09 | Gefühlschaos

Da ist es, das nächste Kapitel. Ich wünsche euch viel Spaß ❤

Mit einem mulmigen Gefühl beobachtete sie, wie Carlos ein paar Schritte in den Raum hinein machte. Dabei ließ er Noah nicht aus den Augen.

„Cassie sucht dich. Zeit zu gehen." Seine Stimme war düster, nahezu schneidend.

„Jetzt kannst du ihr ja sagen, wo sie mich findet", antwortete sie kühl.

„Sie wollen gleich los, sie warten nur noch auf dich", sagte Carlos. Erst jetzt fiel ihr Blick auf die Uhr. Wenn sie morgen früh fit sein musste, würde auch sie sich bald auf den Weg machen müssen. Sie seufzte innerlich, denn das Gespräch mit Noah hatte ihr wirklich gefallen.

„Sag ihr, ich komme sofort."

Während sie ihr Cocktailglas leerte, blieb Carlos jedoch stehen und musterte sie aufmerksam. Das konnte er, nachdem er den gesamten Abend mit all diesen Mädchen geflirtet hatte, nicht ernst meinen. Vor Noah ließ sie sich jedoch ihre Wut nicht anmerken, sondern stellte mit einem Lächeln auf den Lippen das Glas auf dem Tresen ab.

„Vielen Dank für den leckeren Cocktail, Noah. Hat mich gefreut."

„Gleichfalls. Vielleicht sieht man sich ja nochmal", lächelte er. Angesichts der düsteren Aura, die Carlos umgab, war ihr die Situation mittlerweile unangenehmer, als sie zuzugeben bereit war. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, rauschte sie an ihm vorbei. Seine Augen funkelten bedrohlich, als er noch einmal zu Noah herübersah, bevor er ihr folgte. Ihre Bemühungen, die rettende Terrassentür rechtzeitig zu erreichen, bevor er sie einholen konnte, scheiterte, doch gerade, als er nach ihrem Handgelenk griff, um sie herumzuwirbeln, trat Marten durch die Tür. Willow nutzte die Chance und schob sich an ihm vorbei.

„Kommst du gleich noch mit?", hörte sie Marten an Carlos gewandt fragen und atmete innerlich erleichtert auf, denn es verschaffte ihr genug Zeit, zu Cassie herüber zu huschen.

„Da bist du ja", sagte sie.

„Tut mir leid, ich habe mich mit Ryas Bruder in der Küche verquatscht", gab Willow schnell zurück. Ihre Schwester hob eine Augenbraue. „Ryas Bruder?"

„Der Typ, den du vorhin für mich abgecheckt hast", erzählte Willow. Cassies Gesicht hellte sich auf. „Das musst du mir alles in Ruhe erzählen", sagte sie.

„Aber nicht hier", zischte Willow. Als Carlos zusammen mit Marten aus dem Haus kam, hielt sie den Atem an.

„Die Jungs wollen in einen Club fahren. Möchtest du noch mitkommen? Sonst würden wir uns später ein Taxi nach Hause bestellen", fuhr Cassie fort.

„Ich muss wirklich ins Bett", antwortete Willow. Außerdem hatte sie keinerlei Interesse daran, noch mehr Zeit mit Carlos zu verbringen als nötig. Die Stimmung zwischen ihnen war so angespannt, dass das Risiko bestand, dass jemand etwas merkte. Gerade Marten, der wider Erwarten so sensibel für Schwingungen zwischen Menschen war, konnte ihr möglicherweise gefährlich werden.

„Okay, dann komm. Wir verabschieden uns von Alex und bringen dich noch zum Auto", sagte Cassie und legte ihren Arm um sie. Willow lächelte.

„Du hast schon ein kleines bisschen zu viel getrunken, oder?" Cassie schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, ich bin komplett nüchtern; also eigentlich könnte ich sogar noch fahren."

„Perfekt, dann kannst du meinen Wagen fahren und wir brauchen später kein Taxi", schlug Carlos vor und hielt Cassie den Autoschlüssel entgegen. Willow schnappte ihn Cassie vor der Nase weg.

„Vergiss es, sie hat ganz sicher schon zu viel getrunken", sagte sie entschieden.

