Kapitel 2
Niklas
Joint kam auf mich zu und klatschte mir fest mit der flachen Hand auf den Rücken.
„Du wirst das schon alles machen, Coach." Sagte er mit einem Lächeln im Gesicht. Die anderen Spieler machten sich währenddessen fertig, zogen sich an und gingen nacheinander aus der Kabine.
Er war mein bester Freund. Schon seit der Grundschule spielten wir gemeinsam in einer Mannschaft. Er war mir, auch in meinen dunkelsten Zeiten, nicht von der Seite gewichen. Deswegen entgegnete ich ihm jetzt ebenso mit einem freudigen Blick. Dann überlegte ich es mir doch anders, ballte meine Hand zur Faust und boxte ihn in die Seite.
„Wenn du mal zum Training kommen würdest, würdest du auch mal was zum Spiel beitragen können. Ich konnte dich heute nicht einmal anspielen."
Mit einem verschmitzten Grinsen hielt er sich die Stelle, wo ich ihn geschlagen hatte.
„Ich hatte keine Zeit."
„Red kein Scheiß." Während ich sprach, band ich mir meine Schienbeinschoner von den Beinen und legte sie in meine Sporttasche.
„Doch, Mann. Die Frauenwelt hat mir mal wieder den Kopf verdreht."
Ich lachte. „Was du nicht sagst."
Bevor Joint jedoch weiter sprechen konnte, kam Thomas, unser Torwart auf mich zu. Er ließ zwei neongelbe Handschuhe neben mir auf die Bank fallen.
„Nächstes Mal vergesse ich sie bestimmt nicht." Ich nickte ihm kurz zu. „Wir sehen uns beim Training." Nachdem wir eingeschlagen hatten, verschwand Thomas auch schon aus der Umkleide und ließ Joint und mich alleine zurück.
„Sogar Thomas kommt zum Training. Und der hat wirklich eine Freundin." Belustigt blickte ich in Joints Gesicht, der mich jetzt böse anschaute.
„Fick dich, Nick." Mit schnellen Bewegungen, zwirbelte er sein Handtuch ein und schlug nach mir. Fuck. Er hatte meine Schulter getroffen. Der brennende Schmerz schoss durch meinen ganzen Körper. Bevor Joint zum nächsten Schlag ausholen konnte, griff ich nach dem Handtuch und hielt ihn davon ab.
„Ok, schon gut. Komm einfach das nächste Mal zum Training, dann können wir an deiner hoffentlich noch vorhandenen Technik arbeiten."
„Bei dir dreht sich auch alles nur ums Spiel, oder?" In seiner Stimme schwang ein vorwurfsvoller Ton mit.
Ich erwiderte nichts darauf, da er die Antwort sowieso schon kannte.
„Komm schon, Nick. Du kannst dich nicht ewig hinter einem Ball verstecken. Hab doch mal wieder ein bisschen Spaß."
„Hab ich doch" konterte ich.
„Du weißt, was ich meine. Heute Abend schmeiß ich 'ne kleine Feier. Und es werden auch viele heiße Bräute kommen." Vielsagend wackelte er mit den Augenbrauen.
„Lass es einfach gut sein." Ich wusste worauf er hinaus wollte, doch seine Masche zog nicht mehr bei mir. Seine heißen Bräute fuhren einfach nicht auf einen wie mich ab. Ich wusste schon jetzt wie der Abend für mich ausging. Verstörende Blicke, die mich trafen und die mir immer wieder mein Aussehen bewusst machten.
„Wenigstens als Captain, solltest du dich bei deinem Team blicken lassen." Joints Stimme holte mich aus meinen Gedanken. Er würde nicht eher locker lassen, bis ich zusagte. Frustriert rieb ich mir über meinen kahlen Kopf und nickte ihm zu. „Meinetwegen"
„Wow. Zeig bloß nicht zu viel Freude, Mann" Joint lachte mir entgegen, als er seine Sporttasche zusammen packte. „Bis dann" Beim Vorbeigehen, klopfte er mir nochmal auf die Schulter. Zischend atmete ich ein und das brachte ihn zum Lachen. „Ich will für dich hoffen, dass du auch wirklich auftauchst." Mit dem Satz ließ er mich in der leeren Umkleide zurück.
