Kapitel 12
Niklas
Ich erkannte ihr Lachen sofort, als ich die Haustür aufsperrte. Was machte sie hier? Nach der Arbeit konnte ich mich nicht mehr schlafen legen, da meine Gedanken viel zu aufgewühlt waren, also hatte ich entschlossen eine Runde joggen zu gehen. Doch mit dem Anblick, der mir jetzt bot, hatte ich nicht gerechnet. Das dunkle Lachen meines Bruders gesellte sich zu Vanessas und ich versteifte mich ein wenig. Ich starrte die beiden an, als wären sie mir fremd. Beide saßen am Küchentisch und waren so in ihrer Unterhaltung vertieft, dass sie mich erst nicht bemerkten. Ich nutzte diese Gelegenheit und musterte Vanessa, wie sie mit ihren schwarz verschmierten Augen und zerstörten Haaren meinem Bruder ein weiteres Lächeln schenkte. Sie trug die gleichen Sachen vom Vortag. Automatisch ballte ich meine Hände zu Fäusten, während mich Markus endlich bemerkte.
„Hey, willst du auch einen Kaffee?", fragte er.
Vanessa drehte sich zu mir und erstarrte im selben Moment. Ich musterte ihren Gesichtsausdruck, konnte ihn jedoch nicht deuten. War sie etwa immer noch sauer auf mich? Kurz nickte ich ihr zu und wandte mich dann an meinen Bruder, der mich mit seinen verschlafenen Haaren anstrahlte. Ein Ziehen in meiner Brust machte sich bemerkbar. Mist. Was soll das? Er war mein Bruder. Um mich von den beiden abzulenken, schüttelte ich den Kopf und schenkte mir ein Glas Wasser ein. „Nein, Danke."
Lässig lehnte ich mich an den Küchentresen und wischte mir mit meiner freien Hand den Schweiß von der Stirn. Ich war heute einen Kilometer mehr gelaufen und brauchte dringend eine Dusche. Doch irgendwie wollten meine Beine mir nicht mehr gehorchen und blieben an Ort und Stelle stehen. Ich sah zu den beiden rüber und bemerkte, dass mich Vanessa ebenfalls beobachtete. Als sie meinen Blick traf, senkte sie ihren und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Wusste sie, dass ich sie die ganze Nacht gesucht hatte? Hatte sie überhaupt einen Gedanken an mich verschwendet?
Markus merkte die Anspannung zwischen uns beiden anscheinend nicht und redete munter weiter.
„Nik, kannst du dir vorstellen, dass Vanessa mich echt nicht mehr erkannt hat? Obwohl wir uns doch in unserer Kindheit den Sandkasten geteilt hatten." Ungläubig starrte er mich an und wartete auf eine Antwort meinerseits. Ohne aufzublicken, zuckte ich nur mit den Schultern und trank einen Schluck von meinem Wasser. Was sollte ich großartig darauf erwidern? Sie war gestern wahrscheinlich einfach zu betrunken gewesen, um ihn zu erkennen. Der gehässige Gedanken entfachte Wut in mir und mein Griff ums Glas wurde fester.
„Du hast dich aber auch wirklich verändert, Markus." Versuchte Vanessa sich zu verteidigen.
„Du aber auch." Ich konnte die Bewunderung in Markus Stimme deutlich spüren und hob den Blick. Eine leichte Röte zierte auf ihren Wangen, als Markus sie offensichtlich musterte. Als die Stille zwischen den beiden unerträglich wurde, räusperte ich mich leicht und zog augenblicklich ihre Blicke auf mich.
„Hast du nicht noch Fotos von euch beiden?" Meine Frage richtete sich an Markus. Ich wusste, dass ich ihn damit begeistern konnte. Im Gegensatz zu mir, schwelgte er gerne in der Vergangenheit.
Wie zu erwarten, sprang er in der gleichen Sekunde auf und schaute Vanessa erwartungsvoll an.
„Das ist eine tolle Idee. Bin gleich wieder da." Während er sprach, klatschte er begeistert in die Hände und machte sich auf den Weg in sein Zimmer. Kurz darauf legte sich wieder die Stille in eisigem Schweigen um uns. Anstatt mich unter die Dusche zu stellen und mich hinzulegen, ertappte ich mich dabei, wie ich mich zu Vanessa wandte.
„Und einen schönen Abend gehabt?" Meine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus.
Mit einem bösen Blick funkelte sie mich an. Mein Ton war ihr anscheinend nicht entgangen.
„Was geht dich das an?" Ich konnte ihren Ärger förmlich spüren.
Ich machte einen Schritt auf sie zu. „Ab dem Zeitpunkt, als du einfach so vor mir weg gelaufen bist."
Jetzt stand sie auch auf. Ruckartig schob sie ihren Stuhl nach hinten. „Kann dir doch egal sein, was ich in meinem Leben mache." Fauchte sie mit geballten Fäusten.
„Du bist die Schwester meines besten Freundes, natürlich sollte ich da auf dich aufpassen."
„Hörst du dich eigentlich gerade selbst reden, Nik?" Sie kam auf mich zu bis sie wenige Zentimeter vor mir stand. „Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst."
Ihre braunen Augen funkelten mich wütend an. Ich ließ meinen Blick an ihr hoch und runter gleiten.
„So wie es aussieht schon."
„Jetzt tu nicht so, als hättest du dir ernsthaft Sorgen um mich gemacht, das kaufe ich dir nicht ab." Sie wollte sich von mir abwenden, als ich ihren Arm packte und sie zu mir drehte.
„Verdammt, Vanessa.", ich versuchte nicht mehr meine Wut und meine Frustration von letzter Nacht zu unterdrücken, „Ich habe dich die ganze verfluchte Nacht gesucht. Dir hätte sonst was passieren können." Ich atmete tief ein und lockerte meinen Griff um ihren Arm. „Aber so wie es aussieht, habe ich bloß meine Zeit verschwendet."
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