Kapitel 7
Allie
"Wir sollten bald mal zum nächsten Ort weiterziehen", meckerte Louise vor unserem Zelt, während Tino nur schnaubte. "Wir haben noch keinen Abordnungsbescheid. Du weißt, dass wir darauf warten müssen." "Wieso eigentlich? Du leitest doch diese Mission, das hast Du die letzten Tage immer wieder betont", keifte Louise. "Jetzt hör auf, Dich zu beschweren", sagte Tino nur und stöhnte genervt. Louise trat an ihn heran und massierte seine Schultern. "Entschuldige, Tinochen. Ich wollte doch nur, dass wir in dieser Mission weiterkommen. Wir sind seit drei Tagen hier und haben nichts gefunden. Meinst Du nicht, dass sie doch woanders sind?"
Julie und ich konnten uns wirklich glücklich schätzen, dass unsere Schutzzauber so gut wirkten. Tinos Gruppe hatte es sich nämlich direkt vor unserem Zelt gemütlich gemacht und alle paar Stunden schwärmten Teams aus, um uns zu finden. Daher hatten Julie und ich beschlossen, unsere Schutzzauber zu jeder vollen Stunde zu erneuern, damit sie wirklich nicht aufgaben. Wir waren beide ziemlich geschafft von den letzten Wochen und hatten keine große Lust, wieder mit den Todessern zu kämpfen. Zumal Julies Wunde nur gerade so wieder komplett verheilt war.
"Ich gehe hier nicht ohne Abordnungsbescheid weg, Louise. Severus Snape wird es dem Dunklen Lord melden, wenn ich mich nicht an die Befehle halte. Und der Dunkle Lord ist ohnehin schon wütend auf mich, weil Alyson noch immer umherläuft und nicht tot ist", riss mich Tinos Stimme aus den Gedanken. Louise nickte verständnisvoll, wobei ich mich fragte, ob dieses Verständnis nicht nur gespielt war. "Ich verstehe, Tinochen. Es muss schwierig sein, mit dieser Schmach zu leben. Erinnert Dich bestimmt daran, wie Deine Blutsverräter-Eltern Dich behandelt haben-" "Sprich nicht über meine Eltern!", fauchte Tino und entriss sich Louises Massage. "Hab ich da einen wunden Punkt getroffen?", spottete sie, woraufhin Tino schnaubte. "Ich will einfach nicht über diese Verräter reden." "Ach gib es doch zu, Tinochen. Der einzige Grund, wieso Du damals Deine Aurorenausbildung abgebrochen hast, war, weil Deine Noten für die Ansprüche Deiner Eltern nicht gut genug waren. Und, weil Du es Leid warst, dass sie immer nur das Beste von Dir erwartet haben. Und trotzdem kannst Du diese Gewohnheit nicht abstellen - Du willst immer noch in allem der Beste sein, willst Dich immer noch beweisen, funktionierst nur, wenn man Dir Anweisungen gibt-"
Weiter kam Louise nicht, denn Tino zog seinen Zauberstab und rief: "Crucio!"
Die Rothaarige wurde zu Boden gerissen. Sie schrie vor Schmerz und wand sich am Boden. Ich erinnerte mich an diese furchtbaren Schmerzen aus meinen Visionen aus dem vierten und fünften Schuljahr, als ich gesehen hatte, wie Harry und Sirius Black (wenn auch nur zum Schein) gefoltert wurden. Ich erinnerte mich auch noch an den heftigen, aber zum Glück nur kurzen Schmerz, den Malfoy mir letztes Jahr zugefügt hatte, als er versucht hatte, mich mit diesem Fluch zu belegen. Ich hatte damals versucht, ihn davon abzubringen, Professor Dumbledore zu töten. Ich hatte kläglich versagt und ich war mir sicher, dass Malfoy mich an diesem Abend umgebracht hätte, wenn nicht Snape zu Malfoy und mir gestoßen wäre.
Rückblickend war es merkwürdig, dass Snape Malfoy nicht einfach hatte machen lassen. Snape war allem Anschein nach all die Zeit auf der Seite von Voldemort gewesen und damit war ich für ihn auch eine Feindin. Wahrscheinlich hätte mein frühes Ableben damals nur sein doppeltes Spiel mit Professor Dumbledore auffliegen lassen.
Bei dem Gedanken an Professor Dumbledore wurde mir das Herz nach wie vor schwer. Julie hatte in den letzten drei Tagen weiter auf mich eingeredet, damit ich der Vision von vor ein paar Tagen nicht weiter nachjagte. Aber gerade der Tod von Professor Dumbledore, den ich zwei Wochen vor dem Mord so eindeutig gesehen hatte, ließ mich nicht ruhen vor dieser neuen Vision. Ich musste wissen, wer sterben würde. Denn diese Person würde ich retten. Ganz egal, was ich es mich kosten würde.
Die Schreie von Louise verstummten. Sie lag schluchzend am Boden und dort hätte sie vermutlich noch lange gelegen, wenn Tino sie nicht auf die Beine gezogen hätte.
