⫷ Kapitel 54: Deine größte Furcht soll deine Waffe sein ⫸
Nanouk wurde von einem heftigen Pochen aus ihrem Traum gerissen. Mit einem Auge noch hoch über dem Meer, schreckte sie desorientiert auf und wunderte sich, warum sie anstatt dem Licht der Sterne, blasses Sonnenlicht auf dem Gesicht spürte. Und anstatt weißer Schwingen erblickte sie ihre eigene Hand, die Yukas hielt. Doch er entzog sie ihr, als er sich verschlafen aufrappelte und die Türe zu seinen Gemächern anstarrte, als wollte er sie alleine mit seinem Blick verdammen.
Das Klopfen erklang erneut, energisch, beinahe fordernd.
Nanouk beobachtete Yukas Reaktion, die von unzufrieden verschlafen, zu beunruhigt schwenkte.
»Eigentlich«, sagte er und räusperte sich, »klopft nie jemand so aufgebracht gegen meine Türe. Außer Maha, wenn ich mich bereits mehrfach bitten ließ, Saghani zu pflegen.«
Nanouk strich sich die offenen Haare aus dem Gesicht und beeilte sich diese in einen Zopf zu flechten, als sie ihre Beine über den Bettrand schob.
»Vielleicht ... war ich zu grob zu ihr«, murmelte Nanouk betroffen, doch Yuka schüttelte nur den Kopf und ging zur Türe. Er sah immer noch zerrupft aus, doch es schien ihn nicht groß zu kümmern, als er die Türe öffnete. »Ischka«, stellte er dann doch verblüfft fest und Nanouk erstarrte.
»Ataha Nauju. Da ich Nanouk in ihrem Zimmer nicht finden konnte«, sie warf einen Blick an Yukas Schulter vorbei in seine Gemächer und Nanouk fühlte sich ertappt dabei, wie sie ihre Wäsche zusammen suchte, »dachte ich mir, dass sie bei Euch ist. Verzeiht.«
Die Oberaufseherin nickte Nanouk zu und deutete ihr mit dem Krümmen ihres Zeigefingers zu ihr zu kommen. »Du solltest längst gewaschen und angekleidet sein.«
Nanouk schluckte beunruhigt und wechselte einen Blick mit Yuka, der aber ebenso verwirrt aussah und dann die Schultern hob. »Was hat denn Saghani nun schon wieder vor?«
Ischka kniff ihre Lippen zusammen, doch ihr Blick huschte hektisch zwischen ihnen beiden hin und her. »Tja. Es ist nicht anaana Saghani, die nach ihr schickt. Es ist der König höchst persönlich.«
Nanouk hörte auf zu Atmen und für einen Moment blieb ihr Herz ebenso stehen, als sie sich an die dunkle, erdrückend lichtlose Welt erinnerte. Selbst Yuka erstarrte und sein Blick huschte zurück zu Nanouk, als erwartete er, eine Antwort auf ihren Gesichtszügen zu lesen.
»Abmarsch«, fauchte Ischka und nicht einmal Yuka erhob das Wort aufgrund dieser Respektlosigkeit.
Nanouk stolperte beinahe über ihre Füße, als sie zur Türe lief. »Ich dachte Nao will mich am Ende der Woche sehen, warum jetzt«, krächzte sie und Ischka sah derart bleich aus, dass Nanouk fürchtete, sie würde selbst in Ohnmacht fallen.
»Ich habe ihn nicht gefragt«, zischte Ischka und packte Nanouk grob am Oberarm, um sie mit sich zu ziehen. »Wann und wen Nao will, steht niemandem zu zu entschließen. Und wenn er gestern nach dir verlangt hätte, wäre es heute deine Pflicht die Zeit zurück zu drehen.«
»Warte-«, brachte Nanouk hervor und drehte sich zu Yuka um. Er stand völlig verloren in der Türe und blickte sie bestürzt an, doch Ischka zog sie um die Ecke und dann war Nanouk gezwungen nach vorne zu blicken, um nicht zu straucheln.
