Kapitel 28

Claire

"Hier wohnt ihr?", fragte ich George verwirrt, als wir vor den großen alten Häusern standen, zwischen denen durch Magie ein weiteres aufgetaucht war: Die Nummer 12.

"Nein. Also, nicht wirklich. Aber momentan wohnen wir hier. Ich erklär's dir drinnen, okay?", beantwortete mein Freund die Frage und betrat das Haus, Hand in Hand mit mir.

Mehrere Stimmen drangen zu mir.

"Ich kann nicht glauben, dass er sie eingeladen hat!"
"Sie scheint ihn glücklich zu machen!"
"Sie ist immer noch eine Slytherin!"
"Das ist doch unwichtig!"

"Wow. Deine Familie scheint ja richtig begeistert zu sein, mich kennenzulernen. Hätte ich nicht so ein großes Ego, würde ich jetzt umdrehen", erklärte ich George, während meine Nervosität stieg. Ich war schon seit Georges Einladung einige Tage zuvor nervös gewesen, immerhin war ich eine Slytherin und vor allem Ron hasste mich. Wie sollten da Georges andere Geschwister reagieren?

"Ron, benimm dich!", hörte ich eine weitere, bekannte Stimme. Hermine Granger. Verwirrt sah ich meinen Freund an. "Hermine ist auch hier?" "Ja. Harry auch. Und einige andere Personen, die dir bekannt sein dürften. Lass uns zu ihnen reingehen", schlug er vor und zerrte mich in den Essensraum.

Und wenn ich nicht schon bis zum Limit nervös gewesen wäre, wäre es spätestens jetzt soweit gewesen. In diesem Raum saß nicht nur Georges Familie; hier saßen auch Professor Lupin, Professor Moody, Professor Snape, eine Frau mit rosafarbenen Haaren und ein Mann mit schwarzen, zotteligen Haaren, einem zu weit aufgeknöpften Hemd und einem Bart. Er kam mir bekannt vor. Ich hatte ihn wahrscheinlich schon einmal in der Zeitung gesehen, vielleicht war ich ihm schon mal auf der Straße begegnet-

Nein. Plötzlich war ich mir sicher, dass ich ihn aus der Zeitung kannte. Und von Fahndungsplakaten.

"Was bei Merlins Bart macht Sirius Black hier?!", rief ich erschrocken und richtete meinen Zauberstab auf den Massenmörder am anderen Ende des Tisches, wissend, dass ich außerhalb von Hogwarts eigentlich nicht zaubern durfte. "Und Sie; sind Sie wirklich Alastor Moody oder sind Sie nur wieder jemand, der sich als er ausgibt?", wandte ich mich an den ehemaligen Professor für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Beziehungsweise den Mann, der dieser Lehrer hätte sein sollen.

"Ach und hi Professor Lupin", fügte ich noch etwas gestresst hinzu. Mein ehemaliger Professor nickte mir nur kurz zu.

Professor Snape ignorierte ich aus Prinzip. Er sah mich nicht an und ich hatte absolut keine Lust, mich mit diesem Mann zu unterhalten. Nicht heute, wo ich sowieso schon gestresst war.

Moody begann zu lachen. "Sie fragt schon mal die richtigen Fragen."

Erst jetzt bemerkte ich, dass so ziemlich jeder in dem Raum mich anstarrte. Und dass ich mich Georges Eltern noch nicht vorgestellt hatte.

Den ersten Eindruck hatte ich also schon einmal versaut. Super.

"Okay, Claire. Das ist der echte Alastor Moody. Und Sirius Black ist auch nicht der, für den du ihn hältst", flüsterte George beruhigend in mein Ohr und küsste sanft die Stelle darunter. "Er wurde zu Unrecht verurteilt. Er hat niemanden umgebracht, er ist unschuldig. Außerdem ist er Harrys Patenonkel. Und das hier ist sein Haus." "Und du hättest mich nicht vorwarnen können, damit ich mich hier nicht vor allen blamiere?!", fauchte ich, ehe ich mich an Georges Mutter wandte und ihr die Hand reichte.

