Kapitel 11
Allie
"Pass doch auf, was Du tust, Griphook!"
Mit diesen Worten wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Verschlafen setzte ich mich auf, während Julie ganz aufgeregt ins Zelt gekrabbelt kam.
"Wer ist-" "Da draußen ist Dean Thomas!"
Verwirrt sah ich sie an. "Was?" Julie packte mich an den Schultern und schüttelte mich. "Da. Draußen. Ist. Dean. Thomas!"
Ich blinzelte sie ein paar Mal an, ehe ich so richtig verstand, was sie da sagte. "Dean? Wieso?" "Keine Ahnung, aber er ist da. Da sind auch noch Kobolde und andere Menschen bei ihm. Wir sollten ihnen was zu essen anbieten oder so", plapperte Julie weiter. "Nein, stopp. Wieso ist Dean hier? Und wieso ist er mit Kobolden hier? Wissen wir denn zu hundert Prozent, dass das Dean und kein mit Vielsafttrank getarnter Todesser ist?"
Meine Worte gaben ihr wohl zu denken. "Du hast recht. Ich hab mich nur so gefreut, mal wieder ein freundliches Gesicht zu sehen." Ich nickte verständnisvoll. "Kann ich verstehen. Lass mich auch mal sehen", sagte ich, band mir die Haare schnell zu einem Pferdeschwanz und trat aus dem Zelt.
Dort stand der großgewachsene Gryffindor und stritt sich mit einem Kobold, vermutlich, weil dieser einen Sack mit Äpfeln fallen lassen hatte. Ein weitere Kobold blickte missmutig drein, während zwei erwachsene Männer sich größte Mühe gaben, den Tumult zu beruhigen.
"Wenn ihr weiter so laut seid, werden die keine Aufspürzauber oder so was mehr brauchen", fauchte ein dünner Mann mit hellbraunem Haar die beiden Streithähne an. "Dirk, es bringt doch nichts, jetzt auch so gereizt zu sein. Dean, Griphook, reißt euch zusammen. Wir wollen doch alle gemeinsam überleben, oder nicht?", fragte der andere Mann ruhig. Sein Gesicht kam mir seltsam bekannt vor, aber ich konnte es nicht ganz zuordnen.
"Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Todesser sein sollen, Allie. Die würden sich doch niemals für Kobolde ausgeben", sagte Julie, die sich mittlerweile neben mich gestellt hatte. Ich nickte. "Kann ich mir auch nicht vorstellen. Aber wir müssen vorsichtig sein. Wir können es uns nicht leisten, Fehler zu machen."
Dean und Griphook schienen sich einig zu sein, dass sie ihren Streit beilegen wollten und unser Mitschüler ließ die Äpfel mit einem Schwenk seines Zauberstabs wieder sauber werden.
"Wisst ihr eigentlich, wo wir ein magisches Radio herbekommen können?", fragte der ruhige Mann von eben, während er mit seinem Zauberstab ein kleines Feuer entstehen ließ. "Nein. Wieso, willst Du beim Sterben ein bisschen Celestina Warbeck hören?", fragte der andere Mann, der offenbar Dirk hieß und biss in einen der Äpfel. "Nein, natürlich nicht. Das überlasse ich Molly. Aber ich habe von diesem neuen Radiosender gehört, der interessant sein könnte. Mein Schwiegersohn war dort neulich zu Gast, wie ich mir sagen ließ. Sie berichten über aktuelle Todesfälle und Nachrichten und so was, aber nicht im Sinne von Ihr-wisst-schon-wem. Sie sind auf Potters Seite", erklärte der Mann, woraufhin einer der Kobolde schnaubte. "Die auf Potters Seite lassen sich sogar mit Werwölfen ein?"
Und plötzlich fiel mir ein, wieso der ruhige Mann mir so bekannt vorkam. Jetzt, wo ich es wusste, schien es ganz einleuchtend. Er und seine Tochter sahen sich unheimlich ähnlich, vor allem, wenn sie ihre Haare blond werden ließ.
"Julie, das muss Tonks' Vater sein!", sagte ich, woraufhin Julie mich verwirrt ansah. "Meinst Du?" "Ja denk doch mal nach. Sie ist ihm doch praktisch wie aus dem Gesicht geschnitten. Und ein Werwolf als Schwiegersohn? Er muss von Lupin reden!"
Und mit einem Mal waren meine Zweifel wie weggeblasen. Pure Euphorie durchströmte meinen Körper. Die Todesser würden sich nicht dazu herablassen, sich in Kobolde zu verwandeln und erst recht würden sie sich nicht in Muggelstämmige verwandeln. Ein Glück hatten Claire und ich Tonks letztes Jahr mehr als einmal belagert, wenn sie Wachdienst in Hogwarts hatte.
"Ich glaube, Du solltest nicht zu hohe Töne spucken, Griphook, für die Todesser bist Du genau wie wir Abschaum. Also hör auf, andere Leute so von oben herab zu behandeln", erwiderte Dean verächtlich und ließ sich am Feuer nieder. "Ich denke jedenfalls, es kann nicht schaden, diesen neuen Sender zu hören. Dann können wir sichergehen, dass es unseren Liebsten gut geht, was meint ihr?", fragte Tonks' Vater in die Runde. "Wir können ja morgen mal nach einem Radio gucken", erwiderte Dirk gähnend. "Ich hab vielleicht 'ne Ahnung, wo wir eins herbekommen."
Julie und ich tauschten Blicke. So ein Radiosender gegen Voldemort, der uns auf dem Laufenden über alle, die sich gegen Voldemort wandten, halten würde. Und als ob wir unsere Gedanken hören konnten, verließen wir gemeinsam unseren Wall aus Schutzzaubern.
Die Runde um Dean verstummte augenblicklich.
