Kapitel 13

Vanessa 

Was hatte er gerade gesagt? Ungläubig schaute ich ihn an. Er hatte mich die ganze Nacht gesucht? Schuldgefühle machten sich in meinem Bauch breit. Deswegen war er also sauer auf mich. Mist. Ich konnte es ihm nicht mal verübeln. Sein Griff um meinen Oberarm, wurde so locker, dass ich mich ihm hätte einfach entwinden können. Doch anstatt meinen Arm weg zu ziehen, betrachtete ich ihn. Er trug eine kurze schwarze Hose und ein rotes T-Shirt und wieder diese Mütze. Schweiß glänzte auf seiner Stirn, auf seinen Schultern baumelten zwei schwarze Kopfhörer, aus denen ich ein leises Rauschen hörte. Er musste joggen gewesen sein. Seine hellblauen Augen starrten mich an, der wütende Ausdruck darin ebbte mit jeder Sekunde, die wir dastanden immer mehr ab. Ich wollte ihm sagen, dass es mir Leid tut. Dass ich nicht einfach so, hätte gehen sollen. Doch es wollte keine dieser Worte aus meinen Mund kommen. Stattdessen schaute ich in diese intensiven blauen Augen, die mich so sehr an einen friedlichen und ruhigen Nachmittag mit blauen Himmel erinnerten. Erwartungsvoll blickte mich Nick an. Komm schon, Vanessa, sag ihm, dass es dir Leid tut. Sein Blick fiel auf meinen Mund, als ich ihn leicht öffnete. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, hörte ich Markus Stimme hinter uns.

„Tut mir leid, dass ich so lange gebraucht ..." Er stockte. Ich konnte mir vorstellen, was wir für einen Anblick gaben. Wir standen so nah aneinander, dass uns nur wenige Zentimeter trennten, und da war noch Nicks Hand, die auf meinem Arm lag. Auf Markus musste es wie eine vertraute Geste wirken. Als Nick seinen Bruder bemerkte, ließ er sofort seine Hand sinken und machte kopfschüttelnd einen Schritt nach hinten. Ohne noch einmal aufzublicken, bewegte er sich auf die Treppe zu, die an der Küche angrenzte.

„Ich geh duschen." Der Satz war an Markus gerichtet, der immer noch erstaunt schwieg. Ich atmete tief ein und drehte mich zu ihm. Aus dem Augenwinkel sah ich wie Nick die Treppe hinauf hastete. Ich hätte mich entschuldigen sollen. Meine Schuldgefühle wurden immer schlimmer, dass ich unwillkürlich schlucken musste.

Ich durfte nicht so denken. Er hatte mich gestern abgewiesen. Wahrscheinlich war es besser so, dass er jetzt sauer auf mich war. Nicht noch einmal, wollte ich, dass wir uns näher kamen. Ich brauchte Abstand von ihm. Und das erlangte ich nicht hier, in seinem Haus und mit seinem Bruder. Entschuldigend sah ich Markus an, der mit einem Stapel Fotos in seinen Händen auf mich zukam. Noch bevor er etwas sagen konnte, machte ich meinen Mund auf.

„Ich sollte besser gehen. Meine Eltern machen sich bestimmt Sorgen." Letzteres war gelogen, doch das konnte er ja nicht wissen. Noch etwas verwirrt, blickte er mich an.

„Ok. Klar." Er nickte verständnisvoll und begleitete mich zur Tür. Mit einem Arm hielt er sie auf und ich schlüpfte an die frische Luft. Er war wirklich ein Gentleman. Kurz drehte ich mich zu ihm um und lächelte ihn an. „Danke, für den Kaffee."

Er lächelte augenblicklich zurück. „Kein Ding. War schön, dich mal wieder getroffen zu haben."

„Fand ich auch." Nocheinmal schenkte ich ihm ein Lächeln, dann machte ich mich auf den Weg nachHause. Auf dem Heimweg beschloss ich in nächster Zeit weniger Alkohol zutrinken. Das sollte doch wohl machbar sein.


Niklas

„Willst du mir immer noch nicht sagen, was dazwischen dir und Vanessa läuft?" Markus musterte mich interessiert. Ich war gerade vom Training gekommen und hatte ihn in der Küche aufgefunden.

„Ich weiß nicht, was du meinst." Ich stellte meine Sporttasche auf einen der Küchenstühle ab und machte mit einer großen Bewegung den Kühlschrank auf.

„Ach komm schon, sogar ein Blinder hätte die Spannung zwischen euch sehen können. Ein Wunder, dass da noch keine Funken geflogen sind." In seiner Stimme schwang Belustigung.

Kurz inspizierte ich den Inhalt nach etwas Essbarem. Nachdem ich mich für eine Bratwurst, vom Vortag entschieden hatte, wandte ich mich zu ihm.

„Ich weiß echt nicht, was du dir damals eingebildet hast zu sehen." Ich biss genüsslich von meinem Essen ab, als Markus mit den Augen rollte. Es war gut zwei Wochen her, als ich Vanessa das letzte Mal gesehen hatte. Genauso wie ich, versuchte sie mir aus den Weg zu gehen. Immer wenn ich bei Joint war, hatte sie sich in ihrem Zimmer verschanzt und ließ sich nie blicken. Als ob ich darüber enttäuscht wäre, das war ich definitiv nicht. Markus frustriertes Seufzen holte mich aus meinen Gedanken zurück.

„Du wirst mir wohl nie sagen, was Sache ist oder?"

