01 | Von Männern und Maschen

Ihr Schönen, hier ist es also für euch; das erste offizielle Kapitel von meiner Carlow-Geschichte. Ich hoffe, ihr mögt es. Ich muss den Titel der Geschichte noch ändern, aber ich wollte es euch nicht vorenthalten. Ich möchte die Geschichte übrigens Saelamju und IsabellaStone2019 widmen, denn ohne euch hätte sie niemals mehr als diese ursprünglichen fünf Kapitel bekommen. Und nun genug Emo-Talk. Vorhang auf für Willow.

„Wenn er sich immer noch nicht gemeldet hat, ist er definitiv nicht der Richtige für dich."

Willow hob seufzend eine Augenbraue, während sie ihrer Freundin Elina ins Gesicht sah. Die hübsche Blondine mit dem ovalen Gesicht und den großen, grünen Augen saß ihr gegenüber und musterte sie bedauernd. Doch Willow wollte ihr Mitleid nicht.

„Natürlich nicht", bestätigte sie selbstbewusst. „Dann hör endlich auf, über ihn nachzudenken, und genieß den Abend mit mir", lächelte Elina. Willow ließ ihren Blick durch den Außenbereich des gut besuchten Cafés schweifen, in dem sie saßen. Es war Frühling, die Menschen kamen verstärkt wieder aus ihren Winterlöchern und schienen sich alle an diesem Ort gesammelt zu haben.

Auch sie saß bereits seit über einer Stunde mit ihrer Freundin an einem der kleinen, runden Tische und genoss den lauen Abend bei einem guten Gespräch. In der letzten Zeit war sie so beschäftigt mit ihren Seminaren, dass sie kaum dazu kam, sich mit ihren Freundinnen zu treffen. Doch heute hatte sie alles hinter sich gelassen, um endlich mehr über Elinas neuen Freund zu erfahren. Stattdessen redeten sie bereits seit einer Viertelstunde über Nico, einen Typen, den Willow in einem ihrer unzähligen Uni-Seminare kennengelernt hatte.

Sie mochte den großen Dunkelhaarigen mit dem markanten Gesicht, den schönen, grünen Augen, dem frechen Lächeln, doch das Interesse schien eindeutig einseitig zu sein, auch, wenn er selbst das Gegenteil behauptete. Also versuchte sie, Elinas Rat zu befolgen und die Sache abzuhaken, aber es gelang ihr nur schwer, ihn aus ihn Kopf zu vertreiben. Es nagte an ihr, dass er sich seit Tagen nicht meldete. Sie rührte innerlich seufzend mit dem Strohhalm in ihrem großen Glas herum.

„Ich denke ja auch gar nicht über ihn nach. Der Idiot soll sich vergraben", pöbelte sie also und schenkte ihrer Freundin ein Lächeln. „Richtig. Es ist sein Verlust, wenn er kein Interesse an dir hat, nicht deiner", versicherte Elina. „Stimmt; und wenn er mich wirklich mögen würde, würde er sich von nichts daran hindern lassen, sich zu melden. Nicht mal von einer Überschwemmung oder einem großflächigen Stromausfall", erwiderte sie und lehnte sich zurück.

„Vielleicht hat er ja auch das Interesse verloren oder jemand anderes kennengelernt; eine Frau, die optisch mehr hermacht als ich", spekulierte Willow nachdenklich. Elina runzelte die Stirn. „Wie kommst du denn darauf?" Willow zuckte mit den Schultern. „Es muss doch einen Grund dafür geben, dass sich keiner langfristig bemüht, also liegt es vielleicht an mir – möglicherweise gefallen den Männern andere Frauen einfach besser", sagte sie frustriert. „So ein Unsinn. Du musst dich sicher nicht hinter anderen verstecken; im Gegenteil", widersprach Elina.

