Kapitel 45
Allie
Nachdem ich nun endlich herausgefunden hatte, wer Amalia war, hatte ich eine Zeit lang nur still in Dumbledores Büro gesessen. Er hatte mir erklärt, dass er einen Fehler damit gemacht hatte, mir die Wahrheit nicht früher zu offenbaren. Seiner Ansicht nach war ich zu jung gewesen, um zu wissen, dass Voldemort nicht nur in Harry, sondern auch in mir eine Gefahr sah. Doch nach den Ereignissen der letzten Nacht hatte er erkannt, dass er es mir hätte früher sagen sollen.
Ich hatte den Schulleiter gefragt, wieso Voldemort sich so sicher gewesen war, dass ich Amalias Tochter war. Dumbledore hatte mir daraufhin erklärt, was für eine Ähnlichkeit ich mit Amalia hätte und hatte mir ein Foto von ihr gezeigt. Es stimmte. Sie hatte dieselben roten Haare gehabt wie ich, ihre Gesichtszüge waren den meinen sehr ähnlich gewesen und ihre Augen hatten einen ähnlichen Braunton wie die meinen gehabt.
Der Schulleiter hatte mir auf Nachfrage noch erklärt, wieso ausgerechnet meine Eltern von ihm ausgewählt worden waren, mich aufzuziehen. Er hatte mir erklärt, dass ihr Muggel-Dasein eine gute Tarnung gewesen war, denn dort hätte mich vermutlich keiner erwartet. Außerdem hatten meine Eltern ohnehin in einer Nachbarschaft gelebt, in der einige Hexen und Zauberer gelebt hatten, unter anderem die Eltern meiner besten Freunde. Da davon auszugehen war, dass ich magische Fähigkeiten entwickeln würde, hatte Dumbledore es für angemessen gehalten, mich in diese Nachbarschaft zu bringen, um bereits Freunde finden zu können.
Ich hatte Dumbledore dann noch gebeten, Claire ihre Erinnerungen zurückzugeben, da er ihr schließlich auch die Erinnerungen an unsere Konversation genommen hatte. Der Schulleiter hatte mir versichert, dass er das tun würde.
Nun saß ich im Gryffindor-Gemeinschaftsraum und starrte auf den Brief meiner leiblichen Mutter. Es fühlte sich falsch an, sie Mutter zu nennen. Ich hatte diese Frau nie gekannt. Außerdem hatte ich eine Mutter. Mum hatte sich immer liebevoll um mich gekümmert und ich wusste, dass ich ihre Tochter war. Ich fragte mich, ob Clary auch adoptiert war. Immerhin war sie auch eine Hexe und es war nicht auszuschließen, dass sie ebenfalls nicht die leibliche Tochter meiner Eltern war.
Ich hörte Schritte und drehte mich um, ließ den Brief dabei nicht los.
"Harry."
Der Dunkelhaarige sah furchtbar aus. Er hatte tiefe Augenringe, seine Haare hatte er wohl seit gestern nicht mehr gekämmt und er war blass. Wer konnte es ihm verübeln.
"Allie. Hallo. Ich wollte eigentlich nur meinen Umhang holen, ich habe ihn gestern einfach abgeworfen und jemand hat ihn hier hingelegt", erklärte Harry mir und griff nach seinem Umhang.
"Es tut mir leid, Harry", sagte ich schließlich, woraufhin der Dunkelhaarige seinen Kopf schüttelte. "Das ist nicht Deine-" "Ich weiß, dass ich den Fluch nicht ausgesprochen habe, aber ich wusste, dass es passieren würde. Ich war so besessen darauf, ihn zu retten, dass ich mich gar nicht in Dich hineinversetzt habe", unterbrach ich ihn. Harry setzte sich zu mir auf die Couch. "Ich hätte auf Dich hören müssen", erwiderte er und starrte auf seine Hände. "Niemand hätte in dem Moment so rational gedacht, Harry. Das war mein Fehler, ich hätte das wissen müssen. Aber ich habe nicht darüber nachgedacht, wie das für Dich ist. Wenn ich mich mehr in Dich hineinversetzt hätte, wäre alles vielleicht ganz anders ausgegangen", erklärte ich ihm.
Die letzten Stunden hatten so viele Fragen aufgeworfen, dass ich gar keine Zeit mehr gehabt hatte, über meine Schuldgefühle nachzudenken. Doch nun, da Harry hier war, strömten sie alle zurück und ich musste mich beherrschen, nicht wieder von der Welle an Gefühlen weggetragen zu werden.
