⫷ Kapitel 26: Das Fest des Winterkönigs ⫸
Während Nauju sich um ihr Bein kümmerte, zwang sich Nanouk jene Fragen zu stellen, die sie die vergangenen Tage vehement vor sich her geschoben hatte. Das stete Unbehagen, das sich in ihr ausbreitete, als sie an den Hünen dachte, machte es beinahe unmöglich, sich bewusst darauf einzustellen. Doch nun, als ihr langsam aber gewiss die Zeit ausging, wollte sie nicht vollkommen blind in den morgigen Tag schreiten.
Nauju zeigte sich auch jetzt wieder seltsam aufgeschlossen und beschränkte seine hinterlistig funkelnden Blicke auf wenige Aussagen.
»Es wird weh tun, wenn du dich nicht darauf vorbereitest«, meinte er schließlich und Nanouk verzog den Mund zu einem geraden Strich.
»Wollt Ihr damit sagen-«
»Dass Adassett sich sicherlich nicht mit ausreichend Vorspiel aufhalten wird, um dir diese Unannehmlichkeit zu ersparen«, unterbrach sie Nauju energisch. »Versuche daher irgendwo in dir einen Ort zu finden, der dir gefällt und so schwer es auch sein mag, zumindest eine rudimentäre Lust erweckt.«
Nanouk starrte Nauju mit zusammengekniffenen Lippen und heißen Ohren an. »Ich soll mir unschickliche Gedanken machen?«
Nauju lachte und schlichtete seine Zutaten zurück in die Arzneitasche. »Wenn du das überhaupt kannst. Ich könnte dir dabei helfen.«
Nanouk schüttelte mit einem aufgebrachten Seufzen den Kopf. »Ich weiß sehr wohl, wie das funktioniert«, fauchte sie und Nauju grinste ihr amüsiert zu, sodass sie selbst beinahe anfing zu lächeln. »Ich will kein Wort von Euch hören!«
Nauju hob die Hände, doch das amüsierte Funkeln wich nicht aus seinem Blick.
»Woher wisst Ihr das überhaupt alles?«, fragte Nanouk dann und rieb sich über die erhitzten Wangen.
Nauju legte den Kopf schief und hob eine Augenbraue, als er ihr antwortete. »Weil es meine Aufgabe ist, diese Dinge zu wissen«, erklärte er ihr und die Belustigung wich offener Nachdenklichkeit. »Weil ich mich um die Mädchen und Damen Wallheims kümmere und nicht nur in dieser von dir so verurteilten Weise.«
Nanouk öffnete den Mund, doch klappte ihn mit einem Schnauben unverrichteter Dinge wieder zu.
»Oh doch«, nickte Nauju. »Weißt du eigentlich, wie viele Frauen hier ankommen, die gar nicht wissen, was sich in ihren Körpern abspielt? Warum dieser selbst bei den fürchterlichsten Übergriffen dazu in der Lage ist, auf Reize zu reagieren? Woher der Schmerz kommt?«
Nanouk sank ein Stück in sich zusammen. Sie hatte Nauju nie danach gefragt und stets bloß anhand Vorurteilen über seine Anwesenheit in Wallheim die Nase gerümpft. Ihr war nicht einmal in den Sinn gekommen, dass seine medizinische Ausbildung weitaus mehr beinhaltete, als Wundersalben an zu mischen.
Nauju schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Natürlich weißt du es nicht. Ich behaupte nicht, dass es mir keinen Spaß macht mit Wallheims Damen zu schlafen, aber genauso wenig bin ich der treibende Zwang, der sie ans Bett fesselt. Also«, fuhr er dann fort und nickte in ihre Richtung. »Wenn es dir irgendwie möglich ist, fass dich selbst an, bevor Adassett dich völlig trocken in seinem betrunkenen Zustand zerreißt.«
Nanouk konnte sich nicht helfen und schlug die Augen nieder. »Entschuldigt, ich wollte nicht-«
»Respektlos erscheinen«, unterbrach sie Nauju erneut. Er seufzte und rieb sich die Stirn. »Verabschiede dich möglichst früh von deinem Schamgefühl, denn hier gibt es nichts, wofür du dich zu schämen brauchst.«
Nanouk schluckte beklemmt und nickte.