Ich schüttelte kurz mit dem Kopf. Was sollte ich ihm schon groß erzählen? Es lief nichts mit Vanessa. „Da läuft nichts, Markus. Wie oft muss ich es eigentlich noch sagen?" Meine Geduld war fast aufgebraucht.

„Schade, dabei würdet ihr echt ein nettes Pärchen abgeben."

Jetzt war ich derjenige, der genervt die Augen rollte.

„Kümmere dich um dein eigenes Leben, Bruder!" Mit dem Satz, schnappte ich mir meine Tasche und stapfte die Treppe nach oben. Mir gehörte die obere Etage. Ok, eigentlich gehörte mir ein großes Schlafzimmer, ein kleineres für meine Fitnesssachen und ein Bad, das an das Erste angrenzte.

„Dafür dass da nichts läuft, wirst du aber ziemlich schnell aufgebracht" Ich konnte Markus Grinsen hinter meinem Rücken spüren.

„Halt die Klappe!" Bevor ich im Badezimmer verschwand, konnte ich sein lautes Lachen hören. Er hatte wirklich keine Ahnung. Als würde ich meinem besten Freund so etwas antun. Entschlossen schüttelte ich den Kopf. Ich musste unbedingt auf andere Gedanken kommen, da kam mir sein Vorschlag, heute Abend feiern zu gehen, echt entgegen. Nach der Dusche, zog ich mir frische Sachen an und machte mich auf den Weg zu ihm.

Es war kurz nach 21:00, als ich an seinem Haus anhielt. Die Fenster waren stockfinster und ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ich stieg aus, sprintete zur Haustür und betätigte die Klingel. Ich wartete eine gefühlte Ewigkeit. Als sich niemand rührte, drückte ich den Knopf energischer. Das konnte nicht sein ernst sein. Nach dem dritten Klingeln, zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und rief Joint an. Anstatt mit ihm zu sprechen, meldete sich seine Sprachbox. Genervt legte ich auf. In der nächsten Sekunde schrieb ich ihm.

Wo bist du? Ich warte vor deinem Haus!

Um mich ein wenig zu beruhigen lehnte ich mich an meinen Pickup, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete das dunkle Haus. Nach einigen Minuten wanderte mein Blick zu Vanessas Fenster. Es war genauso finster wie alle anderen und augenblicklich fragte ich mich, wo sie wohl gerade steckte. War sie auch ausgegangen, so wie ich es eigentlich vor gehabt hatte? Genervt schaute ich auf mein Handy, das mir keine neue Nachricht anzeigte. Ich schloss die Augen. Gerade heute, wo ich echt Lust hatte mit meinem besten Freund einen drauf zu machen.

„Er ist nicht da." Erschrocken öffnete ich meine Augen und sah Vanessa auf mich zu kommen. Sofort richtete ich mich kerzengerade auf.

„Das habe ich mir fast schon gedacht."

Sie sah umwerfend aus mit ihrer Netzstrumpfhose und dem schwarzen, kurzen Kleid, das eng an ihrem Körper anlag. Ihre schwarzen Stiefel schlurften laut auf dem Gehweg, als sie mit einem kleinen Abstand vor mir stehen blieb. Ihre Augen, die mich neugierig musterten, wurden wie immer von Pechschwarzen Strichen umrahmt.

„Hat er dir nicht gesagt, dass er mit irgendeiner Tussi ausgegangen ist?" Was? Ungläubig starrte ich sie an. Das glaubte ich jetzt nicht. Ohne eine Antwort abzuwarten sprach sie weiter.

„Das ist so typisch für ihn." Sie verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Ein kleiner Hoffnungsschimmer flackerte in mir auf und ich schaute kurzerhand auf mein Handy. Nichts.

„Ich glaube nicht, dass er so schnell wieder kommen wird. Du hättest seinen Gesichtsausdruck sehen müssen. Er hätte das Mädchen nicht mehr so schnell gehen gelassen." Ich blickte zu ihr auf und stellte fest, dass sie ihren Blick auf ihre Füße gesenkt hatte.

„Na dann. Man sieht sich." Ich wollte mich von ihr abwenden.

„Ich wollte gerade in einen Klub gehen. Komm doch mit?"

„Nein" Meine Antwort kam schneller, als ich beabsichtigt hatte.

„Warum nicht?" Vanessa schaute mir fest in die Augen.

„Was?" Seit unserem letzten Gespräch, hatte ich das Gefühl, dass sie genug von mir hatte.

„Warum nicht?" wiederholte sie ihre Frage. „Denkst du, mit mir würde es nicht so viel Spaß machen, wie mit meinem Bruder?"

Ihre Frage traf mich unvorbereitet. Langsam ließ ich meinen Blick an ihr hinab gleiten. Warum ich das in diesem Moment tat, wusste ich nicht. Was sollte ich ihr antworten, um sie nicht zu kränken?

„Du bist seine kleine Schwester, Vanessa." Verdammt, das war wie immer lahm.

„Genau. Und hast du nicht mal gesagt, dass du sein bester Freund seist und deswegen auf mich aufpassen musst?" Sie war einen Schritt auf mich zu gekommen. „Auf einen Drink, dann kannst du meinetwegen wieder verschwinden."

Ihr Duft benebelte meinen Kopf und als wäre ich gerade nicht bei Sinnen, nickte ich wie ferngesteuert. „Ok"

Sie entfernte sich von mir und schenkte mir ein bezauberndes Lächeln. Ob das wirklich eine gute Idee war?

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