Kapitel 23
Niklas
„Ich wusste doch, dass sie auf dich steht." Joint schlug mir triumphierend einen Arm auf die Schulter.
„Das heißt, doch nicht, dass sie was von mir will." Ich legte mein Handy auf die Bank ab. Kurz davor hatte ich eine SMS von Michelle bekommen. Ich war zweierlei verwundert. Einmal, dass sie mir einfach so schrieb und zweitens, woher sie meine Nummer hatte. Natürlich hatte ich sofort meinen besten Freund in Verdacht. Doch dieser versicherte mir sofort, dass er diesmal nichts damit zu tun habe. Und ehrlich gesagt, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er mich ein zweites Mal wütend machen wollte. Es konnte also nur einer vom Team gewesen sein. Frustriert fuhr ich mir über die Mütze. Nicht mal vor meinem besten Freund wollte ich sie abnehmen. Ich konnte es nicht glauben, dass sie an mir interessiert war. Ohne Hintergedanken. So einen Gedanken habe ich schon seit Jahren nicht mehr zugelassen, also warum jetzt damit aufhören?
„Komm schon, alter. Die ist doch süß. Schreib ihr, dass du dich gerne mit ihr treffen willst."
„Hmm."
„Hör auf mit diesem typischen Niklas Brummen." Mit einem schnellen Griff schnappte er sich mein Handy.
„Was tust du da?"
„Ich helfe dir dein Liebesleben wieder in Schwung zu bringen."
„Lass das" Ich griff nach meinem Handy, „Ich brauche deine Hilfe nicht."
„Das Gefühl habe ich aber nicht."
Nach einigen vergeblichen Versuchen, ließ ich meine Hand wieder sinken und sah zu, wie Joint hastig auf den Bildschirm eintippte. Nach dem ersten Treffen wird sie sowieso genervt von mir sein.
„Ich werde sie nicht treffen." Während ich sprach, stopfte ich meine Fußballschuhe in meine Sporttasche.
„Wieso nicht?" Leicht verärgert sah er mich an.
Ohne auf seine Frage zu einzugehen, packte ich nach einander meinen Kram zusammen.
„Was soll das, Nik?" Wieder blieb ich stumm. „So wirst du niemals in dein altes Leben wiederfinden."
„Vielleicht will ich das gar nicht. Es ist gut so wie es ist."
„Das kannst du vielleicht deiner Großmutter weißmachen, aber nicht mir." Er stand auf, sein Blick lag auf meiner Mütze. „Du vegetierst vor dich hin. Ich sehe dich entweder hier, oder auf dem Platz. Das ist doch kein Leben."
„Mir gefällt es so." Genervt hörte ich ihn schnauben.
„Nik, sei doch mal ehrlich, du kannst nicht ewig so weiter machen. Das bringt doch nichts." Er warf mein Handy in meine geöffnete Tasche. „Wo ist mein bester Kumpel geblieben, dem kein Spaß zu Schade war?"
Ich wollte dieses Gespräch nicht schon wieder führen. Ich wusste, dass er Recht hatte. Trotzdem konnte ich mich nicht wie früher aufrappeln und mit einem Lächeln im Gesicht durch die Gegend laufen. Es war einfach zu viel passiert.
„Ich weiß, was dir passiert ist, war schlimm. Das heißt, aber nicht, dass du dich für ewig in deinem Schneckenhaus verstecken sollst."
„Es ist aber nicht so einfach, wie du es daher sagst." Unbeabsichtigt hatte ich mit einem strengeren Ton gesprochen.
„Dann lenk dich wenigstens ab. Dann wird es leichter, glaub mir."
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich ihn an. „Mit einer Frau?"
„Es gibt nichts Besseres!" Er lächelte mich wissend an. Ich musste über seine Denkweise lachen. Er war immer noch wie früher. Damals waren wir ständig um die Häuser gezogen, hatten mit zahlreichen Mädchen geflirtet. Egal ob Single oder vergeben, wir hatten vor nichts Halt gemacht. Dann verliebte ich mich in meine damalige Freundin, und wurde mit einem riesen Schlag auf den Boden der Tatsachen zurück geholt.
„Ok, ich hab's kapiert." Mit einem Nicken stimmte ich ihm zu.
„Gut, denn du hast morgen ein Date mit diesem heißen, roten Feger." Ungläubig starrte ich ihn an.
