Kapitel 21

Niklas

„Was sollte das? Du kannst doch nicht einfach so in mein Zimmer platzen!" Wütend blieb ich vor meiner Mutter stehen, die mit ihrer bunten Schürze einen Pfannkuchen nach dem anderen wendete.

„Ich wusste doch nicht, dass du Besuch hast." Sie hob unschuldig die Schultern.

„Schon mal was von Anklopfen gehört, Mutter?" Ich streifte mir schnell ein T-Shirt über.

„Es tut mir leid, Schatz." Sie gab mir einen Kuss auf die Wange. „Das nächste Mal werde ich anklopfen, versprochen." Verdammt, ich konnte ihr nie lange böse sein.

„Es wird kein nächstes Mal geben." Müde ließ ich mich auf einen Stuhl nieder. Ich hatte wirklich kaum geschlafen, zu bewusst, war mir Vanessas Nähe gewesen.

Sie drehte sich nicht um, während sie sprach. „Wieso nicht? Sie scheint doch ein nettes Mädchen zu sein."

„Mom, das ist sie doch auch. Nur..."

„Nur was Schatz?" Sie stellte einen vollen Teller vor mir ab. „Wie lange ist es her, als du das letzte Mal ein Mädchen mitgebracht hast? Ich würde mich wirklich freuen, sie öfter hier zu sehen." Sie schenkte mir ein leichtes Lächeln.

„Du verstehst das falsch. Da läuft nichts zwischen uns. Sie hatte nur einen Schlafplatz gebraucht, ok?" Ich hatte nicht wirklich große Lust mit meiner Mutter über meine Beziehungen zu reden.

„Nicht? Das sah aber gerade ganz anders aus" Sie zwinkerte mir vergnügt zu und wandte sich wieder zu ihren Pfannkuchen. Ich stöhnte über ihre Bemerkung genervt auf. Daraufhin hörte ich sie leise lachen, und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ich wusste, dass sie sich Sorgen um mich machte. Das konnte ich in ihren Augen deutlich erkennen. Niemals würde ich es wieder zu lassen, dass darin der Schmerz aufkommt, den ich schon viel zu oft gesehen hatte. Mir war alles recht, um sie wieder zum Lachen zu bringen, auch wenn das heißt, über meine Liebesbeziehungen zu sprechen. Ich wollte schon etwas erwidern, da lächelte meine Mutter etwas hinter mir an.

„Vanessa, Liebling setz dich doch und iss was." Wie selbstverständlich stellte sie ihr einen Teller mit mehreren Pfannkuchen neben meinen. Obwohl ich mich nicht umdrehte, konnte ich Vanessas Zögern deutlich spüren. Nach ein paar Minuten bedankte sie sich leise und nahm auf dem Stuhl neben mir Platz. Sie hatte sich die Schminke aus dem Gesicht gewaschen und sah jetzt viel jünger aus. Ich fragte mich wirklich, was die fetten schwarzen Ringe um ihre Augen eigentlich brachten. So stachen ihre braunen Augen viel mehr heraus. Sie leuchteten richtig, jetzt wo die dunklen Umrisse verschwunden waren. Sie bemerkte, dass ich sie musterte und warf mir einen bösen Blick zu.

„Was ist?" Mit einem Schulterzucken wandte ich mich wieder meinem Essen zu. Wieso hatte sie auf einmal so eine schlechte Laune? Vor ein paar Minuten war zwischen uns doch noch alles in Ordnung gewesen. Ich wusste, dass meine Mutter uns beobachtete, also verkniff ich mir meine Frage. Als sie weiter in ihrem Pfannkuchen rumstocherte, breitete sich eine peinliche Stille zwischen uns aus. In jedem Moment hätte ich diese Ruhe genossen, doch jetzt, da meine Mutter noch in diesem Raum war, fühlte sich diese Stille eher beklemmend an. Was hatte ich nur falsch gemacht, dass sie mir die kalte Schulter zeigte?

„Und Vanessa, wie geht es deinen Eltern denn so?" Meine Mutter unterbrach meine Gedanken. Während sie sprach, bedachte sie mich mit einem tadelnden Blick. Was hatte ich jetzt schon wieder getan?

„Ganz gut." Vanessas Antwort kam zu schnell, um ehrlich gewesen zu sein.