»Und wenn du einen letzten, gut gemeinten Rat hören willst, lass es einfach über dich ergehen. Betrinke dich so stark wie nur möglich und bring es hinter dich.«
Nanouk konnte diesem gut gemeinten Rat wenig abgewinnen, doch sich beim besten Willen auch keine andere Strategie einfallen lassen.
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Am nächsten Morgen wurde Nanouk früh aus ihren Albträumen gerissen. Sie konnte jedoch nicht sagen, was ihr lieber war. Zwischen den abgenagten Skeletten des Blutwaldes hindurch zu laufen, während der Eisdämon zischend hinter ihr her schnürte, oder direkt an den Palast geschleppt zu werden.
Ischka kam sie holen und brachte sie schweigend in den Waschraum, in welchem sie auch schon das letzte Mal zurecht gemacht worden war. Man schrubbte sie auch jetzt von Kopf bis Fuß, frisierte ihre Haare und rieb sie mit duftender Seife ab, nur um ihre Haut anschließend mit noch intensiver riechenden Ölen zu benetzen.
Die Garderobe, die man für sie maßgeschneidert hatte passte zwar tatsächlich wie angegossen, doch das war durch die Art des Gewandes nicht schwer. Die seidenen Tücher, die mit winzigen Mustern bestickt waren, hingen flüchtig an ihrem Körper herab und wurden nur von silbernen Fibeln an Schultern und Hüften zusammen gesteckt. Nanouk spürte ihr Herz heftig schlagen und unter dem nach Blumen duftenden Öl bereits den Schweiß ausbrechen. Da half es auch nicht, dass man ihr die Tunika aus besticktem Brokat und anschließend die rote Schärpe so fest um den Bauch fest zog, dass sie kaum noch Luft bekam.
Das kalte Metall des Schmucks raubte ihr dann auf ganz neue Weise den Atem und als Ischka ihr dann voller Genugtuung die Haare streng und fest in ein umständliches Kunstwerk frisierte, war ihr so übel, dass sie meinte, sich noch hier auf den Boden übergeben zu müssen. Jede Berührung auf ihrer nackten Haut sandte kalte Angst durch ihren Körper und Nanouk wunderte sie sich, ob sie gleich hier vergehen würde.
Es bedurfte gar keines Eisdämons, keines Winterkönigs und keines Henkers, um ihr Ende einzuläuten. Eine handvoll Saphire, ein Meter Seide und ein Kamm aus filigranem Muschelkalk reichten, um sie zum Straucheln zu bringen. Wie konnte sie jemals von sich behaupten, auch nur irgendjemanden retten zu wollen?
Nanouk reagierte nicht, als Ischka sie ein letztes Mal zurecht wies, hörte keine ihrer Beleidigungen und konnte nur hoffen, dass Nauju Recht behielt und sie bis zu dem Moment, in welchem Adassett sie auf sein Bett zwang, genügend Wein getrunken hatte, dass sie gar nicht mehr bei Sinnen war.
Man brachte sie anschließend nach oben ins Foyer, wo Saghani bereits auf sie wartete. Die Herrin Wallheims sah majestätisch aus wie eh und je, bemalte Lippen und nachtblaues Kleid, bereit ihren Zug zu tun, beziehungsweise ihre Spielfigur aufs Feld zu setzen. Nanouk behagte nicht, dass sie diese Spielfigur war und keine versichernden Worte Naujus vermochten ihre Furcht zu vertreiben. Sie würde leiden. Mit zitternden Fingern stellte sie sicher, dass die Frisur an ihrem Nacken lose genug war, um die Glyphe zu verdecken.
Für die Kinder, zwang sich Nanouk in Gedanken zu wiederholen, als sie einen Schritt vor den nächsten setzte und sich anschließend den Mantel überzog.
Für das Ende dieser Knechtschaft, zwang sie sich zu denken, als Saghani sie in die Kutsche schob und der Ruck des sich in Gang setzenden Gefährt beinahe ausreichte, um ihren Magen umzudrehen.
