⫷ Kapitel 53: Durch den Nebel ans Licht ⫸
»Du willst also, dass ich dir wieder vorspiele«, stellte Nauju mit einem abschätzigen Lächeln fest und ließ seinen Blick in dem lichtdurchfluteten Raum umher schweifen. »Du weißt, dass ich mir nach deinem Eidbruch nehmen kann, was mir zusteht.«
Nanouk drehte sich zu ihm um und betrachtete das goldene Licht in seinen weißen Haaren, die blassen Schatten auf seiner papierdünnen Haut und wunderte sich, dass sie darunter nicht längst seine Knochen erblickte. »Das hättest du längst, wenn du kein Feigling wärst«, sagte sie leise und trat an ihn heran.
Nauju fiel das Lächeln schlussendlich vom Gesicht, als er Nanouk anblickte und sie erkannte, wie seine falsche Maske anfing zu brechen.
»Du bist grausam«, sagte Nauju und seine Mundwinkel zogen sich in dem verzweifelten Versuch, seine Gefühle in Zaum zu halten, nach unten.
»Du lässt mir keine Wahl. Du gehst mir aus dem Weg und bildest dir lieber eine Meinung im Stillen, als dass du mich erklären lässt.«
»Es gibt nicht zu erklären. Du warst in Saghanis Gemächern deutlich genug.«
Nanouk verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast keine Ahnung, was ich empfinde. Wie könntest du auch? Du liebst schließlich nicht.«
Nauju stieß ein abschätziges Schnauben aus. »Dann hat Saghani also Recht gehabt.«
»Und womit?«, forderte Nanouk und spürte, wie sich ein dumpfer Zorn langsam doch gewiss nach oben arbeitete und an ihren Rippen kratzte. »Dass ich dich zur Seite stoßen würde, bloß weil du nicht ich liebe dich sagen kannst? Dass ich nicht die Fähigkeit besitze, mehr als einen Menschen in mein Herz zu lassen?«
Nauju starrte sie bloß verschlossen an und sagte nichts.
»Weißt du, was Adassett mir versichert hat? Neben seiner unbändigen Triebe?«
Nauju rollte mit den Augen und sah zur Seite. »Bitte, erleuchte mich.«
»Er sagte mir«, fing Nanouk an und trat zurück in sein Blickfeld, »dass das eine, was du nicht bist, grausam wäre. Aber im Moment verhältst du dich furchtbar ungerecht.«
Durch Naujus Blick huschte für einen winzigen Augenblick irritiertes Unverständnis und Nanouk versuchte sich an dieses Gefühl zu klammern. Es Nauju nicht entkommen zu lassen, damit er sich ihr gegenüber wieder verschloss.
»Da hat er sich aber verschätzt«, entgegnete Nauju kalt.
»Ja, weil er in dir immer noch den kleinen Jungen von damals sieht«, schleuderte Nanouk ihm entgegen und Nauju hielt die Luft an.
»Weder er noch du haben eine Ahnung, was mich betrifft!«, fauchte Nauju und fuhr sich energisch durch die Haare. »Saghani hatte Recht. Adassetts Lügen sind noch erfolgreicher, als ich angenommen hatte. Ich wette, er musste dich bloß ein paar Tage lang ignorieren, dich nicht anfassen und schon warst du ihm verfallen!«
Nanouk hob die Augenbrauen entrüstet. »Das denkst du von mir?«
Nauju erwiderte ihren Blick mit einem trotzigen Funkeln in den Augen. »Ist es denn falsch?«
»Sag du es mir«, schnappte Nanouk. »Sag mir endlich, was du mir wirklich sagen willst. Es geht hier nicht um Adassett oder Saghani. Dafür, dass ich keine Ahnung habe, was dich betrifft, ist es stechend klar, was du versuchst. Was in dir vorgeht.«
Nauju schüttelte den Kopf und blickte zur Türe, als überlegte er sich einfach davon zu laufen. Doch er blieb wo er war, zwischen Fenster und Sofa und biss die Zähne fest zusammen.
»Du bist felsenfest davon überzeugt, nichts als Leid zu verdienen, weil du dich selbst am schlimmsten von allen verurteilst. Dir ist alles egal, du stehst sämtlichen Beleidigungen teilnahmslos gegenüber, zuckst nicht einmal mit der Wimper, wenn Saghani dich degradiert oder die Damen deinem Verhalten gegenüber die Nase rümpfen«, sagte Nanouk energisch und machte einen Schritt auf ihn zu. Doch Naujus Blick schnellte zurück zu ihr, wie ein Pfeil und hinderte sie daran näher zu kommen.