Nachdem ich mich geduscht und wieder angezogen hatte, machte ich mich auf den Weg zu meinem Pickup. Er war nicht gerade der Schönste, doch zum Fahren reichte er mir. Ich hatte ihn billig von meinem Nachbarn abgekauft, der, als er in Rente ging, den Wagen nicht mehr brauchte. Glück für mich. Ich war für einen fahrbaren Untersatz echt froh, denn sonst würde ich wahrscheinlich nicht aus meinem Kaff raus kommen.
Als ich die Fahrertür erreichte, schmiss ich meine Tasche auf den Beifahrersitz und steckte den Schlüssel ins Schloss. Nach mehrmaligen Stottern, sprang der Wagen an und ich machte mich auf den Weg zu Joint. Es war zwar noch nicht 18:00, aber es lohnte sich auch nicht mehr für 1 Stunden nach Hause zu fahren. Vor der Haustür setzte ich sicherheitshalber meine Mütze auf, um meine Glatze zu verdecken. Das Kleidungsstück war in den Jahren wie eine zweite Haut geworden, es war undenkbar, ohne sie irgendwohin zu gehen.
Vanessa
Als ich das Wohnzimmer erreichte, kam mir ein süffiger Geruch entgegen und ich zog automatisch die Nase kraus. Sportler hatten das anscheinend immer so an sich. Denn jedes Mal, wenn die Mannschaft unser Haus besetzte, machte sich dieser Geruch bemerkbar. Duschten die nicht nach jedem Spiel? Schnell zog ich meine Jacke aus und hing sie an unsere Garderobe. Das Wohnzimmer grenzte an unseren Eingangsbereich an. Es war nicht sehr groß, doch offensichtlich reichte es für ein ganzes Fußballteam aus. Schnell warf ich einen Blick hinein und entdeckte sofort meinen Bruder, wie er mit einem Mädchen auf dem Schoß, sein Bier trank. Ich verdrehte die Augen. Er musste diese Mädchen mit ihren kurzen Röcken und ihren gemachten Haaren immer wieder her schleppen. Wie jedes Mal ignorierten mich diese Mädchen, als würden sie mich gar nicht kennen. Und als würden wir nicht in dieselbe Uni gehen oder in der gleichen Vorlesung sitzen. Genervt über das Chaos im Wohnzimmer, stapfte ich die Treppe nach oben, Richtung Bad. Ich wusste, dass mein Eyeliner, den ich immer fett um meine Augen zeichnete, verschmiert war. Doch als ich die Badtür aufstieß, hatte ich es gleich wieder bereut. Ein schmatzendes Paar hatte sich in der Badewanne breit gemacht. Das Mädchen lag auf ihm und knutschte ihn mit lauten Geräuschen ab. Oh Gott, ich glaube mir kommt's gleich hoch. Bevor ich mich wieder wegschleichen konnte, hatte mich der Kerl anscheinend erkannt.
„Hey, Vani. Lust mit zu machen?" Luis anrüchige Stimme erkannte ich sofort. Natürlich musste er es sein. Er hatte seine Freundin auf Seite geschoben und musterte mich.
„Nein, danke" Ich legte so viel Ekel in meine Stimme, wie ich nur konnte. Jetzt sah er mich amüsiert mit seinen grauen Augen an. Seine dunkelblonden Haare lagen ihm wirr auf der Stirn. Er sah wirklich nicht schlecht aus. Er mochte bestimmt auch ein netter Kerl sein. Doch ich hatte mir geschworen mit keinem Jungen aus dem Team meines Bruders was anzufangen. Das schrie ja förmlich schon nach Ärger mit ihm. Also ließ ich es gleich sein.
„Ach, da habe ich aber ganz andere Sachen gehört"
Sofort versteifte ich mich. Was hatte er gerade gesagt? Ungläubig starrte ich ihn an.
„Was soll das Luis? Willst du lieber sie haben?" Die Stimme des Mädchens durchschnitt meine Gedanken. Sie machte Anstalten von ihm runter zu klettern.
