Kapitel I / Wie alles begann...
Um mich herum war nur Dunkelheit. Sie war klebrig und stickig, rückte immer näher zu mir. Umschloss mich, wie ein Mantel aus Düsternis und Bosheit. Ich saß da, gefesselt und verletzt, darauf gefasst, nie wieder das Tageslicht zu sehen. Die Kälte kroch langsam durch meine Kleider, ließ mich frösteln. Meine Wunden pochten, schmerzten bei jedem Herzschlag so fest, dass ich am liebsten geschrien hätte. Manchmal waren die Schmerzen so stark, dass ich ohnmächtig wurde. In diesen Momenten nahm ich die Dunkelheit dankbar an. Die schlimmsten Schmerzen bereiteten mir aber die Fesseln. Sie schnitten mir in die Haut, schnürten mir das Blut ab. Ich hatte schon vor langer Zeit aufgegeben, sie durchzuscheuern oder abzunehmen. Sie hatten sich nur jedes Mal, fester um meine Handgelenke gedrückt, mir noch grausamer in das wunde Fleisch geschnitten.
Ich wusste nicht, wie lange ich schon dasaß. Es hätten Tage oder Wochen vergehen können, ich hätte es nicht bemerkt. Irgendwann war jedes Zeitgefühl verloren. Wie durch einen Nebel hörte ich aus der Ferne Schritte. Sie kamen näher. Ich nahm nur am Rand wahr, wie sie anhielten. Ein Schlüssel drehte sich knirschend im Schloss. Die schwere Metalltür öffnete sich quietschend. Aus den Augenwinkeln sah ich wie eine schwarze Silhouette auf mich zukam. Der Nebel in meinem Kopf machte einer unbändigen Angst Platz, wie ich sie noch nie erlebt hatte.
„Hallo, meine Kleine." sagte er mit seiner boshaften Stimme. Als er nach meinem Kiefer griff, drückte er so fest zu, dass ich vor Schmerzen aufschrie.
„Also, willst du mir jetzt endlich sagen, wo er ist?" fragte er, beinahe amüsiert über meine Sturheit.
„Nur über meine Leiche", stöhnte ich, zu müde, ihn zu beschimpfen oder ihn auch nur anzuspucken.
„Ich wünschte du hättest das nicht gesagt. Ich fing schon an dich zu mögen." Bevor ich überhaupt wusste, was gerade los war, zog er eine Pistole aus dem Halfter und schoss. Der Schuss hallte durch den viel zu kleinen Raum, ein dumpfes Echo, dass lange nicht so angsteinflößend klang, wie der richtige Schuss. Den Schmerz fühlte ich nur dumpf. Ich wusste, dass ich getroffen worden war, aber ich realisierte es nicht richtig. Ich wollte es nicht begreifen. Ich konnte es nicht. Und doch, musste es sein.
*
Keuchend wachte ich auf. Ich war nicht mehr in diesem dunklen Kerker und auch nicht gefesselt. Ich tastete meinen Schlafanzug nach Blut ab, aber da war nichts. Erleichtert ließ mich wieder zurück in die weichen Kissen fallen. Ich war verschwitzt, wie jedes Mal, wenn ich das träumte. Jede Nacht träumte ich von diesem Kerker, der Angst und dem Schmerz.
Ich drehte meinen Kopf langsam zum Wecker, war aber zu müde, um mich zu beeilen. Es war nicht gerade die beste Art sich zu erholen, wenn man davon träumte umgebracht zu werden. Als der Wecker in mein Sichtfeld geriet, fluchte ich leise.Es fehlten noch gute zehn Minuten bis es endlich klingelte. Ich konnte nicht mehr schlafen und aufstehen war auch keine Option. Also hieß es warten.
Stöhnend drehte ich mich auf die andere Seite und schloss die Augen. Das einzige was ich sah, war wie der Unbekannte die Waffe auf mich richtete und schoss. In einem Traum sollte man eigentlich keine Schmerzen empfinden können. Aber diese waren so real, dass ich schon glaubte, mir wäre das wirklich passiert. Am meisten aber, beschäftigte mich die Frage, die er gestellt hatte.