"Tut mir leid. Ich bin unhöflich. Claire Trescott." Ich setzte ein Lächeln auf, doch Mrs. Weasleys Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie nicht begeistert von mir war. Zudem ignorierte sie meinr ausgestreckte Hand komplett.

Na wundervoll.

Georges Vater hingegen nahm die Hand an und schien mir gegenüber positiver eingestellt. Was vielleicht daran lag, dass er vor Kurzem beinahe gestorben wäre. George hatte mir erzählt, dass sein Vater von Voldemorts Schlange angegriffen worden war und nur knapp überlebt hatte. Deshalb waren George und seine Geschwister auch schon früher abgereist.

"Gut. Und jetzt erzählst du mir, wieso so viele Lehrer und Sirius Black hier sind", wandte ich mich mit einem falschen Lächeln an George. "Das geht dich nichts an. Sie wollten sowieso gerade gehen", antwortete an Stelle von George seine Mutter und deutete meinen ehemaligen Professoren mit einer Handbewegung, den Raum zu verlassen. Sie taten es, Black blieb jedoch sitzen. Was verständlich war, denn das hier war immer noch sein Haus.

Die Stille war fast unerträglich und am liebsten wäre in den Professoren hinterher gerannt, um diesem Raum zu entkommen.

"Claire, setz dich doch", bat George mich und zog einen Stuhl für mich zurück. Ich bedankte mich, setzte mich anschließend auf den Stuhl und ließ mich von George an den Tisch schieben. Noch immer herrschte diese unangenehme Stille und ich konnte die Blicke aller Anwesenden auf mir spüren, auch ohne hochzugucken. Ich hätte mich nicht auf Georges Einladung einlassen sollen. Natürlich würde es merkwürdig werden. Alle in diesem Raum waren in Gryffindor oder waren in Gryffindor gewesen, wobei ich mir bei Sirius Black nicht so ganz sicher war, und hier saß nun eine Slytherin mit am Tisch. Zwischen meinen Freunden und mir war das mit den Häusern vielleicht kein Problem, bei allen anderen schon eher.

"Also, Claire, wie kam es dazu, dass du und George... na ja, du weißt schon", durchbrach Mrs. Weasley die Stille. "Ach, das hat schon vor fünf Jahren angefangen, als Fred und George dachten, es sei lustig, Slytherin-Erstklässlerinnen zu ärgern. Letztes Jahr wurden wir dann so was wie Freunde, ehe ich einen Satz von George bezüglich des Winterballs falsch verstanden hatte. Es klang so, als hätte er mich gefragt, ob ich mit ihm hingehe, aber am Ende war's nicht ernst gemeint. Dann haben wir bis Anfang dieses Schuljahres kaum miteinander geredet. Aber er hat sich entschuldigt und dann haben wir wieder bei der Freundschaft angefangen. Aus der jetzt mehr geworden ist", plapperte ich also gespielt fröhlich drauf los. Das war wenigstens etwas, wozu ich etwas sagen konnte.

"Und wieso habt ihr so lange nicht miteinander geredet?", erkundigte Mrs. Weasley sich. "Uhm, na ja, also ich war ziemlich angepisst wegen der Ballsache. Da hatte ich nicht unbedingt das Bedürfnis nach reden", antwortete ich wahrheitsgemäß und sah, wie ihr Gesichtsausdruck sich in einen kritischen wandelte. "Wenn du also angepisst bist rennst du lieber weg als darüber zu reden?"

Verdammtes Fettnäpfchen.

"Ich... also...", setzte ich zu einer Erklärung an, wurde aber von George unterbrochen. "Mum. Was soll denn das? Als hättest du anders reagiert."

Könnten Blicke töten, wäre George in diesem Moment tot umgefallen. Nicht nur wegen Mrs. Weasleys Blick, sondern auch wegen Rons. Offenbar hatten sich die beiden gegen mich verschworen.

Claire Trescott, Schrecken der Faimilie Weasley. Könnte als Künstlertitel so durchgehen.

"Wo er recht hat, hat er recht, Schatz", stimmte Mr. Weasley meinem Freund zu und sah mich mit einem Lächeln an. "Claire, was machst du in deiner Freizeit gerne?"