„Nein, Süße. Ich will euch beide haben." Heilige Scheiße, ich musste schleunigst hier raus, bevor ich noch meinen gesamten Mageninhalt auf den Fließen verteilte. Ich ignorierte beider Blicke und schnappte mir einen Waschlappen, machte ihn kurz nass und verließ mit schnellen Schritten das Zimmer. Das durfte echt nicht wahr sein. Was dachten sich denn diese blöden aufgeblasenen Sportler im... Plötzlich knallte ich mit meinem Oberkörper gegen etwas Hartes und taumelte zurück. Angestrengt versuchte ich zu Atem zu kommen, als sich etwas Festes an meinen Rücken legte. Warm drückte es an mein Kreuz und bewahrte mich somit vor einem Stolpern. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich meine Augen geschlossen hatte, doch als ich sie jetzt öffnete, konnte ich nur einen grünen Fleck ausmachen. Halt. Der Fleck bewegte sich. Auf und Ab.
„Alles OK bei dir?" Die tiefe Stimme riss mich aus meiner Schockstarre. Ich ließ meinen Kopf ein wenig nach hinten fallen und schaute augenblicklich in zwei hellblaue Augen, die mich besorgt musterten. Mir blieb kurz die Luft weg. Ich konnte nur in diese leuchtenden Augen starren. Zu mehr war ich in diesem Moment nicht fähig.
„Vanessa? Geht es dir gut?" Schnell schloss ich die Augen. Sein warmer Arm an meinem Rücken wurde mir plötzlich bewusst. Was machte ich eigentlich hier? Ich musste mich endlich zusammen reißen. Das war doch nur Niklas, ich hatte ihn schon tausendmal gesehen.
Ich schlug meine Augen wieder auf und machte gleichzeitig einen Schritt von ihm weg. Sofort nahm er seinen Arm von mir und steckte beide Hände in die Hosentaschen.
„Alles gut. Tut mir leid, ich wollte nicht in dich reinrennen" Ich schluckte. Sein intensiver Blick machte mich nervös. Nervös? Wieder machte ich einen Schritt von ihm weg. Abstand tat gut.
„Passt schon." Mit dem Satz lief er an mir vorbei. In dem Moment konnte ich seinen Duft wahrnehmen. Er roch sogar nicht wie die anderen Sportler. Frische Minze stieg mir in die Nase und wärmte meine Brust. Ok, das musste sofort aufhören. Ich sah Nick nach, wie er in Joints Zimmer verschwand. Was war bloß los mit mir? Das war ja wohl nicht das erste Mal, dass mich ein Junge berührte. Kopfschüttelnd wollte ich meinen Weg fortsetzen, als Nick wieder vor mir auftauchte. In seinen Armen hatte er mehrere Alkoholflaschen gestapelt und balancierte auf die Treppe zu.
„Willst du das alles alleine trinken?" ich sah ihn belustigt an.
„Mmhh" Brummte er. So kannte ich ihn. Ruhig und recht einsilbig. Er war schon seit meiner Kindheit mit Joint befreundet, ist sogar auf dasselbe Internat wie er gegangen. Sie waren beste Freunde. Doch sie waren auch so gegensätzlich, wie es zwei Menschen nur sein konnten. Joint mit seinem fröhlichen Gemüt, überstrahlte immer Nicks ruhige Ader. Sie ergänzten sich wirklich gut. Jetzt musterte ich ihn von oben nach unten. Er war gut zwei Köpfe größer als ich und braun gebrannt. Sein Körper war schlank, aber dennoch athletisch. Auf seinen Unterarmen zeichneten sich deutlich seine Adern ab. Er besaß bestimmt kein Gramm Fett an seinem Körper. Sowie fast keine Haare. Weder auf den Armen, noch auf dem Kopf besaß er welche. Wieso das so war, wusste ich bis heute nicht. Joint sprach auch nicht darüber. Vielleicht sagte er deswegen nie viel, doch das waren nur Vermutungen. Wie immer trug er eine grüne dünne Mütze auf dem Kopf. Wenn er sie nicht auch im Sommer trug, wäre nichts Komisches dran gewesen, doch auch im Inneren des Hauses setzte er sie nicht ab.
Mit einem kurzen Griff, klaubte ich mir eine Flasche aus seinen Armen und grinste ihn an.
„Ich nehme dir das mal ab." Für einen kleinen Augenblick streifte ich seine warme Haut. Sofort bekam ich Gänsehaut und Nick schaute mich in diesem Moment erstaunt an. Ohne ein weiteres Wort machte ich mich auf in mein Zimmer. Dieses Mal erreichte ich mein Ziel ohne weiteren Zwischenfall.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top