Kapitel III / Fragen und Antworten...
Mittwoch. Wenn ich schon nur an daran dachte, wurde mir schlecht. Heute würde Alec zu mir kommen und am Projekt arbeiten. Gott, dass konnte nur in einer Katastrophe enden. Bevor Alec zu mir kam, traf ich mich mit Skye in unserem Lieblingscafé. Sie hatte von Adrian erfahren, dass ich mit Alec in einer Gruppe bin und wollte natürlich alles wissen.
„Also, bist du aufgeregt? Nervös? Wenn ich du wäre, wäre ich es auf jeden Fall." Sie plapperte ohne Pause. Ich hatte sie zwar lieb, aber was zu viel war, war zu viel.
„Skye! Ruhe, bitte. Willst du etwa das mir der Kragen platzt?"
„Tschuldigung", nuschelte sie leise.
„Aber jetzt im Ernst. Sieht er in der Nähe genauso heiß aus, wie aus der Ferne?"
„Keine Ahnung. Hab nicht darauf geachtet", grummelte ich.
„Lügnerin! Oh Gott, ich wünschte ich wäre in deiner Stelle", seufzte sie verträumt. Ich schüttelte augenrollend den Kopf.
„Nein, das glaube ich nicht. Du würdest nicht mit einem kindischen Idioten arbeiten wollen."
„Ein heißer Idiot", warf sie ein. Meine Augenbrauen flogen in die Höhe.
„Reden wir über etwas anderes? Also... Wie läuft es mit Andy?"
„Was soll denn da laufen?" Sie sah mich unschuldig an.
„Skye, ich bin nicht blind, weißt du? Ich sehe doch, wie ihr euch anseht."
„Was? Nein! Ich sehe ihn nur als guter Freund."
„Ja, schon klar", sagte ich sarkastisch.
„Äh, ja, also, musst du nicht schon gehen? Sonst kommst du noch zu spät zu deinem Date", murmelte sie errötend.
„Ja, stimmt. Warte, was? Das ist kein Date Skye. Ich würde jetzt lieber allein zu Hause sein und ein Buch lesen." Enttäuscht stand ich auf und umarmte Skye.
„Sei doch froh. Jetzt kommst du mal aus deiner täglichen Routine raus. Und du musst mir dann sowieso alle Einzelheiten schildern." Mit einem Kopfschütteln drehte ich mich um und ging langsam nach draußen. Es war ein wunderschöner Tag. Viel zu schön, um ihn im Auto zu verbringen, also ging ich zu Fuß. Die Nachmittagssonne schien mir ins Gesicht und der Wind, wehte meine offene Haare umher. Ich blieb stehen und blinzelte in den Himmel. Das Licht war so hell, dass ich die Augen schließen musste, aber das störte mich nicht. Die warmen Strahlen kitzelten mich auf der Nase. Nichts konnte diesen schönen Moment verde...
Ich hörte ein lautes Hupen. Vor Schreck riss ich die Augen auf und machte einen kleinen Sprung auf die Seite.
„Hallo Dornröschen. Schön geträumt?" Alec Jackson in seinem blauen Porsche 718. Ich sah ihn verdattert an. Er hatte seine Haare zurückgekämmt. Jetzt sah man besser in sein Gesicht. Es sah ganz anders aus, als es unter den braunen Haaren gewirkt hatte.
Seine grün-blauen Augen funkelten mich neugierig an. An der Sonne sahen seine Augen viel intensiver aus. Mehr als ich sie in Erinnerung gehabt hatte. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, sie algig zu finden? Als der Schreck sich endlich gelegt hatte, starrte ich ihn wütend an.
„Hallo Alec. Wohin des Weges?"
„Ich war gerade auf dem Weg zu dir." Ich schaute auf meine Uhr.
„Da bist du aber früh dran. Wir haben erst in einer halben Stunde abgemacht."
„Na ja, ich hatte nichts zu tun, also dachte ich, ich komme früher vorbei."
„Und ich dachte, ich könnte diesen schönen Tag genießen. Aber dann tauchst du auf und vermasselst mir meinen Spaziergang."
„Ach komm, ich nehme dich mit. Je früher wir beginnen, desto früher sind wir fertig, oder?", meinte er entspannt. Mit Alec im Porsche? Also nur der Porsche wär' super cool, aber mit Alec? Naja, ist doch egal. Mit einem Seufzen ging ich auf die andere Seite des Wagens und stieg ein. Aus den Augenwinkeln sah ich wie Alec mich beobachtete. Ich pustete mir die Haare vom Gesicht und fragte genervt: „Darf ich erfahren, wieso du mich so anschaust? So als hätte ich was im Gesicht? Hab ich denn was im Gesicht?" Er grinste und fragte gelassen: „Bist du immer so unausstehlich oder machst du für mich eine Ausnahme?"