„Ich bin unsportlich und habe keine kurvige Figur, außerdem bin ich langweilig, lese lieber, statt auf Partys zu gehen und verbringe viel Zeit zuhause oder in der Uni. Du weißt selbst, dass ich schon immer eine Außenseiterin gewesen bin und nie viele Freunde hatte", erzählte Willow. Ihr Herz zog sich dabei schmerzhaft zusammen. Sie sprach nur selten über ihre Vergangenheit, nicht einmal mit Cassie. Sie schaute lieber nach vorn.

„Stimmt; weil du dich nicht mit ihnen identifizieren und dich nicht der Masse anpassen wolltest – das ist doch eine tolle Eigenschaft. Es macht dich zu einer besonderen Frau, die eben nicht ist, wie jede andere. Also hör bitte auf, dich kleinzumachen, Willow. Du neigst dazu, dich mit anderen Frauen zu vergleichen und unsicher zu werden. Das hast du nicht nötig. Du bist gut, so, wie du bist, und wenn ein Mann wirklich Interesse an dir hat, hat er gar keine Augen für die anderen. Ich bin mir sicher, dass es auch für dich da draußen jemanden gibt; jemanden, der genau dieses Einzigartige an dir liebt. Wie soll dich ein Mann so akzeptieren, wie du bist, wenn du es nicht mal selbst tust?"

„Ich weiß, aber es fällt mir einfach so schwer. Immer gemieden worden zu sein, weil ich anders war, sitzt einfach tief", räumte sie leise ein. „Das verstehe ich, aber du musst wirklich daran arbeiten, das zu überwinden. Du stehst dir mit diesen Selbstzweifeln nur selbst im Weg", erwiderte Elina mit einem sanften Lächeln auf den Lippen. „Das weiß ich auch, aber ich kann in solchen Situationen nicht aus meiner Haut. Selbst, wenn mir bewusst ist, dass ich mich selbst aus diesen Situationen herausholen kann, indem ich mich nicht auf meine Gedankenexperimente einlasse, ist es schwierig für mich, auf mich selbst zu hören. Oft passiert es automatisch; es ist einfach tief in mir drin. Mein ganzes Leben hat Cassie mir vorgelebt, wie anders es sein könnte, wenn ich einfach aufgeschlossener und extrovertierter wäre, aber dann würde ich mich verstellen und das wollte ich nie", sagte Willow.

„Du bist eben anders als sie, aber das bedeutet ja nicht, dass du weniger attraktiv oder weniger interessant bist. Es gibt sicher auch Männer, denen das, was deine Schwester ausstrahlt, zu viel ist. Du hast immer das Gefühl, in ihrem Schatten zu stehen, dabei bist du schon längst herausgetreten und zu einem wunderschönen, eigenständigen Menschen geworden."

Willow lächelte gerührt. „Das hast du schön gesagt." Elina lächelte ebenfalls. „Und ich meine es auch so. Du bist nicht umsonst meine beste Freundin. Wir alle lieben dich, wie du bist, gerade, weil du so bist; deine Familie und deine Freunde. Also hör bitte auf, solchen Idioten so viel Raum zu geben. Das hast du wirklich nicht nötig."

Willows Gesicht hellte sich auf. Es gelang Elina tatsächlich, ihre Selbstzweifel zu zerstreuen. „Du hast Recht", räumte sie ein. Elina lächelte aufmunternd. „Also hör endlich auf, dich zu fragen, weshalb dieser Idiot sich nicht bei dir meldet. Er hat dann eben einfach deinen Wert nicht erkannt und es ist sein Verlust, nicht deiner." Willow lächelte. Elina war eine tolle Freundin „Allerdings. Danke."

„Und jetzt schlag dir diesen Idioten aus dem Kopf. Der ist es sicher nicht Wert, dass du wegen ihm Trübsal bläst oder in ein Loch fällst", sagte Elina entschieden. Willows Gesicht verdüsterte sich. „Unglaublich, dass ich mich überhaupt habe davon runterziehen lassen. Ich sollte mich gar nicht mehr mit ihm beschäftigen ", sagte sie und griff nach ihrem Glas Beerenschorle. Dabei stieß sie so ungünstig gegen ihr Glas, dass es umkippte.