„Ich sagte doch, dass sie total auf dich abfährt."
Ich konnte nur den Kopf belustigt schütteln. Das glaube ich noch nicht so recht. „Na, wenn du das meinst."
„Ich frage mich nur, auf wen meine kleine Schwester zurzeit abfährt." Mit diesem abrupten Themenwechsel hatte ich nicht gerechnet. Joints Gesicht war jetzt verdächtigt ernst geworden. Wusste er wo sie gestern Nacht war?
„Wie kommst du darauf?"
„Sie hat woanders übernachtet letzte Nacht und war auch den ganzen Sonntag nicht dagewesen."
Ich musste schlucken. „Aber du sagtest, doch dass sie einen Streit mit deinem Vater hatte. Vielleicht ist sie deswegen die ganze Zeit nicht heimgekommen."
Kurz schaute er mich verwirrt an. „Ich weiß, dass sie fast seit einem Jahr nicht mehr regelmäßig zu Hause schläft, doch dieses Mal war es anders. Sonst kommt sie immer früh nach Hause und nicht erst spät abends."
Bei seinen Worten musste ich wegschauen. Sie schlief regelmäßig bei jemand anderen? Sofort machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Was? Ich durfte nicht eifersüchtig sein. Sie gehörte ja wohl nicht mir. Wir waren davon auch meilenweit entfernt. Trotzdem konnte ich meine aufkommende Eifersucht kaum im Zaum halten.
„Alles klar, Mann?"
Ich nickte ihm kurz zu, er durfte keinen Verdacht schöpfen. Ich musste mich beruhigen. Nach einigen Sekunden Stille, drehte ich mich wieder zu ihm um. Jetzt war ich mir sicher, dass er keine Gefühle in meinem Gesicht lesen konnte.
„Und wenn es so wäre? Du kannst nichts dagegen tun, wenn sie jemanden gefunden hat." Genauso wenig wie ich.
Noch während ich sprach funkelte er mich böse an. „Natürlich kann ich was dagegen tun. Ich werde etwas tun. Sie ist meine kleine Schwester. Ich muss sie beschützen."
„So klein ist sie doch gar nicht mehr. Das hast du selbst gesagt." Meine Stimme ist bei meinen Worten etwas lauter geworden.
„Was soll das, Nik? Ich dachte du stehst auf meiner Seite? Oder willst du, dass sie durch die Gegend vögelt?" Er spuckte die letzten Worte angewidert heraus.
Er übertrieb es wirklich. „Nein, natürlich nicht. Aber du kannst nicht alle ihre Entscheidungen kontrollieren. Das würde dich kaputt machen, geschweige denn von ihr."
Er wischte sich verärgert die Haare aus der Stirn. „Du weißt nicht wie das ist, eine kleine Schwester zu haben, die sich immer weiter von dir abwendet. Da kann man nicht einfach so locker bleiben."
„Aber du willst doch nicht deine Beziehung zu ihr zerstören oder?"
Er lächelte mich schwach an. „Diese besondere Geschwisterliebe gibt es schon lange nicht mehr zwischen uns."
Seine Worte brachten mich zum Schweigen. Über die Jahre wusste ich, dass es bei ihm Zuhause nicht immer fröhlich zuginge, doch, dass darunter auch seine Beziehung zu seiner Schwester leiden würde, konnte ich mir nicht vorstellen. Er hatte doch wie auch jetzt noch, immer ihren Beschützer gespielt. Auch wenn er es in manchen Momenten übertrieb, konnte man doch seine brüderliche Absicht eindeutig erkennen. Und das ist mit einer der Gründe, dass ich mich von Vanessa fernhalten sollte. Es würde nur noch mehr Probleme zwischen den Beiden hervorrufen. Und ich würde nur mit Glück lebend aus diesem Problem herauskommen. Nein. Ich brauchte Ablenkung von ihr. Da käme mir Michelles Angebot doch echt gelegen.
„Egal. Du bist hier die größere Baustelle von uns beiden. Kümmern wir uns erst mal um deine sozialen Kontakte mit dem weiblichen Geschlecht." Freundschaftlich klopfte er mir auf die Schulter, er hatte wieder sein allbekanntes Lächeln aufgesetzt. Hoffentlich hatte er Recht und so ein Treffen würde mich von seiner Schwester ablenken.
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