„Ich passe mich Typen wie dir an...", erwiderte ich spitz.
„Darf ich wissen, was ich dir getan habe?"
„Weißt du was? Lass es einfach." Der Rest des Weges verlief in eisiger Stille.
*
Als wir in die Einfahrt fuhren, kam meine Mutter, gestresst aus dem Haus. Sie trug einen schwarzen Blazer und war ausgesprochen gut gekleidet.
„Komisch. Wo geht sie denn hin? Sie macht sich nie so zurecht..." Ich hatte wohl laut gedacht, denn Alec, der neben mir saß, sah zu mir rüber.
„Hast du was gesagt?"
„Was? Ach, nein, nichts", murmelte ich. Er sah mich misstrauisch an, erwiderte aber nichts. Ich stieg schnell aus dem Auto und ging auf meine Mutter zu. Sie schaute mich überrascht an.
„Hallo Schatz. Was machst du denn hier?"
„Ich wohne hier. Und ich muss heute mit Alec an dem Projekt von Biologie arbeiten."
„Ich dachte ihr hättet erst in zwanzig Minuten abgemacht..."
„Ja, das dachte ich auch." Ich seufzte. Alec war aus dem Auto gestiegen und kam auf uns zu. Meine Mutter, die bisher nicht auf ihn geachtet hatte, sah mir über die Schulter und riss vor Überraschung die Augen auf. Sie runzelte die Stirn und sah mich skeptisch an.
„Guten Tag Mrs. Rose. Es ist mir eine Freude, sie kennenzulernen." Er verbeugte sich galant und grinste. Ich sah ihn befremdet an. Wann war er denn so charmant geworden?
„Und Sie sind?" fragte meine Mutter noch skeptischer.
„Alec Jones, zu Ihren Diensten. Wenigstens weiß ich jetzt, von wem Ambers gutes Aussehen kommt..." Darauf waren meine Mutter und ich nicht gefasst gewesen. Sie errötete leicht, doch ich rollte nur mit den Augen.
„Alec, bist du hier, um mit meiner Mutter zu flirten oder um mit mir am Projekt zu arbeiten?"
„War mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Ma'm."
„Ganz meinerseits und nenn mich Abigail. Bitte. Sonst komm ich mir älter vor, als ich es, sowieso schon bin", meinte sie sichtlich glücklich.
„Geh schon mal vor, ich muss kurz mit meiner Mutter sprechen", grummelte ich. Mit einem Nicken verabschiedete er sich von meiner Mutter und ging langsam zur Haustür.
„Also, ich muss schon sagen, er ist ein charmanter junger Mann."
„Ja, hab's verstanden. Aber wohin gehst du?"
„Hab ich es dir denn nicht erzählt? Ich habe heute eine Sitzung mit dem Vorstand der Firma. Wenn Sie mit mir zufrieden sind, bekomme ich vielleicht eine Gehaltserhöhung!", erzählte sie aufgeregt.
„Das ist ja super! Ich bin stolz auf dich, Mom." Ich drückte ihr ein Kuss auf die Wange und umarmte sie. Sie erwiderte meine Umarmung und flüsterte mir leise ins Ohr: „Pass mit dem Jungen auf. Ich kenne solche Typen. Die brechen einem nur das Herz."
„Mom! Ich werde mich schon nicht, in so einen wie ihn verlieben."
„Ja, das dachte ich auch, Schatz. Das dachte ich auch", seufzte sie.
„Äh ja, ich muss jetzt los, sonst werd' ich ja nie fertig."
„Ja, geh nur. Viel Spaß." Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange und ging zu ihrem Auto. Als ich mich in Richtung Haustür drehte, sah ich das Alec uns die ganze Zeit beobachtet hatte. Mit hochgerecktem Kinn ging ich die Treppen zur Haustür hinauf und nahm meine Schlüssel aus der Tasche.
„Musstest du mit meiner Mutter flirten?", knurrte ich mürrisch.
„Ach, so nennt man also nett sein heute?", erwiderte er mit gespielter Überraschung.
Frustriert schüttelte ich den Kopf und öffnete die Haustür.
„Komm rein. Bevor ich es mir anders überlege und dich draußen schmoren lasse."