„Das stimmt so nicht; ich glaube, es waren nur zwei Gläser", versuchte Cassie, sich zu erinnern, und schaute sich suchend nach John um.

Der stand gemeinsam mit Alex etwas abseits. „Babe..."

Sie ließ Willow stehen. Sie schluckte, als Carlos düster auf sie herabschaute.

„Gib mir den Schlüssel wieder", forderte er. Seine Stimme war so dunkel, dass sie automatisch Folge leistete.

„Sei nicht so hart zu ihr, sie meint es nur gut", mischte sich Marten ein, der noch immer danebenstand, dann jedoch von einem der Jungs gerufen wurde. Als auch er sich entfernt hatte und Willow praktisch mit Carlos allein zurückblieb, schlug ihr das Herz augenblicklich bis zum Hals. Er nutzte den kurzen unbeobachteten Moment, um sie mit sich um die Ecke des Hauses zu ziehen.

„Lass mich los, verdammt", forderte sie und zog ihre wie Feuer brennende Hand aus seiner. Er drängte sie noch ein Stück mehr in die Dunkelheit zwischen Hausfassade und Blätterwerk. „Was soll das, Willow?"

Sie schnappte fassungslos nach Luft.

„Du flirtest den ganzen Abend mit diesen freizügigen Schlampen und fragst mich, was das soll?", fauchte sie und reckte ihm trotzig ihr Kinn entgegen.

„Einen Scheiß habe ich gemacht", verteidigte er sich flüsternd.

„Komisch – sah anders aus, als sie dir ihre Brüste ins Gesicht gedrückt und deinen Arm gestreichelt hat – und du sie dabei angestrahlt hast wie Hiroshima", zischte sie kühl.

„Ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber ich habe den ganzen Abend versucht, vor ihr zu flüchten."

Sie stieß ein verächtliches Schnauben aus.

„So nennt man das also, wenn man sich ständig betatschen und vollquatschen lässt", setzte sie zynisch dagegen.

„Du siehst nur das, was du sehen willst, oder? Ich hatte den ganzen Abend nur Augen für dich und bin dir nachgelaufen, um mit dir zu reden und in deiner Nähe zu sein. Du warst diejenige, die ständig geflohen ist, nur, um sich am Ende mit so einem Hurensohn zu unterhalten", knurrte er leise.

„Du kennst ihn doch überhaupt nicht", flüsterte sie wütend.

„Ach, und du kennst ihn?" Er schnaubte wütend.

„Versuch jetzt bloß nicht, mir den schwarzen Peter zuzuschieben", fauchte sie.

„Ich schiebe dir gar nichts zu. Rede, mit wem du willst, wenn du glaubst, dass er besser zu dir passt, nur, weil er reiche Eltern hat und studiert", konterte er düster. Sie hob angriffslustig eine Augenbraue.

„Wir sind nicht zusammen; ich kann machen, was ich will – machst du ja schließlich auch", erwiderte sie kühl. Sie erschauderte, als er sie einfach nur ansah. Sein Blick war so durchdringend, dass sie sich nicht traute, den ihren abzuwenden.

„Wieso willst du nicht verstehen, dass mir die anderen egal sind?", flüsterte er eindringlich. Konnte das wirklich stimmen? Hatte sie möglicherweise wirklich nur das gesehen, was sie sehen wollte, weil sie dazu neigte, im Vergleich mit anderen Frauen ihr Selbstwertgefühl herunterzuschrauben und von Unsicherheit zerfressen zu werden?

Er hatte tatsächlich ihre Nähe gesucht, doch im Flur hatte sie die Flucht ergriffen und in der Küche hatte sie ihn stehenlassen. Als er sich zu ihr gesetzt hatte, war sie aufgestanden, um sich zurückzuziehen. Auf einmal klang alles, was er sagte, plausibel und sie fühlte sich wie eine Idiotin, die überreagierte.

„Warum ich?", wisperte sie, während ihre vor Nervosität zitternden Finger in seinem Nacken verschränkte. Er schüttelte seufzend den Kopf.

„Warum nicht du?", beantwortete er ihre Frage mit einer Gegenfrage, die ihr Herz augenblicklich höherschlagen ließ.