Wallheim war in Aufruhr, die Mädchen wisperten und tuschelten erschrocken, reckten die Köpfe und Nanouk meinte die drückende Stimmung sogar auf der Haut zu spüren. Unter anderen Umständen wäre sie vielleicht beschämt gewesen, halb bekleidet durch das Haus geschleppt zu werden, doch im Moment hatte sie bloß Yuka vor Augen, der schockiert hinter ihr her blickte.
Ischka brachte Nanouk in den Waschsalon, wo zu Nanouks Schreck Saghani selbst wartete. Bereits geschminkt und eingekleidet, um auf Naos spontanem Fest zu erscheinen.
»Warum hat das so lange gedauert?«, fragte sie und Ischka verneigte sich entschuldigend. »Na los! Wascht sie!«
Die zwei Damen machten sich gemeinsam mit Nanouk an die Arbeit, schrubbten sie sauber und wuschen damit endgültig das geborgene Gefühl, welches sie bis eben durch Yukas Gegenwart noch verspürt hatte, von ihrer Haut.
Nanouk half den Damen dabei, die seidene Tunika mit dem Schmuck zu festigen und versuchte Saghanis durchdringenden Blick zu ignorieren, welcher jede einzelne ihrer Bewegungen folgte. Sie schickte die Damen anschließend aus dem Waschsalon, um sich selbst um Nanouks Haare zu kümmern.
Nanouk schluckte schwer, als die Tür ins Schloss fiel und sie mit der Wölfin einsperrte.
»Setz dich«, forderte Saghani und deutete auf den Schemel vor der Frisierkommode. »Ich habe mit Maha gesprochen«, fuhr sie fort, als Nanouk saß und trat hinter sie. »Sie mag dich. Sie vertraut dir und nur aus dem Grund werde ich dich nicht hinrichten.«
Nanouk biss sich auf die zitternde Lippe, ehe sie sagte: »Weil das sowieso irrelevant ist, sollte Nao sich dazu entscheiden, es selbst zu tun.«
Saghani stieß ein Schnauben aus und begann den silbrigen Kamm durch Nanouks Haare gleiten zu lassen. Sie war Trotz ihrer kalten Distanziertheit vorsichtig. »Das stimmt natürlich.«
»Was ist passiert?«, wollte Nanouk wissen, während sie ihre Hände ineinander verkrampfte. »Warum ... jetzt?«
»Was eben passiert, wenn man zu unvorsichtig wird«, antwortete Saghani kühl und begann Nanouks Haare zu flechten. Ein Blick in den Spiegel genügte, um zu erkennen, dass Saghani ihre Haare dieses Mal keineswegs offen lassen wollte.
»Nao wird mir meinen Spielstein nehmen, wie all die anderen davor. Es würde mich mehr schmerzen, wenn mir mein Spielstein davor nicht bereits selbstständig den Rücken gekehrt hätte.«
Nanouk fing Saghanis Blick durch den Spiegel hindurch. »Das habe ich aber nicht.«
Saghanis Mundwinkel zuckte. »Du klingst nicht so, als würdest du lügen und das überrascht mich.« Sie fing an Nanouks Zöpfe mit schillernden Spangen hochzustecken und Nanouk verspürte nicht einmal mehr die Furcht vor ihrer eigenen Tätowierung oder dem Glanz des Silbers.
»Vielleicht hast du Recht«, fuhr sie fort und Nanouk fragte sich, wie ihre Hände so ruhig sein konnten, während ihre eigenen zitterten, wie die einer Greisin. »Vielleicht muss ich mir keine Gedanken um ein gerechtes Ende für dich machen. Und anderseits«, sagte Saghani verschlossen und legte schließlich einen Gegenstand vor Nanouk auf die Kommode, »wage ich es vielleicht dieses Mal mein gesamtes Blatt auf den Tisch zu legen.«
Nanouk blickte auf den Gegenstand hinunter und erkannte die funkelnde Haarnadel wieder, welche Saghani selbst getragen hatte. Die Nadel war beinahe zwei Finger breit und aus poliertem Walknochen geschnitzt worden. An feinen Silberketten am Kopf der Haarnadel waren unzählige fein geschliffene Rubine eingearbeitet, welche rot wie Blut im Kerzenschein funkelten. Ebenso rot wie Nanouks Schärpe.