Grinsend schob er sich an mir vorbei und trat selbstbewusst in das Haus. Es sah fast so aus, als würde er sich hier auskennen. Pff was denke ich da? Ich werde langsam echt paranoid, dachte ich kopfschüttelnd. Er zog seine Lederjacke aus und warf sie über den nächsten Stuhl. Es schien ihn nicht zu stören, dass ich ihn anstarrte, als hätte er gerade mein imaginäres Haustier umgebracht. Er lief entspannt den Gang hinunter und setzte sich einfach so aufs Sofa. Der Kavalier, den er draußen noch gespielt hatte, war vollkommen verschwunden. Ich wurde Sekunde zu Sekunde sicherer das er ein Idiot war. Kopfschüttelnd folgte ich ihm.
„Warte hier, ich stell nur schnell meine Sachen in mein Zimmer. Falls du etwas trinken willst, in der Küche hat es alles was du brauchst." Aber ich ignorierte es und ging in mein Zimmer. Meine Mutter war so nett gewesen und hatte mir ein paar Fotoalben auf meinen Schreibtisch gelegt. Für meine Verhältnisse waren sie ein bisschen zu schwer, aber das machte mir nichts aus. Als ich die Treppe hinunterging, sah ich, dass Alec sich gerade ein Orangensaft aus dem Kühlschrank holte.
„Willst du auch einen?"
„Davon abgesehen, dass ich dich das eigentlich fragen sollte...Gerne." Er nahm ein anderes Glas aus dem Küchenschrank und schenkte mir ein.
„Danke", grummelte ich schicksalsergeben.
Ich stellte alle Fotoalben auf den Küchentisch und setzte mich aufs Sofa. Genüsslich trank ein Schluck des fruchtigen Safts. Zufrieden schloss ich die Augen und seufzte leise. Alec beobachtete mich mit einem schiefen Grinsen.
„Ist was?"
„Ich habe eine Idee und du musst sie dir zuerst anhören bevor du nein sagst, okay?"
„Na gut. Aber wenn du schon weißt, dass ich Nein sagen werde, wieso fragst du dann überhaupt?" Ich nahm einen weiteren Schluck von meinem Orangensaft.
„Also, wir kennen uns ja nicht so gut, du und ich, und weil du sowieso meine "Familie" kennenlernen wirst und ich deine, habe ich mir gedacht, dass du mir drei Fragen über mich und ich dir drei Fragen über dich stellen könnte. Und sie werden ehrlich beantwortet." Ich überlegte kurz und fand, dass diese Idee eigentlich, gar nicht mal so schlecht war.
„Na gut, aber ich fange an."
„Was willst du wissen?"
„Zuerst was Einfaches. Hast du Geschwister?" Er seufzte leise und für einen Moment war ich mir sicher, dass er ja sagen würde.
„Nein, ich bin Einzelkind. Jetzt du." Ich bereitete mich mental auf jede einzelne Frage vor, die er vielleicht stellen könnte.
„Warst du schon immer so niedlich?" Unwillkürlich wurde ich rot. Das hatte ich nicht erwartet. Um meine Verlegenheit zu überspielen antwortete ich schnippisch: „Kannst ja die Fotos anschauen. Ähhh" Er hatte mich aus dem Konzept gebracht.
"Also. Nächste Frage. Wie sind deine Eltern so?"
"Komplizierte Frage." Ich runzelte verwirrt die Stirn. Komplizierte Frage?
„Wie meinst du das?"
„Sie sind vor 10 Jahren bei einem Autounfall gestorben. Und da ich keine lebende Angehörige hatte, kam ich in ein Waisenhaus." Ich sah erschrocken auf.
„Das tut mir so leid..." Ich schluckte. "Ich wollte kein Salz in alte Wunden streuen..." Er zuckte mit den Schultern.
„Konntest du ja nicht wissen..." Dann grinste er frech.
„Dafür, dass du mich wieder erinnert hast und ich jetzt schwer verletzt bin, krieg ich einen Kuss!" Ich zuckte erschrocken zurück.
„Ganz sicher nicht."
„Muss ja nichts ernstes werden..." Grinsend starrte er meinen Mund an. Ich sah ihn wütend an.
„Nein", sagte ich entschlossen. Er verschränkte die Arme vor seiner muskulösen Brust. Aus dem Konzept gebracht, brauchte ich einige Sekunden, um den Blick abwenden zu können.
„Dann wenigstens eine Extrafrage." Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und sah mich auffordernd an.
