Kapitel 6

Allie

"Dieses Jahr werden wir über Träume reden. Fragen Sie Ihren Sie Ihren Sitznachbarn nach ihren Träumen und versuchen Sie diese mithilfe dieser Bücher zu deuten", sprach Trelawney mit ihrer typischen Trelawney-Stimme, die immer so klang, als stünde die Lehrerin unter Drogen. Anschließend schwang sie ihren Zauberstab und verteilte auf diese Weise die Bücher.

"Also, Allie Ballie. Was hast du geträumt?", grinste Marco mich an. "Ich hab geträumt, dass du mich nicht mehr mit diesem dämlichen Spitznamen ansprichst", erklärte ich ihm murrend. "Ach, da muss ich die Deutung gar nicht nachschlagen. Ich denke, du bist davon genervt, nicht wahr, Allie Ballie?", erwiderte er und grinste breiter. 

Diesen dämlichen Spitznamen hatte sich mein bester Freund ausgedacht, als er gerade neun geworden war und Julie, Claire und ich noch acht Jahre alt gewesen waren. Wir hatten damals mit Marcos neuem Fußball gespielt, allerdings hatte Klein-Allie den Ball immer irgendwie gegen den Kopf bekommen und irgendwann gerufen: "Der Balli ist doof!" Klein-Marco hatte daraufhin gerufen: "Ballie reimt sich auf Allie! Ihr seid Seelenverwandte!" Selbst, als ich ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, dass Ballie anders ausgesprochen wurde als Balli, hatte er mich immer wieder Allie Ballie genannt. Das würde vermutlich auch so schnell nicht wieder aufhören.

"Nein, jetzt mal im Ernst. Ich hab keine Ahnung mehr, was ich geträumt hab", erzählte ich ihm und sah ihn an. Marco schlug das Buch auf und suchte nach etwas.

"Aha. Hier ist es. Träumen tut man immer etwas, nur oftmals vergisst man es direkt nach dem Aufwachen wieder. Wenn du meinst, du hättest nichts geträumt, dann hast du einfach sehr tief geschlafen", erklärte er mir und sah mich an. Ich zog nur eine Augenbraue hoch. "Ach so. Okay. Wenn du meinst. Also, was hast du geträumt?", erkundigte ich mich. Marco schloss kurz die Augen.

Das tat er immer, wenn er sich an einen Traum erinnerte. Das Verrückte war, dass er sich fast immer an einen Traum erinnerte. Manchmal konnte er sich sogar an mehrere Träume, die er in einer Nacht gehabt hatte, erinnern. Es war wirklich merkwürdig.

"Ich hab geträumt, dass ich auf einem Hochhaus war. Da flogen pinke Einhörner an mir vorbei, die Blumensträuße in ihren Mäulern hatten. Anschließend kam Malfoy und hat mich runtergeschubst. Ziemlich merkwürdig", erzählte er mir. Wie sollte ich denn herausfinden, was pinke Einhörner in Träumen bedeuteten?

"Ah, da, Fallträume. Okay. Die stehen für Warnungen oder Selbstzweifel, als hättest du das Gefühl, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Und, dass Malfoy dich runtergeschubst hat, scheint ein Zeichen davon zu sein, dass er dir bald was antut, oder, dass er irgendwas macht, das dich beunruhigt. Das mit den Blumen bedeutet, dass dich irgendwas beruhigt. Und die Einhörner stehen irgendwie für bedingungslose Liebe, für Unglück oder Glück. Also würde ich sagen, dass Malfoy etwas gegen dich plant und du das weißt, also Angst davor hast, es nicht kontrollieren zu können. Doch irgendwas wird dich beruhigen, du wirst also Glück haben. Oder aber Unglück. Vielleicht wird dich aber auch die bedingungslose Liebe zu jemandem beruhigen. Das macht am meisten Sinn", versuchte ich seinen Traum zu deuten. 

