Kapitel 27
Allie
"So. Bevor hier jetzt eine merkwürdige Stille entsteht, sage ich direkt mal etwas", begann Claire zu reden, als wir in mein Zimmer traten.
Der Raum war nicht besonders groß, aber dafür mussten Clary und ich uns kein Zimmer teilen. So sehr ich meine Schwester auch liebte, aber es war fast schon gruselig, wie sehr sie das Ravenclaw-Klischee einer Streberin verkörperte. Was nichts Schlimmes war, jedoch durchaus nerven konnte. Vor allem dann, wenn sie mir weismachen wollte, dass ich mehr lernen sollte.
An einer Wand hing eine Collage mit Bildern von Claire, Julie, Marco und mir, als wir klein gewesen waren. Wir hatten sie erstellt, als ich noch davon ausgegangen war, ein Muggel zu sein und ich Angst gehabt hatte, die drei ewig nicht wiedersehen zu können. Ich erinnerte mich noch klar daran, wie glücklich ich gewesen war, als ich ihnen stolz meinen Hogwartsbrief gezeigt hatte. Oder wie wir nach der Zuteilung unserer Häuser geschworen hatten, Freunde zu bleiben und die Sache nicht zwischen uns stehen zu lassen.
Hatte so semi-gut geklappt.
Wir setzten uns auf den Boden, so wie wir es immer taten, ehe Claire weitersprach.
"Ich habe lange nachgedacht wegen dieser Geheimorganisationssache. Ich war echt angepisst, weil ich meine, hallo, ihr hättet ja zumindest mal Hinweise auf so was geben können. Es hat mich einfach verletzt, wisst ihr? Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr habe ich verstanden, warum ihr es getan habt. Und mir ist aufgefallen, dass ich vielleicht nicht unbedingt anders gehandelt hätte. Denn so könnt ihr mich zumindest mitbeschützen. Also. Lasst uns das Ganze vergessen und uns einfach darauf einigen, dass ihr mir das, was ihr lernt, heimlich beibringt, okay? Dann kann ich euch nämlich im Notfall auch den Arsch retten."
Meine ganze Anspannung fiel von mir ab. Es war, als wäre es eine Art Weihnachtswunder, denn Claire war jemand, der nur selten auf Menschen zuging, wenn es Stress gab. Wahrscheinlich hatten wir einfach Glück, dass wir ihre besten Freunde waren. Ich war einfach glücklich, dass sie uns verzeihen konnte und die Stimmung nicht den ganzen Abend lang im Keller sein würde. Claires Forderung würden wir definitiv erfüllen, denn auch wenn sie es anders ausgedrückt hatte, hatte sie Recht damit, dass auch sie wissen sollte, wie sie sich verteidigen konnte.
"Auf jeden Fall. Gott, Claire, danke", murmelte ich nur und umarmte die Blondine. Sie erwiderte diese Umarmung kurz, ehe sie mich ansah. "Das reicht jetzt mit Nettigkeiten. Wird langsam widerlich."
Wir vier kicherten und ich setzte mich zurück auf den Boden.
"Also. Wichteln. Wer hatte mich?", wechselte Claire das Thema und sah mit einem breiten Grinsen in die Runde. "Wer hat gesagt, dass du dein Geschenk zuerst bekommst? Wir machen immer Flaschendrehen!", beschwerte Marco sich grinsend, woraufhin Claire ihm gegen die Schulter schlug. "Ja. Aber ihr habt mich verletzt, also seht das als eine Art Wiedergutmachung an."
Wir stimmten zu und schließlich schob Julie der Blondine ein Paket zu. Claire machte sich sofort ans Auspacken und zum Vorschein kam ein Buch, das Julie dem Anschein nach selbstgemacht hatte. Neugierig blätterte Claire darin rum und ihre Augen weiteten sich.
"Oh. Mein. Gott. Sind das die Zaubersprüche, die ihr schon gelernt habt? Und hier steht auch beschrieben, wie ich es anstellen muss! Danke!", rief die Blondine begeistert und umarmte Julie stürmisch. "Ich dachte mir, so kannst du auch selbst schon üben. Das könnte vielleicht praktisch sein", erklärte Julie sich lächelnd. "Okay. Das ist definitiv das beste Weihnachtsgeschenk ever", grinste Claire nur und setzte sich wieder hin.
"Wer hatte hier denn Julie?"
Marco meldete sich und reichte Julie eine kleine Box. Die Braunhaarige hob den Deckel hoch und zum Vorschein kam ein Französisch-Wörterbuch.
"Du wolltest die Sprache ja immer lernen und ich dachte, da wäre das mal ein guter Anfang." Julie umarmte Marco kurz. "Danke. Das ist super, wirklich!" Claire hingegen zuckte mit den Schultern. "Also ich würde ungerne ein Wörterbuch geschenkt bekommen." "Wissen wir!", antworteten Julie, Marco und ich gleichzeitig und grinsten.
"Nun. Dann ist es wohl an mir, dir dein Geschenk zu überreichen", sagte ich an Marco gewandt und realisierte jetzt erst, dass Claire also mein Wichtel war. Ich konnte mir dieses Jahr beim besten Willen nicht vorstellen, was sie mir schenken würde.