»Und ich muss es wissen«, sagte sie mit schneidendem Nachdruck. »Schließlich hast du mich des selbigen Gefühls bereits ebenfalls bezichtigt. Du denkst, nur weil du meine Gefühle nicht erwidern kannst oder willst, dass meine Abweisung ebenfalls eine gerechte Strafe für dich ist! Vergessen zu werden dient bloß deinem fürchterlichen Drang nach Selbstzerstörung, damit du ein ich habe es gewusst, denken darfst und dich weiter vor der Welt verschließen kannst. Aber Nauju«, pflügte Nanouk wütend weiter und spürte, wie ich ihre Brust zusammenzog. »Ich habe dich nicht vergessen. Mich kümmert es nicht, ob du mich liebst, oder ob du meine Gefühle erwiderst.«
Nanouk schluckte und machte trotz seines stechenden Blicks einen Schritt auf ihn zu, packte seine Schultern und zwang ihn dazu, sie anzusehen. Nauju war immer noch wie erstarrt, dennoch spürte Nanouk, wie sich sein Körper weiter anspannte. Er griff nach ihren Unterarmen, um ihre Hände von seinen Schultern zu schieben, doch Nanouk ließ es nicht zu.
»Und bei all der Grausamkeit, die du mir unterstellst, bei all der Abgeklärtheit, mit welcher du meine Abweisung dir gegenüber betrachtest, übersiehst du das wesentlichste meiner Gefühle.«
Nauju schluckte heftig, doch schaffte es nicht zu sprechen. Er starrte Nanouk an, als sein Griff zwar nicht lockerer, doch auch nicht bestimmender wurde und sie spürte, wie seine Finger auf ihrer Haut zitterten.
»Dass es mich zerreißt mitansehen zu müssen, wie du dich selbst vernichtest und dir sämtliche Möglichkeiten auf Wiedergutmachung untersagst! Dass du dich dazu zwingst, so grausam zu sein, weil du meinst, es ist der einzige Weg, dich zu schützen. Dass du solche Angst davor hast zu leben«, fuhr Nanouk mit belegter Stimme fort und fühlte, wie die Wut auf Naujus kalte Abweisung langsam zu erdrückender Trauer wurde.
»Dass dir diese Angst längst dein Grab geschaufelt hat und ich nur mit ansehen kann, wie du dich auch noch bereitwillig in dieses bettest«, schloss sie nachdrücklich und mit gepresster Stimme.
»Du verstehst das alles aber nicht«, sagte Nauju tonlos.
»Ach nein? Warst du nicht derjenige, der zu Beginn meinte, er wüsste, wie ich mich fühlte? Dass du genau da knietest, wo ich es nun tue? Ich verstehe mittlerweile sehr gut«, murmelte Nanouk. »Doch du scheinst nicht zu begreifen.«
Nauju presste die Lippen zusammen, als ihm Tränen in die Augen stiegen. Nanouk fühlte sich ebenfalls erschöpft und löste endlich ihre verkrampften Finger aus Naujus weißem Hemd.
»Was begreife ich hier nicht?«, wollte er wissen und holte hektisch Luft, als er die Tränen nieder zu ringen versuchte.
»Dass du mir wichtig bist, Yuka«, sagte Nanouk leise.
Nauju erstarrte augenblicklich, selbst sein Atem stockte, als er sie wie vom Blitz geschlagen ansah.
»Es tut mir Leid«, flüsterte Nanouk, da sie nun selbst kaum mehr Kraft fand, um ihrer Stimme Nachdruck zu verleihen, »dass ich so lange gebraucht habe, um zu verstehen, wer du bist. Ich brauche keinen Handel, um dir meine Hilfe zu versprechen«, fuhr sie fort und Naujus Hände fielen von ihren Unterarmen. »Ich vertraue dir und das gebietet, dass dieses Vertrauen an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Also ja«, wiederholte Nanouk. »Ich löse unsere Abmachung und tausche sie gegen ein Versprechen ein. Ich bringe dich hier fort, darauf gebe ich dir mein Wort. Ich werde Yuka nicht sterben lassen.«
Nauju schloss die Augen und verdeckte sein Gesicht, als seine Schultern von einem stummen Schluchzen geschüttelt wurden.
»Ich kann verstehen, warum du dich weigerst in dich zu blicken«, fuhr Nanouk sanfter fort. »Warum du dich lieber als Widerling betrachtest und in der stillen Übereinkunft mit dir und der Welt, du seist ein Monster, ergeben den Kopf neigst.«
Nanouk duckte sich, um Nauju ins Gesicht sehen zu können, erkannte die Tränen in seinen Augen, als er sie zerbrochen anblickte und legte ihm behutsam eine Hand auf die Schulter. »Aber ich verstehe jetzt, dass es die Umstände sind, welche uns zu Monstern machen. Und Yuka«, flüsterte sie wehmütig, »du bist keines.«
Nanouk zog ihn schließlich in eine Umarmung, die Nauju fest erwiderte. Er vergrub sein Gesicht an ihrem Nacken, weinte in ihre Haare und klammerte sich an sie, als wäre sie tatsächlich der einzige Fels in endloser See. Als wäre dies das erste Mal überhaupt, dass ihn jemand für den Menschen sah, den er für sich selbst aufgegeben hatte.
»Ich war hinter den Sternen«, nuschelte Nanouk und strich ihm vorsichtig über den Rücken. »Deine Melodie hat mich die ganze Zeit umgeben. Ich habe dich nicht vergessen. Ich werde das alles richten. Du sagtest, das wäre deine Bürde, doch wenn du willst, dann nehme ich dir ein wenig von dieser Last und spreche mit Etamashuk persönlich.«
Naujus Schluchzen verklang schließlich in einem gebrochenen Lachen. »Gleich wieder zum Geschäftlichen, typisch.«
Nanouk konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und rollte mit den Augen, auch wenn Nauju das nicht sehen konnte.
