11 | Spanisch
Und weil es so viel Spaß macht, gibt es auch hier ein neues Kapitel. :) Ich wünsche euch viel Spaß mit Carlos, Willow und... ja, findet es selbst raus :p
Willow starrte Carlos aus großen Augen an. Sie wusste, dass er auf diese Weise mit ihr spielte, doch sie konnte damit nicht umgehen; jedenfalls nicht so tough, wie sie es sich wünschte. Dabei konnte sie ständig anderen Leuten selbstbewusst gegenübertreten; selbst mit Marten, der immer mal wieder die eine oder andere Provokation losließ und in dem sie diesbezüglich ihren Meister gefunden hatte, war sie mittlerweile auf Augenhöhe und hatte stets einen frechen Konter auf den Lippen. Doch Carlos stellte irgendetwas mit ihr an; etwas, womit sie bisher keinen Umgang gefunden hatte. Sie hatte verstanden, dass er einfach einen sehr derben Humor hatte, doch ihm selbstsicher zu begegnen, gelang ihr einfach nicht. Es brachte sie damit jedes Mal vollkommen aus dem Gleichgewicht. Kein anderer Mann hatte bisher eine solche Macht über sie erlangt.
„Muss dir nicht unangenehm sein", sagte Carlos leise und strich unerwartet über ihr Gesicht. Seine Berührung hinterließ ein angenehmes Kribbeln auf ihrer Haut.
„Ist es nicht", behauptete sie, als sie endlich ihre Sprache wiederfand. Er schmunzelte und hielt ihr den Rest Eis entgegen. „Willst du? Ich hab keine Lust mehr."
Sie konnte nicht glauben, wie genüsslich er das Spielchen auf die Spitze trieb. Er entfachte dieses Feuer in ihr; eine Mischung aus Wut und Verlangen, und kurz fragte sie sich, ob sie es löschen konnte, indem sie ihn einfach küsste; jetzt und hier. Würde dieses Brennen, das sein tiefer Blick in ihr auslöste, dann verschwinden?
„Nein, danke", entgegnete sie gefasst. „Ich habe ja noch meinen Cocktail."
Carlos lehnte sich amüsiert zurück und knabberte an der Waffel. Sie hoffte, dass er fürs Erste genug davon hatte, sie zu reizen, und nahm zur Stärkung ihrer Nerven einen großen Schluck aus ihrem Strohhalm. Carlos, der mittlerweile das Eis aufgegessen hatte, griff nach seiner Flasche Corona.
„Schmeckt das jetzt überhaupt, so kurz nach dem Eis?", wollte Willow wissen und war innerlich froh darüber, endlich das Thema von zweideutigen Aussagen wegtreiben zu können.
„Es gibt 70 Wege, einen Mann zufriedenzustellen. Einer ist Alkohol, der Rest 69."
„Carlos!", platzte es kapitulierend aus ihr heraus. Er lachte auf.
„Okay, okay. Ich höre auf", versprach er.
„Danke", murmelte sie lächelnd.
„Ich habe noch nie ein Mädchen wie dich kennengelernt", sagte er.
„Wie meinst du das?"
„Du rauchst nicht, du trinkst nicht, du gehst kaum weg, du bist anständig... Das gefällt mir ehrlich sehr", offenbarte er. Sie lächelte.
„Was ist?", hakte er nach.
„Ich hätte dich einfach anders eingeschätzt", sagte sie.
„Ist es so abwegig, dass es mir gefällt, dass du dich von solchen Sachen fernhältst?"
„Ich weiß nicht. Ich habe immer geglaubt, dass Typen wie du eher auf verruchte Frauen abfahren", sagte sie.
„Merk dir eins. Ich bin nicht wie andere Typen", erwiderte er. „Außerdem langweilen mich diese verruchten Frauen."
„Verrucht war vielleicht der falsche Ausdruck. Extrovertiert trifft es besser. So wie Cassie zum Beispiel", korrigierte sie ihre Aussage.
„Nichts gegen deine Schwester, aber eine Frau wie sie ist eher was für Johnny, als für mich. Cassie ist eindeutig die Lautere von euch beiden, und wenn sie einen Raum betritt, ist es garantiert, dass sie auffällt. Aber ich brauche einen Ruhepol. Verstehst du?"
Sie lächelte.
„Das stimmt. Das hat sie wohl von unserem Vater. Ich komme da eher auf unsere Mum", erzählte Willow.
„Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an", erwiderte er und lächelte. Sie wusste im ersten Moment nicht, ob er die Aussage auf ihre Eltern oder auf sie und sich selbst bezog.