Für Saghanis Wohlwollen und ihr Vertrauen, schluchzte sie innerlich, als man sie schließlich nach der Kutschfahrt in den Palast zerrte. Denn mit Saghanis Vertrauen konnte sie vielleicht oben auf schwimmen, wenn sie ihre anderen Gebrechen in die Tiefe zu ziehen drohten.
Für mich selbst, flüsterte, als man ihr den schützenden Mantel abnahm und zwischen den anderen Kurtisanen durch die Gästeräume führte, damit sie direkt an Saghanis Seite in den Saal treten konnte.
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Der Festsaal war riesig. Das Deckengewölbe verlief sich in der schummrigen Dunkelheit hoch über ihren Köpfen und die tief hängenden Kronleuchter reichten nicht einmal dazu aus, um den gigantischen Saal auszuleuchten.
Nanouk fühlte sich entfernt an den Thronsaal erinnert, doch verdeckten hier schwere, lichtundurchlässige Vorhänge aus schwarzem Samt die Fenster und sperrten jeden noch so feinen Sonnenstrahl zu Gunsten der Atmosphäre vollkommen aus. Das spärliche Kerzenlicht tauchte die Festgemeinschaft vor ihnen in ein sinnliches Ambiente, das durch die roten Seidentücher verstärkt wurde, die zwischen den Kronleuchtern gespannt waren.
Der Fokuspunkt des Festsaales war eindeutig das erhobene Podest, auf welchem der Thron stand und die fünf Langtische, die sich davor ausbreiteten. Der Raum zwischen der Türe, durch die sie eben gekommen waren, und den Tafeln der fünf Getreuen, diente den reichen Gästen am Palast. Nanouk konnte gar nicht sagen, wie viele Schritte es waren, die sie durch die Reihen der Adeligen schritt, wie viele Leute sich hier lachend und speisend unterhielten, während sinnliche Musik vom Rande des Festsaals über die Menge schwebte, oder wie viele Augenpaare tatsächlich auf das Rot ihrer Schärpe gerichtet waren.
Für sie zählte nur der stechende Blick des Winterkönigs, der sie über das Geschehen hinweg regungslos erfasste. Sein schlohweißes Haar leuchtete selbst im spärlichen Kerzenlicht wie eine kalte Drohung, niemals zu vergessen, wer hier oben residierte. Er saß wie eine Statue, gemeißelt in legerer Haltung auf seinem opulenten Stuhl, dessen samtener Bezug dem Blutrot von Reikis Haaren daneben Konkurrenz machte.
Saghani führte sie zwischen den Tafeln hindurch und Nanouk realisierte nur am Rande, dass sie nach Nauju Ausschau hielt. In ihrem Kopf drehten sich alleinig ihre selbsternannten Bestätigungen im Kreis, sodass es ihr schwer fiel, an irgendetwas anderes zu denken. Doch anstatt Nauju erhaschte sie bloß einen Blick auf eine ältere Dame, die am Kopfende der Tafel dem Winterkönig den Rücken kehrend saß und stumm über das Gelage blickte.
Das musste Anuri sein, die Frau, zu der Reiki sie ursprünglich gehen lassen wollte. Doch spätestens, als Nanouk ihren Schmuck erblickte, wusste sie, dass sie es keine Sekunde in ihrer Gegenwart ausgehalten hätte.
Der polierte Stirnreif aus Messing funkelte im Kerzenlicht und riss Nanouk dermaßen aus dem Konzept, dass sie über ihr verletztes Bein stolperte. Saghani packte sie rechtzeitig am Oberarm, doch nichts, was die Dame Wallheims sagte, vermochte durch das Rauschen in ihren Ohren zu dringen.
Anuri trug das traditionelle Kopfstück einer Schamanin, einer spirituellen Führerin aus Nanouks ehemaligem Glauben und beim Anblick der schillernden Plättchen, die sich um die beiden Walrossstoßzähne an beiden Seiten ihres runzeligen, gebräunten Gesichts hinabwanden, drehte sich Nanouk der Magen um. Sie keuchte und spürte, wie ihre Haut anfing zu kribbeln, wie der kalte Schweiß bereits aus all ihren Poren drang und sie sich nur mit Müh und Not davor zurück halten konnte, sich direkt vor der Tafel des Winterkönigs zu übergeben.