»Ich muss ihm sein Gefieder wieder bringen«, murmelte er jedoch leise und löste sich schließlich von ihr. Er holte tief Luft und wischte sich die Wangen trocken, ehe er die Luft wieder ausstieß und sich langsam aufs Liegesofa sinken ließ und den Kopf in die Hände stützte.
Nanouk setzte sich andächtig neben ihn und blickte in sein verweintes Gesicht. Sie musste wieder an ihre eigenen Tränen denken und daran, dass Adassett selbst in seiner Trauer keine einzige vergossen hatte. Sie hatte sich gewundert, ob es daran lag, dass er bereits sämtlicher Trauer Ausdruck verliehen hatte und nun einfach nichts mehr geben konnte, um diese zu zeigen. Doch nun fragte sie sich, ob es eher daran lag, dass sein Schmerz bereits der Vergangenheit angehörte und er es geschafft hatte damit abzuschließen.
»Ist das der Grund, weshalb du meine Hilfe brauchst? Du musst zurück zu seinem Altar?«, wollte Nanouk zaghaft wissen.
Nauju nickte leicht. »Ich ließ mir damals, als Ayiela im Sterben lag, von Anuri den Weg weisen. Sie hat mir gezeigt, wie ich hinter die Sterne gelange, um mit ihm zu reden, denn-«
»Denn du könntest nicht in hundert Leben das eines anderen beenden«, ergänzte Nanouk die Stille in seinen Worten und Nauju schielte zu ihr.
»Nein«, versuchte er sich erneut an Worten, »ich musste Etamashuk'siulliq töten. Aber er hat sich töten lassen.«
Nanouk spürte, wie ihr Herz einen heftigen Satz machte, als sie an die alte Karibu-Kuh dachte und schluckte schwer.
»Aber ich habe versprochen, zu ihm zurück zu kehren, ehe mein Ende kommt«, erklärte Nauju weiter. »Und nachdem, was ich gesehen habe, ist der Weg nachdem das Leben vorüber ist, gar nicht mal so furchtbar.«
»Meintest du das damals damit?«, hakte Nanouk vorsichtig nach. »Als du mich danach fragtest, ob die Ewigen irdische Gefühle hegen?«
Naujus Mundwinkel hoben sich in Stück, doch war das Lächeln trauriger Natur. »Genau das meinte ich. Etamashuk hatte Mitleid mit mir, sein Advokat möglicherweise noch einen Deut mehr. Vielleicht weil ihn seine Nähe zu den Sterblichen anfällig für diese irdischen Gefühle gemacht hat. Ich bin ihm begegnet, Nanouk«, hauchte er und sie erkannte jenen sehnenden Unterton in seiner Stimme, welcher sich in seiner Melodie wiederfand. »Er war bei mir, als ich vor seinem Altar kniete. Ich spürte seine Stimme als sanftes Licht der Sterne, das gleichzeitig so warm und fern war, wie die Sonne, bloß-«
»-kühl«, ergänzte Nanouk und Nauju nickte.
»Wie können die Sterne so warm und kühl zur selben Zeit sein, wundere ich mich. Ich habe nicht gewagt, ihn anzublicken. Nicht, mit dieser Bitte auf den Lippen. Ich habe ihn angefleht, mir seine Gabe zu schenken. Mich anstatt Ayiela zu nehmen, wenn es sein muss. Aber ihr Vergehen war nicht meines. Ich kann nicht aufhalten, was Atashoq ersinnt. Bloß ihre Zeit bis es dazu kommt, hinaus zögern.«
»Und das alles hättest du für Saghani getan ... wenn das nicht Liebe ist, weiß ich auch nicht weiter.«
Daraufhin hob Nauju den Kopf aus den Händen und richtete sich auf. »Saghani liebt mich ganz gewiss nicht auf diese Weise«, fing er mit einem verlegenen Grinsen an. »Sie hat kein Interesse an Männern. Und ich liebe sie ebenso wenig auf diese Weise«, sagte er dann ein wenig andächtiger und wich ihrem Blick aus. »Ich liebe niemanden auf diese Weise.«
Nanouk legte den Kopf schief. »Niemanden?«
»Niemanden. Tut mir Leid, dich so auflaufen zu lassen.«
Nanouk verdrehte die Augen, musste aber auf seinen neckischen Blick anfangen zu lachen. »Du musst mich nicht so lieben, wie ich dich. Ich bin nur froh, dass ich diese ganze Sache zwischen uns wieder richten konnte.«
»Ich mag das romantische Gefühl nicht kennen, aber ich empfinde stark für diejenigen, die mir wichtig sind. Ich würde trotzdem alles für dich tun. So wie ich mein Leben für Ayielas gegeben hätte.«
»Hat Saghani das damit andeuten wollen? Hat sie dir wahrhaftig versucht zu erklären, dass du weniger wert wärst deswegen?«
Nauju wandte den Blick befangen ab.