Die Haarnadel war so lang wie ihre gesamte Hand und kam dabei einem Dolch verräterisch nahe. Sie holte scharf Luft und wandte sich zu Saghani um, die sie mit einem kalten Lächeln bedachte.
»Das ist meine Antwort«, sprach die Herrin Wallheims und deutete zur Türe. »Tu deine Pflicht und erfülle dein Versprechen, wenn du es denn kannst, und vielleicht begegnen wir einander eines Tages auf Augenhöhe.«
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Ischka begleitete Nanouk nach oben ins Foyer, wo sich bereits hektisch, doch nach außen hin Fassung wahrend, die Kurtisanen auf das spontan angekündigte Fest vorbereiteten. Nanouk klammerte sich an die Haarnadel, ehe sie diese mit zitternden Händen in ihre kunstvolle Frisur steckte. Sie hielt nach Yuka Ausschau, doch er war nirgends zu sehen und Nanouks Herz hämmerte ihr ohrenbetäubend in der Brust. Sie hatte sich nicht einmal von ihm verabschiedet und irgendetwas sagte ihr, dass nach diesem Fest alles anders sein würde.
Stattdessen erblickte sie Reiki, der unbehelligt und unbegleitet neben der Türe stand und sie anblickte. Nanouk versteifte sich und es war Ischka zu verdanken, dass sie nicht einfach blieb wo sie war. Die Dame schob sie unbarmherzig direkt auf Ijiraq zu und ging dann vor ihm in die Knie.
»Das Mädchen«, sagte sie, ohne ihn formell zu grüßen und Nanouk war sich sicher, dass es Reiki vollkommen egal war. Er bedachte Ischka nicht einmal mit einem Blick, sondern hob seinen Arm, damit Nanouk sich bei ihm einhaken konnte. Und dann zog er sie einfach hinaus in den kalten Morgen, der nach dem anfänglichen Hochnebel zu einem strahlenden Tag zu werden versprach.
Vor Wallheim stand eine weiße Kutsche, die so schlicht und bürgerlich aussah, dass Nanouk kurz Erleichterung verspürte. Gewiss gehörte dieses simple Gefährt nicht dem Winterkönig. Doch Reiki hielt wortlos darauf zu und bei jedem Schritt verkrampfte sich ihre Hand stärker in Reikis Zaubermantel.
Er ließ sie schließlich einsteigen und Nanouk duckte sich in die Dunkelheit hinter dem Verschlag. Mit dem Kopf voran auf ihr Schafott. Reiki nahm neben ihr Platz und dann setzte sich die Kutsche auch schon in Bewegung. Nanouk nahm Naos Präsenz wahr, noch ehe sie aufsah.
Die kalte Grausamkeit seiner Erscheinung brachte selbst die Luft im Inneren der Kutsche zum frieren und Nanouk fand sich wie damals in seinem Thronsaal nicht in der Lage, den Kopf zu heben. Stattdessen blickte sie auf seine Stiefel und seine Hände, welche er auf seinen überschlagenen Beinen auf dem Knie gefaltet hatte. Die Kutsche war geräumig, doch nicht ansatzweise groß genug, um seiner knechtenden Ausstrahlung zu entgehen.
Viel zu nah, wisperten ihre Gedanken und Nanouk schaffte es nicht, die aufsteigende Furcht zu kontrollieren. Reiki saß stumm neben ihr, als wäre er gar nicht da, doch als Nao die Stimme erhob, spürte sie, wie er sanft zusammen zuckte.