„Also, willst du mir jetzt endlich sagen, wo er ist?" Von wem sprach der Mann? Nacht für Nacht träumte ich denselben Traum, dachte jeden Morgen daran. Wenn ich wieder von den Schmerzen übermannt aufwachte, fragte ich mich ob es überhaupt normal war, solche Schmerzen zu empfinden. Bis heute wusste ich es nicht. Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte.
Würde das irgendwann einmal passieren? Ist, oder besser gesagt, war das die Erinnerung eines Anderen? Oder, ging da meine Fantasie mit mir durch. Auf einmal klingelte der Wecker und unterbrach meine Gedanken. Nie konnte ich eine von diesen Fragen beantworten. Denn sobald ich aus dem Bett stieg, hatte ich wirklich Wichtigeres zu tun, als mich mit irgendwelchen Träumen auseinanderzusetzen. Ich seufzte, schwang mich aus dem Bett und öffnete die Vorhänge. Die Sonne strahlte mir direkt ins Gesicht. Der Wecker hatte geklingelt, es war der erste Schultag.
Nach so einer Nacht hatte ich wirklich keine Motivation. Aber wann hatte ich sie schon? Ich zog mich schnell aus und schlüpfte in die Dusche. Das warme Wasser, das gegen meinen Rücken prallte, löste meine verspannten Muskeln. Am liebsten wäre ich für immer in der Dusche geblieben, aber bekanntlich ging das ja nicht.
Ich schaltete das Wasser aus und wickelte mich in ein Tuch ein. Meine nassen Haare klatschten mir gegen den Rücken, als ich zurück in mein Zimmer lief, um mir die Haare zu föhnen und um mich anzuziehen. Als ich fertig war, ging ich die Treppen runter und roch jetzt schon den göttlichen Duft von Pancakes. Und nicht irgendwelche Pancakes: Die Pancakes meiner Mutter, die besten auf Erden. Die letzten Treppenstufen sprang ich herunter und lief in die Küche, angespornt von dem Duft des Frühstücks. Meine Mutter stand am Herd und machte uns ein schmackhaftes Frühstück. Sie war Die Meisterin darin. Ein Pancake nach dem anderen flog auf den bereitgelegten Teller, auf dem sie sich immer höher türmten. Ich lehnte mich gegen Türrahmen und beobachtete sie.
Sie hatte langes blondes Haar und war eine zierliche Frau. Sie hatte auch blaue Augen und eine helle Haut. Also eigentlich das genaue Gegenteil von mir. Ich hatte bernsteinfarbene Augen und braunes Haar, die gleiche gebräunte Haut wie mein Vater. Ich hatte auch sein Stolz und seine Dickköpfigkeit geerbt. Aber was soll man damit schon anfangen?
„Hallo mein Schatz. Gut geschlafen?" Mein Vater kam gerade in die Küche und küsste mich auf die Stirn.
„Ja, nur ein bisschen müde", murmelte ich. Ich löste mich vom Rahmen und ging zu meiner Mutter, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben.
„Na, bereit für den ersten Tag?", fragte sie gut gelaunt. Ich setzte mich auf meinen Stuhl und blickte sie an. Gerade als ich antworten wollte, kam mein kleiner Bruder herein und stibitzte sich einen großen Pancake.
„Oliver Nick Rose! Leg diesen Pancake sofort wieder auf den Teller!", rief meine Mutter ihn zur Ordnung. Zuerst versuchte er es mit einem Lächeln, dann, als das nicht zog, versuchte er es mit einer altbekannten Masche. Oliver setzte seinen Hundeblick auf und sagte: „Aber Mama, es ist doch nur einer... Es gibt doch noch so viele mehr!" Jetzt würde er gleich die Unterlippe vorschieben... Ja, ich hatte recht. Er hatte es tatsächlich getan. Meinen Vater bekam er damit natürlich herum. Er lachte auf, legte seinen Arm um die Taille meiner Mutter und zog sie an sich.