»Yuka«, stieß Nanouk erschrocken aus. »Du weißt, dass sie damit falsch liegt!«
»Selbstzerstörerische Tendenzen und Anfälligkeit für Selbstverurteilungen«, erinnerte Nauju sie düster und Nanouk schlug ihm heftig gegen die Schulter. »Aua! Ich bin immer noch dein Herr, was erlaubst du dir!«
Nanouk hieb ihm daraufhin bloß noch einmal gegen den Arm und Nauju hob abwehrend die Hände, als ihm ein schmerzverzerrtes Lachen entkam. »Ist ja gut!«
Nanouk schüttelte zurechtweisend den Kopf und rollte mit den Augen. »Heute ist der Tag an dem du beginnst, diesen Tendenzen Lebewohl zu sagen. Du bist gut so, wie du bist. Und sollte Saghani dir jemals wieder Kälte unterstellen, dann möchte ich dich erinnern, dass ich in die andere Richtung ... ausufere.«
Nauju hob eine Augenbraue. »Weil du dich in einen Mörder verliebt hast?«
»Und in einen Vollidioten«, ergänzte Nanouk verschnupft. »Und ich muss dich im Gegenzug enttäuschen, was deine Gefühle deiner Aufopferung betrifft«, sagte Nanouk mit einem halben Lächeln. »Das würde ich nicht wollen. Wehe, du opferst dich für irgendjemanden.«
»Was hat Adassett dir von Yuka erzählt?«, wollte Nauju schließlich nach einer langen Weile der stillen Eintracht zwischen ihnen wissen.
Nanouk hatte ihr verletztes Bein auf das Sofa gezogen und es sich ein wenig bequemer gemacht. Nauju hatte ihre Beine schließlich über seinen Schoß gelegt und vorsichtig begonnen die Narbe zu massieren. Es war merkwürdig angenehm nach all diesen turbulenten Ereignissen einfach gemeinsam mit Nauju im stillen Sonnenlicht zu liegen und die Ruhe zu genießen, die sich nach diesem klärenden Gespräch um sie beide gelegt hatte. »Nicht sonderlich viel«, gestand Nanouk schließlich und suchte Naujus Blick, den er ihr aus geröteten Augen zuwarf. »Er hat mir ... deinen Namen verraten und den deiner Mutter. Den deines Bruders.«
Nauju biss die Zähne zusammen und wandte den Kopf zur Seite, damit Nanouk nicht erkennen konnte, was diese Worte in seinem Gesicht auslösten. »Ich hätte nie gedacht, dass er sich an irgendetwas aus dieser Zeit erinnert.«
»Er erinnert sich wohl an sehr viel, genug, dass er bedauert, was deiner Mutter widerfahren ist.«
Nauju stieß ein ersticktes Lachen aus. »Sein Bedauern sieht aber recht blutig aus.«
»Ja.«
Dann war es wieder eine Weile lang still. Nanouk beobachtete das Lichtspiel in seinen hellen Wimpern und auf seiner blassen Haut.
»Ich hatte drei Geschwister«, sagte Nauju schließlich leise und sein Blick war in weite Ferne gerichtet. Nanouk wusste nicht, wie viel Überwindung es ihn kostete, überhaupt davon anzufangen, also blieb sie reglos sitzen und wartete.
»Ich wollte nie das Heilen lernen. Ich wollte lieber mit Chikuk und Sesi an den Strand, um Kajak zu fahren und mit Nanvuut durch die Moore streifen. Aber nicht, um Beeren und Kräuter zu sammeln, sondern um die waghalsigsten Sprünge über die Sumpflacken zu vollführen. Mit morschen Ästen noch dazu. Aber Mutter ließ mich nie aus den Augen. Sie machte sich immer Sorgen um mich, weil ich der Kleinste war.«
»Mikkituq«, wisperte Nanouk und Nauju warf ihr einen verblüfften Blick zu.
»Genau. Das war ich, bis die Soldaten des Königs kamen und einen nach dem anderen aus unserem Dorf fortholten. Chikuk wollte immer in eine Schlacht ziehen und sein Wunsch sollte erfüllt werden. Aber er hat nicht gegen fremde Feinde gekämpft, sondern gegen sein eigenes Volk, an der Spitze des Berges. Wenn stürmische, übermütige Kinder brechen, schmerzt das umso mehr. Obwohl er immer grob zu mir war«, sagte Nauju bedrückt, »gab es nichts schlimmeres als mitansehen zu müssen, wie sein Stolz gebrochen wurde. Jetzt ist er tot, weil er versucht hat, mich in Schutz zu nehmen.«
Nanouk schluckte. »Es ist nicht deine Schuld.«
Nauju lachte kurz auf. »Da gehen die Meinungen auseinander. Nach dem Tod meiner Mutter gab es nichts mehr, was uns vom anderen Gesinde unterschied«, flüsterte Nauju und seine Finger kamen auf ihrem Oberschenkel zu Ruhe, als er von der Vergangenheit gepackt wurde.