»Es überrascht mich, dich wohlauf zu sehen«, sagte der Winterkönig und legte den Kopf schief, als Nanouk endlich ihren Blick von seinen Händen losriss. »Nein, wahrlich«, lächelte er kalt und in seinen leblosen Augen blitzte Belustigung auf. »Ich hatte die kleine Maus an ihrem Schwanz gepackt, habe mich bereits auf diese Mahlzeit gefreut, doch da ist sie mir entwischt.«
Nanouk biss die Zähne fest zusammen und schwieg. Es wäre ein Wunder, wenn Nao sie nicht eigenhändig auseinander riss. Doch der Winterkönig sah ehrlich unterhalten aus, als sein Blick an ihr herab glitt. »Willst du mir erzählen, wie du das geschafft hast?«
Nanouk musste ihre gesamte Willenskraft aufbringen, um nicht zu Reiki zu schielen, der weiterhin stumm neben ihr saß. Die letzten Male hatte sie in seinem Blick immer ein wenig Halt gefunden, aber dieses Mal fühlte es sich an, als wäre auch noch so ein kurzer Seitenblick ein absolutes Todesurteil. »Ich weiß es nicht, mein Herr.«
Nao schnalzte unzufrieden mit der Zunge und betrachtete sie, als überlegte er sich, statt rohen Tierherzen heute einfach ihres zu verspeisen. Während sie noch lebte, nur um zu sehen, wie lange ihr Schrei gellte, ehe sie vor ihm ausblutete.
»Dann liegt es wohl an meiner fehlenden Expertise«, sinnierte Nao nachdenklich und seine weißen Augen huschten zu Reiki.
»Dabei nähre ich mich doch so vorzüglich. Nichts stärkt besser, als die Kraft eines kleinen Ewigen in Form eines Tieres. Wusstest du«, wandte sich Nao wieder an Nanouk, »dass ich Reiki seit Jahren den Auftrag gebe, mir Sina-wa'siulliq zu bringen? Den schmackhaftesten von allen? Aber er findet ihn nicht. Bringt ihn mir nicht, also muss ich mich langsam vorwärts quälen, mit den mikrigen Portionen der Urahnen begnügen. Hätte ich Sina-wa'siulliq gefressen, dann könnte ich sämtliches Leben einfach zu mir rufen. Müsste mich nicht in diesem kalten Loch verkriechen und darauf warten, dass man mir meine Kraft bringt.«
Nanouk schüttelte entsetzt den Kopf. »Das wusste ich nicht.«
»Lügnerin«, schnappte Nao, doch das Lächeln auf seinem Gesicht wich nicht. »Ich weiß, wen du heimlich suchst und ich weiß auch, was Adassett vorhat. Über Ayielas lächerliche Pläne will ich mich gar nicht auslassen. Doch dem Miststück gebührt ansatzweise mein Respekt. Sie hat sich tatsächlich aus dem Schlamm gezogen, um diesen widerwärtigen Hof aus meinen Fingern zu reißen. Ich frage mich, wie sehr es sie nachts auffrisst, zu wissen, dass sie ihren eigenen Alptraum zu dem unzähliger weiterer Menschen macht. Alleine daran zu denken, stimmt mich heiter!«
Naos Grinsen wurde noch breiter und er holte tief durch die Nase Luft, als erfülle ihn der Gedanke tatsächlich mit kaum zu bändigender Freude. »Und dann schickt sie mir Nanouk«, spottete er fröhlich und nahm Nanouks Hand in seine. »Und ich dachte mir«, fuhr er fort und zog sie näher zu sich, bis sie seinen kalten, toten Atem auf dem Gesicht fühlte, »was wäre unterhaltsamer, als euch allesamt mit der traurigen Farce eines der mächtigsen Geisterwesen eurer beschränkten Welt schachmatt zu führen?«
Nanouk krallte sich mit ihrer freien Hand in den Mantel in ihrem Schoß, um nicht schreiend vor Nao zurück zu weichen.
