Kapitel 28
Niklas
Ich wusste nicht wie ich nach Hause gekommen war. Doch irgendwie stand ich plötzlich vor meiner Haustür.
„Wo ist dein Schlüssel, Nik?" Wer sprach da? Ich drehte mich zu dem Geräusch um und blickte in ein ernst drein schauendes Gesicht. Luis. Achja, stimmt. Da war ja was.
„Hey, Mann." Ich wankte leicht nach vorne.
„Verarsch mich nicht! Sperr die verdammte Tür auf."
„Woah!" Mit den Händen machte ich einen Schritt nach hinten. Als ich mit den Rücken gegen etwas stieß, riss ich erschrocken die Augen auf. Vorsichtig bewegte ich mich gegen den Uhrzeigersinn. Erleichtert atmete ich aus. Es war nur die Tür. Puh.
„Niklas!" Bei Luis lauter Stimme zuckte ich zusammen. Wieso hatte er es denn nur so eilig? Ich brauchte drei Versuche um in meine Hosentasche zu fassen und den Schlüssel raus zu holen. Mehrmals verfehlte ich das Schlüsselloch. Mensch, das war aber auch klein.
„Gib schon her!" Aufgebracht griff er nach meiner Hand. Sekunden danach brachte er mich ins Haus, wo mein Bruder uns verschlafen musterte.
„Alles klar bei euch?" Er rieb sich müde über die Augen.
„Hey, Bruderherz." Mit meinen langen Armen versuchte ich ihn in eine Umarmung zu ziehen, doch irgendwie konnte ich mich nicht für eine Version entscheiden. Hatte ich schon immer zwei Brüder gehabt? Verwirrt starrte ich die zwei an. Für wen sollte ich mich bloß entscheiden?
„Ist er etwa betrunken?" Jetzt redeten sie auch noch gleichzeitig.
„Du hast es erfasst, Kleiner." Luis stützte mich immer noch. Ich richtete mich auf. „Wieso bist du noch hier?" Bei meiner Frage verdrehte er genervt die Augen.
„Viel Spaß mit ihm." Damit ließ er mich los, und ich schwankte leicht zur Seite. Ehe ich mich umdrehen konnte, war er auch schon verschwunden.
„So habe ich dich ja schon lange nicht mehr erlebt!"
Fragend sah ich ihn an. Von wem sprach er überhaupt?
„Komm, du solltest schlafen gehen, bevor du noch Mom aufweckst." Er drängte mich Richtung Treppe.
„Schlafen wird überbewertet. Ich sollte mir lieber noch was zu trinken holen." Ich versuchte mich aus seinem Griff los zu reißen, ich wollte das leicht angetrunkene Gefühl vom Alkohol noch nicht verlieren. Als mein Bruder mich immer noch fest hielt, spannte ich meine Muskeln an und machte einen großen Schwung nach vorne. Bevor ich noch etwas tun konnte, fiel ich auch schon mit voller Wucht auf den Boden. Dabei rutschte meine Mütze von meinem Kopf, doch ich hob sie nicht auf, schaute noch nicht einmal in die Richtung. Es war mir egal. Alles war mir in diesem Moment egal.
„Hast du dir wehgetan?" Besorgt sah er auf mich herab. Da ich nicht die Kraft aufbringen konnte, aufzustehen, setzte ich mich auf den Fußboden. Der alkoholische Nebel wurde durch einen pochenden Schmerz an meiner Schläfe ersetzt und ich stützte meinen Kopf auf meine Arme.
„Niklas?"
Ich brummte irgendwas als Antwort, was es genau war, wusste ich selbst nicht.
„Ist heute Abend irgendwas passiert?" Ich sah zu, wie er sich neben mich niederließ.
„Wenn er es rausfindet, wird er mich umbringen."
„Von wem sprichst du?"
„Joint" Ich ließ meinen Kopf noch weiter runter hängen.
„Wieso...geht es etwa um Vanessa? Ist zwischen euch etwas vorgefallen?"
Seine Fragerei nervte mich zunehmend.
„Nein, ist es nicht."
„Wieso sollte er sonst sauer auf dich sein?"
„Ich geh jetzt schlafen." Langsam bewegte ich mich in die Gerade. Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, jemals so viel getrunken zu haben.
Verständnisvoll sah er mich an. „Ich denke, dass sie dich mag."
„Hm." Brummte ich, während ich mich am Treppengeländer abstützte.
„Und du auch, das würde sogar einem Blinden auffallen." Er grinste mich frech an.
„Wenn du das meinst." Meine Gedanken sollten sich jetzt noch nicht um sie kreisen. Dafür hatte ich noch morgen Zeit. Ich wollte das schlechte Gefühl nur für einen kurzen Moment vergessen.
„Oh und wie man das merkt."
„Ist ok!" Ich traute mich nicht mal umzudrehen, so sehr pochte mein Schädel.
„Ihr könnt nicht mal für ein paar Sekunden die Augen voneinander lassen."
„Ich geh jetzt nach oben." Doch wie zu erwarten, brauchte ich eine Weile bis ich überhaupt die erste Stufe geschafft hatte.
