~25.1~
Als ich am nächsten Morgen erwachte, stand die Sonne an ihrem höchsten Punkt. Ich hatte also den ganzen Morgen verschlafen. Es wunderte mich nicht. Gestern Abend waren Des und ich noch lange aufgeblieben. Er hatte mir alles Mögliche erzählt. Von meinen Cousins, bis hin zu der Versammlung, die heute stattfinden würde und wie ich mich zu verhalten hatte, als Anführerin der Arllés. Da Des und ich noch offiziell verheiratet waren, würde er mich zum Glück begleiten. Während er sich um die belanglosen Dinge kümmerte, würde ich meine Cousins dazu bringen können, mit mir zu kommen. Es war nicht so, als sei ich erpicht darauf eine Wolfsbestie zu werden. Schließlich konnte ich mich schon in einen Wolf verwandeln, aber in meiner Zeit bei ihnen war mir aufgefallen, dass mehr als nur die Verwandlung in ihrem Wesen lag. Ihre Sinne waren geschärfter. Sie waren stärker. Sehr viel stärker als die Neyfrem und die dunklen Neyfrem. Ohne unsere Fähigkeiten waren wir ihnen weitaus unterlegen. So wie ich bei meinem Kampf gegen die Gruppe von Wolfsbestien. Und anders als bei uns, konnte man ihre Körperlichen Fähigkeiten nicht eindämmen oder mit Ketten blockieren.
Wenn es ihnen gelang uns unsere Fähigkeiten zu nehmen, würden sie uns in jeder Hinsicht besiegen können. Ich verstand warum Mehyl unsere Wolfsgene freisetzen wollte. Selbst wenn alles versagte, würde uns wenigstens das bleiben. Außerdem wäre es bestimmt ein Weg für mich Mehyls Vertrauen zu gewinnen.
Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Ohne meine Zustimmung trat Caleb ein. Breit grinsend kam er auf mich zu.
»Guten Morgen.«, begrüßte mich Caleb gut gelaunt. »Sonst bist du nie wach, bevor ich dich wecke.«
»Sonst weckst du mich auch nicht Mittags.«, gab ich zurück.
»Heute ist die Versammlung der Anführer. Ich wollte, dass du bei klarem Verstande bist, wenn du wichtige Entscheidungen triffst.«
Meine Augen verdrehten sich schon automatisch, bevor ich vom Bett aufstand und ins Badezimmer ging.
»Du solltest dich beeilen. In einigen Stunden musst du fertig sein.« Einigen Stunden? Und ich musste mich beeilen? »Ich habe dir ein Gewand für feierliche Anlässe holen lassen. Und deine Haare müssen noch gemacht werden.«
Als ich schwieg, plapperte er einfach weiter- wie sonst auch. »Eigentlich hat Deshar deinen Gewand holen lassen. Ich hätte nicht gewusst, was man zu solchen Anlässen anzieht. Vor allem nicht als Anführerin. Manchmal vergesse ich wie wichtig deine Stellung ist. Oft sehe ich dich einfach als meine Freundin.«
Ich schnaubte leise und griff nach meiner Zahnbürste.
»Auch wenn du mir gestern nicht geholfen hast, weiß ich, dass du es gern getan hättest. Zum Glück konnte Luc mir helfen. Dank ihm ist nichts schlimmes passiert. Als kannst du dich entspannen.«
Als ob ich deshalb beunruhigt gewesen war. Caleb irrte sich was mich anbelangte. Ich hätte ihn nicht gerne geholfen. Nicht mal einen Gedanken hatte ich daran verschwendet.
»Zach geht es übrigens gut. Er ist zu den Wolfsbestien gegangen. Ich sollte dir sagen, dass eure Abmachung noch gilt und er dir weiterhin helfen wird, wenn du auch deinen Teil der Abmachung einhältst.« Caleb gluckste durch die Tür. »Stimmt es, dass er das alles für Freya tut?«
Er wusste, dass er darauf keine Antwort bekommen würde. Seine Schultern sackten zusammen und er schmollte enttäuscht. »Deshar hat ein paar Leute geschickt, die dich fertig machen werden. Er meinte es würde einige Stunden brauchen, bis du respektabel aussiehst.« Caleb lachte leise, als würde er Des zustimmen. »Jetzt wo ich weiß, dass es Zach gut geht, macht es mir nichts aus, dass du Deshar in Zachs Körper gesteckt hast. Irgendetwas musst du dir dabei schon denken, sonst würdest du...«
Er würde wohl nie wieder aufhören zu reden, wenn ich ihn nicht aufhielt. So kurz nach dem Aufstehen konnte ich nicht schon seine Anwesenheit ertragen. »Geh.«, befahl ich.
»Aber ich...«, widersprach er.
»Los geh.«, wiederholte ich. »Und kümmere dich um Rrru, bis ich zurückkomme.«
Das schien seine Laune wieder aufzumuntern. »Ich hole Fleisch aus der Küche.« Glücklich stürmte er nach draußen.
Wie Caleb vorgewarnt hatte, kamen einige Leute, um mich fertig zu machen. Sie kleideten mich um und steckten mir die Haare hoch. Mit einem kleinen Pinsel zeichneten sie mir silberne Linien ins Gesicht, die immer mehr zu einem Muster wurden. So kam es, dass es in der Tat mehrere Stunden dauerte, bis sie fertig wurden und Des endlich kam.
