Kapitel 1
Niklas
Ich war in meinem Element. Kühle Herbstluft blies mir entgegen. Der Regen peitschte mir ins Gesicht und ich musste mehrmals blinzeln, um mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Mit jedem Schritt füllten sich meine Lugen mit Sauerstoff. Genauso schnell verließ er mich wieder, nur um sich in der nächsten Sekunden wieder einen Weg in meine Lungen zu bahnen. Mein Trikot klebte mir wie ein nasser Sack am Körper.
Dreck spritzte mir ins Gesicht, beschmutze meine Mütze, doch das alles konnte mich nicht vom Ball abbringen. Links antäuschen, eine Drehung nach rechts, ließ ich meinen zweiten Gegner hinter mir. Von der Seitenlinie aus konnte ich lautes Gejubel und Gegröle hören, was mich nur noch mehr in Richtung Tor trieb. Ein großer, bulliger Mann kam plötzlich in mein Sichtfeld und rammte mir seinen stämmigen Körper in die Seite.
Mit meiner ganzen Kraft hielt ich gegen den Stoß an und wurde belohnt, als mein Gegner stöhnend von mir abließ. In der nächsten Sekunde, brachte ich den Ball vor mir wieder unter Kontrolle und fixierte mein Ziel. Ein acht Meter breiter und drei Meter hoher Kasten stach mir entgegen. Sein kariertes weißes Netz wehte leicht im Wind. Darin machte ich den Torwart der gegnerischen Mannschaft aus, der herausfordernd in seine großen Hände klatschte. Er wartete nur auf meinen Schuss.
Jetzt war ich nur noch gut 20 Meter von ihm entfernt. Neben mir erkannte ich meinen Mitspieler Luis, der von einem breitschultrigen Spieler gedeckt wurde. Er fiel also aus. Auch Joint, alias Georg, hatte Probleme sich frei zulaufen. Nun blieb es wohl allein an mir.
Mit einem schnellen Schritt, platzierte ich mir den Ball mit einem kurzen Stoß nach rechts, neigte mich leicht nach hinten und ließ meinen Fuß mit voller Wucht auf den Ball zu schnellen. Adrenalin durchfuhr mich, als ich das Leder des Balles berührte. Danach ging alles wie in Zeitraffer. Der Ball flog in hohem Bogen auf das Tor zu. Genau in die linke obere Ecke. Der Torwart hatte die Richtung erahnt und spannte seinen Körper an, um kurz darauf mit einem großen Sprung in die Höhe zu schießen. Die Hand des Torwarts streifte den Ball. Gespannt hielt ich den Atem an. Um mich herum wurde es ganz still und ich hörte nur meinen pochenden Herzschlag in meiner Brust schlagen. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, als das Publikum aufsprang und meine Mitspieler auf mich zu rasten. Erst jetzt konnte ich wieder atmen. Scheiße, ja. Ich hatte tatsächlich getroffen!
Das runde Leder lag im weißen Netz und überschüttete mich mit einem einzigartigen Glücksgefühl. Es erinnerte mich daran, warum ich jedes Wochenende mit meiner Mannschaft auf diesem Platz stand. Ein kräftiger Arm schlang sich um meinen Oberkörper und holte mich in die Wirklichkeit zurück. Joint war auf mich zu gestürmt und bejubelte meinen Treffer. Mit seiner verschwitzten Stirn lehnte er sich gegen meine und entblößte eine Reihe weißer Zähne.
„Gut gemacht, Captain."
Eine weitere Hand legte sich auf meine Schulter und drückte sie nach unten. Jetzt folgten weitere Arme und Hände und irgendwann befand ich mich von meinen Teamkollegen umschlossen.
Trotz meines einzigen Treffers in dieser Partie, gewann die gegnerische Mannschaft und mein Team ging niedergeschlagen in die Kabine. Nachdem ich mich kurz mit dem anderen Trainer unterhalten hatte, folgte ich ihnen. Dort angekommen blickte ich in elf enttäuschte Gesichter.
„Kommt schon, Leute. Das nächste Mal holen wir uns die drei Punkte!" versuchte ich sie aufzumuntern, bekam jedoch nur undefiniertes Gemurmel als Antwort.
Mein bester Freund öffnete als erster den Mund. „Das hast du schon letzte Woche gesagt."