„Ach Abigail, komm schon. Wir sterben vor Hunger. Du willst doch keine verhungerte Familie haben, oder etwa doch?" Meine Mutter blieb hart. Was ja zu erwarten war.
„Ihr setzt euch jetzt hin und wartet, bis es fertig ist. Und zwar alle, auch du Oliver. Ist das klar?"
„Ma'm, Yes, Ma'm", antworteten wir ihr im Chor und standen für einen kurzen Moment stramm, nur um gleich in ein schallendes Gelächter auszubrechen. Meine Mutter lächelte nur und ging wieder an den Herd, nur um uns kurz darauf allen unser Frühstück zu bringen. Kaum saß auch sie, griffen wir gierig zum Gebäck und gönnten uns die köstlichen Pancakes. Kurz bevor ich gehen musste, um meinen Aufbruch und den Schulanfang noch ein bisschen zu verzögern, stand ich auf und versorgte unsere Teller im Geschirrspüler.
„Amber, mein Schatz, lass das, sonst kommst du noch zu spät zur Schule." Ich verdrehte die Augen. Mom war immer so streng. Vor allem, wenn es um die Schule ging. Trotzdem stellte ich die Teller ab, trocknete mir die Hände mit einem Geschirrtuch und holte meine Sachen. Ich machte besonders langsam. Heute hatte ich echt keine Lust. Und erst recht nicht nach dieser Nacht. Gerade als ich wieder runterkam, stand mein Vater bei der Tür und wartete mit einem strahlenden Lächeln.
„Was ist?", fragte ich misstrauisch.
„Nichts weiter. Deine Mutter und ich haben nur eine mehr oder weniger kleine Überraschung für dich." Er kam auf mich zu und drückte mir etwas in die Hand. Ich sah ihn ungläubig an. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Ich rannte nach draußen und erstarrte. Oh. Mein. Gott! Meine Eltern hatten mir einen Nigel nagelneuen Mercedes-Benz GLB gekauft. Das neuste Model stand schwarz glänzend in UNSERER EINFAHRT! Ich ging hinüber und strich ehrfürchtig mit dem Fingern über den Lack. Ich schaute zurück zur Haustür. Meine Eltern standen aneinander geschmiegt in der Tür und beobachteten lächelnd, wie ich mein neues Auto betrachtete. Von Freude übermannt, rannte ich auf sie zu und erdrückte sie fast mit meiner Umarmung.
„Danke, danke, danke", flüsterte ich mit Glückstränen in den Augen, unfähig etwas anderes zu sagen.
„Ich wusste doch das er dir gefallen würde", grinste mein Vater stolz.
„Aber wieso?"
„Na ja, wir dachten, da du jetzt schon 17 bist und deinen Führerschein gemacht hast, könntest du ja ohne Probleme mit deinem eigenen Auto in die Schule fahren. Und so muss ich dich und Skye auch nicht mehr zur Schule fahren." Skye war, seit wir vor einem Jahr hierhergezogen waren, meine beste Freundin. Sie hatte rote Haare und wunderschöne grüne Augen, war ein paar Zentimeter grösser als ich und ließ mich das auch nie vergessen. Sie lachte sich immer kaputt, wenn sie meinen Gesichtsausdruck nach einem ihrer Größen Witze sah. Aber das Lachen würde ihr schon noch vergehen, wenn sie das Auto sah. Mein Auto.
„Und das ist kein Scherz?", erkundigte ich mich, immer noch misstrauisch.
„Haben wir uns jemals einen solchen Scherz erlaubt?", fragte mein Vater gelassen.
