10 | Eis
Ich kann kaum glauben, dass es schon das 10. Kapitel ist ❤
Willow zupfte unschlüssig am Saum ihres bunten Strandkleides herum. Sie war mit Carlos verabredet und konnte sich nicht für ein Outfit entscheiden. Seit der Party bei Alex' Freundin waren bereits ein paar Tage vergangen. Er hatte ihr an jedem davon geschrieben und ihr damit ein gutes Gefühl gegeben. Inzwischen fühlte sie sich nahezu idiotisch, weil sie dermaßen überreagiert hatte. Es war klar, dass sie nicht die einzige Frau auf diesem Planeten war, die ihn anziehend fand. Nun war es an ihr, ihre eigene Unsicherheit zu überwinden. Hin und wieder nagte es an ihr, dass er sich auf einen harmlosen Flirt mit diesem Mädchen eingelassen hatte, bevor sie gekommen war, doch das war noch lang kein Grund, ihm dermaßen die Hölle heißzumachen.
Sie schmunzelte bei der Erinnerung daran, dass auch ihm die Eifersucht anzusehen gewesen war, als sie sich mit Noah in der Küche unterhalten hatte. Seine ständigen Anspielungen ließen keinen Zweifel daran, dass er sie attraktiv fand, also hatte sie sich vorgenommen, an sich selbst zu arbeiten.
Sie seufzte innerlich und drehte sich ins Seitenprofil, um sich erneut zu betrachten. Setzte es falsche Signale, derart viel Haut in diesem Kleid zu zeigen? Schließlich war es nicht nur knielang, sondern auch noch schulterfrei. Doch sie wollte ihm gefallen und war sich sicher, dass es ihr in diesem Kleid gelingen würde, ihn aus den Socken zu hauen. Es klingelte.
„Jetzt ist es sowieso zu spät", sagte sie zu sich selbst, legte ein letztes Mal ihre offenen Locken zurecht, schnappte sich einen Cardigan zum Überziehen für den späteren Abend und schlüpfte in ein Paar Riemchensandalen, die perfekt zu ihrem Kleid passten.
Carlos wartete bereits vor dem Haus auf sie. Als sie ihn sah, war das verräterische Kribbeln augenblicklich wieder da. Als er sich jedoch zu ihr herunterbeugte, um sie zu küssen, wich sie zurück. Er runzelte skeptisch die Stirn.
„Ich dachte, wir haben das aus der Welt geschafft", erinnerte er sie an das klärende Telefonat nach der Party von vor ein paar Tagen. Da sie sich nicht ungestört hatten unterhalten können, hatte er sie am Tag darauf angerufen, um die Missverständnisse nochmal auszuräumen und ihr zu versichern, dass er keinerlei Interesse an den anderen Mädchen gehabt hatte. Sie hatte im Gegenzug versucht, ihn davon zu überzeugen, dass sie Noah nicht wiedersehen wollte; ganz egal, wie gut sie sich verstanden hatten.
„Haben wir auch, es ist nur... ich kann das nicht so gut", sagte sie leise und senkte verlegen ihren Blick. „Mich in der Öffentlichkeit küssen, meinst du?", hakte er nach. „Hmm", machte sie unbeholfen, denn sie konnte nicht einmal erklären, weshalb sie sich davor so sehr scheute. Möglicherweise lag es daran, dass noch niemand von ihren heimlichen Treffen wusste und sie noch immer nicht klar definiert hatten, was genau das zwischen ihnen jetzt eigentlich war. „Du gewöhnst dich schon daran", grinste er, bevor er ihr unbeeindruckt einen Kuss aufdrückte. Sie war ihm dankbar dafür, dass er es dabei beließ, und musterte ihn neugierig, als sie in sein Auto stieg.
„Wohin sollen wir?", fragte sie.
„Ich kenne eine coole Strandbar. Hast du Bock?", erwiderte er.
„Klar."
Nur eine halbe Stunde später erreichten sie den angesagten Beach-Club. Sie fand seine Idee gut, ihre heutige Verabredung hier zu gestalten. Das Waikiki bot einerseits die Möglichkeit, es sich auf den bequemen Lounge-Möbeln gemütlich zu machen, andererseits gab es hier auch kleine Köstlichkeiten. Falls sie also vom Quatschen hungrig wurden, mussten sie nicht extra die Location wechseln. Außerdem lag der Beach-Club etwas abgelegen direkt an der Alster und hielt die Option offen, später noch etwas Spazieren zu gehen.
