16. Sams Zorn

Wie Milan gesagt hatte, fegte Samael die erste Reihe mit einem Blitz beiseite. Gut gegrillt landeten die Männer auf dem Boden. Die nächsten wurden von seinem Schwert niedergestreckt. Ihr Anführer machte sich nicht einmal die Mühe, ihnen die Illusion einer Chance zu lassen. Jeder, der Hand an Isa gelegt hatte, verlor ein Körperteil. Ob Hand oder Fuß, Sam war nicht wählerisch. Die anderen kamen mit tiefen Schnittwunden und einer Ladung Blitz davon. Zum Schluss standen sich, wie Az vorhergesagt hatte, Sam und Levio gegenüber. Der Rekrut war blass geworden. Samael bemerkte das Zögern in den Bewegungen seines Gegners. „Was ist?" Er stieß sein Schwert in den Boden und lehnte sich darauf. „Ist dir die Lust am Kämpfen vergangen?"

„Das ist kein Kampf, sondern eine Hinrichtung", spie Levio ihm entgegen.

Sam hob eine Augenbraue. „Ich sehe hier keine Toten."

„Spart Euch das Heucheln."

„Das habe ich nicht nötig. Niemand außer meinen Kommandanten kann mir das Wasser reichen. Aber das hast du wohl nicht verstanden."

„Ihr seid eine Bestie!"

Samael rollte mit den Augen. „Originell. Das nächste Mal solltest du dich erkundigen, mit wem du dich anlegst. Du bist hier nicht in der Residenz, wo du mit deinem Namen einschüchtern kannst. Hier zählt nur, was du drauf hast." Er drehte sich zu Azrean und Milan um. Natürlich saßen die beiden beisammen. Der Nachtalb tat selten, was von ihm verlangt wurde. Dennoch erfüllte er seine Aufgaben gewissenhaft. Nur auf seine eigene Art und Weise. Sam hatte gelernt, ihn gewähren zu lassen. Bei den Sankti war Vertrauen ein zentraler Bestandteil ihres Erfolgs. Jeder hatte seine Fähigkeiten und vermochte sie bestmöglich einzusetzen. Dafür waren sie trainiert worden. Vermutlich hatten die beiden Wetten auf den Verlauf des Kampfes abgeschlossen. Er fragte sich, wer wem die meisten Runden in der nächsten Kneipe schuldete. Das war ein Brauch unter ihnen. Wurde jemand in einen Kampf verwickelt, wetteten die anderen, was passieren würde. In der Vergangenheit hatte das zu unzähligen feuchtfröhlichen Nächten geführt.

Levio schnaufte. In seinen Augen bestach der Heerführer vor allem durch maßlose Arroganz. Fest entschlossen, ihm eine Lektion zu erteilen, griff er an. Solange sein Gegner abgelenkt war, war er im Vorteil.

Azrean schlug sich mit der Hand vor die Stirn. „Dass dieser Trick so oft funktioniert, ist ein Wunder."

Milan lachte. „Einfach genial."

Samael hatte seinen Gegner nicht aus den Augen gelassen. Es war reine Taktik gewesen, so zu tun, als wäre er abgelenkt.

Als er mit Levio fertig war, lag dieser in einer Lache aus Blut am Boden. Seine Stimmbänder waren verbrannt und der Kopf kahl. Im Rücken hatte er eine tiefe Schnittwunde. Samael ging neben ihm in die Hocke und sprach mit weithin vernehmbarer Stimme: „Du hast nicht das Recht, meine Entscheidungen anzuzweifeln." Dann stand er auf und ging davon. Zurück blieb eine geschockte Menge.

Azrean seufzte. „Verfolg du ihn. Ich kümmere mich um den Rest."

In einer Wolke ließ er sich zu Boden treiben. Dort nahm er wieder seine feste Gestalt an. „Bringt die Männer mit den geringeren Verletzungen ins Lazarett. Und schickt mindestens einen Versorger."

Während einige Hauptmänner dem Befehl nachkamen, traten Tjark und Fionn an seine Seite. „Das war heftig."

Az warf ihnen einen kurzen Blick zu. „Das war ein angefressener Sam. Sei froh, dass er sich zurückgehalten hat." Er deutete auf Levio. „Sorgt dafür, dass er überlebt. Mit dem ist er noch nicht fertig." Er hatte ebenfalls ein Hühnchen mit ihm zu rupfen. Aber das konnte warten.

Während Azrean die Dinge auf dem Platz regelte, säuberte Sam sein Schwert in einem öffentlichen Waschbecken. Er hatte gehofft, sich wenigstens etwas besser zu fühlen. Doch das tat er nicht. Eher im Gegenteil.

„Eine beeindruckende Show."

Seufzend steckte er das Schwert zurück in die Scheide. „Wer von euch hat gewonnen?"

„Az. Wenn du mitkommen willst, übernimmst du einen Teil der Runden."

„Geht ruhig ohne mich." Er hatte anderes im Sinn.

„Sam." Milans heitere Stimmung war verflogen. „Du solltest ihr Zeit lassen."

„Warst du nicht vor Kurzem noch der Meinung, ich soll es sein lassen?"

Milan schnaubte. „Du lässt dir nichts vorschreiben. Wir sind uns ähnlicher, als dir bewusst ist."

Anstatt zu antworten, wandte Samael sich ab. Für heute war er fertig.

Vor seiner Hütte erwartete ihn Basra. Sie hatte die ganze Zeit über Wache gehalten. Etwas weiter entfernt entdeckte er Gnesh. Nachdem er seinem Biest den Kopf gestreichelt hatte, betrat er sein Haus.

Ein klirrendes Geräusch begrüßte ihn, dicht gefolgt von einem Fluch. Isa stand an der Kommode und starrte ihre Hände an, die Augenbrauen zusammengezogen. Auf dem Boden vor ihr lag ein zerbrochenes Glas in einer Pfütze.

Samael stellte sich vor sie. Behutsam nahm er ihre Hände in seine. „Die werden wieder."

Tränen standen in ihren Augen. Ihre Unterlippe zitterte, als sie ihm ihre Sorge klagte. „Ich bekomme nichts hin."

„Komm, ich bringe dich in den Wald."

Isa schloss ihre Augen. „Ich weiß nicht, wie man so etwas heilt. Kleine Schnitte sind kein Problem, wenn wir uns regenerieren." Kraftlos hob sie ihre Handgelenke. „Aber das ist nichts, was mal eben so verheilt."

„Versuchen wir es."

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