Sie musste Stärke zeigen, das alleine zählte. Es gab hier keinen Platz für Imiaq und das Eis, keinen Platz für die weißen Atemwolken, welche aus den Nüstern der Karibus in weiter Ferne drangen und schon gar nicht gab es Platz für das Gefühl zu ertrinken, während das Sonnenlicht auf dem Kopfschmuck tanzte und ihr Dasein auf den Kopf stellte. Eine ironische Wende ihrer eigenen Bestimmung, die verewigt unter ihrem Haaransatz prangte, Leben zu Tod wandelte, Licht zu Dunkelheit.
Nanouk schnappte nach Luft, als ihr dunkle Punkte vor den Augen tanzten und Saghanis Griff so fest wurde, dass sie ihre Nägel durch ihre Haut brechen glaubte.
»Nanouk, reiß dich zusammen«, zischte Saghani und zog sie unbarmherzig vorwärts. »Wenn du hier strauchelst, dann schlägt Nao dir den Kopf von den Schultern. Halt an dich.«
Nanouk nickte benommen, als sie sich in Saghanis Griff lehnte, wenigstens die nächsten Schritte, um das Schwanken ihres Blickfeldes zu vertreiben. Sie zwang sich zu vergessen, zu verleugnen und zu verschließen, den Tag ihrer größten Schuld abzublenden, um stattdessen in den nächsten Tag zu schreiten, den sie bereits jetzt wünschte, vergessen zu können.
Saghani ließ sie schlussendlich vor einem niedrigen Steinsockel anhalten, der, verdeckt von den Tischen, vor der königlichen Tafel stand. Seine Oberfläche war einmal weißer Alabaster gewesen, doch der Stein war verfärbt, dunkel und zerfurcht.
»Atanik«, grüßte Saghani den Winterkönig mit einer Reverenz und Nanouk tat es ihr auf zitternden Beinen gleich.
»Es wurde langsam Zeit. Ich habe mich schon um dein Wohlbefinden gesorgt«, begrüßte sie der Winterkönig und als Saghani Nanouk wieder in eine aufrechte Position zog, ruhten die stechenden Augen des Winterkönigs auf ihr.
»Verzeiht, es fiel diese Nacht Neuschnee, die Kutschen kamen nicht gut voran«, lächelte Saghani und der Winterkönig schnaubte.
»Wenigstens muss sich Adassett heute nicht wegen eines kalten Bettes grämen.«
Nanouk schluckte hart und spürte nun auch, wie Reiki sie aus dem Halbdunkel neben dem Thron verurteilend anblickte. Nicht nur, dass sie seine erste Warnung missachtet hatte, sondern es hatte sie Trotz allem auf das Fest des Winterkönigs verschlagen. Sie holte hektisch Luft und war versucht ihm zu vermitteln, dass sie darauf keinerlei Einfluss gehabt hatte, doch sein Blick war wie auch letztes Mal schon distanziert und desinteressiert.
»Wüsste ich es nicht besser«, lächelte der Winterkönig nun schmal, »würde ich meinen, du willst mich necken.«
Saghani lachte daraufhin wohlwollend auf und legte den Kopf in den Nacken. »Ihr entzückt mich, atanik! Doch nein, ich möchte Euch gewiss nicht necken. Nanouk soll schließlich in allen Facetten ihres neuen Standes bewandert sein, um Euch in Eurer gütigen Aufsparung jeden nur erdenklichen Wunsch von den Lippen zu lesen. Adassett dient hier lediglich als Übungspartner.«
Nanouk stellten sich die Nackenhaare auf, als Saghani über sie sprach, als wäre sie gar nicht hier. Als wäre sie wirklich nicht mehr als ein wildes Tier, das es zu zähmen galt, ehe man es seinem Herren überreichte.
Der Winterkönig ließ seinen stechenden Blick abschätzig über Nanouks Erscheinung schweifen und rieb sich geistesabwesend mit den spinnenbeinartigen Fingern das Kinn.
