Kapitel 3
Niklas
Ich starrte ihr hinter her. Besaß sie schon immer solche hypnotisierenden haselnussbraunen Augen? Wie oft hatte ich sie jetzt schon gesehen, und da war mir ihre intensive Augenfarbe gar nicht aufgefallen? Und ihr freches Grinsen erst.
Scheiße. Ich musste sofort auf andere Gedanken kommen. Schnell hastete ich die Treppe hinunter und ging geradewegs in die Küche. Stellte die Flaschen auf die Arbeitsfläche und wollte mir schon mit einem Shot etwas Mut antrinken, als mich etwas Weiches am Rücken streifte. Ich konnte im ersten Moment nicht definieren was es war, bis ich das süßliche Parfum roch. Ich hielt die Luft an. Die Person hinter mir, fuhr mir bewusst langsam mit dem Finger über die Schulter und stellte sich dann neben mich.
„Hey, Du." Sie schenkte mir ein breites Lächeln. Das Mädchen war stark geschminkt und hatte einen tiefen Ausschnitt. Einen sehr tiefen. Als sie meinen Blick bemerkte, wurde ihr Lächeln noch breiter und ihre Augen blitzten mich wissend an.
„Magst du mir etwas einschenken?" Sie ließ ein weiteres Mal ihren Finger auf meinem Arm kreisen.
Ich nickte ihr kurz zu und goss etwas Flüssigkeit in ihren Becher, den sie mir entgegen hielt.
„Stößt du mit mir an?" Sie lehnte sich etwas näher zu mir.
„Klar" sagte ich knapp, da ich es immer noch nicht verstand, warum sie überhaupt mit mir sprach.
Schnell nahm ich mein Shotglas und stieß im selben Moment gegen ihr Getränk. Mit einem Ruck, führte ich das Glas an den Mund und leerte es. Dabei musste mein T-Shirt nach oben gerutscht sein, denn das Mädchen starrte auf die freie Stelle, die entblößt wurde. Ihr Blick wurde träumerisch.
Ich war solche Aufmerksamkeit einfach nicht mehr gewohnt. Meistens mied mich das weibliche Geschlecht. Ich entspannte mich ein wenig, als auf ihrem Gesicht diesmal ein ehrliches Lächeln erschien.
„Wow. Was für Muskeln." Mein Mund bewegte sich ebenfalls nach oben, um ihr Lächeln zu erwidern, stoppte jedoch in dem Moment, in dem sie weiter sprach. „Joint hatte mir definitiv nicht zu viel versprochen."
Fast wäre mir mein Glas aus der Hand gefallen. Joint hat was?
Verwirrt schaute ich sie an. „Was hat er dir versprochen?" Meine Stimme war bedrohlich tief geworden.
Doch das Mädchen ließ sich nicht davon beeindrucken und schwärmte weiter.
„Deine Augen sind echt der Hammer. Ist mir vorher ja noch nie aufgefallen." Weil du mich auch sonst nicht mal mit deinem Arsch angeschaut hast. Ich verkniff mir einen miesen Kommentar und drehte mich Richtung Tür. Ihre kleine Hand legte sich um meinen Bizeps und versuchte mich aufzuhalten.
„Warte, mal. Joint meinte..." Wütend riss ich mich los. Als ich gerade aufschaute, stand mein bester Freund vor mir. Wenn man vom Teufel spricht.
„Verdammt, was soll das, Georg?", fuhr ich ihn sauer an.
„Woah, so nennst du mich nur, wenn ich was angestellt habe." Er wirkte angetrunken, und das machte mich nur noch wütender.
„Ich brauche deine Hilfe nicht, OK?!" Ich wollte mich an ihm vorbeischieben, doch er hielt mich zurück.
„Hey, Nick. Das war doch nur nett gemeint. Ein kleiner Schubs in die richtige Richtung." Ich schlug seine Hand von meiner Brust und zwängte mich aus der Küche.
„Nett? Was hattest du ihr noch gleich versprochen?"
„Hey, ich bin noch hier." Mischte sich das Mädchen ein, doch ich beachtete sie gar nicht mehr. Wann lernte er es endlich, dass ich nicht wollte, dass er Mädchen überredete, mit mir auszugehen. Scheiße, das war echt demütigend.
„Deinen Adonis gleichen Körper" Er sah mich belustigt an. Mir platzte gleich der Kragen.
„Leck mich, Georg." Mit dem Satz holte ich meine Jacke und steuerte auf die Haustür zu. Mir war die Lust aufs Feiern gründlich vergangen.