»Ayiela hat mir gezeigt, unter zu gehen, um Naos Wahn zu entkommen. Reiki hat Sesi und Nanvuut geholt, ehe der Palast sie zu Grunde richten konnte.«
»Vielleicht«, fing Nanouk leise an, »sind sie dann noch am Leben. Adassett lässt ab und zu Kinder verschwinden, schickt sie zu Anuri, die für einen Ausweg sorgt. Reiki macht bestimmt das selbe, wenn er kann.«
Nauju stieß ein leises Seufzen aus. »Das war vor über zehn Jahren, Nanouk. Ich weiß nicht, ob Reiki seiner Natur entkommen konnte.«
Nanouk runzelte die Stirn. »Weil Ijiraq Kinder frisst.« Doch diese Aussage klang lächerlich, absurd und Nanouk rieb sich über die Augen.
»Genau«, stimmte Nauju jedoch zu. »Das Märchen von Ijiraq ist gerade um das Zittergebirge weit verbreitet. Mach mir daher bitte keinen falschen Hoffnungen.«
Nanouk richtete sich auf und ließ ihre Beine auf den Boden fallen. »Du bist kein Feigling«, stellte sie dann traurig fest. »Nicht nach allem, was du mir erzählt hast. Nicht nach allem, was dir widerfahren ist.«
Nauju war bloß wie Adassett bis an die Grenzen seiner Existenz gestoßen worden und hatte wie Saghani schlussendlich das Knie gebeugt.
»Ich hatte auch zwei Geschwister«, sagte sie daher und zupfte sanft an Naujus Strähnen. »Anjij ist an einer Erkältung gestorben, weil wir keine Medizin hatten und die Wege nach Aalsung seit Wochen zugeschneit waren. Sie war nicht einmal ihrer Kinderschuhe entflohen. Und Imiaq starb durch ein törichtes Missgeschick meinerseits. Daran zu denken, ein Leben zu beenden, macht mir Angst, weil ich weiß, was es bedeutet. Und selbst Nao«, sagte sie mit schwerer Stimme, »entfacht einen Funken Mitleid in mir.«
»Er verdient es, zu sterben. Selbst wenn er Regenbögen blutet«, schnitt Nauju ihr hart ins Wort und sie blickten einander für einige Augenblicke an.
Nanouk dachte an Sina-wa'siulliq, als er ihr erklärt hatte, was in Nao hauste. Was von Reiki, Adassett und Nao fälschlicher Weise dort eingekerkert worden war. Wie aus einem unbefangenen, freiheitsliebenden und kindlichen Teil eines Wesen wie dem Ewigen der Seele eine derart blutrünstige Bestie werden konnte, verschlug ihr den Atem.
»Nein«, sagte Nanouk schließlich traurig. »Das hat er nicht. Wenn es stimmt, dass er nicht er selbst ist-«
»Dann sind all seine Verbrechen entschuldbar?«, brauste Nauju auf und Nanouk blinzelte erstaunt über seine heftige Gefühlsregung.
»Nein«, lenkte sie daher vorsichtig ein. »Aber Nao hat die letzten sechs Jahre nicht regiert. Er ist besessen und unsere einzige Hoffnung ist herauszufinden, wie wir den Ewigen in ihm von seinen Fesseln lösen können.«
Sie erläuterte Nauju die Begebenheiten, welche sich Adassett und ihr offenbart hatten und fragte sich, ob eine Woche genügte, um herauszufinden, was den Altären fehlte, wie sie Paka finden sollte, oder wie sie Reikis Fesseln lösen konnte. Doch für den Moment waren dies Fragen, die ohnehin auf morgen warten mussten, denn die Sonne senkte sich unbekümmert hinter den Horizont und ließ sie ausgelaugt zurück.
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Nauju begleitete sie, doch Nanouk blieb in der stillen Biegung zu ihrem Zimmer unschlüssig stehen. Sie wandte sich zu Nauju um, der den Kopf fragend schief legte.
»Weißt du, was ich jetzt gerne machen würde?«
Nauju hob skeptisch eine Augenbraue. Er hatte sich wieder gefangen und kaum etwas zeugte noch von dem Gefühlsausbruch zuvor. Bloß seine geröteten Augen wirkten im Kontrast zu seiner bleichen Haut umso verweinter. Seine Haltung jedoch glich wieder jener, mit welcher er sich unbekümmert durch Wallheim bewegte, eine Selbstsicherheit ausstrahlend, von der Nanouk nun nicht mehr genau sagen konnte, ob diese aufgesetzt, oder ehrlicher Natur war.
