5*
Emily fühlte sich ganz seltsam, wie sie so zusammen mit dem Engel durch das Licht schritt.
Es kam ihr fast so vor, als würde sie schweben, zugleich fühlte sie sich aber auch traurig und war etwas unsicher.
Oma würde furchtbar weinen, wenn sie bald schon von ihrem Tod erfuhr. Doch sie konnte nun ja nicht mehr zu ihr zurück. Selbst wenn sie es noch so gerne wollte, einfach nur noch mal Lebewohl sagen und sich von ihr verabschieden...
Aber der wunderbare Engel hielt ihre Hand immer noch beruhigend fest in seiner und führte sie immer weiter durch dass hellstrahlende Leuchten, welches sich zunächst ganz merkwürdig anfühlte. Es ließ ihren gesamten Körper prickeln und kribbeln ...
Und als sie dann zufällig an sich hinunterblickte bemerkte sie verblüfft, dass sie nun auf einmal nicht mehr ihre Jeans und Shirt und Sneakers trug, sondern statt dessen ein wunderschönes weißes Spitzenkleid, wie auch feine flache weiße Schuhe.
Oh... und jemand hatte ihr das Haar gekämmt, oder? Es war nun ganz glatt und weich...
Emily war schrecklich verwirrt von alldem, aber auch schon wieder etwas nervös.
Ob das hier nun wirklich der Weg in die Welt der Toten war? Ihr Herz klopfte so laut, dass sie dachte ein jeder müsste es hören, sogar Gott selbst.
Doch... Bei allen Engeln und der heiligen Jungfrau... - war dieser Weg ins Jenseits doch spektakulär!
Da, wo sie gingen, bildeten sich blausilbern schimmernde Lichterwirbel am Boden, welche sie gleich darauf umtosten. Jedoch nicht wild und kalt oder ängstigend, sondern vielmehr warm und seltsam einladend. Ja, sie dachte bei sich, dass am Ende dieses hellstrahlenden Wirbelweges nur etwas Gutes liegen konnte. Denn ein Engel führte sie ja an seiner Hand.
Sie konnte seine gewaltig großen Flügel sogar berühren, denn die weichen riesigen Federn streiften immer wieder ihren Arm, derweil er sie weiter und weiter führte.
Oh, was war das doch ein Wunder. Wenn man dagegen die vielen Berichte von Nahtoten bedachte, welche alle von einem schwarzen Tunnel sprachen, mit einem Licht erst ganz am Ende...!? So hatten sie doch eigentlich letztendlich rein gar nichts von dem echten Weg ins Jenseits gesehen, oder? Nichts von alldem hier...
Da verglühte das Leuchten um sie herum schlagartig und sie standen schon mit dem nächsten Schritt, aus diesem Wirbel herausgetreten, plötzlich mitten auf einer großen, breiten Straße.
Uh?
Ja... es war sogar eine breite und weiß glitzernde Straße, so wie geteert, ... in einer ganz und gar außergewöhnlichen, wenn nicht gar Futuristischen Umgebung.
„Willkommen im Himmlischen Reich, Emily!", drehte Mikael sich zu ihr um und lächelte sie milde an.
Doch das bekam sie nun fast gar nicht mehr mit, denn es gab hier so unglaublich viel zu sehen... und zu staunen!
Woah... allein diese himmelhohe Pflanze, direkt neben ihr, die sicher an die hundert Meter hoch war... oder noch höher?! ... Gleich einem uralten Mamutbaum - war sehr beeindruckend. Nur kannte sie diese Gattung nicht.
Ihr blieb vor Staunen glatt der Mund offen stehen, als sie den Kopf in den Nacken legte. Denn weit oben breitete sich ein gigantischer Blütenkelch gleich einem natürlichen Schirm über ihnen aus.
Wow...
Und rechts gab es ebenfalls solche oder ähnlich hoch wachsende Gräser und wild wachsende netzartige Schlingpflanzen, die sie so alle gar nicht kannte.
Es duftete zudem auch intensiv und ganz herrlich nach exotischen Blumen... Oder war das alles hier am Ende nur ein einziger gewaltiger Garten?