„Bei meinen Eltern ist das weniger gut ausgegangen", sagte sie trocken, um von sich selbst und seiner Anziehungskraft auf sie abzulenken.
„Ja, sie haben sich getrennt, oder?", gab Carlos zurück und trank einen Schluck aus seiner Bierflasche. „Tut mir leid."
„Muss es nicht. Ich war noch zu klein, um das überhaupt richtig mitzuerleben. Für Cassie war es schon wesentlich härter. Sie war damals schon in der Grundschule", erzählte Willow.
„Mies", kommentierte er.
„Deshalb sind wir glaube ich auch so grundverschieden; im Gegensatz zu mir hatte sie immer das Gefühl, sich behaupten und durchsetzen zu müssen", sagte sie. „Ihr hat die Vaterfigur mehr gefehlt als mir, ich wusste praktisch ja nicht einmal wirklich, wie es ist, einen Vater zu haben. Für mich war unser Stiefvater mein Vater."
„Also hat er sich nie um euch gekümmert?", wollte er wissen. Sie schüttelte den Kopf.
„Nein. Und wahrscheinlich ist das auch gut so. Er scheint nicht besonders viel Verantwortungsbewusstsein entwickelt zu haben, und auf so einen Vater kann ich auch verzichten. Wie gesagt, er hat mir nicht gefehlt."
„Mein Vater hat uns zwar nicht verlassen, aber ich hatte eine ziemlich lange Zeit ein sehr schlechtes Verhältnis zu ihm. Zum Glück hat sich das heute gelegt und wir verstehen uns ganz gut", erzählte Carlos. Sie lächelte.
„Das ist schön", sagte sie.
„Er ist auch heute noch nicht immer mit dem einverstanden, was ich tue, aber alles in allem haben wir einen guten Draht zueinander", entgegnete er.
„Bist du ein Familienmensch?", wollte sie wissen.
„Früher nicht so, aber heute schon", antwortete er. „Und du?"
„Auf jeden Fall. Deshalb wohne ich auch momentan wieder bei meiner Mutter, auch, wenn mich meine Freundinnen dafür auslachen", offenbarte sie ihm.
„Wieso das denn?", fragte er.
„Weil ich mit fünfundzwanzig allein wohnen sollte?", warf sie wie selbstverständlich in den Raum.
„Sagt wer?", wollte er wissen. „Deine Freundinnen?"
„Ja. Und Männer doch eigentlich auch. Jedenfalls habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie Reißaus nehmen, wenn sie hören, dass ich mit meiner Mutter zusammenwohne", sagte sie.
„Erstens ist es egal, was andere sagen, so lang du dich wohl damit fühlst. Und zweitens waren diese Männer Idioten. Ich finde es vollkommen okay, dass du mit deiner Mutter zusammenwohnst. Das zeigt, dass ihr ein gutes Verhältnis zueinander habt", versicherte er und trank einen Schluck aus seiner Bierflasche. Sie nippte an ihrem Cocktail und lächelte. Er gab ihr ein gutes Gefühl und ihr gefiel das.
Sie stellte ihr Glas auf dem Beistelltisch ab und wandte sich ihm wieder zu. Sein tiefer Blick brachte sie beinah um den Verstand.
„Hola, Papi..."
Willows Kopf fuhr überrascht zu der Stimme herum. Ein dunkelhaariges Mädchen, sie schätzte sie auf Anfang zwanzig, stand vor ihnen und schenkte Carlos ein strahlendes Lächeln. Ihr knappes Mini-Kleid setzte ihre gute Figur gekonnt in Szene und ihre Nägel waren so lang, dass Willow sicher war, dass sie damit jemandem die Augen ausstechen konnte. Carlos wirkte im ersten Moment so perplex, dass er sich nicht rührte. „Qué bueno verte!", quietschte die Dunkelhaarige, bevor sie Carlos um den Hals fiel. Willow hob skeptisch eine Augenbraue. „¿Cómo estás?", fuhr die Fremde aufgeregt fort, als sie sich von ihm löste. „Muy bien. ¿Y tú?", erwiderte er, während Willow die Szenerie mit Unbehagen beobachtete. Die Dunkelhaarige strich dich durch das lange, dunkle Haar. „Estoy bien, ahora que te veo. ¿Qué haces aquí?", gab sie fröhlich zurück. Ihre haselnussbraunen Augen strahlten. „Sentamos aqui y hablamos. ¿Y tú?", erwiderte er. "Estoy aquí con una amiga", lächelte sie und deutete auf die kleine Bar, an der Willow vorhin die Getränke geholt hatte. „¿Recuerdas a Mila?", fuhr sie fort. "¿La rubia?", fragte Carlos. "Si, si. Pasábamos por el barrio, y pensamos comer algo."