»Wenn sie das mal überlebt«, lächelte er dann schmal und hob die Hand mit dem roten Handschuh. »Reiki, es wird Zeit.«
Nanouk blickte wie von selbst hinauf zu Ijiraqs Gestalt, als ihm der Winterkönig mit dem Wink seiner Finger einen Befehl erteilte. Doch Reiki zögerte, diesem nachzukommen.
Nanouk erkannte, wie er einmal kräftig schluckte, wie seine dunkel schimmernden Augen nun unleugbar auf ihr zu ruhen kamen und ein Ausdruck tiefster Bestürzung über sein Gesicht huschte.
»Reiki? Jetzt«, forderte der Winterkönig ungeduldig und der Gestaltenwandler verzog den Mund.
»Sehr wohl, atanik«, sagte er dann jedoch mit einer Stimme, die völlig frei von jeglicher Emotion war. Aber bevor er ging, um zu tun, was ihm aufgetragen worden war, schüttelte er ein letztes Mal den Kopf, ehe er den Blick von Nanouk nahm und sich abwandte.
Für einen absurden Augenblick glaubte Nanouk zu erkennen, wie sich Reiki geschlagen gab. Als hätte er all die Zeit versucht ein Geschehnis aufzuhalten und war gescheitert. Dadurch, dass sie heute hier stand. Nanouks Herz hüpfte ihr in den Hals, als sie schließlich vom Winterkönig mit einer beinahe schon gelangweilten Geste entlassen wurden und Saghani sie bestimmend mit sich zog.
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Wenigstens begleitete Saghani Nanouk bis zu Adassetts Tafel, denn alleine wäre sie bestimmt keinen weiteren Schritt mehr gegangen. Entrückt und aufgelöst humpelte sie neben der Herrin Wallheims zum Kopfende der Tafel, an der Adassett saß. Die Männer an seinem Tisch lachten und grölten, niemand nahm von ihnen Notiz, dafür war die Gesellschaft zu freizügig bekleidet und der Wein zu stark.
Bloß Kamu erfasste die beiden mit einem Blick, der so grimmig war, dass Nanouk am liebsten wieder auf dem Absatz kehrt gemacht hatte. Doch er stieß dem Hünen bloß unsanft seinen Ellenbogen in die Seite und dann hob dieser den Kopf.
Nanouk schrumpfte in sich zusammen, als sein grausamer Blick zuerst auf Saghani und dann auf sie fiel. Er stellte seinen Humpen ab, dachte aber nicht einmal daran sich für Saghani zu erheben, obwohl sie im Rang gleichgestellt waren.
»Ich dachte, du hättest kalte Füße bekommen«, eröffnete er das Gespräch und lehnte sich in seinem Stuhl respektlos zurück. »Und würdest sie für Nao aufsparen.«
Saghani lachte. »Du sollst sie für diese Nacht haben. Allerdings möchte ich dich, Dank deiner reizenden Erinnerung, im Gegenzug ebenfalls auf etwas aufmerksam machen.«
Saghani schob Nanouk bestimmend einen Schritt nach vorne, hin zu dem Hünen und Adassetts Blick glitt ungezügelt an ihr herab.
»Sie hat durch deine Fahrlässigkeit eine tiefe Verletzung am Bein davon getragen. Du wirst sie schonen, denn ich möchte keine gebrochene Kurtisane vorfinden, wenn du deine widerwärtige Begierde gestillt hast.«
Nanouk verspürte neben der Furcht ein dumpfes Gefühl der Dankbarkeit, als Saghani auf ihr Gebrechen hinwies, doch zu ihrem Schreck, lachte Adassett bloß.
»Sicher. Für wen hältst du dich, dass du mir Vorschriften machst, wie ich meine Huren zu behandeln habe? Wenn du selbst wieder zwischen meinen Beinen kniest«, spottete er herablassend, »hast du vielleicht die Erlaubnis darum zu betteln, wie ich dich nehme. Doch du hast sie mir verkauft. Also mache ich mit ihr, was ich will.«
Nanouk musste sich regelrecht zum Atmen zwingen, doch Saghani seufzte nur angewidert und rümpft e die Nase. »Ich gebe dir lediglich einen Rat, du hast es selbst erkannt. Sie gehört Nao und seinen Zorn willst du doch nicht auf dich ziehen, oder irre ich mich? Du weißt schließlich am besten, wie er mit Verrätern verfährt.«
Adassetts Muskeln spannten sich an, als sein Griff um den Humpen derartig fest wurde, dass Nanouk fürchtete, er würde ihn schlicht in der Hand zerbrechen.