„Mein Gott, du bist jetzt 24, Nick. Irgendwann musst du wieder anfangen zu leben." Joint war mir gefolgt und sah mich vorwurfsvoll an. „Ich weiß, dass ich gesagt habe, dass ich so 'ne Nummer nicht mehr abziehe. Aber komm schon, als würdest du von alleine ein Mädchen ansprechen."
„Ich bin nicht dein Sozialfall, Georg." Immer wieder nervte er mich mit dem Thema. Ich konnte es nicht mehr hören.
„Wohin gehst du?" er sah auf meine Hand, die auf der Türklinke lag.
„An die frische Luft." Er hielt mich nicht auf, also verschwand ich hinter der Tür. Doch er und ich wussten, dass ich sein Haus heute Abend nicht mehr betreten werde.
Vanessa
Nachdem ich mich in meinem Zimmer abgeschminkt hatte, nahm ich meinen Laptop und klickte auf mein Email-Postfach. Ich hatte mir den Nuss-Nougat-Schnaps, den ich so gerne trank, von Nick geschnappt und genehmigte mir einen großen Schluck davon. Gläser wurden überbewertet. Ich stöberte mich durch die Mails, während mir der Alkohol warm die Kehle hinunter rann. Bei Lisa Mar blieb ich hängen, und öffnete die letzte Mail. Ich wusste nicht, warum ich sie mir jetzt nochmal durchlas. Doch meine Finger klickten wie von selbst darauf.
Hi Vani,
Ich hoffe du hattest einen guten Semesterstart. Meiner war berauschend. Ich hatte mich noch nie so wohl gefühlt, wie hier in Washington. Die Leute sind echt nett, vor allem mein Tutor ;) Gibt es bei dir in Sachen Liebe eigentlich etwas Neues zu berichten? Wir müssen unbedingt mal wieder skypen, vermiss dich schrecklich.
PS: Sean hat wirklich die tollsten Augen, die ich jemals gesehen habe.
Kuss Lisa
Ich schloss die Augen und nahm noch einen Zug vom Schnaps. Lisa war meine beste Freundin. Wir gingen seit der 5. Klasse durch Dick und Dünn. Und natürlich freute ich mich für sie, dass sie wieder jemanden gefunden hatte. Nachdem mein Bruder und sie eine nicht wirklich tolle Vergangenheit hatten, konnte ich froh sein, dass sie noch mit mir befreundet war. Doch ein neuer Typ bedeutete auch wieder, dass sie nicht so schnell aus Washington zurückkommen würde. Nach der Schule hatten wir eigentlich geplant, zusammen hier in Würzburg an die Uni zu gehen und eine WG zu gründen, doch wie immer im Leben, konnte man seine Zukunft nicht planen und so war Lisa in Washington gelandet und ich saß hier in Würzburg bei meinen Eltern fest. Frustriert ließ ich meinen Kopf nach hinten fallen. Ich vermisste sie wirklich schrecklich, sie war meine einzige ehrliche Freundin hier und jetzt war sie hunderttausende Kilometer weit entfernt.
Gerade als ich meine Antwort verfassen wollte, hörte ich ein schepperndes Geräusch. Es kam von draußen. Mit der Flasche in der Hand bewegte ich mich zu meinem Fenster, um den Ursprung des Knalls ausfindig zu machen. In der Dunkelheit konnte ich eine große Person ausmachen, die mit der Hand ausholte. Im nächsten Moment landete diese mit voller Wucht gegen einen dunkelgrünen Pickup, der sich natürlich keinen Millimeter bewegte.
Ich betrachtete die Person genauer. Sie stand mit dem Rücken zu mir an dem Wagen und versuchte anscheinend die Tür auf zubekommen. Als hätte die Person gespürt, dass ich sie beobachtete, wandte sie sich meinem Zimmer zu und ertappte mich bei meiner Spannerei.
Nick, schoss es mir durch den Kopf. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
Eigentlich durfte er mich auch nicht sehen können. Ich hatte kein Licht in meinem Zimmer an, und sonst war der Winkel doch viel zu steil um etwas von unten sehen zu können. Oder?
Trotz meiner Zweifel, entfernte ich mich nicht vom Fenster. Er blickte immer noch nach oben. Suchte er etwas? Nach einer gefühlten Ewigkeit, drehte er sich weg und stieg in seinen Pickup. Mit einem lauten Knattern sprang der Wagen an. Brausend fuhr er davon, bis er nur noch ein dunkler Fleck auf der Straße war. Ich blickte auf die Uhr. Es war gerade mal 22:00. Wieso war er schon gegangen? Die Party hatte doch noch nicht mal richtig angefangen. Verwirrt setzte ich mich wieder aufs Bett und schrieb meine Antwort an Lisa.
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