"La comida es muy buena aquí", erwiderte er mit einem genüsslichen Lächeln auf den Lippen. Willow wurde währenddessen immer unruhiger. Es ärgerte sie, dass er ihr dieses gutaussehende Mädchen nicht einmal vorstellte. Außerdem verstand sie kaum etwas von dem, worüber sie sprachen und fand es äußerst unhöflich, wenn nicht sogar respektlos von der Dunkelhaarigen, sich mit ihm in einer Sprache zu unterhalten, die sie nicht verstand. Erst jetzt kam ihr der Gedanke, dass sie möglicherweise der deutschen Sprache gar nicht mächtig war. Anders konnte sie sich nicht erklären, weshalb sie sich mit ihm auf seiner Muttersprache unterhielt. Da sie sich vorgenommen hatte, sich nicht mehr so schnell verunsichern zu lassen, entschied sie, zu warten, bis sie allein waren, um genauer nachzuhaken.
„Sí, lo sé. Deberíamos quedar un día para cenar ", lächelte sie. Er ginste. "Creo que a tu padre no le gustará."
Die Dunkelhaarige lachte. Es war so glockenhell, dass Willow begann, sie unsympathisch zu finden. Nicht zu wissen, worüber sie sprachen, machte sie wütend. „¿Tienes miedo de mi padre?", fragte sie. "Eso no se hace. Tú eres de la edad de mi hija", antwortete er.
"Podría, pero no lo soy", lächelte sie. Selbst, wenn Willow kaum ein Wort verstand, begriff sie, dass die Dunkelhaarige mit Carlos flirtete. Ihr Vorhaben, an sich zu arbeiten, verblasste, während sie Carlos genervt ihren Kopf zudrehte. Sie wollte ihn gerade fragen, ob er sie einander nicht vorstellen wollte, als die Dunkelhaarige ihm verführerisch zuzwinkerte.
„Naia...?" Das blonde Mädchen, das bis gerade eben an der Bar gestanden hatte, war an sie herangetreten. Die Dunkelhaarige seufzte theatralisch, bevor sie sich wieder an Carlos wandte. Creo que esta aburrida.. Ella nunca tiene paciencia", grinste sie. "Mensch, komm endlich. Ich habe echt Hunger", nörgelte die Blonde. „Ja doch, Moment."
Als Naia plötzlich ins Deutsche wechselte, hob Willow skeptisch eine Augenbraue. Wieso sprach sie Spanisch mit Carlos, wenn sie auch Deutsch konnte? Und worüber hatte sie mit ihm gesprochen? „Lo siento. Ya hablaremos otro día. Piénsalo bien, Carlos."
Mit den Worten hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, bevor sie mit ihrer Freundin verschwand. Sowohl Carlos als auch Willow schauten ihr einen Moment schweigend nach, bevor sie ihm den Kopf zudrehte. „Also, erzählst du mir, wer sie ist und weshalb du sie mir nicht vorstellst?" Carlos seufzte schwer. „Sie ist niemand", erwiderte er. Sie stieß einen verächtlichen Laut aus. „Klar, und deshalb ist sie dir auch um den Hals gefallen, als wärt ihr die dicksten Freunde", kommentierte sie bissig.
„Lass uns abhauen; ich hab keinen Bock mehr, hier rumzuhängen", sagte er, statt auf ihre Aussage einzugehen. Sie musterte ihn kurz, bevor sie enttäuscht den Kopf schüttelte. „Wie du meinst", sagte sie, dann schlüpfte sie in ihre Riemchensandalen.
Die Frage, wer Naia war und weshalb er so verhalten reagierte, ließ sie nicht los. Sie nagte noch immer an ihr, als sie die Strandbar bereits verlassen hatten und nebeneinander her in Richtung Auto liefen.
„Wieso machst du so ein Geheimnis daraus, wer sie ist?", bohrte sie hartnäckig weiter. Carlos seufzte theatralisch. „Mache ich nicht, ich will einfach nur nicht über sie reden."
„Und weshalb?", hakte sie ungeduldig nach. „Sie ist nur eine Bekannte", antwortete er genervt. „Wieso hast du uns dann einander nicht vorgestellt?", wollte sie wissen. Er blieb stehen und schaute ernst auf sie herab. „Was hätte ich sagen sollen? Du willst nicht mal in der Öffentlichkeit meine Hand halten", erwiderte er kühl. Sie biss sich auf die Zunge, denn er hatte Recht. „Du hättest mich als eine Freundin vorstellen können. Stattdessen hast du-."
