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Wow...
Waren die Engel hier also etwa so was wie die gängigen Mitfahrgelegenheiten?, staunte Emily nicht schlecht und blickte dann erneut atemlos keuchend auf die unglaubliche Stadt der Engel hinab.
Ja, der Himmel zwischen den ultrahohen Gebäuden war erfüllt mit geflügelten Wesen, großen und kleinen, was sie aber wegen des so farbenprächtigen Sonnenuntergangs eben gerade noch nicht sofort bemerkt hatte. Doch als sie nun genauer hinblickte sah sie wohl die vielen Engel, die emsig hin und her flogen.
Doch dann veränderte sich plötzlich die Atmosphäre, da die Sonne nun den Rand der fernen Berge berührte und alle Engel hielten wie auf ein geheimes Kommando hin mitten in der Luft stehenbleibend an... und auch die Engel ringsumher sprangen nun auf die Füße und kamen heran gelaufen. Dann standen sie auch gleich wieder still, schienen aufgeregt, lächelten, sahen andächtig dem nun rasch wechselnden Farbenspiel zu. So, wie auch die Kleine Asiatin, die der Engel Erin gerade erst hierher gebracht hatte nun ganz verzückt lächelnd ihre Hände zum Gebet vor ihrer Brust faltete.
Emily verschlug es erneut die Sprache bei dieser sehr Zeremoniellen Art, in der sich nun alle verhielten und der andächtigen Stille, welche sich nun über alles und jeden legte.
Ja, sogar über das gesamte Tal.
Es herrschte eine schier unglaubliche Ruhe.
Alles hielt an, um dem lebendigen Farbenspiel zuzusehen, dass nun in breiten Schlieren und Streifen glitzernd und sich ständig verändernd über den Himmel zu wandern begann und die tief stehenden Wolken am Horizont Rot-Orange, Pink, Lila und oberhalb dieser Irren Farbenwelt nun aber rasch immer tiefer blau und schließlich lila-grauschwarz einfärbte.
Gott!
Was für ein Schauspiel.
Doch wenn es eines gab, dass der Herr in schönster Vollendung erschaffen hatte, dann waren es ganz sicher die Sonnenauf- und untergänge noch vor allem anderen.
Und nicht nur hier, sondern auch dort unten auf der Erde.
Doch dann, gleichsam es nun rasch immer dunkler wurde, da die Sonne nun fast schon versunken war, erglühten plötzlich die Engel selbst, die über der Stadt schwebten in einem strahlenden Licht und erhellten die Abenddämmerung mit ihren Engels-Auren. Zugleich gingen auch unten im Tal viele helle Lichter an. Große Kuppeln begannen erst aufzublitzen und dann bald immer strahlender zu leuchten. Da waren schließlich unzählige bunte Lampen und Glitzer-Lichter, in der nun rasch herabsinkenden Dunkelheit, welche die Stadt erglühen ließ. Und als Mikael sie sachte antippte und lächelnd hinter sich deutete erblickte Emily, zugleich nun die letzten Strahlen der Sonne am fernen westlichen Horizont verschwanden, gleich mehrere verschieden große Monde, welche gerade auf der östlichen Seite dieser Welt aufgingen.
Silbern, schimmernd, groß und klein... Es waren tatsächlich sieben!
Sieben Monde und rundherum golden funkelnde Sterne, wow!
„Oh, Herrgott, steh mir bei! ... Ist das schön.", flüsterte sie ehrfürchtig, gleich als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte und räusperte sich dann gleich mehrmals hintereinander, weil ihre Kehle gerade vor überwältigenden Gefühlen so seltsam eng geworden war.
Doch auch Mikael nickte nun andächtig lächelnd.
„Ja, das ist es. Und du hast Glück, denn heute ist zudem auch noch ein Feiertag, weil gleich alle sieben Monde auf einmal Aufgegangen sind. Das kommt hier nur ein Mal in einer Ewigkeit vor, wenn die Gezeiten wechseln oder aber ein neuer hoher Engel geboren wurde.", erklärte er ihr milde und betrachtete sie zugleich liebevoll... was Emily wieder zutiefst verlegen machte.
Rasch blickte sie wieder woanders hin, doch diesmal hielt Mikael sie auf und umfasste sanft ihr Gesicht mit seinen beiden Händen.
„Nein... sieh mich ruhig an! Das ist weder Frevel noch musst du dich nun schämen oder verlegen sein. Dies hier ist unser wunderbares himmlisches Reich, Emily.
Und Mÿria dort unten im Göttertal ist unsere Hauptstadt.", zog er sie langsam wieder dichter an sich heran und legte schließlich sachte einen Arm um sie herum, wohl, weil sie gerade schwankte, wie ein Schiff auf hoher See und er sie so nun so besser stützen konnte.