Sie grinste. »Ich habe mich gefragt, ob es nicht doch noch Dinge gibt, die du mir zeigen kannst.«
Naujus zweite Augenbraue wanderte ebenso nach oben. »Hinsichtlich ...?«
Nanouk rollte mit den Augen. »Hinsichtlich deiner Pflichten. Immerhin«, erklärte sie mit einem unterdrückten Lachen, »haben wir unsere Abmachung ja aufgelöst.«
Nauju blickte sie für einige Momente reglos an, ehe Verständnis sein Gesicht erhellte und gleich darauf glitt ein süffisantes Lächeln über seine Lippen. »Ach. Nach all den Wochen kriegerischer Gegenwehr.«
Nanouk hob bescheiden die Schultern. »Wenn du nicht willst ...«
Nauju hielt sie hektisch zurück, um sie daran zu hindern einfach weiter zu gehen und blickte sich rasch um. »Ich wäre ja wahnsinnig, wenn ich das Angebot abschlüge. Aber«, sagte er zögerlich und Nanouk wandte sich neugierig zu ihm um. »Ich habe keine große Lust mich mit Adassett zu streiten.«
Da entkam Nanouk ein überraschtes Lachen. »Du sorgst dich seinetwegen?«
»Nanouk«, fing Nauju an, als hätte sie gerade etwas unglaublich dummes gesagt. »Adassett ist ein Bär. Drei Mal so groß und mindestens fünf Mal so kräftig wie ich. So sehr ich deine Untreue schätze, möchte ich ihn lieber nicht queren. Und dazu gehört auch, dass ich seine Herzensdame nicht anfasse.«
Nun war es Nanouk, die ihre Augenbrauen anhob und die Arme vor der Brust verschränkte. »Du denkst also, dass ich seine Herzensdame bin.«
Nauju verschränkte ebenfalls die Arme und sah sie herausfordernd dabei an.
»Also erstens«, fing Nanouk an und verzog das Gesicht, »klingt Herzensdame grässlich, also bitte nenn mich nie wieder so, sonst bekomme ich Gänsehaut. Und zweitens weiß Adassett, was ich für dich empfinde. Es war ihm wohl sogar eher klar, als mir«, murmelte sie betroffen, doch musste aufgrund Naujus Gesichtsausdruck beinahe wieder lachen.
»Mach dir deswegen keine Sorgen.«
Nauju lachte nervös. »Ich fürchte, ich muss mich erst daran gewöhnen, dass Adassett kein sittenloser Mörder ist.«
Nanouk schüttelte aber nur sanft den Kopf. »Nein, Adassett ist ein Mörder, aber das ist doch genau der Punkt. Es geht nicht darum zu beweisen, dass er all diese Dinge nicht getan hat. Sondern darum, es besser zu machen. Dem allen endlich ein Ende zu bereiten.«
Nauju blickte sie verkniffen an. »Du hast dich ziemlich verändert in dieser Woche. Was ist aus der vorschnellen Kratzbürste geworden, die mir für einen bloßen Blick in den Ausschnitt einer Dame den Kopf von den Schultern trennen wollte?«
Nanouk seufzte und rieb sich über das Gesicht, ehe sie sich gegen die Wand sinken ließ und in die Stille lauschte, die bloß vom Summen ferner Stimmen in Wallheim durchbrochen wurde.
»Ich weiß, wie das klingt. Und ich habe keine zufriedenstellende Antwort darauf, ohne auszuschweifen. Mir sind einige Dinge klar geworden. Du meintest zu mir, dass ich furchtlos sein müsste, um gegen diesen verkommenen Hof aufzubegehren. Und ich denke, bis zu einem gewissen Grad bin ich das nun. Ich fürchte mich nicht mehr vor meiner Verurteilung und möchte nach vorne blicken, mein Leben ohne Bedauern weiter führen.«
Nauju legte betroffen den Kopf schief.
»Und ich weiß auch, wie meine ... Gefühlsregung auf Adassett wirkt. Wie kann man jemandem, der hunderte Menschen auf fürchterliche Weise umbringt, je verzeihen? Überhaupt Vergebung erlauben?«
Nauju hob missmutig seine Brauen, als stimmte er ihr wortlos zu.
»Deren Familien und Freunde können es vermutlich niemals. Aber das müssen sie auch nicht. Das verlangt niemand von ihnen. Das einzige, was Adassett tun kann, ist weiter zu gehen, so kalt es auch klingt, nach vorne zu blicken und die Vergangenheit ruhen lassen. Wir stehen nicht still«, erklärte Nanouk leise weiter, als Nauju sie nicht unterbrach. »Das Leben steht nicht still, niemals und ganz gleich, was für Fehler wir begehen, müssen wir immer weiter ziehen. Und wenn man sich mit seiner Vergangenheit einsperrt und sich selbst diesem Weg verweigert, dann wird jede schlechte Tat genau das bleiben. Unbeantwortet und alleinstehend.«
»Ich lasse mir das einreden, wenn du von der Lüge sprichst. Oder davon, jemandem etwas zu stehlen. Doch das Leben, Nanouk?«
Sie verzog das Gesicht mitleidig und spürte einen festen Stich im Herzen, als sie Nauju anblickte. »Du hast Recht. Vielleicht versuche ich mir nur selbst einzureden, ich hätte es verdient um Vergebung zu bitten. Aber es bringt Imiaq nicht zurück, wenn ich grausam zu mir bin. Es bringt deine Geschwister nicht zurück und macht nicht ungeschehen, was du getan hast, um zu überleben. Aber du bist am Leben und dadurch hast du die Möglichkeit, deine Vergangenheit als solche stehen zu lassen. Vergangen.«
Nauju blickte zur Seite. »Hast du auch Saghani so bemuttert?«
Nanouk entkam ein ersticktes Lachen, als sie die Furcht um diese Auseinandersetzung einholte. »Vermutlich beißt sie mir dafür den Kopf ab.«
Nauju grinste daraufhin schief. »Ich will gar nicht wissen, was sie in diesem Versuch an Begleitschaden zulässt. Vermutlich bringt sie mich selbst um, weil ich dir geholfen habe. Daher würde ich lieber zu unserem vorherigen Thema zurückkehren, ehe es dazu kommt. Immerhin bin ich eigennützig.«
Nanouk rollte mit den Augen, doch ließ sich von Nauju durch Wallheim führen, bis sie in seinen Gemächern ankamen. Sie hatte erwartet, dass es nach all den Wochen, in welchen sie ihm seine Arbeit hier vorgeworfen hatte, seltsam sein würde, doch als Nauju die Türe hinter ihnen verschloss, war er beinahe wie ausgewechselt.