Dieses Mal sollte ich mir meine Antwort gut überlegen. Ich konnte schlecht sagen, dass ich gerne Malfoy runtermachte. Zwar hassten diese Leute die Malfoys wahrscheinlich auch, aber Mrs. Weasley würde mir aus einer solchen Antwort sowieso wieder einen Strick drehen.

"Ich sehe mir gerne Quidditch-Spiele an", antwortete ich also, da ich wusste, dass Georges Geschwister auch quidditchbegeistert waren. Ob seine Eltern es waren, wusste ich nicht, aber zumindest würde ich vielleicht bei seinen Geschwistern punkten. "Echt? Welche ist deine Lieblingsmannschaft?", fragte ein Mann mit kantigem Gesicht mich. Er trug seine Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, zudem befand sich an seinem Ohr ein Ohrring. Er saß neben einer jungen Frau, deren Gesicht ich noch vom letzten Jahr kannte.

Fleur Delacour. Eine der trimagischen Champions.

Also musste der Mann Bill sein, zumindest wenn ich Georges Aussage, dass sie und Bill jetzt zusammen waren, Glauben schenken konnte.

"Die Heidelberger Vandalen", antwortete ich also und konnte beobachten, wie Ron die Augen verdrehte. "Hast du ein Problem damit?"

Der Rothaarige sah mich an, dann schnaubte er einmal. "Die stehen mit an der Spitze der Weltrangliste. Wahrscheinlich kennst du andere Mannschaften nicht mal wirklich und behauptest jetzt, sie seien deine Lieblingsmannschaft, weil dir keine andere einfällt."

Empört sah ich den Gleichaltrigen schräg gegenüber von mir an. "Ich kenne die Holyhead Harpies, die die Heidelberger Vandalen 1953 besiegt haben. In dieser Mannschaft dürfen nur Hexen mitspielen. Und mir ist die Rivalität zwischen den Appleby Arrows und den Wimbourner Wespen durchaus bekannt. Oh und ich kenne die Chudley Cannons, die seit 1892 keine Weltmeisterschaft mehr gewonnen haben. Und sie wahrscheinlich auch nicht mehr gewinnen werden. Gott, die tun mir fast leid, weißt du? Aber es soll ja noch ein paar treue Fans geben. Arme Gestalten, die sich das noch antun-"

Ich wurde davon unterbrochen, dass George mir leicht in den Arm kniff.

"Aua! Was sollte das?!", quiekte ich empört. Mein Freund beugte sich zu mir vor. "Die Chudley Cannons sind Rons Lieblingsmannschaft."

Ich ließ heute aber auch absolut kein Fettnäpfchen aus.

Während Ron mich mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, räusperte ich mich. "Also. Ich meine. Die Cannons gewinnen bestimmt in nächster Zeit mal wieder irgendetwas... Relevantes. Vielleicht."

Darauf erwiderte Georges jüngster Bruder nichts.

"Wie kommt es denn, dass eine deutsche Mannschaft deine liebste ist?", erkundigte sich Georges Vater. An dieser Stelle muss mal gesagt sein, dass Mr. Weasley ein fantastischer Mensch war. Ehrlich. Ich verkackte das Kennenlernen hier auf ganzer Linie und trotzdem war er noch nett zu mir und wollte etwas von mir erfahren.

"Ehrlich gesagt, kann ich das gar nicht so sagen. Vielleicht liegt's dran, dass Allies Mutter aus Deutschland kommt. Keine Ahnung."

"Spielst du eigentlich auch selbst Quidditch?", wollte jetzt Georges Schwester Ginny wissen. "Nein. Aber George will es mir beibringen", erklärte ich ihr und sah George kurz an. Dieser nickte. "Claire hier wird die beste Treiberin überhaupt."

Der Rest des Abends war eine Mischung aus merkwürdiger Stille und vereinzelten Fragen über mich. Hauptsächlich ging es um Quidditch, weil das Thema schlussendlich doch recht risikofrei war. Dinge wie meine Eltern, meine Noten oder meine Zukunftsträume blieben zum Glück aus. Da hätte ich mich mit Sicherheit nur wieder blamiert. Zumal meine Mutter im Ministerium arbeitete und eine höhere Stellung hatte als Mr. Weasley, was wahrscheinlich auch wieder ein heikles Gesprächsthema gewesen wäre.