Ich nickte ihm zu. „Natürlich, wir dürfen jetzt auch nicht aufgeben!"
Wieder nur Brummen, das mir entgegen kam. Obwohl ich ebenfalls frustriert über unser ständiges Verlieren war, wollte ich es mir nicht anmerken lassen. Neben dem Teamleiter, hatte ich auch noch die Funktion des Trainers, das durfte ich nicht vermasseln, das war alles, was mir in meinem Leben noch geblieben ist. Meine Liebe zum Fußball hat sich in den letzten zwei Jahren nicht verändert.
„Wir müssen uns mehr auf unsere Stärken konzentrieren und wie wir uns steigern können. Im Training gehen wir unsere Schwächen an, damit uns kein Ball mehr entwischt!"
Vereinzelt konnte ich zustimmendes Nicken wahrnehmen. Das ist es, was ich erreichen wollte. Joint stand unterdessen auf und kam auf mich zu geschlendert. Seine schwarzen Haare standen wie üblich in allen Richtungen ab und auf seinem Gesicht stahl sich sein bekanntes Lächeln. Wir waren seit unserer Kindheit unzertrennlich, Fußball gehörte zu unserem gemeinsamen Hobby. Ich war in meinem Element. Fußball war das Einzige, was für mich im Leben zählte.
Vanessa
Ich war in meinem Element. Ok, das stimmte nicht ganz. Ich war in meinem Element gewesen. Jetzt ließ ich mich erschöpft auf die Matratze fallen und atmete zufrieden ein. Meine verschwitzten Haare klebten an meiner Stirn, doch das war mir egal. Genüsslich schloss ich die Augen und breitete meine Arme zur Seite aus. Plötzlich stieß mein Arm gegen etwas Warmes, Haariges und holte mich zurück ins Hier und Jetzt.
„Du warst der Hammer, Baby"
Jetzt kniff ich die Augen zusammen. Angestrengt versuchte ich meine Ruhe wiederzufinden. Doch die Stimme neben mir, wollte einfach nicht verstummen.
„Was du mit deinem Mund alles anstellen kannst"
Genervt rollte ich mich zur Seite und erblickte den Störenfried. Mit seinen blau, grauen Augen schaute er mich mit voller Befriedigung an. Seine hellen, blonden Haare glichen einem verwuschelten Haufen kurzer Locken. Seine Augenbrauen hatten die gleiche Farbe und lagen schwer über seinen Augen. Sein nackter Körper war braungebrannt und strotzte nur so von Muskeln. Jetzt streckte er seinen Arm nach mir aus. Langsam streichelte er mir über die Wange.
Sie war warm. Viel zu warm.
Mit einem Ruck drehte ich meinen Kopf zur Seite und die Hand, die mir förmlich mein Gesicht verbrannte, fiel von mir ab.
Mit einem genervten Grollen, setzte sich Basti auf und blickte düster auf mich herunter.
„Was hast du denn jetzt schon wieder?". Seine Stimmte zeugte nicht mehr von der Zufriedenheit, die er eben noch verspürt hatte.
Mit einem Schulterzucken hievte auch ich mich hoch. Meine innere Ruhe war wie weg geblasen und ein dunkles, graues Gefühl platzierte sich in meinem Körper.
„Nichts, was soll sein?" Meine Stimme hörte sich komisch an, aufgesetzt.
„Was sein soll? Abgesehen davon, dass wir gerade Sex hatten und du dich verhältst, als würden dich meine Berührungen umbringen. Klar, alles bestens." Mit einem Kopfschütteln schaute er mich an.
„Du warst zuvor mit den Regeln einverstanden" Ich hatte keine Lust mich mit ihm zu streiten. Ich hatte ihm davor klipp und klar gesagt, was erlaubt war und was nicht. Also wieso konnte er es nicht einfach dabei belassen? Doch an seinem Funkeln in den Augen, wusste ich, dass er noch lange nicht fertig war. Gewappnet für seine nächste Ansprache, zog ich mir meine Jeans an.
„Ich durfte dich schon nicht küssen. Und jetzt darf ich dich noch nicht mal mehr anfassen?" Ungläubig starrte er mich an.
Als ich nicht sofort antwortete, stand er wütend auf und zog sich ebenfalls an.