Kurz ließ Willow zufrieden ihren Blick über den riesigen, künstlich angelegten Strand schweifen. Der gesamte Bereich lag direkt am Wasser und war mit weißen Strandliegen, Chill-Out-Betten und Sitzgarnituren ausgestattet. Hier und da lagen ein paar Besucher mit ihren Cocktailgläsern in der Hand herum und genossen das schöne Panorama mit Blick aufs Wasser.
„Da hinten", sagte Carlos. Sie folgte seinem Blick zu einem abgelegenen, großen Chill-Out-Bett, über das ein großes Sonnensegel gespannt war. Er ließ ihr den Vortritt und folgte ihr. Er schmunzelte, als sie ihre Sandalen auszog und sich in die weichen Kissen fallenließ.
„Was?", fragte sie, doch er schüttelte lediglich grinsend den Kopf und setzte sich zu ihr. „Sag schon", forderte sie neugierig.
„Du bist einfach so ordentlich", stellte er fest und lehnte sich entspannt zurück.
„Es gehört sich eigentlich so, seine Schuhe auszuziehen, wenn man sich in ein Bett legt", kommentierte sie trocken. Er grinste amüsiert.
„Siehst du. Ordentlich."
„Gut erzogen", konterte sie grinsend.
„Ich würde eher sagen, gehorsam", korrigierte er.
„Ich weiß einfach, was sich gehört", sagte sie frech.
„Willst du mir sagen, ich wäre schlecht erzogen?", hakte er nach und hob seine Augenbrauen. Sie lächelte versöhnlich.
„Quatsch."
„Will ich dir auch geraten haben", sagte er und ließ seinen Blick schweifen.
„Jetzt fehlt nur noch der Cocktail", erwiderte sie auffordernd.
„Hol dir doch einen", antwortete er frech grinsend.
Sie stieß ein beleidigtes Schnauben aus.
„Du weißt, wie man einer Frau die Welt zu Füßen legt", kommentierte sie trocken.
„Wer hat behauptet, dass ich dir die Welt zu Füßen legen will?", feixte er weiter.
„Also, holst du mir jetzt einen, oder was?", hielt sie frech dagegen. Er lachte, bevor er einen Schein aus der Tasche zog. Doch statt aufzustehen und ihrer Forderung nachzukommen, drückte er ihr entschieden das Geld in die Hand. „Bring mir ein Corona und ein Eis mit."
Sie hielt seinem auffordernden Blick stand und hob schmunzelnd eine Augenbraue. Sie wusste, dass dieses kleine Machtspielchen vielleicht richtungsweisend für das war, was sich da gerade zwischen ihnen entwickelte; was auch immer es genau war. Ihre Finger kribbelten angenehm, als er jetzt seine Hand um ihre legte, sie damit entschieden zu einer Faust schloss und ihr dabei fest in die Augen sah. Sofort übertrug sich seine Körperwärme auf sie. Sein Blick fesselte sie so sehr, dass sie nicht einmal blinzelte, sondern Gefahr lief, sich in dem schönen, warmen Braun seiner Augen zu verlieren. Ihr Herz begann zu rasen und ihre Wangen wurden glutheiß. Sie ertrug seinen durchdringenden Blick keine Sekunde länger, also zog sie ihre Hand aus seiner und stand auf, um etwas Abstand zwischen ihn und sich selbst zu bringen. Erst, als sie ein paar Meter gegangen war, merkte sie, dass sie regelrecht aus der Situation geflohen war und ärgerte sich über ihre eigene Unsicherheit.
Sie spürte Carlos' Blick in ihrem Rücken, drehte sich jedoch nicht zu ihm um, sondern setzte ihren Weg zur Strandbar fort. Es war verrückt, doch er brachte sie tatsächlich völlig aus dem Konzept. Wie machte er das bloß? Ob es ihm mit ihr ähnlich ging?