„Ich hätte dich ihr als meine Freundin vorgestellt, wenn du nicht immer einen auf geheimnisvoll machen würdest. Ich verstehe nicht, wieso du so ein Problem damit hast, öffentlich zu mir zu stehen. Schämst du dich dafür, mit mir zusammen zu sein?"
Sie hatte tatsächlich nicht damit gerechnet, dass er das zwischen ihnen als derart verbindlich ansah. Dennoch beschlich sie das Gefühl, dass er in diesem Moment lediglich dieses As aus dem Ärmel zauberte, um nicht weiter über sein Verhalten vor Naia und ihre Zweifel sprechen zu müssen.
„Warum sollte ich mich dafür schämen?", fragte sie kopfschüttelnd. „Vielleicht, weil ich nicht der Typ Mann bin, mit dem du sonst zusammenbist und den sich deine Freunde eher an deiner Seite vorstellen können", entgegnete er. Sie schüttelte enttäuscht den Kopf. „Hältst du mich wirklich für dermaßen oberflächlich?"
„Nein, aber ich verstehe nicht, wieso du mich so auf Abstand hältst. Was ist so schlimm daran, wenn dich jemand mit einem Mann sieht?"
Als Willow realisierte, dass er gerade dabei war, die Aufmerksamkeit von seinem Verhältnis zu Naia auf ihre öffentliche Distanz zu ihm zu lenken, schnaubte sie wütend.
„Wieso beantwortest du meine Frage nicht, wenn dir das mit uns so wichtig ist? Warum sprichst du Spanisch mit ihr, obwohl du genau weißt, dass ich nicht verstehe, worüber ihr redet? Ich habe Augen im Kopf. Ich habe genau gesehen, dass sie auf dich steht", konterte sie überlegen. „Sie redet immer Spanisch mit mir. Ich habe keine Ahnung, weshalb sie das macht."
„Und was hätte dich daran gehindert, auf Deutsch zu antworten, damit ich auch was verstehe?", pöbelte sie kopfschüttelnd. „Ich habe nicht darüber nachgedacht, okay?", seufzte er. Sie schnaubte wütend. „Sag mir doch, worüber ihr euch unterhalten habt, wenn das alles so harmlos war", forderte sie.
„Ich muss dir nicht alles erzählen", erwiderte er bockig, bevor er seinen Weg fortsetzte. „Du wirfst mir vor, ein Geheimnis aus uns zu machen, aber machst selbst eines aus Naia", sagte sie anklagend, während sie ihm folgte. Er verdrehte die Augen. „Du bist echt anstrengend, weißt du das?"
Sie schnaubte wütend. „Weil ich dich frage, wer dieses Mädchen war und worüber ihr euch unterhalten habt? Weißt du, Carlos, du regst dich darüber auf, dass ich nicht zu dir stehe, aber im gleichen Atemzug hältst du Dinge vor mir zurück und weckst schlechte Gefühle in mir."
„Sieht aus, als würden wir beide schlechte Gefühle beieinander wecken", kommentierte er bissig. Sie schüttelte enttäuscht den Kopf. „Ich verstehe nicht, wieso du nicht wenigstens versuchst, meine Zweifel zu zerstreuen", warf sie ihm vor. „Du doch auch nicht", konterte er. „Mit dem Unterschied, dass kein anderer Mann mit mir geflirtet hat", entgegnete sie trotzig. Er atmete schwer, dann wurde er ernst.
„Das alles führt doch zu nichts", sagte er entschieden. Ihr Herz begann zu rasen. „Wie meinst du das?"
„Diese ganze Unterhaltung hier", erklärte er. „Ich hab keinen Bock auf Kopfstress."
Sie schnaubte verächtlich, während ihr Herz sich schmerzvoll zusammenzog. Sagte er ihr gerade, dass das mit ihnen keinen Sinn für ihn machte? Sie biss sich auf die Zunge, um ihre Enttäuschung zu kontrollieren.
„Wie du meinst...", erwiderte sie abweisend, bevor sie ihre Schritte beschleunigte. „Was soll das denn jetzt?", fragte er genervt. „Nichts. Aber ich fahre mit dem Bus nach Hause."
Uff, da ist sie wieder, die wütende Willow. Findet ihr, dass sie übertreibt oder könnt ihr sie verstehen? Obwohl Carlos ja wirklich süße Worte gefunden hat, um sich zu erklären, oder? Würdet ihr ihn auch stehenlassen oder wärt ihr versöhnlicher?
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