"Hi", sagte ich und hob wie eine Idiotin die Hand zur Begrüßung. Dean warf seinen Apfel weg, stürmte auf mich zu und schloss mich fest in seine Arme. Ich erwiderte die Umarmung genau so stark. Auch wenn wir nie besonders eng waren, war es doch gut zu wissen, dass er am Leben war.
Doch so plötzlich wie Dean mich überfallen hatte, so plötzlich wurde er von Dirk weggezogen.
"Hast Du den Verstand verloren, Junge, die könnten Todesser sein!", brüllte Dirk und richtete seinen Zauberstab auf mich. "Wer seid ihr?" "Freunde von Dean", antwortete Julie ruhig. Dirk sah Dean an. "Überprüf die beiden."
Dean nickte. "Letztes Jahr nach dem Spiel Gryffindor gegen Hufflepuff hat wer Dich nach einem Date gefragt, Julie?" "Seamus Finnigan", erwiderte meine Freundin ohne zu Zögern. "Gut und was hast Du geantwortet? Den genauen Wortlaut bitte", fügte Dean nach einem strengen Blick von Dirk hinzu. "Ich hab gesagt: Nach allem, was Du letztes Jahr mit Allie abgezogen hast, kannst Du froh sein, dass ich noch mit Dir rede", antwortete Julie.
Ich hatte die Situation noch genau vor Augen. Seamus und Julie hatten in unserem fünften Schuljahr immer mal wieder miteinander angebandelt, doch nachdem Seamus mir deutlich zu verstehen gegeben hatte, was er von mir hielt, weil ich auf Harrys Seite gewesen war, hatte Julie das Ganze beendet. Seamus hatte damals gehofft, dass er Julie doch noch zu einem Date überreden könne, doch Julie hatte ihm vor all seinen Zimmergenossen gesagt, dass das nichts werden würde.
Dean nickte. "Alles klar. Allie, wer war letztes Jahr alles dabei, als wir Dich und Neville in unserem Zimmer gesehen haben?"
Ich lief rot an. Neville und ich hatten eines Abends im letzten Schuljahr beschlossen, dass wir nicht zum Spiel Ravenclaw gegen Slytherin gehen würden und hatten uns in seinem Zimmer einquartiert gehabt. Eins kam zum anderen und irgendwann hatten wir uns halbnackt auf Nevilles Bett wiedergefunden, bis drei von Nevilles Zimmergenossen in das Zimmer geplatzt waren. Ich war praktisch von Nevilles Bett gesprungen mitsamt seiner Decke und hatte mich auf dem Boden eingerollt. Neville hatte dann halbnackt dagesessen, während die drei anderen Gryffindors herzlich gelacht hatten. Verjagt hatte ich sie dann mit heraufbeschworenen Vögeln, die besonders Ron eine Heidenangst eingejagt hatten, da er wohl zuvor von Hermine mit solchen Vögeln angegriffen worden war.
"Du, Ron und Harry. Seamus ist beim Spiel Ravenclaw gegen Slytherin geblieben." Ich beantwortete auch Deans weitere Fragen zu dem Zwischenfall und spürte meinen Kopf am Ende praktisch glühen.
"Keine Todesser", konstatierte Dean und lud uns an ihr Feuer an. "Dirk Cresswell, Griphook, Gornuk und Ted Tonks", stellte er seine Begleiter vor. Julie und ich stellten uns auch vor. "Habt ihr schon mal von Schutzzaubern gehört?", fragte ich in die Runde, während ich dankend einen Apfel annahm. "Wir sind alle keine begnadeten Zauberer hier", erwiderte Dirk, während ich mit den Achseln zuckte. "Wir auch nicht, aber so könnt ihr doch auch nicht herumlaufen. Wir errichten nachher Schutzzauber. Ihr könnt auch in unser Zelt kommen, wenn ihr wollt", erwiderte Julie und ich nickte.
"Das ist nett, danke. Meine Tochter Tonks kennt ihr sicherlich, oder? Habt ihr was von ihr gehört?", fragte Ted uns, doch wir schüttelten den Kopf. "Leider nichts. Habt ihr was aus Hogwarts gehört?", fragte Julie hoffnungsvoll, doch auch wir bekamen nur Kopfschütteln.
"Noch ein Grund mehr, um uns so ein Radio zu besorgen", stellte Ted fest. Julie und ich pflichteten ihm bei. "Wäre schön zu wissen, wie es allen so geht."
Der Rest des Tages verlief ruhig. Julie und ich sprachen Schutzzauber aus, während die anderen sich sichtlich erledigt schlafen legten. Die letzten Tage hatten sie wohl kaum Schlaf bekommen. Julie und ich hielten Wache und stellten fest, dass zu zweit Wache halten angenehmer war als alleine.
"Sind wir nicht vielleicht eine Gefahr für sie?", fragte Julie und vergrub ihren Kopf in ihrem Schoß. "Wir hätten das doch nicht tun sollen." "Die werden genau so gejagt wie wir, Julie. Gut, vielleicht hat kein Todesser explizit den Befehl, sie alle zu töten, aber das Resultat soll dasselbe sein wie bei uns", erwiderte ich. "Wie Du gesagt hast: Es ist schön, freundliche Gesichter zu sehen."
Julie nickte, wenn auch nur zaghaft. Dann grinste sie. "Genau. An Deinem hab ich mich nämlich langsam sattgesehen." "Deins ist mir schon seit Wochen zu viel", erwiderte ich grinsend, wofür ich mir einen Schlag gegen die Schulter einfing. An dieselbe Schulter lehnte sich Julie dann an.
Morgen würden wir ein Radio auftreiben. Und dann würden wir endlich Sicherheit haben, ob es Claire und den anderen gut ging. Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer, aber es war einer.
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