Kapitel 43
Allie
Ich bekam nur am Rande mit, wie Moody Claire und mich zu den anderen brachte. Zu schockiert war ich von dem, was gerade passiert war.
Ich hatte es versucht. Ich hatte mit aller Kraft versucht, diesen Tod zu verhindern. Claire hatte mir sogar geholfen, hatte dabei ihr Leben riskiert.
Doch es hatte nichts genützt. Ich war nicht überzeugend oder schnell genug gewesen. Was ich getan hatte, hatte nicht gereicht. Ich hatte versagt. Und jetzt war ein Mensch gestorben, den ich so verzweifelt hatte retten wollen.
Ich bekam die Kämpfe um uns herum kaum mit. Zu sehr war ich in meiner Trauer und meiner Scham versunken. Luna und Hermine versuchten, mit mir zu kommunizieren, während Claire mich einfach nur festhielt und nichts sagte. Ich hörte die beiden nicht, es war, als wäre ich komplett taub für meine Umgebung. Da war nur diese tiefe, dunkle Leere. Und alles darum herum verblasste.
Ich hatte nicht einmal die Kraft, zu überlegen, was ich hätte anders machen können. Alles, was ich wollte, war die Dunkelheit zu empfangen und in ihr davonzutreiben. Ich wollte mich unter einer Decke verkriechen und nicht mehr hervorkommen.
Bei Cedrics Tod hatte ich mich nicht so gefühlt. Es hatte mich auch getroffen, aber die Vision war so heftig gewesen, dass ich Professor Dumbledore nicht rechtzeitig hatte erreichen können. Zumindest glaubte ich das, auch wenn dieses Gefühl, etwas vergessen zu haben, wieder auftrat bei der Erinnerung daran.
Doch hier und jetzt war ich dabei gewesen. Ich hätte etwas gegen Sirius Blacks Tod tun können, ich hätte es verhindern können. Aber ich war gescheitert. Ich hatte gewusst, was passieren würde, aber ich hatte es nicht verhindern können.
Und auch wenn nicht ich es gewesen war, die den Todesfluch ausgesprochen hatte, so war ich dennoch mit dafür verantwortlich, dass ein Mensch gestorben war. Denn ich hatte es nicht geschafft, die Menschen um mich herum von einem bevorstehenden Tod zu überzeugen und es war mir auch nicht gelungen, Black eigenständig zu retten.
Wozu hatte ich diese Visionen, wenn sie am Ende ohnehin eintreten würden?
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch Ron und Hermine erhoben sich plötzlich.
"Wir müssen zu Harry", drängte Hermine und zückte ihren Zauberstab wieder. Auch die anderen um mich herum standen nun auf. Claire half mir auf die Beine, doch so ganz sicher fühlte ich mich nicht auf ihnen. Dabei bemerkte ich, dass die Kämpfe sich gelegt hatten und der Großteil der Todesser gefesselt am Boden lag. Der Teil, der es noch nicht tat, wurde noch von einigen der erwachsenen Hexen und Zauberern bearbeitet.
"Auf keinen Fall. Ich bringe Euch jetzt hier raus, die anderen Ordensmitglieder sehen nach Harry", erwiderte Lupin.
"Bei allem Respekt, aber Harry ist unser bester Freund. Er hat gerade den einzigen Menschen verloren, der für ihn so was wie ein Vater war. Er braucht uns", mischte Ron sich ein und nahm Hermines Hand. Neville, Ginny und Luna nickten zustimmend und holten ebenfalls ihre Zauberstäbe hervor. Sie wussten immerhin nicht, was sie bei Harry erwarten würde.
"Soll ich Euch nach Hogwarts bringen?", fragte Lupin mit empathischer Stimme an Claire und mich gewandt. Unser ehemaliger Lehrer schien zu merken, dass wir ziemlich mitgenommen waren.
Claire sah mich fragend an. Sie wusste ganz genau, was sich gerade in mir abspielte. Offenbar wollte sie mir die Entscheidung überlassen, ob ich mich aus dieser Situation rausziehen oder hier bleiben wollte.
Mein erster Instinkt war, hier rauszustürmen. Je schneller ich hier rauskam, desto schneller könnte ich mich unter einer Decke verkriechen, ohne Menschen sehen zu müssen.
Doch ich wusste, dass das falsch war. Harry und ich mochten keine besten Freunde sein, aber ich hatte ihn hierher begleitet, um ihn vor einem Verlust zu bewahren. Darin war ich gescheitert. Und was immer jetzt mit ihm passierte, ich konnte zumindest versuchen, ihn vor Schlimmerem zu bewahren.
Ich hatte später noch Zeit, in mein Loch zu fallen.
"Ich bleibe", sagte ich schließlich, während ich meinen Zauberstab mit zitternder Hand zückte. Ich wusste nicht, ob ich stark genug war für einen Zauberspruch. Die Vision, das ganze Gerenne, der Kampf mit dem Todesser und der Verlust von Harrys Patenonkel hatten mich ziemlich ausgelaugt. Ich umklammerte meinen Zauberstab fester, um ihn nicht zu verlieren.
"Dann bleibe ich auch", erwiderte Claire mit müder Stimme. Lupin sah besorgt aus, aber er schien zu merken, dass wir nicht auf ihn hören würden. Er nickte. "Dann los, bevor die anderen was merken."
Wir schlichen uns also davon und rannten in die Richtung, in die Harry Bellatrix gefolgt war.