»Das Mädchen«, forderte er mit donnernder Stimme auf und Saghani schob Nanouk mit einem kalten Lächeln den letzten Rest nach vorne zur Tafel, als wollte sie selbst keinen weiteren Schritt in Adassetts Reichweite machen. Saghani wandte sich ohne ein Wort des Abschieds an sie um und verschwand.
Adassett streckte seinen Arm aus und packte sie am Nacken, um sie zu sich heran zu ziehen. Nanouk biss sich auf die Lippen, um einen Aufschrei zu unterdrücken, als Adassett sie mit der selben Leichtigkeit auf seinen Schoß presste, mit der er sie damals in Aalsung vom Boden gepflückt hatte. Keine Muskelkraft der Welt, die sie je zu haben erhoffen konnte, würde ausreichen, um sich gegen diesen Mann zu wehren.
Das Herz hämmerte in ihrem Brustkorb, als wolle es aus diesem brechen und die plötzliche Nähe des Hünen raubte ihr den Atem. Er schob sie wie eine Stoffpuppe auf seinen Oberschenkel und schlang ihr den Arm um die Taille. Dabei fuhren seine Hände über ihre nackte Haut und Nanouk musste sich mit all ihrer verbliebenen Willenskraft davor zurückhalten, sich aus seinem Griff zu winden.
»Sie sieht aus, als würde sie sich gleich übergeben«, drang die Stimme von einem der Männer an Nanouks Ohren, doch sie konnte in dem Gelage, welches ihr schmerzhaft all ihre Sinne benebelte, nicht erkennen, wer das gesagt hatte.
Das Gelächter wurde lauter, als ein anderer vorschlug, ihre verklemmte Miene mit Alkohol zu lösen.
»Na los. Trink«, forderte Adassett sie dann auch mit seiner rauen Stimme auf und reichte ihr einen Becher voll Wein. Als sie nicht danach griff, grollte er verstimmt und drückte ihr den Becher an die Lippen, zwang ihren Kiefer mit der anderen Hand auseinander und Nanouk verschluckte sich hustend an dem bitteren Getränk. Gerne hätte sie ihm auf die Finger gebissen, die er ihr zwischen die Zähne schob, doch besann sich, ehe sie es dazu kommen lassen konnte.
Adassett setzte den Humpen ab und Nanouk holte röchelnd Luft, als ihr der Wein in Beisein der Männer über die Brust lief und sich in ihre seidene Tunika saugte.
»So wie ich Saghani kenne, hat sie das arme Ding bereits am Morgen mit Alkohol abgefüllt«, lachte einer der Soldaten und warf Adassett ein Stück Stoff zu, das dieser mit einem heiseren Lachen auffing.
Nanouk hustete durch die Tränen, die ihr in die Augen stiegen und wagte nicht einmal sich zu wehren, als Adassett den Wein von ihrem Körper wischte, dabei unter ihre Kleidung fasste und begleitet vom Gejohle seiner Tafel genüsslich über ihre Brüste fuhr.
»Und jetzt trink aus«, wandte sich der Hüne schließlich wieder an sie, als Nanouk endlich zu Atem kam. Sie fühlte die Hitze seines Körpers auf ihrer kalten Haut wie eine sengende Glut, doch griff nach dem Wein, aus Angst, was er ihr aufgrund ihres Ungehorsams später antun würde. Denn das, was Saghani gesagt hatte, schien ihm tatsächlich vollkommen egal zu sein und das, was Nauju ihr versichert hatte rückte ebenso in den Hintergrund, als Adassett den Becher aus ihren Fingern zog, nur, um ihn wieder aufzufüllen.
