Kapitel 55

Niklas

„Unser Vater..." Joint stockte und eine böse Vorahnung packte mich. „Er hatte einen Autounfall. Er..." wieder eine Pause, und das ungute Gefühl wurde immer schlimmer. „er hat es nicht überlebt."

„Er ist tot?", flüsterte ich entgeistert.

Joint erwiderte nichts darauf, ich hätte mich echt ohrfeigen können. Wieso fragte ich auch noch so dumm? Ich musste jetzt für ihn da sein.

„Wir kommen", sagte ich daraufhin bestimmt, mit einem Blick auf Vanessa, die immer noch zufrieden schlummerte. Ich prägte mir dieses Bild so gut wie möglich ein, denn gleich würde ich es aus ihrem wunderschönen Gesicht löschen.

„Danke", hörte ich Joint noch sagen, dann legte er auf. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich zwei Versuche brauchte, um ebenfalls aufzulegen. Verdammt. Das hatte Vanessa nicht verdient. Wie konnte ich so eine Nachricht bloß schonend überbringen? Gar nicht. Egal wie ich es anstellte, das Ergebnis wäre das Gleiche.

Langsam ließ ich mich neben sie auf die Matratze sinken, legte ihr eine Hand an die Wange und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Ich beobachtete wie sie erst die Nase rümpfte, um dann ihre Augen schwungvoll aufzuschlagen. In jeder anderen Situation hätte ich diesen Anblick genossen, doch jetzt hatte ich Angst vor meinen nächsten Worten.

„Bereit für eine zweite Runde?", sagte sie anzüglich, wollte mich schon küssen, da wich ich ein Stück zurück. Sofort wurde sie ernst. „Was ist los, Niklas?" Sie setzte sich aufrecht hin.

„Georg hat angerufen."

„Und?" sie sah mich ungeduldig an, während ich die richtigen Worte suchte, die es einfach nicht gab.

„Dein Vater hatte einen Autounfall." Ihre Augen weiteten sich.

„Was ist passiert? Liegt er im Krankenhaus?" Ihre Stimme zitterte leicht. Mit Bedacht darauf, dass ich die nächsten Worte sorgsam wählte, nahm ich ihre Hände in meine, umschloss sie mit meiner Wärme.

„Er ist tot." Da gab es wirklich nichts Besseres zu sagen. Ich sah wie sie mich ungläubig anstarrte, dann als wären meine Worte erst jetzt zu ihr durchgedrungen, schlug sie sich schluchzend die Hand vor den Mund.

„Was?", flüsterte sie so leise, dass ich sie kaum verstand.

„Es tut mir so leid, Liebling." Wieder fasste ich nach ihren Händen, doch sie entzog sie mir dieses Mal und stand auf.

„Das kann nicht sein. Unmöglich. Ich habe ihn doch noch vor zwei Tagen gesehen." Tränen stiegen in ihre Augen. Ich stand gleichzeitig mit ihr auf.

„Vanessa", schnell schloss ich sie in die Arme und spendete ihr Trost.

„Das kann nicht sein." Ihre Stimme war kaum noch zu hören.

„Es tut mir so leid." Was anderes konnte ich in diesem Moment nicht sagen, keine Worte waren gerade die Richtigen. In der nächsten Sekunde versuchte sie sich auch schon aus meinem Griff zu winden, da ich Angst hatte, dass ich sie sonst verlieren würde, ließ ich es zu.

„Ich muss zu Georg. Er braucht mich jetzt!" Sie sah gar nicht mehr in meine Richtung, während sie sich schnell anzog.

„Soll ich ...soll ich denn mitkommen?" Ich klang unsicher. Obwohl wir schon so viel durchgemacht hatten, fürchtete ich mich vor einer Abweisung.

Ein Nicken von ihrer Seite, brachte mein Hirn wieder zum Arbeiten. Wieso stand ich einfach nur so da? Ich musste jetzt genauso für sie da sein, wie sie für mich die ganze Zeit. Hastig kramte ich meine Hose und mein Shirt hervor, zog es über und machte mich auf den Weg zu Vanessa, die schon die Treppe hinunter gerannt war. An der Haustür holte ich sie ein.

„Warte, nimm meine Jacke." Ich hielt sie ihr hin, doch sie nahm sie nicht, also legte ich sie ihr schnell über die Schulter, bevor sie auch schon in die kühle Nachtluft lief.

Ich hatte meinen Pickup gerade erst aufgesperrt, da saß sie auch schon drin und wartete auf mich. Während der ganzen Fahrt sprach sie kein Wort mit mir, mied es auch geflissentlich in meine Richtung zu blicken. Der Wagen stand noch nicht mal, da sprang sie schon auf den Rasen und rannte auf ihr Haus zu, das sie vor ein paar Stunden nie wieder betreten wollte. Verstand sie nicht, dass ich ihr nur beistehen wollte? Als sie sich in die Arme ihres Bruders schmiss, glaubte ich schon, sie wieder verloren zu haben. 

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