»Du bist ein sonderbarer Mensch«, sagte er nachdenklich und betrachtete ihr Gesicht für die ersten Augenblicke, ohne sich zu rühren. Als müsste er sich erst bewusst machen, was hier geschah.
»Nicht sonderbarer, als jeder andere hier. Ich besitze keinen Zaubermantel, keinen Einfluss und keine Mittel. Das einzige, was mich sonderbar macht«, überlegte Nanouk, »ist mein lahmes Bein.«
Nauju grinste und ließ seinen Blick an ihr herab wandern. »Ich habe dein Bein über die letzten Wochen lieb gewonnen, sei also ein wenig höflicher dazu.«
Nanouk rümpfte die Nase. »Sonderbarer als diese Aussage, ist hier oben wenig.«
Nauju rollte mit den Augen, doch konnte den Schalk nicht aus diesen vertreiben. »Ich hatte genügend schlaflose Nächte, um mir ausmalen zu können, was ich damit machen möchte.«
Er drückte Nanouk bestimmend zu seinem Bett hinüber und diese Selbstsicherheit in seinen Bewegungen, nach all den vergossenen Tränen, ließ Nanouks Wangen vor Erwartung glühen.
»Hör auf, sonst überlege ich mir das hier noch anders.«
Nauju lachte verhalten. »Tut mir Leid, das wäre äußerst unklug von mir.«
Nanouk schnaubte ein Lachen und konnte nicht leugnen, dass ihre Worte mehr dazu dienten, um sich selbst zu beruhigen. Sie fühlte sich ganz anders, als mit Adassett, als sie beide in brennendem Verlangen zwischen den Fragen, ob dies klug oder gefährlich, überstürzt oder richtig war hindurch tauchen mussten. Sie stand Nauju völlig anders gegenüber, schüchterner, obgleich es sie irritierte, weswegen.
Vielleicht, weil er sein Interesse an ihrem Körper von ihrer ersten Begegnung an deutlich klar gemacht hatte und sie nun fürchtete, sie würde seinen offenkundigen Erwartungen nicht gerecht werden können.
Nanouks Hände zitterten Trotz ihrer Überzeugung und dem Wunsch nach dieser Zweisamkeit, als sie diese Naujus Kragen hinauf wandern ließ. Was ließ sie mit einem Mal so nervös werden? Eben noch hatte sie mit bodenständiger Überzeugung festgestellt, dass sie Nauju auf diese Weise wollte.
Aber das hier ist nicht Nauju, dachte sie atemlos bei sich, als er schließlich den Abstand zwischen ihnen mit dem Senken seines Kopfes überbrückte und sie langsam und sinnlich küsste. Das hier ist Yuka.
Nanouk wurde auf einer ganz neuen Ebene hibbelig, als sie begriff, wie wenig sie über Yuka wusste und wie viel er sein konnte. Wie viel er bereits war und wie viel er für sie sein könnte, wenn sie einander ließen.
Nanouk keuchte leise auf, als Yuka sie gegen den Bettpfosten drückte und anders als Adassetts verzweifelte Zurückhaltung keine Scheu zeigte, sie zu berühren. Alles ging so schnell und dennoch so unendlich langsam, dass Nanouk meinte, noch zu verglühen, ehe sie nackt war. Yukas Kuss war gemächlich und präzise, als er ihre Lippen mit der Zunge aufdrückte und Nanouk ihn atemlos gewähren ließ. Sie schob ihre Hände in seinen Nacken und zog ihn fester zu sich, woraufhin Yuka anfing zu grinsen.
»Ich hätte dich nie für dermaßen ungeduldig gehalten.«
Nanouk lachte nervös. »Immerhin müssen wir einiges aufholen.«
Yuka hob seine Brauen und der Schalk sprühte aus seinen ockernen Augen. »Was auch immer du mit Adassett gemacht hast, es gefällt mir.«
Nanouk lachte atemlos und fing an seinen Gürtel zu öffnen. »Bei weitem nicht genug. Ich könnte deine Hilfe gebrauchen, um das eine oder andere zu perfektionieren.«
Yuka blickte auf ihre Hände hinunter. »Da reicht eine Woche nicht einmal ansatzweise aus.«
Nanouk rollte mit den Augen und löste die Knöpfe seiner Hose. »Würdige diesen Augenblick. Immerhin fällt es mir Dank deiner selbstlosen Heilbehandlung beinahe spielend leicht, mich hinzuknien.«
Nanouk warf ihm einen Blick zwischen den Wimpern hindurch zu und erkannte, wie er sich auf die Lippe biss, doch ebenfalls mit den Augen rollte. »Fürchtete ich mich nicht derart vor Adassett, würde ich ihm wohl selbst auf Knien danken«, lachte er und Nanouk entkam ebenfalls ein belustigtes Schnauben.