„Fuck", zischte sie, rutschte mit ihrem Stuhl ein Stück nach hinten und stellte das Glas wieder aufrecht auf den Tisch, doch der Rest des Getränks war ihr bereits auf ihr neues, helles Jersey-Kleid gelaufen. Sie hatte sich direkt in das Kleidungsstück verliebt, als sie es am Haken hatte hängen sehen. Es saß genau, wie sie es mochte, war obenrum eng geschnitten und fiel ab der Taille locker-luftig nach unten. Doch nun hatte sich der untere Teil mit großen, roten Flecken ihrer Beerenschorle vollgesogen. Sie seufzte schwer, bevor sie anfing, in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch zu kramen. Nie hatte sie welche dabei, wenn sie sie brauchte.

„Ich hab auch keins", sagte Elina mitfühlend. Willow betrachtete unterdessen frustriert die Schorle-Flecken. „Ich bin gleich wieder da", sagte sie, bevor sie sich ihre Tasche schnappte und in Richtung Toilette verschwand.

Dort angekommen versuchte sie mit ein paar Papiertüchern, ihr Kleid zu retten, doch die großen, roten Flecken zeichneten sich deutlich in Höhe ihres Oberschenkels ab. Als sie realisierte, dass das knielange Kleid vermutlich ruiniert war, warf sie genervt die Papiertücher in den Mülleimer und betrachtete sich im großen Spiegel über dem Waschbecken.

Sie zog ihren herzförmigen Kussmund mit den vollen Lippen kraus, den sie neben ihren wilden Locken und ihrem bronzefarbenen Teint von ihrem farbigen Vater geerbt hatte. Seit sie regelmäßig zum Solarium ging, zeigten sich die kleinen Sommersprossen auf ihrer Nase. Die hohen Wangenknochen hatte sie von ihrer Mutter, ebenso die blauen Augen und ihre Figur. Sie hatte im Gegensatz zu Cassie keine üppige Oberweite und auch keine ausladenden Hüften, doch sie war mit ihrem B-Körbchen und ihren Apfel-Po durchaus zufrieden. Trotzdem fehlte es ihr ab und zu an Selbstbewusstsein; vor allem, was das Thema Männer betraf. Sie hatte im Laufe der Zeit eine ziemlich große Klappe entwickelt, doch sobald ihr jemand wirklich gefiel, mutierte sie zum schüchternen, fünfzehnjährigen Teenie-Girl zurück, das jahrelang im Schatten ihrer extrovertierten großen Schwester gestanden hatte. Heute hatte sie sich weiterentwickelt und stand Cassie in nichts mehr nach. Auch, wenn sie grundverschieden waren, verband sie eine tiefe, innige Geschwisterbeziehung.

Sie trug ein wenig vom kirschfarbenen Lipgloss auf ihre vollen Lippen auf, steckte ihn zurück in ihre Handtasche und warf einen letzten Blick auf ihr ruiniertes Kleid, dann unterdrückte sie die aufkeimende Enttäuschung und zog die Tür auf.

Aus ihrer Tasche vibrierte es, während sie sich zielstrebig den Weg zurück zu Elina bahnte. Aufgeregt zog sie ihr Smartphone aus der Tasche und warf einen flüchtigen Weg auf das Display, doch zu ihrer Enttäuschung hatte sich nicht Nico bei ihr gemeldet, sondern Cassie, ihre vier Jahre ältere Schwester.

„Vorsicht..."

Sie hörte die Warnung der dunklen Stimme zu spät, denn als sie aufschaute, stieß sie auch schon mit ihrem Gegenüber zusammen. Noch während sie glaubte, das Gleichgewicht zu verlieren, spürte sie seine Hände an ihrer Taille. Sie sah überrascht zu dem jungen Mann auf. Er wirkte durch seine vielen Tattoos, den bösen Blick und die breite Statur bedrohlich, doch das verblasste, als er ihr ein Lächeln schenkte.