Marco nahm sein Geschenk entgegen. Ich hatte ihm ein Buch geschenkt, in dem 100 mehr oder weniger gute Wege beschrieben waren, wie man sich outen konnte. Das Buch hatte ich jedoch in einen selbstgebastelten Umschlag gepackt, damit es aussah wie ein Fantasyroman. Es war Marcos Entscheidung, wann er es Julie und Claire sagen wollte, weshalb ich das Buch extra getarnt hatte.
Mein bester Freund blätterte in dem Buch und begann zu grinsen. Offenbar fand er die Outing-Wege genau so witzig wie ich.
Jedoch wurde sein Blick auch schnell nachdenklich. Vielleicht dachte er darüber nach, es Julie und Claire zu sagen. Was großartig wäre, denn ich wusste einfach, dass die beiden es akzeptieren würden.
Und dann tat er etwas, das ich nicht erwartet hatte: Langsam und vorsichtig, so als wollte er ihn nicht kaputtmachen, löste er den selbstgebastelten Umschlag von dem Buch. Claire und Julie sahen sich verwirrt an, während Marco mir einen fragenden Blick zuwarf. Bekräftigend nickte ich.
Schließlich war der Umschlag vom Buch entfernt und der eigentliche Titel kam zum Vorschein. Der Dunkelhaarige drehte das Buch um, sodass Claire und Julie den echten Titel sahen.
Es dauerte einige Sekunden, bis der Groschen bei den beiden fiel.
"Oh mein Gott. Bei Merlins Bart. Nein, bei Merlins regenbogenfarbener Unterhose. Mein bester Freund ist schwul! Oh mein Gott!", rief Claire begeistert wie ein kleines Kind, das mehr Süßigkeiten als normalerweise bekam. "Seit wann weißt du es? Durch wen weißt du es? Und was ist mit Luna? Mensch, Marco, jetzt erzähl schon!"
Julie und ich kicherten. "Jetzt komm runter, Claire. Marco, danke, dass du uns das anvertraust", sagte die Hufflepuff unter uns mit einem warmen Lächeln.
Marco atmete einmal tief durch. "Okay. Das hat gut getan. Verdammt gut, um ehrlich zu sein. Und um deine Fragen zu beantworten, Claire: Ich denke, seit diesem Schuljahr bin ich mir sicher. Finnick Dimple. Und ich habe mich ihr zuerst anvertraut, weil ich ein wenig Angst hatte, mich vor euch zu outen. Ich war mir eigentlich sicher, dass ihr das verstehen würdet, aber trotzdem. Restzweifel waren dennoch da. Und nachdem ich euch das jetzt gesagt habe, will ich euch noch etwas anvertrauen."
Julie und Claire sahen Marco abwartend an, der wiederum sah mich fragend an. Ich war mir sicher, dass es um die Sache mit Valentino ging. Langsam griff ich nach seiner Hand und nickte erneut. "Es wird alles gut."
Und dann erzählte er es. Angefangen von Tinos Aurorenausbildung, über sein Verschwinden bis hin zu dem Artikel über ihn, in dem er zwei Menschen tötete und Malfoys Erpressung.
"Wow. Das... also... ist das der Grund, wieso du Allie beinahe angegriffen hast?", erkundigte Julie sich vorsichtig und Marco nickte geknickt. "Ja. Es war einfach... viel."
Eine Zeit lang sagte keiner von uns etwas. Ich war froh, dass Marco sich auch den anderen beiden geöffnet hatte. Man sah ihm an, dass es eine Erleichterung für ihn gewesen war, diese Last nicht mehr vor ihnen verstecken zu müssen.
"Okay. Claire, du hast Allies Geschenk, richtig?", durchbrach Marco die Stille schließlich. Claire nickte und hielt mir eine kleine Schachtel hin. Darin befand sich eine Kette, deren Anhänger zeigte einen Schlangenkörper mit Löwenkopf.
"Ich dachte, das zeigt unsere Freundschaft ganz gut", murmelte Claire. Ich konnte nichts weiter tun, als ihr um den Hals zu fallen.
"Das Geschenk ist perfekt. Danke, Claire. Ich verspreche dir, dass das in den letzten Wochen das einzige Mal war, dass diese Häuser-Sache zwischen uns stand, okay? Es wird nie wieder passieren."
Und das Versprechen meinte ich ernst. Dieses Mal wirklich. Es sollte nicht mehr zwischen uns stehen, dafür war sie mir zu wichtig. Immerhin war sie wie eine Schwester für mich. Und ich wollte sie nie wieder auf diese Art und Weise verletzen.
Claire grinste und legte mir die Kette anschließend an.
"Das will ich hoffen. Habe ich euch eigentlich schon erzählt, dass ich von den Weasleys zum Essen eingeladen wurde?"
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War ein wenig kitschig. Aber egal. Es ist Weihnachten. Also zumindest in dieser Story.
Ja. Das nächste Kapitel könnte lustig werden.
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