»Hmm, ja«, seufzte er. »Ich rieche deine Furcht. Wir werden heute solch einen Spaß haben. Ich dachte mir, da ich schließlich König bin, darf ich mir doch auch einmal etwas gönnen. Alleine das Entsetzen auf deinem Gesicht über deine verfrühte Anwesenheitspflicht in meinen Gemächern war es bereits wert.«
Er ließ ihre Hand schließlich los, aber nur, um ihr beinahe schon zart mit den Knöcheln ihr Kiefer entlang zu fahren. »Na komm, freu dich, Nanouk. Ich habe mir solche Mühe gegeben, den heutigen Tag perfekt für dich zu gestalten.«
Nanouk sagte nichts, denn es gab nichts mehr, das sie sagen konnte, was Relevanz besaß. Nicht vor diesem Monster, welches seinem eigenen Spiel mehr als gerecht geworden war. Sie sollte nicht überrascht sein, wusste sie doch längst, dass Nao es liebte mit seinem Hof zu spielen und zuzusehen, wie sich seine Getreuen gegenseitig an die Kehle gingen.
Sie erinnerte sich an Yukas eigenartiges Sinnbild der Jagd und fragte sich mit einem Knoten aus kalter Angst, wen er damals ersonnen hatte, den Jäger zu spielen. War es gar Nao, der seine Untergebenen von einer Hetzjagd in die nächste trieb? Es erschien ihr einleuchtend, wenn denn die Beute etwas wäre, wonach Nao selbst sich verzehrte. Sina-wa'siulliq? Doch wenn der Wolf Saghani glich und die Möwe Yuka machte dies keinen Sinn. Keiner der beiden kümmerte sich um den Ewigen des Lebens. Vielleicht aber ging es gar nicht um eine Person.
Vielleicht, dachte Nanouk mit Schreck bei sich, geht es um ein Konzept. Die Freiheit.
Kämpfte nicht jeder hier oben verbissen darum die eigene Freiheit, wie auch immer geartet, zu erlangen? Gefangen in einer ewigen Pattsituation, weil Nao sein Ziel nicht erreichen konnte und dennoch unbezwingbar war und damit seinen Hof in einem blutigen Kreislauf gefangen hielt.
Der Jäger jedoch durchbrach in Yukas Gleichnis diesen immerwährenden Alptraum, kämpfte sich durch Wolf und dessen Rivalen und erklomm triumphierend die höchste Stufe, während er in ihren eigenen Worten Wolf und Möwe, Rivale und Beute samt und sonders erlegte. Ein Rivale, gegen welchen die Wölfin ihr Rudel zu verteidigen versuchte.
Nanouk wusste nichts mit diesen Tatsachen anzufangen, als ihr der kalte Schweiß auf der Haut prickelte und zwei stechend tote Augen jeden ihrer Atemzüge beobachtete. Wie konnte etwas oder jemand mächtiger sein als Nao? Niemand vermochte es ihn zu erlegen, oder an ihm vorbei in die Freiheit zu gelangen.
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Die Fahrt endete in gleißendem Sonnenschein und dennoch in frostiger Stille. Nao schickte Reiki auf die Jagd und dann war Nanouk mit dem Winterkönig alleine. Er bot ihr sogar einen Arm an und brachte sie durch die stillen Korridore in den Palast. Dabei huschten seine Augen immer wieder von der Umgebung auf ihr Antlitz und Nanouk schaffte es gerade noch neben ihm her zu gehen, anstatt entgegen aller Vernunft einfach Reiß aus zu nehmen. Sein Blick lag hungrig und erwartungsvoll auf ihr, als er alleine durch ihre Furcht entzückter zu werden schien.
Sie hoffte inständig, dass Adassett auf diesen plötzlichen Wechsel vorbereitet war, dass die Tariaksuk aufmerksam aus ihren Hütten spähten und Reiki packten, alsbald sie ihn erblickten. Doch nichts lief nach Plan und Nanouk hatte sämtliche Spielkarten verloren, als Nao sie in den Festsaal führte und sie neben seinem Thron auf die Knie stieß.