„Erinnerst du dich noch an Disneyland? Wir waren am Eingang und da hast du gesagt, dass das alles nur ein Scherz wäre. Dann bist du einfach wieder ins Auto gestiegen und hast uns nach Hause gebracht. Oder als ihr mir ein iPhone XR eingepackt habt und in Wirklichkeit nur ein Klapptelefon von Nokia drinnen war?" Meinem Vater wurde etwas unbehaglich zumute und er meinte schließlich: „Ach Schatz, können wir nicht die Vergangenheit hinter uns lassen und nach vorne blicken?" Als ich seinen Blick sah, musste ich unwillkürlich lachen.
„Ach Dad, wenn das kein Scherz ist, verzeih ich dir alles."
„Wirklich?"
„Wirklich."
„Gut, denn es ist wirklich kein Scherz. Das Auto ist auf deinem Namen registriert und bereit zur Abfahrt."
„Ich weiß nicht, wie ich euch je danken kann." Meine Mutter löste sich von der Umarmung meines Vaters und nahm meine Hände in ihre.
„Schatz, dass einzige was wir wollen ist, dass du langsam Verantwortung übernimmst. Nimm das als Beweis, dass du es schon kannst." Ich sah sie mit Tränen in den Augen an und drückte sie an mich.
„Danke Mom. Ich hab dich lieb."
„Ich dich auch. Und jetzt ab ins Auto, bevor wir doch noch beschließen, dass es ein Scherz ist." Ich grinste, gab ihr einen Kuss auf die Wange und stieg in mein geliebtes Auto. Ich spürte, wie sich das feine Leder an meine Beine schmiegte. Ich fuhr mit meinen Händen über das Lenkrad. Irgendwie fühlte es sich richtig an. Ich drückte mit dem Fuß auf das Gas und der Motor antwortete mit einem kraftvollen Knurren.
Ich seufzte zufrieden auf. Dieses Auto war wie die Erfüllung meiner Träume. Also nicht die Albträume oder so. Nein. Eher die Träume, die ich früher hatte. Aber zumindest war einer jetzt in Erfüllung gegangen. Ich schaute nochmal zu meinen Eltern. Sie waren immer noch dort und beobachteten mich. Lächelnd winkte ich ihnen zu und fuhr los.
Es war ein berauschendes Gefühl. Das Leder, die Geschwindigkeit, das gleichmäßige Geräusch des Motors und der Geruch meines Wagens, brachten mich auf Wolke Nummer sieben. Ehe ich mich versah war ich schon vor Skye's Haus. Ich stieg aus und klingelte an der Haustüre. Geöffnet wurde die Türe von Mrs. Harris. Sie war Skye's Mutter und eine der liebenswürdigsten Personen auf Erden.
„Amber. Und? Wie geht es dir heute? Schon aufgeregt?", fragte sie glücklich.
„Ja, ich bin wirklich aufgeregt. Mir geht es gut, danke. Und Ihnen, Mrs. Harris?"
„Auch gut, danke. Möchtest du vielleicht reinkommen? Skye zieht sich noch um."
„Nein, ist schon gut, aber trotzdem danke" Gerade in diesem Moment quiekte Skye aufgeregt auf. Sie rannte auf mich zu und warf sich mir an den Hals. Ich konnte sie gerade noch auffangen, sonst wäre sie wahrscheinlich umgekippt. Lachend umarmte ich sie. Mrs. Harris, die immer noch am Türrahmen stand, schmunzelte leicht.
„Sorry, Mom, bin nur ein bisschen zu aufgeregt", lächelte Skye mit einer Unschuldsmiene.
„Ein bisschen?", fragte ich lachend.
„Na ja, ein bisschen viel", erwiderte sie grinsend.
„Und, was gibt es Neues? Ein paar heiße Sommerromanzen, die du mir gestehen musst?", fragte sie neckisch.
„Du bist unmöglich Skye. Sie war gerade mal zwei Wochen weg und schon glaubst du sie hätte etwas mit jemanden angefangen? So hab' ich dich doch nicht erzogen", schimpfte Mrs. Harris lachend.
