Kapitel 26
Allie
Die Spannung war schrecklich. Selbst Clary hatte es schon den ganzen Tag lang gemerkt und mich dann angemeckert, dass ich am 2. Weihnachtsfeiertag nicht so angespannt sein sollte, denn es war schließlich noch Weihnachten.
Die letzten zwei Wochen waren, salopp gesagt, scheiße gewesen. Claire und ich hatten kaum miteinander geredet, Umbridge hatte so kurz vor Weihnachten besonders gute Laune gehabt und Malfoys gehässige Blicke waren wohl das schlimmste gewesen. Seit fünf Jahren war es immerhin sein Ziel gewesen, einen Keil zwischen Claire und mich zu treiben und endlich schienen seine Versuche wohl Früchte zu tragen. Verdammter Penner.
"Allie, jetzt beruhige dich. Ihr werdet das heute bestimmt klären", versuchte Clary mich zu beruhigen, doch so ganz konnte ich ihr das noch nicht glauben. Es war seit Jahren Tradition, dass Claire, Marco, Julie und deren Familien am 2. Weihnachtsfeiertag zu uns zum Essen kamen. Und Claire und ihre Mutter hatten nicht abgesagt, was bedeutete, dass sie kommen würden.
Julie und Marco hatten mir erzählt, dass auch sie nicht besonders viel mit Claire geredet hatten, seit sie das mit der DA herausgefunden hatte. Die beiden nahmen es mir zum Glück nicht übel, dass ich Claire gesagt hatte, dass sie auch Teil der DA waren. Immerhin etwas.
"Allie, guck mal bitte nach dem Tortenboden!", rief meine Mutter aus dem Badezimmer und ich machte mich an die Arbeit. Der Boden war nicht verbrannt und war durchgebacken, also holte ich ihn aus dem Ofen und stellte ihn zum Abkühlen hin.
"Das riecht ja himmlisch", sagte mein Vater, während er die Kühe betrat. Mein Vater liebte die Schwarzwälder Kirschtorte meiner Mutter abgöttisch. Was nicht verwunderlich war, denn er kam aus Amerika und laut ihm gab es dort nichts außer fett und Zucker und keinen gescheiten Obstkuchen.
Eigentlich war es fast ein Wunder, dass die beiden sich getroffen hatten - ein Mann aus dem Norden der USA und eine Frau aus dem Süden Deutschlands, die sich in Spanien getroffen und in England niedergelassen hatten. Clary und ich hatten uns die Geschichte der beiden früher jeden Abend angehört, weil sie so besonders war.
"Na sag schon, Alyson, was liegt dir auf dem Herzen?", fragte mein Dad mich und lehnte sich gegen die Küchentheke. "Wie kommst du darauf, dass-" "Ich bin Psychologe mit Spezialisierung auf Kinder und Jugendliche", war seine Antwort, die wie aus der Pistole geschossen kam. Manchmal war es wirklich anstrengend, einen Psychologen als Vater zu haben.
"Marco, Julie und ich haben Claire etwas recht Großes verschwiegen. Wegen eines... Clubs in der Schule. Sie war nicht eingeweiht, weil sie in Slytherin war und wir mussten schwören, ihr nichts zu erzählen, eben wegen ihres Hauses und-" "Ich verstehe, Allie. Die Frage ist: Warum habt ihr es ihr verschwiegen? Ihr seid seit Jahren befreundet, diese Häuser-Sache war doch nie ein großes Ding", unterbrach mein Vater mein nervöses Gebrabbel und schob seine Brille hoch. Das war ein Tick von ihm, der vor allem zum Vorschein kam, wenn er in seiner Psychologen-Rolle drin war.
"Weil wir sonst hätten rausfliegen können! Und es ist wichtig, dass wir in dem Club bleiben, weil wir dadurch gewährleisten können, dass nicht nur wir sicher sind, sondern auch sie. Und wir dachten, dass wir ihr deshalb lieber nichts sagen, aber uns verteidigen können und-" "Dass ihr euch verteidigen könnt? Allie, ihr seid alle nicht älter als sechzehn, um eure Verteidigung können sich die Erwachsenen kümmern-"
"Und was, wenn die Erwachsenen nicht da sind? Mal daran gedacht? So wie letztes Jahr - Harry hatte keine Erwachsenen zur Seite! Er war alleine. Auf sich gestellt. Darauf müssen wir eingestellt sein. Vor allem jetzt, wo... Du-weißt-schon... ich meine Lord Voldemort zurück ist."
Meine Freunde hatten jahrelang Stress wegen dieses Namens gemacht, immerhin sei er verflucht. Ich war wegen ihnen daran gewöhnt, seinen Namen nicht auszusprechen. Aber Hermine hatte in einem unserer Gespräche mal etwas sehr Schlaues gesagt: Angst vor einem Namen macht nur noch mehr Angst vor der Sache selbst. Und ja, ich hatte Angst vor dem Kerl, hatte er immerhin schon etliche Leute getötet. Durch meine Vision hatte ich zudem quasi live gesehen, wie er jemanden umgebracht hatte. Und wie er Harry gefoltert hatte. Und weitere so lustige Sachen.
Aber vor einem Namen sollte man keine Angst haben.
Mein Vater kratzte sich am Hinterkopf und war sichtlich erleichtert, als es klingelte. Vor allem vor Clary und mir fiel es ihm oft schwer, seine Psychologen-Kenntnisse anzuwenden. Erst recht, wenn es um magische Dinge ging.