„Entspann dich mal jetzt", flüsterte er und strich über ihr Gesicht. Sie versuchte, das Kribbeln in ihrem Bauch zu ignorieren, doch als er die letzte Distanz zwischen ihnen überbrückte, wurde es so stark, dass sie das Gefühl hatte, vollends davon eingenommen zu werden. Er war ihr auf einmal so nah, dass seine Körperwärme sich auf sie übertrug. Die Kiefer fest aufeinandergepresst schaute er auf sie herab. Seine Augen funkelten in der Dunkelheit. Ihr Herz raste. Ihre Haut brannte unter seiner Berührung, doch da sie buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stand, konnte sie nicht zurückweichen. Er nahm sie zwischen der Fassade und sich selbst gefangen, während sein Blick sich in ihren bohrte.

Für einen Moment traute sie sich nicht einmal mehr zu atmen. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Wange, bevor seine Lippen ihre streiften. Für einen Augenblick vergaß sie die schlechten Gefühle, die er im Laufe des Abends in ihr ausgelöst hatte; die Wut, die Enttäuschung und den Schmerz. Sie wollte seine Lippen auf ihren spüren und endlich wieder so von ihm geküsst werden, dass ihr schwindelig wurde. Als er es endlich tat, seufzte sie erleichtert in den Kuss hinein. Sie genoss das leichte Kribbeln, das sich augenblicklich in ihrem gesamten Körper ausbreitete. Als er sich kurz von ihr löste, um in ihre Augen zu schauen, erschauderte sie. Sofort fanden ihre Lippen wieder die seinen. Er vergrub seine Hand in ihrem Haar, küsste sie wieder und wieder, bis seine Zunge schließlich Einlass forderte. Nur ganz langsam drang seine Zunge erneut in ihren Mund, erkundete ihn geduldig Millimeter für Millimeter, während ihr das Herz bis zum Hals schlug und eine angenehme Hitze ihren gesamten Körper erfasste. Ihr Mund brannte und ihre Finger zitterten unruhig, als sie durch seinen Nacken kratzten. Sie kicherte in den nächsten Kuss hinein.

„Willow?"

Sie erschrak, löste sich von ihm und sah ihn aus großen Augen an. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er sie ein weiteres Mal küsste. Sie seufzte schwer in den Kuss hinein.

„Willow? Marten, Hast du Willow gesehen?"

Sie biss sich auf die Unterlippe. Es war, als würde Cassies Stimme den unsichtbaren Bann zwischen ihnen brechen und ihr die Kraft geben, sich aus der Situation zu befreien. „Ich glaube, ich sollte gehen", flüsterte sie verlegen, bevor sie ihm einen letzten Kuss gab. Carlos atmete schwer, dann gab er sie widerwillig frei.

„Wieso sagst du es ihr nicht einfach?", wollte er wissen. „Weil Cassie dazu neigt, die übervorsichtige große Schwester raushängen zu lassen, die nicht anders kann, als mir Ratschläge zu geben, die ich möglicherweise gar nicht hören will." Er runzelte die Stirn. „Und das findest du schlimm?", hakte er nach.

„Vielleicht ist sie auf der Toilette", hörte sie John sagen.

„Können wir ein anderes Mal darüber reden?", fragte sie ungeduldig.

„Wir müssen gar nicht darüber reden; ich wollte nur, dass du weißt, dass von mir aus jeder wissen kann, dass zwischen uns was ist", erklärte er. Sie verstand, dass er das tat, um ihr ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Sie schenkte ihm ein Lächeln. „Willow!?!"

„Du solltest da lang gehen und sagen, dass du vor dem Haus auf sie gewartet hast", schlug er vor und deutete auf die entgegengesetzte Richtung. Sie kicherte leise, dann gab sie ihm einen letzten Kuss. „Ich ruf dich an", flüsterte sie, dann ließ sie ihn stehen.

Hach, kommt, das war schon irgendwie süß, oder? Wer von euch hatte nochmal gesagt, dass er sie mit in eine dunkle Ecke ziehen sollte? 😂 Aber könnt ihr verstehen, dass sie so ein Geheimnis daraus macht?

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