"Warst Du auch bei Dumbledore?", wechselte Harry schließlich das Thema, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob das jetzt das war, was ich brauchte. Doch ich nickte, denn ich wusste, er wollte nicht weiter über Schuldgefühle reden. "Ja, war ich. Wie es aussieht denkt Voldemort, ich wäre seine Tochter und würde eines Tages versuchen, ihm die Macht zu entreißen. Ich bin aber eigentlich gar nicht seine Tochter, ich weiß auch nicht, wer mein biologischer Vater ist. Aber meine biologische Mutter war eine Todesserin. Ach und außerdem hatte Dumbledore meine Erinnerungen ans letzte Schuljahr verändert."
Ich hob den Brief von Amalia hoch.
Harry sah mich an, offenbar etwas überrumpelt von all den Informationen. "Wow. Okay. Klingt auch nicht, als wäre es das beste Gespräch gewesen." "War es nicht. Ich hab kurzzeitig überlegt, sein Büro zu zerstören, aber das hattest Du ja schon übernommen", erwiderte ich, woraufhin Harry verlegen dreinschaute. "War er wütend?"
"Dumbledore ist nie wütend, Harry", erwiderte ich, woraufhin er nickte. "Da ist wohl was Wahres dran."
Ich wollte gerade noch etwas sagen, da betrat Neville den Gemeinschaftsraum. "Allie, ich-ich hab Deine Stimme gehört und wollte gerne, nun ja, mit Dir sprechen. Ich kann später wiederkommen-" "Nein, schon gut Neville. Ich wollte sowieso gerade gehen", fiel Harry ihm ins Wort, warf mir dabei einen vielsagenden Blick zu. Dann stand er auf und begab sich in seinen Schlafraum.
"Darf ich?", fragte Neville mich zögerlich und deutete auf den Platz, auf dem Harry gerade noch gesessen hatte. "Natürlich", antwortete ich, woraufhin der Braunhaarige sich setzte. Er war sichtlich nervös.
"Wie-wie geht es Dir?", stotterte Neville unbeholfen, woraufhin ich mit den Achseln zuckte. "Na ja. Lange Geschichte. Was gibt es denn?" Neville fuhr sich nervös durch die Haare.
"Na ja, ich-ich dachte, wir sollten noch mal reden. Ich meine, wegen dem, was Du mir gesagt hast, bezüglich Deiner Gefühle", stammelte er unbeholfen.
Na klar. Als wären die letzten Stunden nicht genug gewesen, wollte Neville jetzt auch noch mein Herz zerquetschen. Ich persönlich hatte ja gedacht, dass das Stehenlassen schon Aussage genug gewesen war. Neville sah das offenbar anders.
Ich atmete noch einmal durch. "Klar. Ich kann das ab."
Neville sah mich kurz verwirrt an. "Was?" Ich verdrehte die Augen. "Na ja, ist doch offensichtlich. Du wirst mir sagen, dass wir zwar gute Freunde sind, aber-" "Nein, das ist es ja gerade, Allie! Ich mag Dich auch. Genau auf die Weise, auf die Du mich magst. Ich hatte bei unserer letzten Unterhaltung Angst, es Dir zu gestehen, ich war einfach überfordert. Es tut mir leid, ich hätte anders reagieren müssen. Aber ich habe auch Gefühle für Dich."
Mit einem Mal klang Neville absolut selbstsicher und er stotterte auch gar nicht mehr. Die Sicherheit, mit der er seine Worte aussprach, überraschte mich. Seine Worte selbst überraschten mich ebenfalls. Aber vor allem machten sie mich glücklich. Und sie zauberten mir zum ersten Mal seit gestern Morgen wieder ein Lächeln aufs Gesicht.
"Danke Neville. Das bedeutet mir viel", erwiderte ich nur und schlang meine Arme um ihn. Mein Herz klopfte bis zum Anschlag und die Schmetterlinge in meinem Bauch feierten wohl Karneval. Neville erwiderte die Umarmung etwas überrumpelt.
"Tut mir wirklich leid", wiederholte er sich. Ich sah ihn an und verschränkte meine Finger mit seinen. "Alles gut, Neville."
Meine Schuldgefühle bezüglich Sirius Black waren für einen kurzen Moment wieder vergessen.
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