„Und was ist jetzt eigentlich mit Michelle? Du wirst sie doch nicht weiterhin treffen, oder?"
Keine Ahnung. „Geh mir nicht auf die Nerven, Markus!"
Nach meinen Worten lachte er einfach drauf los. „Du siehst aus wie ein Krüppel!"
„Verzieh dich endlich!"
„Na gut." Ich wollte schon erleichtert aufatmen, da meldete er sich doch nochmal zu Wort. „Ich freue mich wirklich für euch beiden. Und Joint wird das sicherlich auch tun, wenn er euch erstmal zusammen erlebt."
„Jaja." Joint würde alle Gefühlsregungen haben, Freude jedoch war keine davon. Aber das würde ich ja eigentlich nicht zu spüren bekommen, da Vanessa mir deutlich gemacht hatte, dass nichts zwischen uns laufen würde. Es bestand daher auch gar nicht die Notwendigkeit, ihm etwas davon erzählen. Es hatte sich sowieso schon erledigt.
„Da ist ja unsere Schnapsdrossel!" Luis starrte mich begeistert an, als ich das Sportheim betrat. Ich hatte wirklich beschissen geschlafen. Nach dem Gespräch mit Markus, hatte ich die ganze Zeit darüber nachdenken müssen, was wäre wenn Vanessa und ich uns geküsst hätten. Hätte es etwas zwischen uns geändert?
„Mensch, einmal, wenn ich nicht kann, schießt du dich gleich ab." Joint schrie mir seine Worte viel zu laut ins Ohr.
„Und wie! Er hat gesoffen wie n' Loch." Bei seinen Worten lachte die ganze Mannschaft, ich jedoch warf ihm einen bösen Blick zu.
„Wirst du heute überhaupt einen Ball treffen?" Kam es von meinem Torwart.
„Er schwankt doch jetzt immer noch!"
„Hast du denn auch eine abgeschleppt?" Bei Joints Frage, schaute ich kurz zu Luis auf. Dieser starrte mir mit einem verschmitzten Grinsen entgegen.
„Wenn du wüsstest, was für eine heiße Braut, dann würdest du Luftsprünge machen, Joint." Nur mir fiel sein sarkastischer Unterton auf. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu, doch er ließ sich nicht davon beirren. „Unser Coach vergnügt sich nämlich mit zwei gleichzeitig." Jetzt richtete sich jede Aufmerksamkeit auf mich. Verdammt! Wieso musste er mich so provozieren? Automatisch ballte ich meine Hände zu Fäusten.
„Achja?" Joint blickte mich skeptisch an. „Wer ist denn die Glückliche?"
„Ja, wer ist sie, Coach?" Luis wackelte herausfordernd mit den Augenbrauen. So ein Arsch!
Mit einem lauten Knall ließ ich meine Tasche auf einen Stuhl fallen. „Schluss jetzt! Wir sind nicht hier um ein Kaffeekränzchen zu halten, sondern um Fußball zu spielen." Ich spürte die enttäuschten Gesichter der anderen förmlich, doch das war mir egal. Ich musste mich irgendwie aus dem Schlammassel ziehen, das Luis angerichtet hatte. Bevor noch jemand nachhaken konnte, stürmte ich aus dem Raum und begab mich zu den Umkleiden. Als alle anderen Spieler nach und nach ein trotteten, hatte ich mich schon längst umgezogen und steuerte schon das Spielfeld an.
„Hey, Nik. Ist alles ok bei dir?" Wieso musste Joint in letzter Zeit nur so nett zu mir sein? Das nervte tierisch.
„Klar" Ich drehte mich nicht mal zu ihm um. Stattdessen holte ich das Netz mit den Spielbällen hervor und begann mit einem davon zu Drippeln. Egal auf welche Weise, ich musste mich schleunigst abreagieren. Das klappte für die kommenden 10 Minuten auch ganz gut, doch als Luis an mir vorbei marschierte, war meine innerliche Ruhe wieder verschwunden.
„Was sollte das vorhin?" Meine Hand hatte ihn fest am Arm gepackt, und hinderte ihn am Weitergehen.
„Komm mal wieder runter, das war doch nur ein Scherz."
„Ein Scherz?" Ungläubig starrte ich ihn an. Das durfte wohl nicht sein Ernst sein.
„Was? Hast du gedacht, ich würde es Joint verraten?" Ich blickte schnell auf, als er seinen Namen sagte, doch die anderen Spieler waren viel zu weit weg, um uns verstehen zu können. Luis machte sich aus meinem Griff los. Nach seinem beleidigten Gesichtsausdruck zu urteilen, wollte er mich wirklich nur ärgern.
„Ich werde ihm nichts sagen, versprochen." Ich wusste nicht ob ich ihm glauben konnte, doch was blieb mir anderes übrig? Wenn ich das nächste Mal einfach auf ihn losgehen würde, würde Joint Verdacht schöpfen und das musste ich vermeiden.
Ich nickte meinem Verteidiger zu und ging mit meinem Ball zu meiner Mannschaft. Fußball sollte jetzt meine höchste Priorität sein. Und nichts anderes.
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