»Gefällt dir dein Gewandt?«, fragte mich Des, ohne mich zu begrüßen.
Ich warf zum ersten Mal ein Blick drauf. Auf dem Stoff an meiner Brust, war mit silbernem Garn ein junges Mädchen mit einem Bogen genäht worden. Neben ihr stand ein Hirsch, als sei es ihr ständiger Begleiter. Vielleicht bestand zwischen ihnen auch eine Jānavara-Verbindung.
Im Hintergrund zierten Bäume und ein großer Mond das Bild. Auf dem schwarzen Stoff sah das silberne Bild magisch aus.
»Das ist das Wappen unseres Volkes.«, erklärte Des.
»Dann ist das Artemis.«, stellte ich fest, während ich über die Stickereien strich.
»So ist es.«, gab er mir Recht. Er grinste mich neckisch an.
»Was ist?«, entgegnete ich angespannt. Sein Blick gefiel mir nicht.
»Ich frage mich nur warum du mir in dem Dolch die Macht gegeben hast. Das passt irgendwie nicht zu deinem neuen Ich.«
Was meinte er mit Macht? Ich hatte ihm keine Macht gegeben. »Was meinst du?«
»Ich weiß nicht. Anfangs hatte ich keine Kontrolle drüber, was um mich herum geschah. Aber nach dem du mich von dem Qualvollen Ort genommen hast und mir die Freiheit gegeben hast, konnte ich Dinge beeinflussen. Auch wenn ich kein Essen gebraucht habe, war es für mich ein tolles Gefühl zu essen. Es hat sich echt angefühlt. Ich konnte einfach aus dem nichts Burger erscheinen lassen oder was auch immer ich wollte. Also hatte ich angenommen, dass du mir diese Macht gegeben hattest.« Er sah mich schief an, als würde er etwas entschlüsseln wollen. Anscheinend konnte er sehen, dass ich nichts dergleichen getan hatte. »Dann liegt es wohl nicht an dir. Es könnte sein, dass der Dolch nicht dafür geschaffen ist den Seelen Glück zu bereiten. Wenn man jemanden tötet, dann ist man wohl bereit die Seelen leiden zulassen. Warum sollte man jemanden töten den man mag? Als du mich an einen schönen Ort gebracht hast, bekam ich dann Macht über den Ort?«
Er lachte und schaute stolz, als hätte er etwas Großes vollbracht. »Das fehlt mir ein wenig. Jetzt kann ich nicht mehr Sachen erscheinen lassen wie ich will.«
»Wenn du es so sehr vermisst, kann ich dich auch gerne wieder reinstecken. Aber diesmal stelle ich sicher, dass du kein Glück empfindest.« Es reizte mich, dass er es so auf die leichte Schulter nahm. Eigentlich hatte ich es als Bestrafung angesehen. Jedes Mal, wenn ich ihn im Dolch besucht hatte, hatte er mir etwas vorgemacht. Wieso wollte er so unbedingt raus, wenn es da drin so großartig war?
»Also was ist mit Kate?«, fragte ich nochmal.
Sein amüsierter Gesichtsausdruck verschwand. »Nein.«, sagte er einfach.
»Mayser meinte du sollst mir alles erzählen.«, rief ich ihm in Erinnerung.
»Wir müssen los. Jetzt ist kein guter Zeitpunkt. Du musst dich konzentrieren.« Seine Ausreden waren nicht sehr überzeugend, dennoch folgte ich ihm, als er aus meinem Zimmer ging. »Verhalte dich, wie ich dir erklärt habe und niemanden wird auffallen, dass du nicht mehr die gleiche bist.«
Ich nickte nur. Des reichte mir die Hand. »Wollen wir?« Als Zustimmung legte ich meine Hand in seine. Im nächsten Augenblick standen wir vor einem großen Gebäude. Wir mussten auf der Erde sein. Auf Gaia gab es keine Gebäude.
»Wo sind wir?«, fragte ich Des.
»Auf neutralen Boden. Es wäre nicht gerecht uns auf Gaia zu treffen. Jedes Gebiet gehört jemanden.«, erklärte er.
»Die Erde gehört den Zoyats.«, entgegnete ich.
»Nein. Den Menschen. Die sind zwar theoretisch Zoyats, aber man kann sie nicht mehr wirklich dazu zählen. Deshalb wird das als neutrales Gebiet angesehen. Die Zoyats wissen auch nie etwas von diesen Treffen. Sie gehören nicht zu uns.«
Wir schritten die langen Treppen zu dem Gebäude, bis wir vor den riesigen Türen sehen blieben. Obwohl ich auf der Erde aufgewachsen war, erschien mir diese Welt fremd. Es war ein komisches Gefühl hier zu sein. Ich hatte mich verändert, aber alles hier auf der Erde schien gleich geblieben zu sein. Wie konnten sie nur nichts von dem mitbekommen, was auf Gaia vorging. Sie konnten doch nicht ihre Vergangenheit verleugnen. In tausenden von Jahren hatten sie alles vergessen.
Die schweren Eichtüren öffneten sich, als spürten sie unsere Anwesenheit. Erst als sie quietschend zum stehen kamen, traten wir ein.
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