- Der Garten Eden, vielleicht, wurde es ihr schlagartig bewusst und sie drehte sich verwirrt um sich selbst...
- Oh Gott...
Ja!
Was für ein erhabener Anblick, da in der Ferne...
Ein gigantischer Riesiger uralter Baum erhob sich über einer gewaltigen Bergklippe, jenseits des Tales.
Und sogar von hier aus konnte sie sehen, dass er auch rote Früchte trug... Äpfel?
War dies also der Baum der Erkenntnis?
Konnte das sein?
Ach du Alarm...?!
Dann war sie hier ja nun wirklich mitten im Paradis gelandet?!
Oh grundgütiger Gott...
Womit hatte sie sich das denn nur verdient?
- Wie?
Erneut drehte sie sich und erkannte links von ihr verschlungene Pfade zwischen dem dicht mit Moos bewachsenen Waldboden, auf denen so viele weiß gekleidete Menschen oder vielleicht doch eher Engel gingen, saßen, herumlagen oder tollten, lachten, spielten...
Ja sie hörte fröhliches Mädchenlachen... und sah viele kleine Kinder, kichernd aus dem Mannshohen Gras, das zwischen den gewaltigen Mammut-Pflanzen wuchs, hervorspringen und gleich wieder aufqietschend darinnen verschwinden.
Sie spielten verstecken... alle in weißen, feinen Kleidern und hochschaftigen Stiefelchen rennend ... und sie hatten zudem auch noch sämtliche Hautfarben, Nationalitäten, indigenes Aussehen, Europhäisch, Asiatisch, Afrikanisch, Lateinamerikanisch... Es war komplett egal. Denn sie lebten und lachten hier scheinbar alle miteinander.
„Es erscheint dir vielleicht im ersten Moment alles etwas überwältigend. - Ich weiß.
Das Himmlische Reich ist vollkommen anders als die Erde. Lass dir also ruhig Zeit und sieh dich erst mal ein bisschen um!", brachte sich der Engel neben ihr wieder in Erinnerung und zog dabei ganz sachte an ihrer Hand, die er immer noch umfasst hielt.
Hu?
Emily fuhr überrascht zusammen und blickte auf... nur um gleich wieder überrascht zu werden.
Denn, wo waren denn auf einmal seine Engels-Flügel hin?
Hatte er hier im Himmel nun vielleicht gar keine solchen mehr?!
Wie sehr es ihn veränderte...
Auch das war schon wieder so ein Wow-Erlebnis.
Denn jetzt sah der unglaublich tolle Engel Mikael fast genau so aus wie ein ganz normaler Mensch.
Oh... hm... Naja gut, okay... nicht ganz so normal. Vielmehr ein außergewöhnlich attraktiver normaler Mensch, der unten auf der Welt der Menschen als Model sicher super-schnell Millionen gescheffelt hätte.
Und jede einzelne Frau dort hätte ihn auf jeden Fall immerzu und gerne ansehen wollen. Oder eventuell nur ein Bild von ihm betrachtet...?!
Er war ja so ein schöner Mann...
Nein Engel!!!
Emily erwischte sich schließlich nach mehreren Sekunden selbst dabei, wie sie ihn einfach nur noch groß anstarrte.
Oh... wie peinlich. Er lächelte sogar schon belustigt und hob fragend eine Braue.
Sofort blinzelte sie verwirrt und blickte dann rasch wie auch zutiefst errötend fort.
„E... entschuldige... Ich hab nur... gestaunt. So... ohne Flügel siehst du fast aus wie ein Mensch.", flüsterte die verlegen und atmete möglichst unauffällig aber tief durch.
Gott, sie musste voll wie der letzte Freak auf ihn wirken, oder? Hoffentlich würde er sich nun nicht auch noch lustig über sie machen.
Sie hatte ihn schließlich gerade fast schon angeschmachtet... oh nein.
Wo bitte war denn hier das nächste Loch, indem sie rasch versinken konnte?
Nein, also wirklich...