„Oh, das hört man doch gerne." Meine Mutter wischte sich lächelnd die Hände an ihrer bunten Schürze ab. Mit einem Nicken gab sie mir zu verstehen, dass ich mich in dieses Gespräch mit einbringen sollte. Ich schüttelte knapp den Kopf. Darauf folgte ein ermahnender Blick ihrerseits. Ich konnte dieses Spiel ewig weiter spielen, sie würde trotzdem nicht nachgeben. Also drehte ich mich zu Vanessa. Krampfhaft versuchte ich ein einigermaßen gutes Lächeln zu Stande zu bekommen und überlegte mir währenddessen ein Gesprächsthema.

„Alles Ok bei dir? Wieso schneidest du so komische Grimassen?" Ich konnte die Belustigung aus ihrer Stimme wahrnehmen. Gut so. Wieder versuchte ich mich an einem Lächeln, da prustete Vanessa neben mir los.

„Was soll das? Du siehst total blöd aus!" Frech grinste sie mich an. Genau das, was ich erreichen wollte.

„Ich sehe doch nicht blöd aus!" Empört funkelte ich sie an. „Dich hat man fast nicht erkannt, so ganz, ohne Schminke."

Sie verdrehte die Augen. „Wenigstens wirke ich nicht wie ein Serienmörder."

Jetzt war ich derjenige, der loslachte. „Da hatte ich gestern Nacht aber ein ganz anderes Gefühl."

„Du warst einfach der Erstbeste, den ich genommen habe. Bild dir bloß nichts darauf ein."

„Ich sage nur die Wahrheit."

„Halt die Klappe" Sie stieß mit der Hand gegen meine Schulter.

„Also habe ich Recht." Ich grinste ihr unverhohlen ins Gesicht. Ich wusste, dass sie das wütend werden ließ. Sie war so durchschaubar. Dieses Mal war ich schneller. Als sie wieder mit der Hand ausholte, konnte ich sie davor am Handgelenk packen und mich somit vor einem weiteren Schlag schützen. Wie immer hatte sie viel zu langsame Reflexe und reagierte zu spät, sodass sie nach ihrem Schwung nicht das Gleichgewicht halten konnte. Mit einem lauten Plumps fiel sie vom Stuhl zu Boden und landete genau auf ihren Hintern.

Ihr Anblick war so witzig, dass ich mir ein Lachen nicht verkneifen konnte. „Mein Gott, du hast echt Reflexe wie ein Stück Toast."

„Niklas!" Ich erschrak, als meine Mutter neben mir auftauchte. Sie hatte ich ja völlig vergessen. Sie fixierte mich kurz mit einem strengen Blick, dann wandte sie sich an Vanessa und half ihr auf. Obwohl ihr Mund zu einer geraden Linie gezogen war, konnte ich es herausfordernd in ihren Augen funkeln sehen.

„Hast du dir wehgetan, Vanessa?" fragte meine Mutter besorgt.

„Mom, sie ist keinen Meter in die Tiefe gestürzt. Ich denke nicht, dass sie sich was gebrochen hat." Diesmal gab mir meine Mutter einen Schlag gegen die Schulter.

„So habe ich dich nicht erzogen, Niklas. Entschuldige dich gefälligst bei ihr!"

„Sorry" Ich grinste Vanessa an. Was war bloß in mich gefahren? Ich wusste selbst nicht, warum ich nicht aufhören konnte zu lachen. Das war wirklich nicht typisch für mich. Bevor meine Mutter mich ein zweites Mal rügen konnte, klingelte es an der Tür. Mit einem Kopfschütteln verließ sie die Küche.

„Du bist echt ein Blödmann, weißt du das?" Trotz ihrer Beschimpfung stahl sich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht. Ich erwiderte es und für ein paar Sekunden verharrten wir in dieser Position. Ihre Haare fielen ihr halb ins Gesicht, schnell griff ich danach und schob es sachte hinter ihr Ohr. Dabei streifte mein Daumen ihre weiche Haut und brachte ihre Wangen damit zum Glühen. Ihr Anblick war einfach atemberaubend. Die Stimmung zwischen uns hatte sich schlagartig aufgeladen und in diesem Moment wollte ich mehr als nur ihre Wange berühren. Ich musste meine ganze Selbstbeherrschung aufbringen, um meine Hand wieder zurück zu ziehen. Ein Glück, dass meine Mutter nicht anwesend war, sonst hätte sie wieder viel zu viel in meine Geste hinein interpretiert.

„Danke." Mir war bewusst für was sie sich eigentlich bedankte.

„Du kannst jederzeit wiederkommen, wenn du Probleme hast." Sie wollte etwas darauf erwidern, da stürmte mein kleiner Bruder in den Raum. Sofort traten wir beide einige Zentimeter auseinander.

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