"Ich hoffe, das war Dir eine Leere. Bleib jetzt hier und bewach unseren Posten, ich brauche etwas Zeit für mich." Mit diesen Worten ließ er die zitternde und schluchzende Frau zurück und ging in den Wald. Wie ich Louise so ansah, bekam ich fast Mitleid mit ihr. Sie schien kein besonders netter oder mitfühlender Mensch zu sein, aber ich erkannte an ihrem Gesichtsausdruck, dass Tino ihr Vertrauen durch den Cruciatus-Fluch mehr als nur missbraucht hatte.
"Ärger im Paradies?", fragte Julie, die aus dem Zelt heraustrat und sich zu mir ins Gras setzte. "Tino hat Louise gerade den Cruciatus-Fluch aufgehalst. Das ist wohl mehr als nur Ärger und vom Paradies ist jetzt wohl keine Rede mehr", erwiderte ich, woraufhin Julies Gesichtsausdruck traurig wurde. "Echt? Hättest Du gedacht, dass Tino Menschen wirklich so verletzen könnte? Er hat uns damals das Klettern beigebracht und uns in Hogwarts beim Lernen geholfen... Wie kann das denn nur sein?" Ich schüttelte den Kopf. "Ich glaube, keiner von uns hätte gedacht, dass Tino so werden würde. Es scheint was damit zu tun zu haben, dass seine Eltern nicht zufrieden mit ihm waren... Aber Marco dreht ja auch nicht so ab." "Oh Gott, was wird Marco nur sagen? Er und Tino hatten so ein enges Band", sagte Julie und legte ihren Kopf auf meine Schulter.
Louise hatte sich vor uns mittlerweile auch ins Gras gesetzt und hatte den Kopf in ihren Händen vergraben. Sie versuchte wohl, ihr Weinen zu verbergen, doch man hörte es trotzdem laut und deutlich.
"Meinst Du, man könnte sie auf unsere Seite ziehen?", fragte ich Julie unvermittelt, woraufhin sie mich schief ansah. "Was?" "Na ja, überleg doch mal: Sie kriegt keine Verantwortung bei der Truppe, Tino gibt ihr kein Mitspracherecht und er hat sie gerade gefoltert. Sind doch eigentlich gute Voraussetzungen für einen Seitenwechsel, oder was meinst Du?", erklärte ich, woraufhin Julie den Kopf schüttelte. "Jetzt hast Du endgültig den Verstand verloren." "Was heißt denn hier endgültig?", fragte ich entrüstet und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie grinste ein wenig. "So wie Du Malfoy letztes Jahr belagert hast, dachten wir alle, Du würdest verrückt werden." Ich schnaubte. "Ich habe nur versucht, Dumbledore zu retten." Julie schlug mir gegen die Schulter. "Das war ein Scherz, Du Trottel. Auch wenn es wirklich gefährlich war, Malfoy so nachzustellen." "Danke, Julie, das habt ihr mir letztes Jahr nur so ungefähr jeden Tag gesagt", erwiderte ich, ehe ich meinen Arm um sie schlang.
Louises Weinen wurde nun lauter und herzzerreißender. Sie flüsterte leise vor sich hin, wie dumm sie gewesen war, Tino so zu provozieren. Dass sie dringend die Leitung dieser Mission übernehmen musste und ihre Gefühle für Tino ausblenden musste. Dass Tino sie ohnehin nie lieben würde, da sie zu schwach war. Tief in meinem Inneren regte sich eine leise Stimme des Mitleids für die junge Frau, die die letzten Tage immer tough gewirkt hatte. Ich wusste, dass dieses Mitleid fehl am Platz war, immerhin hatte sie vor drei Tagen Tino noch gefragt, ob sie mich umbringen dürfte.
"Was glaubst Du, was sie gerade tun?", fragte Julie nach einer kurzen Zeit unvermittelt. "Wer?" "Claire, Marco, Finnick, Neville... sie alle", sagte Julie und kuschelte sich an mich. Ich überlegte. "Keine Ahnung. Vielleicht zerstören sie gerade Klassenzimmer, um die Todesser zu ärgern, die jetzt in Hogwarts unterrichten. Vielleicht sitzen sie auch irgendwo rum und fragen sich, was wir gerade tun. Vielleicht überlegen sie ja auch, eine Todesserin auf unsere Seite zu ziehen." Julie machte ein Geräusch, das klang, als ob sie zeitgleich lachen als auch weinen würde. "Claire würde sich eher die rechte Hand abhacken, als eine von denen auf unsere Seite zu ziehen." Ich kicherte, stimmte ihr dann aber mit einem Nicken zu.
Wenn wir gewusst hätten, was sie alle zur selben Zeit in Hogwarts erleben mussten, hätten wir vielleicht nicht kichernd hier gesessen und uns alberne Sachen ausgedacht. Aber so verschwanden wir in unser Zelt, um Louises Weinen zu entgehen und kicherten, während wir in unseren albernen Vorstellungen schwelgten.
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