„Ok, tut mir leid Mom. Aber jetzt im Ernst. Wie war es auf den Malediven? Hatte es... UUUU. Diese Karre!", seufzte sie verträumt. "Ist das deine?", fragte sie aufgeregt.
„Äh ja. Hab' ich heute Morgen von meinen Eltern bekommen", meinte ich verlegen. Während sie mich ungläubig ansah, strich ich mir die Haare aus dem Gesicht und schaute ihr in die Augen. Plötzlich quietschte sie laut, lief an mir vorbei und stürzte sich auf mein Auto.
„Amber, gib mir die Autoschlüssel."
„Oh nein. Vergiss es. Die ersten paar Wochen wird das Auto nur von mir gefahren. Also, ab auf den Beifahrersitz." Sie schmollte, gehorchte aber. Ich verabschiedete mich von Mrs. Harris und stieg auf den Fahrersitz. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Skye den Innenraum bewunderte. Ich lächelte beim Gedanken daran, wie neidisch sie wohl gerade war.
„Und? Gefällt dir mein Auto?" fragte ich grinsend. Ich trat aufs Gas und lenkte das Auto auf die Straße.
„Das ist ein Scherz, oder? Du fragst mich jetzt nicht wirklich, ob es mir gefällt? Amber, ich weiß nicht, ob du es bis jetzt noch nicht verstanden hast oder einfach nur dumm bist, aber dieses Auto wird unser Schulimage so was von aufpolieren!", sagte sie eine Spur zu eifrig. Ich seufzte und sah auf die Straße.
„Skye, ich will doch nur, dass alles so wie früher ist."
„Was?! Mit diesem Auto werden wir nur von Bewunderern umringt sein. Also glaub ja nicht, dass ich das nicht ausnutzen werde", grinste sie kokett.
„Weißt du, manchmal frag' ich mich echt, wieso ich überhaupt mit dir befreundet bin."
„Weil du ohne mich nicht leben kannst und somit verkümmerst und stirbst?"
„Ja, wahrscheinlich", lachte ich.
Als wir beim Schulparkplatz ankamen, sah ich, wie viele, uns, oder besser gesagt dem Auto nachgafften. Ich parkte in der Nähe des Eingangs und stieg aus. Es war stiller als sonst und ich schaute mich um.
Ich sah wie ein paar Schüler ängstlich zu uns hinüberschauten, doch die meisten glotzten zum Eingang des Parkplatzes. Als ich es ihnen nachtat, rutschte mir mein Herz in die Hose. Dort war Charlotte Williams mit ihrer Clique. Sie war die beliebteste und arroganteste Zicke, die ich kannte. Jeder Junge war irgendeinmal in sie verliebt gewesen. Was ich auf körperlicher Ebene, verstehen konnte. Auf charakterlicher Ebene verstand ich es aber nicht. Während ich noch auf meinem ersten Kuss wartete, hatte sie schon die halbe Schule abgeknutscht. Natürlich nur die beliebten Jungs. Andere sah sie nicht einmal an. Ich benahm mich vielleicht wie eine Nonne, aber wenigstens war ich kein Flittchen, das sich jedem an den Hals warf. Charlotte und ihre Clique saßen in ihrem Ferrari und schauten mich hasserfüllt an.
„Seit wann gibt es eine neue Parkplatzordnung?" fragte Charlotte herablassend.
„Seit wann gibt es eine Parkplatzordnung?" fragte Skye genauso kalt. Charlotte sah sie vernichtend an und fragte mich zuckersüß: „Na, Amber? Wo hast du das Auto her? Hast du es aus unserem Viertel geklaut?" Wie auf Kommando, fingen ihre Freundinnen an zu gackern. Ich sah sie seelenruhig an. Wie es aussah nervte sie meine Ruhe, denn sie schimpfte weiter.
„Verschwinde von meinem Parkplatz!"
„Nein."
„Wie bitte?", fragte sie sichtlich verwundert.
„Nein", wiederholte ich langsam, so dass sie mich auch ganz sicher verstand.