»Noch einen.«
Nanouk gehorchte, obwohl ihr Magen protestierte und bereits jetzt Schwindel auf ihr Gemüt drückte. Doch Adassett blieb unnachgiebig, presste den Becher zurück an ihre Lippen, wenn sie einen Schluck übrig ließ und hielt sie fest umschlungen, sodass sie keine andere Wahl hatte, als sich von ihm betrunken machen zu lassen. Eigentlich hatte sie das ohnehin vorgehabt, doch die Art und Weise, wie er ihr selbst beim Schlucken jeglichen Handlungsfreiraum nahm, ließ sie atemlos und den Tränen nahe zurück.
Nanouk verlor aus den Augen, zu wie vielen Bechern Wein Adassett sie nötigte und wurde sich erst wirklich bewusst, wie benebelt ihr Verstand bereits war, als ihr der nächste Humpen beinahe aus den Händen glitt, da sie nicht einmal mehr einschätze konnte, was sich vor ihr befand.
»Sett«, herrschte da eine frustrierte Stimme irgendwo zu ihrer Rechten und Nanouk richtete ihren verschwommenen Blick von den Narben auf Adassetts Hand, mit der er ihr den Humpen zurück in die zittrigen Finger drückte, hinüber zu Kamu, der den Hünen jetzt fest am Unterarm packte und ihn daran hinderte den Becher an Nanouks Lippen zu führen.
»Das ist verfluchter Schädelbrand, willst du sie umbringen?!«
Nanouk spähte benommen zurück in den Becher, aus dem ein scharfer Geruch aufstieg, der beinahe so roch wie Wundsalbe.
»Vertrau mir, alles andere ist zu mild, wenn sie diesen Abend verdrängen möchte«, war das einzige, das der Hüne grollte, doch Kamu ließ seinen Arm nicht los.
»Nein. Lass es gut sein. Es reicht.«
Nanouk blinzelte verblüfft zurück zu Kamu, der neben Adassett aussah wie eine spindeldürre Drahtfigur und dennoch die Kühnheit besaß, seinem Prinzen die Stirn zu bieten. Er würde wohl seinen Kopf verlieren und Nanouk holte lachend Luft. Es rührte sie auf verstörende Weise, wie bemüht Kamu ihr Wohlergehen erwirken wollte, doch heulte ein Teil ihrer Gedanken dabei auf, denn sie würde später ebenso erfahren, was es hieß, wenn man Adassett reizte.
Und eigentlich hatte er damit schließlich Recht. Sie wollte am liebsten in Ohnmacht fallen und fragte sich mit benebelten Sinnen, warum es so lange dauerte, bis der Zustand der Erlösung endlich eintrat. Also griff sie nach dem Becher und führte ihn zittrig an die Lippen. Das Gesöff war so beißend scharf, dass sie sich vor Schreck verschluckte und das Getränk wie eine Sturm heißer Nadeln in ihre Luftröhre stach.
Nanouk hustete, als sie meinte zu ersticken und Adassett sie fester packte, damit sie nicht auf den Boden fiel. Ein dumpfes Grollen, einem Seufzen gleich, fuhr durch Adassetts Körper, als er sie beinahe beiläufig davon abhielt, von seinem Bein zu rutschen. Für einen Moment dachte sie, die Schwärze, die ihr Blickfeld einnahm, käme endlich von der eintretenden Ohnmacht, doch je länger sie hustend auf Adassetts Oberschenkel saß, desto sicherer wurde sie vom Gegenteil überzeugt. Nicht ihr Blickfeld wurde düsterer, sondern die Kerzen wurden bis auf einige wenige in der Nähe von Naos Podest gelöscht und tauchten den Saal in schummriges Dunkel.
Das Knirschen eines großen Tores, welches aufgestoßen wurde, drang durch die rhythmische Musik an Nanouks Ohren und sie wandte sich träge nach der Quelle des Geräusches um.
Ein Gast trat durch das Tor am hinteren Ende des Festsaals und brachte allem Anschein nach etwas mit sich. Das dort vorne war Reiki, stellte Nanouk benommen fest und verrenkte sich den Hals, um zu erkennen, was er bei sich trug.
Es war ein riesiger Vogel, der mindestens drei Meter Flügelspannweite besaß. Ein Sturmvogel.
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