Oder?
Gott...
Er war so warm und groß und ... nahe!
Und wie hell nun auch er auf einmal strahlte... nein... sogar ... sie beide?!
Emily betrachtete verblüfft ihre eigenen Hände und Arme... ja, auch sie hatte nun wohl diese leuchtende Aura um sich herum, was sie bei raschem umblicken aber nicht von allen hier anwesenden Leuten sagen konnte.
Tatsächlich strahlten hier nur ganz wenige so hell wie sie... und absolut keiner hier oder über der Stadt war derart beeindruckend und so überwältigend hell-silbern leuchtend wie Mikael.
Wow...
Rasch blickte sie wieder von ihm fort, zu der nun ebenfalls strahlend funkelnden Stadt hin.
So riesig und ausgedehnt, war sicher keine einzige Stadt auf der Erde, ja nicht mal New York City war so groß ... und wunderschön.
„Man könnte meinen es ist alles nur ein Traum...", hauchte sie ehrfürchtig und Mikael nickte zustimmend.
„Ja, nicht wahr? Und es war einst auch nur ein Traum. Der Traum des Herrn.
Dies alles hier so zu errichten, es zu erschaffen ...
Myria ist groß, hell und prächtig.
Darum versammelt sich hier alles was im Himmlischen Reich einen Rang und Namen, eine intelligente Seele oder einen freien Willen hat, um vielleicht eines Tages dem Herrn als ein treuer Engel zu Dienen, oder vielleicht auch nur um etwas zu lernen, sollte man sich nicht dazu eignen. Denn du musst wissen, Emily... nicht alle Bewohner des himmlischen Reiches sind Engel. Manche stammen einfach nur von ihnen ab.
Sie sind sozusagen Halbengel, welche aus den Verbindungen zwischen Engeln und körperlich gewordenen Seelen Toter Menschen entstanden sind, die von den hiesigen Bewohnern aus gleich welchem Grund Eingeladen wurden hier mit uns zu leben.
Jedoch... sie werden nicht alle zu Dienern des Herrn berufen. Nur wenige erhalten jemals ihre Flügel. Denn nur die reinsten aller Seelen dürfen so dienen.
Doch vielen hier geht es inzwischen auch nicht mehr nur darum ein Engel zu werden, sondern darum Wissen und Weisheit zu erlangen.
Die Bibliotheken von Myria sind weithin bekannt und enthalten alles gesammelte Wissen über die sieben Himmel und zwölf Welten."
„Sieben Himmel und zwölf Welten?", echote Emily erstaunt.
Mikael lächelte nur wieder über ihren Gesichtsausdruck. „Hab keine Sorge, Emily... Du gewöhnst dich sicher schon bald an deine neue Realität.
Das du gerade so verwirrt bist liegt auch nur daran, weil du bisher erst ein einziges Leben in einer einzigen Welt gelebt hast. Deine Seele ist noch sehr jung und du hast bisher noch sehr wenig gesehen. Doch der Herr hat dennoch etwas in dir erkannt, deshalb gestattete er es dir hierher zu kommen, in seinen ersten Himmel, auf dass du dich beweisen kannst, lernen kannst, und hier leben... wenn du es später auch noch so willst."
Emily blinzelte heftig und glaubte sich verhört zu haben. Sie sollte tatsächlich hier leben dürfen? In der Hauptstadt der Engel?
„Was? ", wollte Mikael sofort wissen, als sie nur langsam den Kopf zu schütteln begann und verwirrt zu Boden blickte.
„Gefällt dir Myria nicht? Möchtest du also lieber nicht hier sein?", fragte er sie verwundert.
„Das ... ist es nicht.", flüsterte sie verzagt und hob erneut ihre leuchtende Hand vor Augen um ihre silbrig schimmernden Finger zu betrachten. „Es ist für mich gerade nur alles so ... so unvorstellbar, dass der Herr Gott wirklich denkt dass ich das alles verdiene...?!
Ich meine...
Womit denn bitte?
Ich habe in meinem Leben zwar nie etwas Böses getan, aber so viele gute Dinge waren auch nicht dabei. Ich habe niemandem das Leben gerettet... Außer vielleicht mal eine Spinne oder Fliege, die ich im Haus fand und die meine Eltern totschlagen wollten. Ich hab sie eingefangen und raus gesetzt. Aber rechtfertigt sowas alles das hier? Und was ist mit der Sache mit dir?
Ich weiß, dass du ein Engel bist. Vermutlich siehst du die Dinge also ganz anders als ich, weil du gütig und warmherzig bist und schnell verzeihen kannst.
