Kapitel 16

Niklas

Auf keinen Fall wollte ich Vanessa derart verletzen. Sie hatte zwar ihr Gesicht abgewandt, doch da hatte ich ihre Tränen schon wahrgenommen. Verdammt. Warum musste Joint ausgerechnet in diesem Moment auftauchen? Dieser legte mir gerade freundschaftlich einen Arm auf die Schulter.

„Alter, du weißt nicht, was ich heute für eine heiße Braut getroffen habe."

„Anscheinend so heiß, um mich sitzen zu lassen." Mein Blick glitt an ihm vorbei, zu Vanessas Zimmer. Es war immer noch dunkel.

„Sorry, Mann." Joint fuhr sich entschuldigend durch seine dunklen Haare. „Aber wenn du sie siehst, hättest du das selbe getan, glaub mir."

„Schon gut. Ich verzeihe dir." Ich schmunzelte. Joint konnte echt verrückt werden, wenn es um Frauen ging.

„Wo warst du eigentlich?" Seine Frage ließ mein aufkommendes Lächeln erstarren.

„Hier und da. Und lief was mit deiner Auserwählten?", versuchte ich ihn abzulenken. Ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Nochmal Glück gehabt. Ich wusste nicht, ob ich ihn hätte anlügen können so wie Vanessa gerade eben.

„Noch nicht, aber der Abend ist ja noch lang."

„Was? Ist sie wohl gerade..."

„Genau", unterbrach mich Joint. „Gerade wartet sie sehnsüchtig auf mich in meinem Zimmer"

„Was stehst du dann noch hier rum?" Ich gab ihm einen Stoß in Richtung Tür. „Mach dich an sie ran."

„Dass ich solche Worte noch einmal aus deinem Mund höre, hätte ich nicht gedacht." Joint sah mich mit einem ironischen Grinsen an.

„Halt die Klappe und verschwinde!" Nachdem ich den Satz beendet hatte, drehte er sich augenblicklich um und verschwand hinter der Tür. Wieder schweifte mein Blick nach oben zum Fenster. Immer noch dunkel. Am liebsten hätte ich Vanessa mein blödes Verhalten im Auto erklärt, doch wie sollte ich es zu ihr schaffen, ohne, dass Joint Verdacht schöpfte. Ihre Handynummer hatte ich auch nicht. Ich konnte nichts tun. Erschöpft ließ ich mich wieder hinter mein Lenkrad gleiten und setzte meinen Pickup in Bewegung. So viel zu meinem Entschluss, mich von ihr fernzuhalten. 


Vanessa

„Was sollte die Scheiße? Ich dachte wir hätten eine Abmachung?" Michelles schrille Stimme übertönte sogar die laute Musik in meinen Ohren. Langsam nahm ich meinen Kopfhörer heraus.

„Was meinst du?" Die Vorlesung hatte schon begonnen. Aber irgendwie hatte ich so eine Ahnung, dass ich dieses Mal noch weniger mitbekam.

„Verarsch mich nicht, Vanessa.", schnaubte Michelle neben mir.

„Hey, du brauchst mich hier nicht so anzumachen. Nicht mein Problem, wenn du nicht bei ihm landen konntest." Sauer drehte ich mich von ihr weg.

Sie schnappte hörbar nach Luft, bevor sie sich vorsichtig umsah. Aha. War da wohl jemand auf seinen Ruf bedacht?

„Du hast ja wohl eine Meise. Hättest du dich nicht an ihn ran gemacht, wäre er mit mir nach Hause gekommen." Sie wischte sich gleichgültig eine Strähne aus der Stirn.

„Mich an ihn ran gemacht? Wie kommst du denn auf so einen Mist? Wann habe ich denn eure intime Unterhaltung gestört?" Herausfordernd sah ich sie an.