»Ich hätte nichts dagegen, euch beide gleichzeitig zu genießen.«
Yuka beäugte sie leicht vor den Kopf gestoßen und Nanouk musste erneut lachen, doch alleine die Vorstellung ließ sie atemlos zurück.
Yuka ließ sich beinahe kommentarlos verwöhnen und vergrub seine Hand in ihren Haaren, ehe er sie sachte auf Abstand schob, um sich stattdessen ihr zu widmen. Nanouk zerfloss beinahe unter seinen zarten Berührungen, die dennoch fordernd und beinahe bestimmend waren. Er küsste die Narbe an ihrem Bein und massierte sämtliche Anspannung aus ihrem Körper, ehe er sie langsam von hinten nahm. Sein Atem strich ihr übers Ohr, als er ihren Nacken küsste und seinen Arm um ihren Oberkörper schlang, bis sie atemlos seinen Namen flehte. Sie so lange hinhielt, bis Nanouk sich so ausgiebig nach der Erlösung verzehrte, dass sämtliche Gedanken ihren Verstand verließen und nichts zurück blieb als das Gefühl von Yukas Körper an und in ihrem.
Völlig verausgabt, obwohl sie sich selbst kaum bewegt hatte, rollte sie sich neben Nauju auf den Rücken und erwiderte sein selbstgefälliges Grinsen.
»Annehmbar«, lachte sie atemlos und Yuka stimmte empört ein.
»Ich tu so, als hätte ich das nicht gehört. Du bist noch völlig neben dir und sprichst wirr.«
Nanouk lachte bloß wieder und konnte kaum in Worte fassen, was sie fühlte. Sie war zufrieden, glücklich und entspannt. Ungehetzt, schläfrig.
Aber an Schlaf war nicht zu denken. Es gab so viele Dinge, die Nanouk fragen wollte, jetzt, da sie das Gefühl hatte ihn besser verstehen zu können, doch Yuka sah das erste Mal tatsächlich zufrieden aus und sie wollte diese Illusion nicht zerstören.
Er hielt nichts vom Kuscheln, doch das machte Nanouk nichts, sie beobachtete ihn mit einem erschöpften Lächeln dabei, wie er sich wieder anzog und streifte sich selbst das Hemd ihrer Arbeitskleidung über. Das Letzte was sie wollte, war es ihm unangenehm zu machen und rollte dann über ihre eigene Einfältigkeit die Augen.
Sie lagen noch eine Weile lang in der Dunkelheit nebeneinander und Nanouk lauschte Yukas Atem.
»Danke«, sagte er schließlich und Nanouk wandte ihm fragend den Kopf zu. »Für-«, fing er an, doch brach ab.
»Dafür, dass ich deine Hilfe in Anspruch genommen habe?«, fragte sie belustigt, doch Yuka schnaubte bloß.
»Nein. Ja, doch, dafür auch, aber das meinte ich nicht. Dafür, dass dein verrücktes Herz überhaupt in der Lage ist einem Jammerlappen zu vergeben. Mich zu mögen, Trotz all der ... Umstände.«
Nanouk zuckte leicht mit den Schultern und drehte sich zu ihm um. »Mein Herz, meine Regeln. Wenn ich dir unangenehm werde, lass es mich aber wissen. Ich weiß nicht, wo du deine Grenzen ziehst«, sagte sie dann andächtig. »Ich möchte dir nicht zu nahe kommen, wenn es dir Unwohlsein bereitet.«
Yuka blickte sie belustigt an und Nanouk konnte das schwache Mondlicht in seinen Augen funkeln sehen. »Du weißt doch, bring mir bloß keine Blumen.«
Nanouk schüttelte amüsiert den Kopf. »Diese Geste ginge hier in Wallheim ohnehin verloren, so viele Blumen, wie hier absurderweise blühen. Und nenn dich selbst keinen Jammerlappen. Ich finde deine Tränen vollkommen verständlich. Weißt du was mich eher irritiert? Dass Adassett überhaupt nicht weint. Ich verstehe nicht, warum sich überhaupt irgendjemand wegen Tränen schämen muss.«
»Weil sie Schwäche signalisieren«, meinte Yuka trotzig und verzog verärgert die Brauen.
»Pah«, schnaubte Nanouk düster. »Sich hinter falscher Verwegenheit zu verstecken, weil man sich selbst belügen will, klingt eher nach Schwäche für mich. Wenn du rückhaltlos weinen kannst und das vor einem Publikum, dann gebührt dir mein gesamter Respekt und ich würde dich hundert Mal in einer Nacht nehmen.«
Yuka entkam ein überschwängliches Lachen, wie Nanouk es gar nicht kannte und stimmte mit ein. »Das merke ich mir.«
Daraufhin blieb es still und Nanouk lag zufrieden und lauschend in der Dunkelheit, bis Yukas Atem neben ihr in einen sanften, gleichmäßigen Rhythmus überging. Erst dann schloss sie selbst die Augen und ließ sich vom Schlaf davontragen.
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