Eine männliche Stimme fuhr dazwischen: „Charlotte, lass sie doch in Ruhe."
Es war niemand anderes, als mein bester Freund Adrian. Ich musste schon sagen, in diesem Sommer hatte er sich in seinem Ferienjob, wirklich angestrengt. Er sah viel kräftiger aus, als das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte. Von der Arbeit in der Baustelle, war er braungebräunt und durch sein T-Shirt, sah man seine straffen Bauchmuskeln. Schade, dass er mein unbiologischer kleiner Bruder war.
„Adrian?" fragte Skye verwundert. Sie, Charlotte und ihre Clique starrten auf seine muskulösen Arme. Ich ging auf ihn, zu und umarmte ihn.
„Wie geht's, Andy? Schönen Sommer gehabt?", fragte ich erleichtert.
„Ja, klar, der Sommer war super und ich konnte mir auch etwas dazu verdienen", lächelte er stolz. Auf einmal sah er Skye, die hinter mir stand und ihn abschätzend musterte. Wie immer, wenn er sie sah, leuchteten seine Augen auf.
„Hi Skye. Wie geht's?", fragte er schelmisch.
„Gut, danke", sagte sie. Charlotte, die bis jetzt noch im Hintergrund geblieben war, drängte sich zwischen uns und Adrian. Der ganze Hass, war aus ihren Zügen verschwunden und ihre himmelblauen Augen blickten Adrian zuckersüß an.
„Hallo, mein Hübscher. Adrian, oder? Bist du neu hier?", sie lächelte schelmisch, während sie mit einer Haarsträhne spielte.
„Ja, ich heiße Adrian und nein, ich bin nicht neu hier. Wir gehen schon seit der fünften Klasse in den gleichen Mathekurs", antwortete er leicht genervt.
„Und wieso habe ich dich bis jetzt noch nicht bemerkt?"
„Weil ich ein Nerd bin und ich mich mehr mit Büchern auseinandersetze, als mit Mädchen wie dir."
Diese Abfuhr, kam einer wie Charlotte sehr überraschend. Sie schaute ihn an und drehte sich dann abrupt um. Skye und ich hatten ihre Flirtversuche amüsiert angeschaut und brachen in schallendes Gelächter aus, als sie beleidigt um die nächste Ecke bog. Adrian, der sich bis jetzt zurückgehalten hatte, fing schließlich auch an zu lachen und meinte glücklich: „Ach, was habe ich euch nur vermisst." Er umarmte uns, doch Skye hielt er ein bisschen länger. Ich glaubte zu sehen, dass Skye diese Umarmung genauso genoss, wie Adrian. Als sie sich voneinander lösten, schauten sie sich verlegen an.
„Wie ich sehe, hast du 'ne neue Karre", grinste Adrian und lenkte das Thema auf etwas ganz anderes. Ich blickte stolz auf mein Auto und erwiderte: „Na? Neidisch?"
„Auf jeden Fall!", lachte er. Dann wandte er sich wieder Skye zu.
„Und, wie war dein Sommer?"
„Ganz wunderbar. Apulien war wunderschön. Das Meer war ein wahres Spektakel und über die Aussicht kann ich mich nicht beklagen. Ich finde die Worte nicht, um sie zu beschreiben." Bei den letzten Worten schaute sie mich an und ich wusste sofort was sie damit meinte. Diese Zweideutigkeit, war wirklich mehr als offensichtlich, doch Adrian war es wohl entgangen. Er war wahrscheinlich viel zu sehr mit starren, anstatt mithören beschäftigt. Mit einem Grinsen sah ich die beiden an.
„Kommt, gehen wir rein. Wir wollen doch nicht schon am ersten Schultag zu spät kommen." sagte Adrian. Natürlich war er immer noch ein Streber, daran konnten seine neuen Muskeln auch nichts ändern. Zumindest waren wir noch die gleichen. Nichts hatte sich verändert. Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, wie sehr ich mich da geirrt hatte.
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