Das war sicher so ziemlich das Letzte, was ein Engel wie Mikael gebrauchen konnte, dem sie heute doch bereits schwer mit ihrem Verhalten geschadet hatte.
Ein Wunder, dass er sie überhaupt noch an der Hand hielt und sie so lieb anlächelte.
Oh ja...
Doch da zeigt sich mal wieder Gottes Weisheit, dieses himmlische Wesen einen Engel zu nennen. Jeder Mensch hätte sie für ihre Dummheit sicher ordentlich geschimpft und wäre Erbost gewesen über so viel bewiesene Unvernunft. Und Recht hätten sie gehabt.
Also konzentrierte Emily sich lieber wieder auf das Paradies, die Blumen, die Straße und den Wegesrand, während sie unauffällig ihre Hand aus seiner zu lösen versuchte, doch er hielt sie nur immer weiter fest und folgte ihr.
Da waren zwischen den Bäumen so seltsame und beeindruckend künstlerisch geformte weiße Steine aufgestellt ... oder aber sogar behauen worden ... auf denen die Engel (oder vielleicht auch nur andere tote Menschen?!) saßen und sich friedlich unterhielten.
Niemand störte sich an ihrem plötzlichen Auftauchen, so als sei das hier vollkommen normal. Und vielleicht war es das ja auch.
Eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit lag in der Luft, alles war so unvorstellbar harmonisch und gut ... wie in einem schönen Traum.
Ja...
Fast wie ein Sommernachtstraum –Familienausflug ins Grüne, nur dass hier alle Personen weiß trugen, alle Wege und Pfade und Straßen weiß glitzerten, alle Sitzgelegenheiten und Felsen weiß waren...
Ja... und als sie ein Paar Schritte auf der Straße weiter gegangen war, denn der Engel hielt sie nicht etwa auf oder verbot es ihr umher zu wandern, eröffnete sich gleich hinter der himmelhohen Pflanze mit den enorm großen, ausladenden Blättern, die ihr bislang die Sicht versperrt hatten, ein unglaublicher Ausblick auf eine gigantische Stadt mit unzähligen kleinen und großen Gebäuden, die aber mal so gar nicht wie Häuser aussahen. Dann doch eher noch wie natürliche Kunstwerke, Eichhörnchen-Kobel oder Bienenstöcke, die an gewaltigen Treppenbögen hingen.
Eine unglaublich große und ebenfalls bereits sinkende Sonne beschien das Idyll, der bis zum Horizont ausdehnenden Stadt mit ihren ebenfalls schneeweißen Hochhaushohen pflanzenförmigen Gebäuden, welche aber diesmal kristallen-funkelnde, prächtige Kupeldächer, Blütenförmige Terrassen und ausgedehnte Landeplattformen besaßen auf denen gerade unglaublich viele Engel eintrafen, wie auch wieder abflogen...
Was ein Wunder... denn alle Blumen-Gebäude, welche dort so weiß wie Alabaster und glitzernd wie Kristall an den noch breiteren Straßen und Gassen regelrecht erblühten, wie echte Blumen, lagen gleichsam inmitten von ebenfalls enorm großen Parkanlagen, mit exotisch anmutenden Blumenrabatten, Bäumen und Grünflächen, die aber von hier oben aus betrachtet keineswegs irgendwie gestutzt oder gemäht aussahen.
Ganz im Gegenteil lebte diese Stadt mit und unter dem Sinnbild der frei wachsenden Natur.
Und auch Autos oder Fahrzeuge schien es hier nicht zu geben, welche die Luft verpesten konnten...
Da landete ganz in der Nähe ein Engel, der ein asiatisch aussehendes Mädchen mit sich getragen hatte und nun lächelnd aus seinen Armen entließ.
„Dankeschön, Erin!", verneigte sich das Mädchen leicht knicksend und schüchtern lächelnd vor ihm.
„Bitteschön, Aethel! Rufe mich, wenn du mich wieder brauchst.", sagte der Engel noch warmherzig lächelnd zu dem Mädchen und flog dann nach einem kurzen überraschen Blick auf ihren Engel und auch sie gleich wieder ab und in den Himmel hinauf.
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