Wir kamen in einem großen Raum an, der ebenfalls mit schwarzen Fliesen bedeckt war. Doch hier hatte wohl bereits ein Kampf stattgefunden. Ein riesiges Poster war heruntergerissen, die Fenster waren zersplittert und der Boden war mit Sand bedeckt. Wir alle sahen uns kurz in dem Raum um, sichtlich schockiert von dem Zustand des Raumes.
Am Ende des Raumes kniete ein in grau gekleideter Dumbledore, Harry lag kraftlos vor ihm auf dem Boden. Ich wusste nicht, was da mit ihm geschah, aber es nahm ihn sichtlich mit. Er war kreidebleich und schien am Rande des Aufgebens zu stehen. Was auch immer er gerade durchstand, er schien nicht mehr weiterkämpfen zu wollen.
Dann sah er uns alle. Plötzlich zuckte er und krallte sich in den Sand vor sich.
Dann sprach er unter großer Anstrengung: "Du bist der Schwache. Und Du wirst niemals wissen, was Liebe ist. Oder Freundschaft. Und deshalb kannst Du mir nur leidtun."
Er wand sich wieder am Boden und stieß einen kurzen Schrei aus, ehe er auf dem Rücken landete und eine Gestalt erschien. Die Gestalt trug einen schwarzen Umhang und glich vom Aussehen her einer Schlange. Sie hatte keine Haare auf dem Kopf, faltige Haut und nur zwei Schlitze als Nase.
Ich wusste ganz genau, wer das war. Er war im letzten Jahr bereits in meinen Visionen aufgetaucht und ich hatte gesehen, wie er jemandem befohlen hatte, Cedric zu töten.
Diese Gestalt war Lord Voldemort.
Der gefürchtetste Zauberer unserer Zeit schritt auf Harry zu und beugte sich über ihn. Er schien gerade einen Kampf, wenn auch mental, gegen Harry verloren zu haben, doch er gab sich dennoch gehässig.
"Du bist schwach, Harry Potter. Und deshalb wirst Du auch alles verlieren."
Und dann passierte etwas, das ich selbst erst hinterher begriff. Es war unheimlich dumm, aber in diesem einen Moment konnte ich meine Zunge nicht zügeln. Ich wusste nicht, ob es der Druck war, der den ganzen Tag schon auf mir lastete oder ob ich einfach zumindest einen Moment lang daran glauben wollte, dass dieser ganze Tag nicht umsonst gewesen war. Und dass meine Visionen eines Tages vielleicht doch einen Vorteil für uns bedeuten würden.
"Nicht wenn wir helfen, das zu verhindern."
Voldemort hob seinen Blick und sah mich direkt an. Seine Augen weiteten sich für einen Moment. Dann grinste er höhnisch.
"Wie schön, Dich wiederzusehen. Amalia wäre so traurig. Denn am Ende war ihr Opfer doch umsonst."
Bevor ich darüber nachdenken konnte, was Voldemort da gerade gesagt hatte, kam bereits ein grüner Lichtblitz auf mich zugeflogen. Mir war bewusst, dass das nicht gut war, doch es fühlte sich alles wie in Zeitlupe an und meine Beine schienen wie angewurzelt zu sein.
Ich wäre ziemlich sicher gestorben, wenn Claire nicht geistesgegenwärtig ein Teil einer zerstörten Statue herbeigerufen und sie zwischen den Lichtblitz und mich gezaubert hätte. Das Statuenteil wurde zerstört und ich hob meine Arme vor mein Gesicht. Nur durch einen Schutzzauber von Claire wurde ich davor verschont, von Steinteilen durchbohrt zu werden.
Bevor Voldemort einen weiteren Todesfluch auf mich abfeuern konnte, kamen Ministeriumsmitarbeiter, angeführt von Cornelius Fudge, herbeigeeilt, was Voldemort zur Flucht zwang.
"Bist Du eigentlich komplett bescheuert?! Man bleibt nicht einfach stehen, wenn ein Todesfluch auf einen zufliegt! Du hättest sterben können, Allie, ist Dir das eigentlich klar?!"
Claire kam auf mich zugerannt und zog mich in ihre Arme. Ich hörte sie schluchzen.
Erst jetzt realisierte ich, was da gerade passiert war. Erst jetzt bemerkte ich, in was für einer Gefahr ich geschwebt hatte.
"Jetzt hör auf, nicht mit mir zu reden, Du dummes Ding!", schluchzte Claire an meine Schulter, woraufhin ich meine Arme um sie schlang. "Tut mir leid, Claire. Es tut mir leid."
Ich zog meine beste Freundin enger an mich. Ich hätte mich in diesem Moment bedanken sollen, doch ich wusste, dass das nicht das war, was die Blondine jetzt hören wollte. Sie wollte nur die Bestätigung, dass es mir gut ging und ich noch am Leben war.
Also spielte ich mit. Sie musste selbst wissen, dass es mir nicht gut ging, aber für diesen einen Moment spielte ich um ihretwillen mit.
Während Claire also weiter schluchzte und mir zugegebenermaßen gerechtfertigt sagte, wie dumm ich mich verhalten hatte, warf ich einen Blick auf Harry und Dumbledore. Unser Schulleiter hielt Harry im Arm und sah abwechselnd ihn, Fudge und mich an.
Dumbledore schien genau zu wissen, wieso der gefürchtetste Zauberer unserer Zeit versucht hatte, mich zu töten.
Mein Loch, in das ich vorhin noch hatte fallen wollen, musste warten. Erst musste ich herausfinden, was zum Teufel hier los war.
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