„Anstatt mir zu helfen, hast du dich mit so einem ekligen Typen auf der Tanzfläche gerekelt." Bei ihren Worten musste ich schlucken. „Ich dachte du wärst zuverlässig." Ihre Stimme peitschte mir nur so ins Gesicht. Ich gab ihr keine Antwort darauf. Sollte sie doch verschwinden. Mir egal.

„Er konnte gar nicht seine Augen von euch abwenden, so angewidert war er von euch, wie sollte ich da ein richtiges Gespräch mit ihm führen?" Sie sprach jetzt etwas leiser. Nik hatte mich die ganze Zeit beobachtet? Ich dachte ihm wäre es egal, mit wem ich was machte. Eine leichte Wärme breitete sich in mir aus, als ich daran dachte. Konnte es wohl möglich sein, dass es ihm doch nicht so egal war, was ich tat?

„Warum bemühst du dich so? Was springt für dich dabei raus?", fragend sah ich sie an. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Michelle wirklich tiefere Gefühle für Nik entwickelt hatte.

„Ist das denn nicht offensichtlich?"

Ich schüttelte den Kopf.

„Er ist der mysteriöse Typ, an den niemand ran kommt." Bei ihren Worten musste ich die Augen verdrehen. Mysteriös? „Schau mich nicht so blöd an, du weißt was ich meine. Kein Mädchen hatte bis her Erfolg und ich werde die Erste sein."

Ich versuchte krampfhaft nicht zu lachen. Was labert sie da eigentlich? Sie hatte anscheinend meine Belustigung in den Augen gesehen, denn sie funkelte mich jetzt böse an.

„Du glaubst mir nicht? Dann frag ihn doch selbst, wann er das letzte Mal ein Date hatte, oder auch nur mit einem Mädchen gesprochen hatte?"

„Vielleicht ist er ja schwul?" Beim besten Willen konnte ich mir das nicht vorstellen, aber die Lüge war Michelles Gesichtsausdruck wert.

„Spinnst du? Natürlich nicht. So lüstern wie er mich anschaut, kommt das überhaupt nicht infrage." Mein Magen zog sich verdächtig zusammen.

„Was willst du dann noch von mir?" Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die Dozentin, die wild durch die Gegend gestikulierte. Mist. Ich hatte keinen blassen Schimmer um was es gerade ging.

„Mir helfen. Wie gesagt, du kommst am besten an ihn ran. Kannst du mir seine Handynummer besorgen, bekommst du wenigstens das hin?" ihre Stimme triefte nur so vor Spott.

„Kannst du ihn nicht selbst fragen? So wie normale Menschen?"

„Hast du mir denn nicht zugehört? Es ist unmöglich ein Gespräch mit ihm zu führen." Innerlich schüttelte ich meinen Kopf. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Klar, Nik war manchmal einsilbig und nicht gerade gesprächig, aber wenn ich daran dachte, was wir alles in letzter Zeit beredet haben, kam mir ihr Vorwurf ziemlich absurd vor.

„Tust du es oder nicht?", giftete sie mich von der Seite an.

„Ok", Ich hatte keine Lust mehr auf ihr Gedränge und nickte knapp in ihre Richtung.

„Na also, geht doch." Niklas hatte eine Chance auf sein Glück verdient, und vielleicht sollte das ja Michelle sein.

Die Hälfte der Vorlesung hatte ich durch Michelles Generve verpasst. Ich sollte ihr die Nummer besorgen, damit sie mich endlich in Ruhe ließ. Wie sollte ich sonst die Prüfung am Ende des Semesters erfolgreich überstehen? Doch wo fange ich an? Niklas direkt fragen? Da ich mich das letzte Mal ziemlich zickig ihm gegenüber verhalten habe, ging das nicht. Meinen Bruder? Nein. Michelle war nicht dumm, ich wettete, dass sie ihn längst schon gefragt hatte, sonst wäre sie nicht auf mich zugekommen. Viele Optionen hatte ich nicht mehr. Plötzlich fiel mir jemand ein, der mir bestimmt weiter helfen konnte. 


Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top