„Weißt du was? Das ist echt krank. Du bist krank." Jetzt wurde auch ich langsam wütend. So sprach keiner mit mir.
„Vor ein paar Minuten hattest du auch nichts dagegen." Wut entzerrt schaute er mich an. Doch ich war noch nicht fertig und sprach schnell weiter.
„Nein hattest du nicht. Es hat dir gefallen. Sehr sogar. Also halt einfach deine Klappe, ok? Tu mir den Gefallen." Noch bevor die Worte aus mir heraus kamen, wusste ich, dass ich es damit nur noch schlimmer gemacht hatte.
Schnell zog ich mein T-Shirt über und schnappte mir meine Chucks. Basti gab ein verächtliches Schnauben von sich.
„Ach, hau einfach ab." Bei seinen eiskalten Worten, musste ich unwillkürlich schlucken. Er war einfach wie jeder Mann. „Verpiss dich einfach. Meine Freundin kommt sowieso in einer halben Stunde wieder zurück."
Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Er hatte eine Freundin? Davon hatte er kein Sterbenswörtchen verloren. Schockiert sah ich ihn an.
Doch bevor ich etwas erwidern konnte, erhob er wieder seine Stimme, die jetzt wie ein ekelhaftes Quietschen in meinen Ohren klang.
„Du hast richtig gehört, du warst einfach nur ein kleiner Zeitvertreib. Mehr nicht. Mit so einer Gestörten wie dir, will doch niemand was anfangen."
Ok, das musste ich mir echt nicht anhören. Mein Puls raste, als ich meine Tasche schnappte und in Richtung Tür stapfte. Mein Atem ging unregelmäßig und hektisch. Ich hätte mich nicht auf ihn einlassen dürfen. Wie blöd konnte ein Mensch bloß sein? Doch er war so nett gewesen, als ich ihn vor ein paar Stunden in der ortsnahen Bar kennen gelernt hatte.
Wütend schüttelte ich den Kopf. Er war ein Arschloch. Er hatte nicht einmal seine Freundin erwähnt. Was hatte ich bloß für einen Schaden angerichtet?
Mit aller Kraft stieß ich seine Tür auf und rannte den Flur entlang, Richtung Haustür. Im Augenwinkel nahm ich eine rot, braun bemalte Vase war. Sie sah teuer aus. Genau, das was ich jetzt gebrauchen konnte. Ohne noch groß zu überlegen, ließ ich meine Hand in die Öffnung gleiten und gab ihr einen kräftigen Stoß nach vorne. WUMS.
Mit einem lauten Knall schlug das Porzellan auf teure Fließen und zerfiel in tausend Einzelteile. Genugtuung machte sich in mir breit und ich konnte ein kleines Schmunzeln nicht unterdrücken. Schnell öffnete ich die schwere Glastür und trat ins Freie. Jetzt konnte ich endlich wieder atmen. Dankbar für die kühle Luft, schloss ich die Augen. Im selben Moment tauchte Bastis Stimme hinter mir auf.
„Du Schlampe!" War alles was ich noch hörte, als ich den kiesbedeckten Weg, raus aus der Hölle, in die Freiheit entlang rannte.
Ich drehte mich nicht ein einziges Mal um, bis ich vor meinem Haus stand, das viel zu klein und verwinkelt aussah. In diesem Gebäude, das von einem zugewachsenen Garten umzingelt wurde, wohnte ich mit meinen Eltern und meinem großen Bruder, der sich jedoch nicht so oft blicken ließ. Wenn er nicht gerade in der Werkstatt seines Kumpels arbeitete, amüsierte er sich die meiste Zeit mit irgendwelchen Mädchen. So wie heute, wo sich viele Autos auf dem Gehsteig reihten. Ich wusste sofort, dass sich mein Bruder mit seiner Fußballmannschaft mal wieder eingenistet hatte.
Ich wartete noch ein wenig ab, bis sich mein Puls beruhigt hatte und holte dann meine Schlüssel aus meiner Tasche. Joint hatte Glück, dass unsere Eltern über dieses Wochenende weg gefahren waren, sonst hätte er seine Party nicht einfach so schmeißen können.
Hey :))
das ist meine erste Story auf Wattpad, ich hoffe sie gefällt euch.
Ich würde mich über hilfreiche Tipps und Kommentare sehr freuen! :)
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