Prolog
Alyson Jackson saß auf einer Steinmauer in Hogwarts, sah gedankenverloren auf den See hinaus. Eine ihrer roten Haarsträhnen wurde ihr vom Wind ins Gesicht geweht.
Früher hätte es sie gestört, doch heute wusste sie, dass es weitaus Schlimmeres gab.
Sie hatte es selbst erlebt. Sie hatte Menschen in Visionen und in der Realität sterben sehen, hatte nie einen Tod verhindern können.
Mit den ersten zweien hatte sie keine persönliche Bindung gehabt. Cedric Diggory hatte sie für arrogant gehalten und Sirius Black war ihr nur als Massenmörder bekannt gewesen. Ihre Tode hatten sie mitgenommen, aber es war kein emotionaler Schmerz mit ihnen verbunden gewesen.
Bei Albus Dumbledore war es anders. Der ehemalige Schulleiter der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei hatte immer ein offenes Ohr für ihre Visionen und Sorgen gehabt. Er hatte es ihr sogar ermöglicht, ihre Visionen einigermaßen zu kontrollieren.
Und jetzt war er tot.
Sie hatte gesehen, dass er sterben würde. Es war ihr gelungen, ihre Vision nicht erst am Tag des Ereignisses klar zu sehen. Sie hatte es geschafft, bereits Wochen im Voraus zu sehen, dass Dumbledore sterben würde. Allie hatte den Schulleiter gewarnt.
Doch es hatte nichts genützt. Er war nun trotzdem gestorben, obwohl Allie alles versucht hatte, um ihn zu retten.
"Meine Mum wird mich nächstes Jahr nicht mehr herlassen", unterbrach Julie Mason Allies Gedanken. Die Rothaarige sah ihre Freundin an. "Meine mich auch nicht." "Meine wird mich zwingen, weiter zur Schule zu gehen. Damit ich meine Bildung bekomme", erwiderte Claire Trescott und band ihre Haare zu einem Zopf.
Sie hatte ihre Haare über das Schuljahr wieder schulterlang wachsen lassen, nachdem sie sie zu Beginn des Schuljahres bis zum Kinn abgeschnitten hatte. Mittlerweile waren ihre Haare auch wieder blond, anders als zu Beginn des Schuljahres, wo sie mit schwarzen Haaren aufgetaucht war. Sie hatte eine Veränderung gebraucht, nachdem George Weasley ihr in einem Brief mitgeteilt hatte, dass ihre Beziehung vorbei war. Mittlerweile hatte sie die Trennung einigermaßen überwunden, auch wenn das viele Tränen und viel Ablenkung gebraucht hatte.
"Mach dir keine Sorgen, Claire, Finnick und ich werden auch hier sein", sagte Marco Mazzini und drückte die Hand seines Partners Finnick Dimple. "Meine Großmutter wird mich auch hierher zwingen", schloss sich Neville Longbottom an und griff sanft nach Allies Hand. Es hatte einige Zeit gedauert, doch mittlerweile waren die beiden Gryffindors ein Paar.
"Dann sind wir immerhin schon mal zu Dritt", murmelte Claire geknickt und sah Allie und Julie an. "Vielleicht könnt ihr eure Eltern ja doch noch überzeugen. Hogwarts kann auch ohne Dumbledore sicher sein."
Diese Aussage war erstaunlich optimistisch für die sonst eher pessimistisch eingestellte Slytherin. Doch sie musste sich zusammenreißen, denn sie wusste, dass sie die Situation andernfalls nicht überstehen würde.
"Vielleicht", erwiderte Julie leise und sah auf den Boden vor sich. Allie schüttelte den Kopf. "Auf keinen Fall. Wenn meine Mum mich herlässt, will Clary auch herkommen und das wird sie erst recht nicht zulassen. Sie ist ja erst fünfzehn." Die Rothaarige seufzte. Claire tat es ihr nach. "Du hast wohl recht."
Es war eine Zeit lang still. Alle sechs hingen ihren Gedanken nach, dachten daran, wie es ab September weitergehen sollte.
Es war Allies Schluchzen, was die Stille durchbrach. Sie hatte versucht, es zu unterdrücken, war schlussendlich aber gescheitert.
Neville reagierte sofort, nahm seine Freundin in den Arm. "Ich weiß nicht, was ich noch hätte tun können. Ich habe ihn gewarnt, wir haben versucht, Hogwarts so sicher zu machen wie möglich. Aber es hat nichts genützt", murmelte Allie schluchzend, schlang ihre Arme dabei um Neville.
"Allie-Ballie, das war nicht deine Schuld. Du hast Dumbledore nicht getötet, das war Snape. Dieser Verräter hat das getan. Und irgendwann kriegt er seine gerechte Strafe", redete Marco auf seine beste Freundin ein, während Neville sie ein wenig enger an sich zog.
Claire zerriss es das Herz, ihre beste Freundin so zu sehen. Sie wusste, dass Allie die Situation belastete. Sie wusste jedoch nicht so recht, was sie sagen sollte und war deshalb froh, dass Marco und Neville das Trösten übernahmen.
Allie hatte recht damit, dass Dumbledores Tod vielleicht hätte verhindert werden können. Gleichzeitig war ihr schmerzlich bewusst, dass Allies Visionen Cedric Diggory und Sirius Black nicht hatten retten können. Und Marco hatte recht damit, dass Dumbledores Tod nicht Allies Schuld war.
Normalerweise hatte sie gewusst, wie sie mit Allie hatte umgehen sollen, wenn es um Visionen gegangen war. Doch dieses Mal saß auch bei ihr der Schock zu tief. Hatte der Schulleiter doch immer so unbesiegbar gewirkt.
Allie wischte sich die Tränen weg.
"Ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist. Entschuldigt", sagte die Rothaarige etwas heiser, ehe sie sich endgültig von Neville löste.
Claire räusperte sich. "Was haltet ihr davon, wenn wir uns ein Abteil im Zug suchen und irgendein sinnloses Spiel spielen? Ich glaube, wir alle können ein wenig Ablenkung gebrauchen." Etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Aber sie wusste, dass sie die Zugfahrt nicht mit Schweigen oder Weinen verbringen wollte.
Allie war die erste, die sich zu Wort meldete. "Gute Idee."
Sie wusste, dass die Situation für Claire auch schwierig war. Und sie war dankbar, dass ihre beste Freundin diesen Vorschlag gemacht hatte. Etwas Besseres hätte Claire vermutlich in diesem Moment aus Allies Sicht nicht vorschlagen können.
Auch die anderen schlossen sich der Idee an.
Und so verbrachten die sechs in ein Zugabteil gequetscht ihre Zugfahrt zurück nach London. Ihre letzte gemeinsame Zugfahrt, wie ihnen schmerzlich bewusst war.
Doch sie genossen sie. In vollen Zügen.
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