Marco sah mich beeindruckt an. "Wow. Das ist, ähm, krass." "Ja, finde ich auch. Eine kurze Frage: Plant Malfoy irgendwas gegen dich? Hast du irgendwie Probleme mit ihm?", erkundigte ich mich bei meinem besten Freund und sah ihn besorgt an. "Was? Nein. Also, vielleicht. Er... ach, egal", nuschelte er und sah weg. Verwirrt betrachtete ich den Braunhaarigen.

"Marco. Egal, was los ist, du kannst es mir sagen, okay? Ich bin immer für dich da", versicherte ich ihm. "Ja. Alles gut", murmelte er nur. Merkwürdig. So war Marco doch sonst nicht. Normalerweise vertraute er mir alles an.

***

"Ich möchte, dass sie ab heute einen Monat lang ein Traumtagebuch führen. Schreiben Sie am besten direkt nach dem Aufwachen auf, was Sie geträumt haben. Ich erwarte eine Beschreibung des Traumes, die Deutung der einzelnen Traumteile und eine abschließende Deutung des gesamten Traumes", erklärte Trelawney uns nach Stundenschluss. Ich verdrehte die Augen und packte anschließend meine Sachen zusammen. Zum Glück waren die Zeiten, in denen ich von irgendwelchen Schatten und Wortfetzen geträumt hatte, vorbei. Zwar hatte ich dafür jetzt dauernd Visionen, aber jetzt brachte das wenigstens mal etwas. Ich träumte nämlich so gut wie gar nicht mehr.

Im Anschluss an das Einpacken meiner Sachen machte ich mich auf den Weg zum Gewächshaus 1, traf dabei auf Julie.

"Wir haben doch heute gemeinsam Kräuterkunde, richtig?", fragte ich sie lächelnd, während wir weitergingen. "Ja, richtig", murmelte die Brünette bedrückt. "Was hast du?", erkundigte ich mich und sah sie an. "Was? Oh, nichts", nuschelte sie. "Julie, ich bin nicht blöd. Ich kenne dich, seit ich denken kann, also versuch' nicht, mich für dumm zu verkaufen. Was ist los?", stellte ich klar und blieb stehen, weshalb meine Freundin ebenfalls stehen blieb. Ich musterte sie von oben bis unten, weshalb sie schließlich antwortete. 

"Es ist wegen Marco. Du weißt doch, ich bin im Zug so abgegangen. Ich hab mich bis jetzt immer noch nicht entschuldigt, ich krieg' das irgendwie einfach nicht hin. Deshalb fühl' ich mich total schlecht. Ich meine, ich bin in Hufflepuff, wir sind nett und loyal und ich schaffe es nicht mal, mich bei irgendwem zu entschuldigen. Das ist einfach... deprimierend", erzählte Julie mir betrübt und setzte sich wieder in Bewegung, was auch mich zum Weitergehen anregte. 

Verständnislos sah ich meine Freundin an. War das wirklich Julie? Meine Julie, die eigentlich immer gut gelaunt und fröhlich war? Das konnte nicht sein, das war sie einfach nicht.

"Julie. Du kennst doch Marco. Der ist am Anfang eine kleine Diva, aber wenn ihr euch zusammensetzt und redet, dann ist auch bald alles wieder gut. Ihr hattet doch schon mehrere kleinere Streitigkeiten, das hatten wir alle schon, das ist doch keine große Sache. Red' nach dem Unterricht einfach noch mal mit ihm und dann wird alles gut", machte ich der Brünetten deutlich. 

Wir kamen im Gewächshaus an und suchten uns Plätze. Als wir saßen, holte ich meine Kräuterkunde-Sachen aus meinem Rucksack, während Julie einfach ihre Sachen auf ihren Platz legte. Mit meinem Rucksack war ich hier echt eine Art Attraktion. Das hatte ich meiner Mutter zu verdanken, die mir das ewige Hin- und her rennen ersparen wollte und mir einen Rucksack gekauft hatte.