„Carlos! Was machst du denn hier?", begrüßte sie den Dunkelhaarigen mit dem dichten Vollbart perplex, als sie ihn erkannte. Er gehörte zum Freundeskreis von John, Cassies Jugendliebe. Sie hatte Carlos seit einiger Zeit nicht gesehen, denn außer der regelmäßigen Partys bei Cassie und John zuhause hatten sie kaum Berührungspunkte miteinander. Der Duft seines Parfums stieg ihr in die Nase und benebelte für einen Moment ihre Sinne.

„Ich bin mit ein paar Jungs hier", antwortete er, ließ seine Hände sinken und trat einen Schritt zurück. „Ist alles in Ordnung?" Derart viel Einfühlungsvermögen hätte sie ihm nicht zugetraut. „Ja, alles gerade nochmal gutgegangen."

Ein paar junge Männer an einem entfernten Cafétisch lachten auf. Er verdrehte die Augen.

„Ignorier sie einfach", bat er sie lächelnd. „Jemand dabei, den ich kenne?", hakte sie nach und ließ ihren Blick neugierig an dem großen Mann vorbeischweifen. „Nein, ich glaube nicht", sagte er. Er hatte Recht.

„Also ein Männerabend", stellte sie schmunzelnd fest. „Ja, wir saufen ein Bisschen, gehen später auf den Kiez. Nichts Wildes. Und du?" Er sah eindringlich in ihre Augen. „Ich weiß nicht, ich muss morgen wieder früh raus, also werden wir uns bald auf den Heimweg machen", antwortete sie. „Es ist nicht mal elf", stellte er nahezu empört fest. „Ich habe morgen früh ein Seminar", antwortete sie. „An einem Samstag?", hakte er irritiert nach. „Manche Seminare werden nur am Wochenende angeboten", erklärte sie bereitwillig. „Wäre nichts für mich", stellte er fest. „Glaub nicht, dass ich das freiwillig mache – aber anders bekomme ich meine Studienleistung nicht."

Sie wusste nicht einmal, weshalb sie ihm das überhaupt erzählte. Die Jungs an seinem Tisch lachten erneut. Überhaupt waren sie sehr laut und unterhielten das gesamte Café. „Dann sieh mal zu, dass du nach Hause kommst, bevor du morgen nicht ausgeschlafen bist", stichelte er frech grinsend. Seine Augen funkelten geheimnisvoll und es gelang ihr nicht, seinem intensiven Blick standzuhalten. „Okay", sagte sie also schnell. „Wir sehen uns sicher demnächst bei Cassie." Er grinste, als sie sich an ihm vorbeidrückte. „Siehst übrigens gut aus in dem Kleid."

Im ersten Moment glaubte sie, sich verhört zu haben, doch als sie sich erneut zu ihm umdrehte, schenkte er ihr ein freches Lächeln. Sie schüttelte grinsend den Kopf und versuchte, ihre Überforderung zu verbergen. Elina, die die Situation neugierig beobachtet hatte, starrte sie aus großen Augen erwartungsvoll an, als sie wieder zu ihr an den Tisch fiel.

„Was war das denn?", fragte sie aufgeregt, während Willow versuchte, die neugierigen Blicke der anderen Cafébesucher zu ignorieren. „Ist das jetzt deine neue Masche, Männer anzubaggern?" „So ein Quatsch. Das war Carlos, ein Freund von Cassie."

„Hat dich ganz schön ausgezogen mit seinem Blick, der gute Carlos", stellte Elina belustigt fest. Willow errötete. „So ein Unsinn", zischte sie. „Außerdem sitzen da vorn seine Freunde, also reiß dich bitte zusammen." Elina lachte. „Du bist so verklemmt, Willow. Es ist doch nichts dabei, wenn einer dich gut findet. Und der findet dich wirklich richtig gut."

Carlos findet Willow also gut? Wer hätte das gedacht :p Nein, im Ernst. Wie hat es euch gefallen? Es wird ja mehr oder weniger eine unabhängige Geschichte, auch, wenn ihr Cassie, John und Marten häufiger begegnen werdet :) Also ist sie noch losgelöster vom eigentlichen 187 Hintergrund als meine anderen Geschichten, deshalb bin ich super gespannt auf eure Meinung.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top