Aber ... ich habe dir heute sicherlich sehr geschadet. Wenn ich nicht so blöd gewesen wäre, aufzustehen, dann hättest du mich nicht aus Versehen mit dem Schwert getroffen und nichts von alldem hier wäre passiert...", flüsterte sie unsicher, atmete sorgenvoll aus und wieder ganz tief ein.
Mikael ergriff nur erneut ihre Hand und seufzte ganz leise auf.
„Oh du gute Seele ... hältst mich für gütig und warmherzig, das ist für mich gerade kaum zu begreifen.", lachte er kurz auf und bemerkte dann erst Emilys Blick.
Sie sah ihn fragend an.
Er musste unwillkürlich noch einmal auflachen. „Ja, du! Glaube es mir nur!
Warmherzigkeit und Güte... diese Attribute werden mir hier bei uns ganz sicher nicht zugeschrieben. Ich bin eher ein Krieger und Vollstrecker des Herrn, denn ein barmherziger Engel. Er sendet mich und seine Heerscharen in den Kampf gegen das Böse und Dunkle aus. Schon seit unzähligen Äonen ist es so.
Doch gerade eröffnet er mir, ebenso wie auch dir, vollkommen neue Perspektiven. Ich hatte noch nie den Auftrag eine Menschenseele in seinem Namen direkt anzuleiten oder zu beschützen.
Es ist für mich ungewohnt und vielleicht werde ich auch Fehler machen.
Du musst es mir sofort sagen, wenn es dir hier irgendwie schlecht ergeht, Emily... Ja? Versprichst Du mir das?"
Emily sah ihn lediglich erneut zweifelnd an.
„Warum willst du dich denn noch weiter um mich kümmern?", flüsterte sie unbehaglich, bevor es ihr aufging... „Oh... du musst es als Buße tun, nicht wahr?
Oh... oh... nein, verzeih mir... Das ist einfach nicht fair, Mikael!
Da hänge ich dir jetzt also auf ewig wie ein Riesenklotz am Bein und behindere dich in deiner Arbeit? ", sorgte sie sich prompt.
Schon hatte er sie an sich gezogen und bettete ihren Kopf an seiner Brust, strich ihr hauchleicht über den Scheitel und den Rücken und atmete leise aus.
„Ich sage das jetzt nur ein einziges Mal Emiliy, und ich will, dass du mir glaubst, weil es tatsächlich die Wahrheit ist: Du wirst, kannst und bist niemals eine Behinderung oder Belastung für mich!
Du warst es auch heute nicht. Meine Pflicht war dein Schutz, doch nur um dich sicher hierher zu geleiten, wie man mir nach deinem Tod mitteilte. Du hast also keinen Grund dich schlecht zu fühlen, es war unser beider Bestimmung uns auf diese Weise zu begegnen und ebenso ist es nun meine weitere Bestimmung dir zu helfen dein weiteres Schicksal anzunehmen.
Deshalb scheue dich niemals an meiner Seite zu stehen und tu es mit erhobenem Haupt. Bin ich einmal nicht da und du brauchst trotzdem Hilfe sage meinen Namen: Mikael!
Und wenn du mich rufst werde ich kommen.", versprach er ihr sanft.
Dann schob er sie wieder ein klein wenig von sich, sah sie superernsthaft an und hob seine warme große Hand erneut auf ihre kühle Wange.
Oh... das fühlte sich so warm an und die Berührung war so leicht, während sein ernsthafter Blick nun so eindringlich den ihren bannte.
Und wieder versank sie in seinen Himmelblauen Augen. ... Er hatte so unglaubliche Gucker!
Das - Wirklich wahr.
Ihre Haut begann seltsam zu Kribbeln ein Schauer rann ihr den Rücken hinab und ihr Herz raste galoppierend los.
Er senkte auch schon ein klein wenig den Kopf zu ihr herab und berührte gerade mit dem Daumen ihre plötzlich bebende Unterlippe...
- Nein, oder?
Konnte das sein?
Wollte dieser unglaublich tolle Engel sie etwa... küssen...???
Ein gewaltiger Hornstoß erklang plötzlich direkt über ihnen und ließ Emily erschrocken zusammenfahren, Mikael leise seufzen und sämtliche Personen in der Nähe, Engel wie auch Halbengel - oder was auch immer sie waren, vielleicht auch tote Seelen, wie sie selbst - erstarrten erneut mitten in ihren Bewegungen, um zuerst gespannt zum Himmel hinauf blicken, bevor sie sich dann schließlich alle wie ein Mann wieder um- und nun tatsächlich ihnen beiden zuwandten.
- Hu?!
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