"Ich werde mal aufmachen", murmelte ich und ging zur Tür. Auch ich war erleichtert, dass jemand die merkwürdige Stille zwischen meinem Vater und mir unterbrach. Ich war ihm nicht böse, dass er magische Dinge nicht verstand, aber ich hasste es, wenn er dann plötzlich gar nichts mehr sagte. Dann sollte er lieber weggehen. Hauptsache er starrte nicht hilflos in der Gegend rum.
"Allie!", rief Julie begeistert, als ich die Tür öffnete und sie fiel mir um den Hals. "Hey. Alles klar?", fragte ich und löste mich von ihr, ermöglichte es ihr und ihren Eltern, die ich ebenfalls begrüßte, einzutreten. "Ja. Also soweit. Vielleicht ein bisschen nervös. Du weißt schon."
Ich nickte nur. Natürlich wusste ich schon. Wir hatten in den letzten Wochen oft genug über die Claire-Situation geredet.
"Wen hast du beim Wichteln eigentlich gezogen?", erkundigte Julie sich, nachdem sie ihren Mantel abgelegt und ihre Schuhe ausgezogen hatte. "Das ist eine bescheuerte Frage. Denn wenn ich dich gezogen habe, kann ich es dir nicht sagen und wenn ich dich nicht gezogen habe und dir sage, wen ich gezogen habe, ist der ganze Sinn vom Wichteln dahin", erklärte ich ihr kopfschüttelnd.
Das Wichteln war bei uns seit Jahren Tradition. Unsere Eltern hatten es vorgeschlagen, denn auf diese Weise mussten wir uns nicht jedes Jahr etwas Neues für drei Leute einfallen lassen und niemand wurde benachteiligt.
Julies Eltern waren bereits in die Küche gegangen und wir konnten ihr Gespräch bis in den Flur hören.
"Hat Allie euch auch von dieser Organisation erzählt? Furchtbar, nicht wahr?"
"Schatz, ich habe es dir schon oft genug gesagt, Du-weißt-schon-wer ist zurück und jeder Zauberer und jede Hexe sollte sich zu verteidigen wissen. Die Kinder haben gut daran getan, da mitzumachen."
"Sie sind Kinder! Erwachsene sollten sich darum kümmern."
"Meine Meinung."
"Meine Mum dreht halb durch wegen der DA. Sie versteht es einfach nicht", wisperte Julie und ich nickte. "Meine Mum versteht es noch ansatzweise, aber mein Dad nicht. Aber sie mussten sich schließlich auch noch nicht mit bösen Zauberern auseinandersetzen."
Julie nickte nur verständnisvoll, ehe es erneut klingelte.
Ich wollte die Tür gerade öffnen, da stürmte Clary aus der Küche und nahm mir diese Arbeit ab.
Clary war schon immer lieber bei den Erwachsenen in der Küche oder im Wohnzimmer gewesen als oben bei uns. Sie hatte einfach diese erwachsene Ader und fand immer etwas, über das sie sich mit den Erwachsenen unterhalten konnte. Weshalb ihr Anstürmen jetzt auch überraschend kam.
"Was denn? Ich wollte auch mal die Tür aufmachen", erklärte meine Schwester mir und tat genau das. Zum Vorschein kamen Marco und seine Eltern.
"Clary. Hey. Alles klar, Hausgenossin?", grinste Amedeo und umarmte die 13-jährige, die schon jetzt fast so groß war, wie er. Sie war für ihr Alter ungewöhnlich groß und überragte sogar schon mich, so wie mein bester Freund auch. Es würde mich nicht wundern, wenn sie ihn eines Tages noch einholen würde.
"Ja. Und selbst so?", erwiderte sie die Frage und ließ ihn dann los. "Muss ja. Hey", wandte er sich jetzt an Julie und mich und umarmte uns nacheinander. Auch seine Eltern begrüßten uns und gingen dann gemeinsam mit Clary zu den restlichen Erwachsenen.
"Deine Mutter sieht nicht gut aus", flüsterte Julie besorgt und sah Marco an. Er und ich tauschten kurz Blicke aus, schließlich nickte er. Ihm war bewusst, dass ich wollte, dass er Julie und Claire auch in die Sache mit Tino einweihte. Vor allem jetzt, da wir schon einen offenbar riesigen Streit wegen eines Geheimnisses hatten. Es war natürlich seine Entscheidung, dennoch war ich der Meinung, dass es das Beste war, wenn die beiden es auch erfahren würden.
"Erkläre ich dir nachher in Allies Zimmer, okay?" Julie nickte nur.
Wir wollten gerade in mein Zimmer gehen, da klingelte die Tür erneut. Mein Herzschlag schien sich zu verdoppeln und ich merkte, dass meine Hände schwitzig wurden. Ich war nicht bereit dafür. Claire und ich hatten noch nie wirklich gestritten und ich hatte absolut keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte.
Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich konnte Claire und ihre Mutter schließlich schlecht wegschicken.
Also drückte ich die Türklinke runter und ließ die Tür aufgehen. Claires Mutter lächelte Marco, Julie und mich an, Claires Gesichtsausdruck war unlesbar. Selbst für mich.
"Hallo ihr drei."
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Ja, ich weiß, dieses Kapitel war vergleichsweise... nicht so spannend. Aber es ist eher ein Lückenfüller. So was muss es auch mal geben, richtig?
Richtig?
Na ja. Wir sehen uns beim nächsten Kapitel.
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