Sie schob die Fragen zur Seite, schenkte dem blonden Kellner mit den blauen Augen hinter der Strandbar ein Lächeln und bestellte einen Virgin Colada und ein Corona. Kurz darauf hatte sie sich wieder gesammelt und kehrte mit der Flasche Bier und dem Eis in der einen und dem bunten Cocktailglas mit lilafarbenem Schirmchen in der anderen Hand zu Carlos zurück. Der ließ sich von ihr das Eis und die Flasche reichen und sank zurück in die weichen Kissen.
„Hier", sagte sie und reichte ihm das Wechselgeld. Er ließ es in der Tasche seiner Shorts verschwinden, ehe er zunächst die Flasche zur Seite stellte und sich dem Eis widmete.
„Was hast du da?", wollte er wissen und warf einen neugierigen Blick auf das geschwungene Glas in ihrer Hand.
„Virgin Colada", antwortete sie und nahm einen Schluck aus ihrem Strohhalm.
„Du trinkst nie Alkohol, oder?", hakte er nach.
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, ist nicht so meins."
„Ist mir schon öfter aufgefallen", stellte er fest und hielt ihr das Eis entgegen. „Hier, willst du?"
Sie schüttelte dankend den Kopf.
„Ist das jetzt gut oder schlecht?", kam sie auf seine Aussage zurück und musterte ihn aufmerksam.
„Mir gefällt das."
Sie runzelte die Stirn.
„Ehrlich?", fragte sie misstrauisch. „Ich hätte eher gedacht, dass du das langweilig findest, oder so."
„Wieso sollte ich?", wollte er wissen und leckte an seinem Eis.
„Naja, ihr lasst euch ja manchmal schon ganz schön volllaufen", stellte sie fest.
Er grinste.
„Stimmt. Trotzdem cool, dass du deine Prinzipien hast. Du bist einfach anders als viele Frauen, und gerade deshalb komme ich so gut auf dich klar. Du wirst dich nie so abschießen, dass du auf dem Weg nach Hause verloren gehst oder so was."
Sie ließ sein Kompliment auf sich wirken, senkte jedoch verlegen ihren Blick, als er ihr etwas zu lang und zu intensiv in die Augen schaute. Sie fühlte sich in solchen Situationen einfach unsicher und hatte nie gelernt, damit umzugehen. Oft wäre sie in derartigen Momenten gern so tough wie ihre Schwester, doch in Carlos' Anwesenheit fühlte sie sich unendlich weit davon entfernt. Als ihr Blick auf das Eis in seiner Hand fiel, atmete sie beruhigt auf.
„Achtung. Es tropft", warnte sie ihn, erleichtert darüber, dass sie derart galant unbemerkt das Thema wechseln konnte.
„Hast du kein Höschen an?", fragte er frech grinsend. Im ersten Moment glaubte sie, sich verhört zu haben, doch seine Mundwinkel verzogen sich zu einem frechen Grinsen. Erst jetzt erkannte sie, dass sie ihm tatsächlich eine perfekte Vorlage geliefert hatte. Doch statt sich über sich selbst zu ärgern, war sie viel mehr damit beschäftigt, gegen ihre innere Nervosität anzukämpfen, die sein rotziger Spruch verstärkt hatte.
„Ich meinte das Eis, aber schön, dass du mitdenkst", konterte sie bemüht lässig, doch selbst sie bemerkte die Unsicherheit in ihrer Stimme. Carlos leckte amüsiert am Eis, um zu verhindern, dass es tatsächlich auf die Kissen tropfte, in denen sie es sich gemütlich gemacht hatten. Als er seinen Blick kurz schweifen ließ, atmete sie lautlos tief durch und sammelte sich. Sie hoffte, dass er nicht bemerkt hatte, dass es ihm tatsächlich gelungen war, sie mit seiner Äußerung aus der Reserve zu locken.
„Schade", sagte er plötzlich und drehte ihr seinen Kopf zu. Seine Augen funkelten verräterisch. Es machte ihm einen riesigen Spaß, mit ihrer Unbeholfenheit zu spielen. „Ich hätte dir gern ausgeholfen."
Die arme Willow, oder? 😂 Er macht es ihr aber auch wirklich nicht leicht mit seinen ständigen Sprüchen, wie ich finde. Damit stellt er das schüchterne Ding schon vor eine Herausforderung 😂😂😂 Aber süß sind sie zusammen, das muss ich sagen. Hat euch das Kapitel gefallen?
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