kommen gehört", murmelt er vor sich hin.
Ruhig verschränkt Tom die Arme vor der Brust und wartet, bis Nate die Abdeckung des Lautsprechers wieder angebracht hat.
„Wir sollten kurz reden", fordert er ihn auf, sich endlich umzudrehen.
Nur widerwillig wendet sich der Student ihm zu, doch anstelle in sein Gesicht zu sehen, betrachtet er lieber den Schraubenzieher in seiner Hand.
„Überlege dir gut, was du antwortest. Hast du vor deiner Schicht etwas eingeworfen?", fragt er ihn direkt heraus, obwohl er sich bereits sicher ist.
Doch er wollte es von ihm selbst hören. Ehrlichkeit ist eine wichtige Eigenschaft, die er schätzt. Nate sieht kurz verwirrt aus und spielt nervös mit dem Werkzeug in seiner Hand. Schweiß tritt auf seine Stirn und er scheint wirklich zu überlegen, was er antworten soll. Doch der Junge entscheidet sich für die Wahrheit und nickt.
„Ich habe nicht viele Regeln in meinem Club", spricht Tom finster. „Aber diesen Scheiß, lass ich nicht ins Belle. Hast du mich verstanden?"
Eindringlich sieht er den Studenten an, der den Blick weiterhin gesenkt hält.
„Tut mir leid. Der Stress in der Uni und mit meinem Dad", antwortet er leise. „Sorry, Tom. Es war nur eine kleine Menge. Kommt nicht mehr vor. Bitte schmeiß mich nicht raus."
Tom ist wütend und kurz davor die Kündigung auszusprechen. Er hasst Drogen! Mehr als das.„Hast du noch mehr von dem Zeug in meinen Club geschleppt?", möchte er wissen.
„Nein. Wirklich. Es war nur das bisschen", spricht Nate schnell, dass sich seine Stimme überschlägt.
Er sieht die Reue in dem Blick des Jungen und entscheidet, ihm eine weitere Chance zu geben.
„Dass das klar ist", brummt Tom mit erhobenem Zeigefinger. „Sollte ich noch einmal davon
hören, dass du in meinem Club, Drogen konsumierst, versteckst oder sonst was damit machst. Fliegst du raus. Verstanden?"
Nate nickt wehmütig. „Ja, verstanden. Boss."
Seufzend greift Tom sich an die Stirn. „Verschwinde für heute. Ich lass dich nicht high hier arbeiten."
„Was? Tom bitte", fehlt Nate. „Ich brauch die Kohle."
„Ist mir scheiß egal. Beim nächsten Mal, denk vorher dran. Sei froh, dass ich dich nicht rauswerfe. Du kannst morgen wieder kommen."
Nate scheint einzusehen, dass er Mist gebaut hat, da er mit gesenktem Kopf nickt.
„Sorry. War echt dumm!"
Damit zieht er ab wie ein getretener Welpe im Regen. Ein wenig tut Nate ihm leid, aber Strafe muss sein. Vielleicht lernt der Junge aus seinem Fehler und lässt zukünftig die Finger von Drogen. Er hofft es zumindest.
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