Dort verharrte Nanouk, als ihr das Herz Welle um Welle an Adrenalin durch die Adern pumpte. Ihre Hände waren eiskalt, obwohl sie selbst schwitzte und meinte ihre Angst riechen zu können, wie Nao es angedeutet hatte. Sie blickte durch die zwielichtige Halle und konnte nicht glauben, dass selbst jetzt eine gewaltige Menge an Gästen an Naos Festtafeln Platz genommen hatten und Saghanis Kurtisanen lachend zwischen den Tischen umherstrichen. Die Musik schallte laut und eindringlich durch den Saal und untermalte das absurde Gelächter der Gesellschaft. Es kümmerte niemanden, dass der König erschienen war, am wenigsten den König selbst. Nao saß auf seinem Thron und strich Nanouk genüsslich über das Haupt, als er seinen verkommenen Hofstaat musterte.
»Ich dachte anfangs, dass es schneller langweilig werden würde«, sprach er. »Aber eigentlich hat es begonnen richtig Spaß zu machen. Mich in diesem engen Körper zurecht zu finden, hat sicherlich Schwierigkeiten bereitet. Es zwickt und sticht nach wie vor. Aber je mehr Kraft ich sammle, desto dünner werden die Wände dieses Gefäßes. Und irgendwann, wenn die Rune, welche mich geißelt so dünn gescheuert ist, dass ich sie alleine mit meinem Atem brechen kann, dann verschlinge ich euch allesamt. Es wird keinen Morgen mehr für die Menschheit geben. Weißt du, warum ich dir das erzähle?«
Nanouk gab keine Antwort. Nao beugte sich zu ihr nach unten und packte ihr Kinn fest, drückte ihren Kopf nach oben, bis sie ihm in die Augen sehen musste. »Weil ich genießen will, zu sehen, wie du an deinem Wissen erstickst, unfähig diesem Taten folgen zu lassen. Und selbst wenn es dir gelingen sollte, mich aufzuhalten, vergesse ich nicht. Niemals.«
Nanouk keuchte, als Nao sie grob zurück auf den Boden stieß. »Ich frage mich allerdings immer noch, wie ich dich heute quälen soll. Ich könnte Adassett töten«, sinnierte der Winterkönig, als überlegte er bloß, was er heute zu Abend zu essen gedachte. »Oder ich lasse ihn dich töten! Nein«, winkte er unzufrieden ab und schüttelte den Kopf. »Was für ein dummer Gedanke. Dann wäre der Spaß viel zu schnell vorüber. Ich möchte, dass du heute noch für mich bettelst. Aber ich könnte ihm befehlen, dich zu foltern. Vielleicht lasse ich es Reiki tun. Er könnte dir einen Finger für jedes Wort, das er hinter meinem Rücken an dich gerichtet hat, in dem törichten Glauben, ich hörte ihn nicht, abschneiden.«
Nanouk war zu verängstigt, um überhaupt zu weinen. Ihr gesamter Körper schrumpfte auf einen jämmerlichen Haufen Haut und Knochen zusammen, den sie mit keiner Kraft der Welt vom Boden zu hieven vermochte.
Nao seufzte und betrachtete seine Gäste beinahe schon gelangweilt. »Du könntest mir durchaus helfen, Ideen zu sammeln.« Seine Hand strich weiterhin über Nanouks Kopf, als sich mit einem lauten Dröhnen die Saaltüren öffneten und Reiki ankündigten, der von seiner Jagd zurück gekommen war. Demnach hatten die Tariaksuk keinen Erfolg gehabt. Die Musik schlug um in jenes hypnotisierende Trommeln, welches durch die Luft summte und Nanouks Kopf benebelte.
Ihr Herz sprang ihr schmerzhaft in den Hals, als sie sich beim Anblick des Urahn selbst nicht am Zusammenzucken hindern konnte und Nao lachte amüsiert.
»Nun sind wir endlich vollständig. Lasst das Fest beginnen.«
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