Nach dem Essen, was nebenbei bemerkt echt lecker gewesen war, nahm George meine Hand.

"Claire und ich gehen jetzt nach oben."

"Ihr könnt doch nicht zu zweit da hochgehen!", rief Mrs. Weasley empört, wahrscheinlich in der Annahme, dass wir da oben sonst was treiben würden.

Allerdings ließ sich George gar nicht erst auf eine Auseinandersetzung ein und brachte mich in sein Zimmer. "Wenn ich hochkomme, müsst ihr aber aufhören!", rief Fred uns noch lachend hinterher.

In dem Zimmer angekommen, sah ich George an.

Sofort fing ich an zu reden, denn ich wollte bestimmt nicht darüber reden, was ich von Georges Familie hielt. Oder mir anhören, dass ich den ersten Eindruck verkackt hatte. Das brauchte ich jetzt nicht.

"Warum waren jetzt genau Lehrer hier? Das ist extrem gruselig." "Ich weiß. Wollen wir uns erst mal setzen?", schlug mein Freund vor und wir setzten uns auf das Bett.

"Okay. Dieses Haus ist das Hauptquartier einer Geheimorganisation", begann George zu erklären, ehe ich ihn unterbrach: "Noch eine Geheimorganisation? Also Allie, Marco und Julie haben mir ja schon von der in der Schule erzählt, aber es gibt noch eine? Das ist doch alles eine große Verschwörungstheorie."

"Die drei haben dir von der DA erzählt? Warum?", fragte George verwirrt. "Kurzgesagt hat Malfoy mir das erzählt und anschließend konnten sie es nicht leugnen. Wofür ist denn jetzt diese andere Organisation?", wechselte ich das Thema neugierig. "Sie heißt der Orden des Phönix. Dumbledore hat den Orden beim ersten Kampf gegen Du-weißt-schon-wen gegründet. Und Moody, Lupin und Snape sind Mitglieder. Genau wie Sirius. Und kurz bevor wir hergekommen sind, gab es ein Treffen. Das habe ich mal sausen lassen, um dich abzuholen", führte der Rothaarige seine Erklärung aus.

"Moment mal, da bist du auch Mitglied?", stieß ich erstaunt aus, woraufhin er nickte. "Krass. Kann ich da Mitglied werden? In euren Schulclub darf ich ja nicht, aber wenn ich gleich in eine Anti-Voldemort-Organisation gehen kann-" "Nein, Claire. Tut mir leid. Nur für Volljährige", unterbrach mein Freund mich schnell und zerstörte damit meine Träume. "Unfair. Trauen die uns nichts zu?", murrte ich deshalb unzufrieden. "Wir wollen nicht, dass Minderjährige verletzt werden. Und jetzt lass uns über was anderes reden, ich habe genug gesagt", schlug George vor und ich merkte, dass er sich unwohl fühlte.

Vermutlich wussten die anderen Ordensmitglieder nicht von meiner Mitwissenschaft. Und George konnte sich damit vermutlich auch in die Scheiße reiten. Ich war enttäuscht, dass ich kein Mitglied werden konnte, aber ich war froh, dass George mir davon erzählt hatte. Denn jetzt wusste ich, dass es Erwachsene gab, die sich im Notfall um Voldemort und seine Lemminge, auch als Todesser bekannt, kümmern würde.

Sie konnten uns beschützen. Und diese Gewissheit war gut. Es überraschte mich, wie erleichtert ich darüber tatsächlich war. Wahrscheinlich hatte ich mir unterbewusst mehr Sorgen gemacht, als ich gedacht hatte: über Allies beunruhigende Visionen, über unsere Freundschaft, über meine Beziehung, über Voldemort. Ich war einfach zu beschäftigt gewesen, um mir wirklich Gedanken um diese Sorgen zu machen.

"Weißt du, wir müssen gar nicht reden", erwiderte ich mit einem Grinsen auf seinen Vorschlag und ehe er etwas sagen konnte, lag ich schon über ihm und küsste ihn.

---

Das ist wohl das längste Kapitel des Buches.
Aber hier ist es ja auch kurz nach Weihnachten.

Gilt das noch als verspätetes Weihnachtsspecial?

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top