„Na gut." Ich wusste nicht so recht, wieso ich plötzlich nachgab, aber es könnte schon irgendwie etwas mit seinen wunderbaren braunen Haaren zu tun haben. Sie fielen ihm wieder ins Gesicht und ließen ihn ein bisschen wie einen Teddybären aussehen. Und wer konnte einem Teddybären etwas abschlagen? Er lehnte sich grinsend zurück.
„Hast du einen Freund?" Ich strafte ihn mit einem bösen Blick. Die plötzliche Sympathie für ihn war schon wieder verflogen.
„Nein und ich habe in Zukunft auch nicht vor, einen zu haben. Wer sollte sich auch gern mit mir abgeben?" Er zog eine Augenbraue hoch.
„Ach echt? Kein Freund?" Er grinste ein bisschen schief.
„Ja. Echt." Misstrauisch sah er mich an und fing an mich von oben nach unten zu betrachten.
"Sicher, dass du das nicht sagst, damit ich mir Hoffnungen mache?", sagte er grinsend.
„Ich kenne da nämlich ein paar, die dich nämlich sehr gerne als Freundin betrachten würden." Er zwinkerte mir zu und nippte an seinem Orangensaft. Entspannt lehnte sich zurück.
„Und wer, bitte schön?" Ich starrte ihn an und war sicher, dass ich gerade aussah, wie eine Hexe.
„Na, na, na. Das kann ich nicht sagen. Sonst würde ich den Ehrenkodex brechen", grinste er.
„Ach? Seit wann verstehst du, denn was von Ehre?", schnaubte ich.
„Seit ich alt genug bin, um zu wissen, dass es manche Sachen gibt, die man lieber für sich behält." Er beobachtete mich.
„Und was für Sachen?" Er fing wieder an zu grinsen und sagte schließlich: „Deine Fragen sind aufgebraucht Dornröschen. Eigentlich hätte ich dir die letzte Frage nicht beantworten müssen. Hab es aber trotzdem getan. Also sei nett." Geschockt von seiner Aussage, nahm ich einen weiteren Schluck meines Orangensaftes und sah in bitter an.
„Da ich aber ein Gentleman bin, werde ich im Moment auf diese Extrafrage verzichten und dann irgendwann benutzen. Okay?"
„Oh. Vielen herzlichen Dank für Ihre Großzügigkeit Mylord", sagte ich sarkastisch. Er verbeugte sich leicht und erwiderte grinsend: „Immer gern, Mylady."
„Komm, wir haben schon viel zu viel Zeit verloren. Wenn wir jetzt nicht anfangen, werden wir ja nie fertig."
„Würde mich nicht wirklich stören...", murmelte er. Ich warf ihm einen giftigen Blick zu und er hob kapitulierend die Hände.
„Ist ja gut. Hast ja recht..."
Wir gingen wieder in die Küche und holten die Fotoalben. Alec war natürlich so galant und nahm mir die Bücher ab. Als wir wieder beim Sofa ankamen fing er sofort an, in den Fotoalben herumzustöbern.
„Na? Was haben wir denn da?" Amüsiert hob er ein Foto hoch. Auf diesem Bild war ich 13 Jahre alt gewesen, hatte eine Zahnspange und zwei große Zöpfe, die an beiden Seiten meines Kopfes hingen. Ich wollte nach dem Foto greifen, doch Alec war schneller. Geschickt wich er meiner Hand aus und brachte das Foto in Sicherheit.
„Gib mir das sofort zurück!"
„Oh nein. Auf gar keinen Fall!" Er fing an zu lachen und warf sich rücklings aufs Sofa. Ohne groß nachzudenken sprang ich hinterher. Auf einmal verhedderten sich unsere Beine und ich landete auf seine harte Brust. Unsere Lippen waren nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt und auf einmal vergaß ich zu atmen. Ich starrte auf seinen Mund, der zum ersten Mal nicht zu einem Grinsen verzogen war. Er schaute mich ernst an und wandte den Blick nicht ab. Als ich in seine Augen blickte, verlor ich mich in der Intensität seiner Farbe und vergaß vollkommen wo ich gerade war. Mehrere Augenblicke vergingen, in denen sich keiner von uns rührte. Auf einmal wurde mir bewusst wo ich gerade lag und räusperte mich. Verlegen machte ich mich so schnell wie möglich von ihm los und setzte mich auf der anderen Seite des Sofas.
„Weißt du? Dieses Foto ist irgendwie niedlich" sagte er, um die Spannung ein bisschen zu lockern.
„Hör auf zu lügen", sagte ich verlegen.
„Diese Zeit meines Lebens würde ich lieber ungeschehen machen, doch das geht leider nicht. Egal. Suchen wir lieber Fotos von meinen Verwandten."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top