"Ich weiß, dass Marco nie lange böse ist. Aber trotzdem... ich weiß auch nicht weiter, Allie." Hilfesuchend sah meine Freundin mich an, als Professor Sprout das Gewächshaus betrat. 

"Guten Morgen, Schüler", rief die robuste Lehrerin und stellte sich vor die Klasse. "Guten Morgen, Professor Sprout", begrüßten wir sie im Chor. "Heute haben wir etwas ganz Besonderes vor. Mr. Longbottom hat eine seltene Mimbulus Mimbeltonia geschenkt bekommen, weshalb er heute mit mir gemeinsam den Unterricht leiten wird. Mr. Longbottom", sagte Professor Sprout voller Vorfreude. Neville stand auf und ging etwas unbeholfen nach vorne, weshalb ich lächelte. Er war so süß.

"Also, Longbottom, was erfahren wir heute über diese Pflanze?", fragte Sprout meinen Schwarm, welcher unsicher in die Klasse sah und seine Pflanze auf den Tisch stellte. Die Pflanze sah aus wie ein grauer Kaktus, hatte statt Stacheln jedoch Beulen. Zudem schien sie zu pulsieren.

"W-wie ihr sehen könnt, ist die Mimbulus Mimbeltonia ziemlich unscheinbar. W-wird sie jedoch gereizt, d-dann passiert das", stammelte Neville und stupste die Pflanze an. Auf der Stelle quoll aus den Beulen ein grüner Schleim, der fürchterlich stank. "D-Dieser Schleim ist ungiftig, es ist einfach eine Abwehrreaktion der Pflanze. I-in eurem Buch könnt ihr jetzt einmal nachschlagen und eine Mimbulus Mimbeltonia zeichnen und beschriften", erklärte Neville stotternd. Am liebsten hätte ich ihm in dieser Situation geholfen, aber Pflanzen waren nun wirklich nicht mein Gebiet.

Ich schlug mein Buch auf und suchte das Kapitel zu der Pflanze. Als ich eine Abbildung von ihr gefunden hatte, holte ich ein Stück Pergament und einen Bleistift heraus.

"Also, wirst du Marco heute Nachmittag ansprechen?", fragte ich Julie, die eifrig die Mimbulus Mimbeltonia zeichnete. "Ich... ja. Werde ich", antwortete sie mir, sah mich an und lächelte kurz. Anschließend zeichnete sie weiter, weshalb auch ich mich nun der Pflanze widmete. Allerdings hatte ich noch nie eine künstlerische Ader besessen, weshalb ich ziemlich viel radieren musste, während Julie bald schon die Pflanze beschriftete.

"Allie? Brauchst du Hilfe?", ertönte Nevilles Stimme hinter mir, weshalb in meinem Bauch einige Schmetterlinge umherflogen. "Ähm, ja, gerne", murmelte ich, weshalb Neville einen Blick über meine Schulter warf. "Du drückst beim Zeichnen zu stark auf, außerdem zeichnest du die Beulen zu sehr wie Stacheln. Sieh mal, du musst mehr aus dem Handgelenk zeichnen", erklärte Neville und griff zögerlich nach meinem Handgelenk.

Allein diese eine Berührung sorgte dafür, dass mir heiß und kalt zugleich wurde.

Neville setzte meine Hand wieder an dem Pergament an und zeichnete mit mir gemeinsam einige der Beulen. 

"Siehst du? Schon viel besser. Mach einfach so weiter, dann wird das", ermutigte Neville und ich war ein wenig traurig, als er mein Handgelenk losließ. 

"Gib's doch zu, du hast mit Absicht so schlecht gezeichnet, damit er dir hilft", murmelte Julie grinsend, als Neville weitergegangen war. Empört sah ich sie an.

"Was? Nein", murmelte ich protestierend und widmete mich wieder der Zeichnung, während Julie mich weiter angrinste.

"Na ja, vielleicht 'n bisschen."

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Widmung: Sunny. Da sie eine mega tolle Hufflepuff ist.♥

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