7.Kapitel
Quinn
Ich sass im Garten und jähtete das Unkraut. Die Sonne schien und die Hitze machte mich ganz träge. Ich trug eine kurze blaue Latzhose und ein weisses, bereits dreckiges Shirt. Auf meinem Kopf trug ich einen grossen Strohhut meiner Grossmutter, welcher meinen Kopf und meine Schultern schützte. Ich musste gähnen und stocherte Lustlos in der Erde rum und zog Unkraut heraus. Ich hatte mich bereits vor Müdigkeit im Schneidersitz auf die Erde gesetzt und stützte meinen Kopf auf meiner Linken Hand ab. Mit meiner Rechten zupfte ich das Unkraut. Das war nicht wirklich effizient, aber die Hitze machte es mir auch nicht gerade leicht. Fast wäre ich in dieser Position eingeschlafen, als ich das Telefon klingeln hörte. Ich schreckte auf. Müde stand ich auf und trottete zur Veranda, wo ich das Telefon hingelegt hatte, damit ich es, während ich im Garten bin, auch hörte. In dem Moment, als ich den Hörer abnehmen wollte, hörte es auf zu klingen. Genervt seufzte ich auf und schaute nach wer es war, als mir die Person auch schon eine Nachricht hinterliess. Es war mein Vater: 'Tanja fragt, ob du eines ihrer Pferde ausreiten könntest? Sie ist heute auf dem Markt und hat keine Zeit.' Froh über die neue Aufgabe war ich plötzlich nicht mehr so müde. Schnell schrieb ich zurück und fragte, welches der Pferde ich ausreiten müsste. Dann lief ich ins Haus und die alte Holztreppe hinauf in mein Zimmer. Ich öffnete den Kleiderschrank und zog mir meine Reitklamotten an und schmiss meine jetztigen Kleider auf den Boden. Als ich gerade mein Shirt angezogen hatte kam wieder eine Nachricht von meinem Vater. 'Twister', war die knappe Antwort auf meine Frage von vorhin. Ich machte mir noch einen Pferdeschwanz und schnappte mir meinen roten Rucksack. Anschliessend ging ich wieder die Treppe runter in die Küche. Die alten Stufen knarrten unter meinen Schritten. In der Küche packte ich mir was zu trinken und zu essen für mich und ein Apfel und eine Karotte für das Pferd. An der Tür schlüpfte ich in meine Reitstiefel und schloss die Türe ab. Aus dem Schuppen neben dem Haus krempelte ich mein Fahrrad heraus. Der Schuppen war alt und stand schief. Überall gab es Lücken durch die man durchschauen konnte. An der Tür war ein Schloss angebracht, welches jedoch meistens offen war. Im Schuppen war es verstaubt und stickig. Überall hingen Spinnweben. An einer Werkstatt an der Wand hingen einige Werkzeuge. In einer Ecke standen eine Schaufel, eine Hacke und eine Mistgabel. In einer anderen Ecke stand mein altes Puppenhaus aus Holz und eine grosse Kinderwiege in der ein Sack Erde stand. Auf einem Werktisch lag Allerlei Krimskrams wie Klebeband, eine Schere, Stifte, aber auch ein Messband und eine Wasserwaage. Mein Fahrrad stand zum Glück am Eingang. Ich fuhr es auf die Strasse. Es war voller Spinnweben und Staub. Der blaue Lack blätterte ab und hinten hatte der Reifen keine Luft mehr. So ein Mist!, dachte ich. Ich überlegte ob ich noch schnell das Rad aufpumpen oder einfach mit einem Platten fahren sollte. Ich entschied mich für letzteres. Zwar hatte ich eigentlich gar keinen Zeitdruck, denn es war erst elf Uhr und ich wusste auch wie man ein Fahrrad aufpumpte, aber mir fehlte lediglich die Lust dazu.
Gemütlich trabte ich durch den Wald. Ich reitete nicht weit weg von meinem Dorf den gewohnten Waldweg entlang. Im Schatten der Bäume war es angenehm kühl. Die Sonnenstrahlen fielen leicht durch das dichte Blätterdach und erleuchteten den weichen Waldboden. Hinundwieder raschelte was im Gebüsch und die Vögel zwitscherten fröhlich in ihren Nestern. Die friedliche Atmosphäre entspannte mich. Ich atmete tief durch und genoss die frische Waldluft. Beim reiten konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen und meinen Kopf frei kriegen. Ich vergass das Ereignis von Gestern im Supermarkt und konzentrierte mich voll und ganz aufs reiten. Als der Wald weniger Dicht wurde und der Weg breiter und ebener, fing ich an leicht zu galoppieren. Der Wind sauste um meine Haare und lockerte meine Frisur. Ich war diese Strecke schon oft geritten. Ich wusste genau wo ich schneller reiten konnte und wo ich das Tempo ein wenig drosseln musste. Bei einer Kreuzung bog ich nach rechts ab. Ich war schon so oft diese Strecke mit Twister geritten, dass er schon fast von selbst nach rechts abbog. Dann drosselte ich das Tempo und trabte wieder. Bei der nächsten Kreuzung schlug ich eigentlich immer den Weg nach rechts ein, der zur einer Lichtung führte, doch heute wollte ich mal einen anderen Weg nehmen. Mich hatte es schon immer interessiert wie der Weg aussah, wenn ich nach links abbog. Der Wald schien sich dort zu verdichten und nahe an den Berg ranzukommen. Ich lenkte Twister nach links. Ich trabte langsam den schmalen Weg entlang. Es wurde immer dunkler und kühler. Durch das dichte Blätterdach drang kaum noch Sonnenlicht. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen und ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. Aber es zog mich weiter. Der Weg wurde immer schmaler und zugewachsener. Hier muss wohl schon lange niemand mehr vorbei gekommen sein, dachte ich mir. Auf einmal stoppte Twister. Der Weg ging nicht mehr weiter. Er war komplett zugewachsen. Na toll, dachte ich mir. Jetzt konnte ich den ganzen Weg wieder umkehren. Ich seufzte und wollte schon umkehren, als ich in der Ferne ein plätschern hörte. Ich horchte auf. Gab es hier in der Nähe etwa ein Gewässer? Es gab einen Fluss ja, aber der war viel zu weit weg. Ich stieg vom Pferd und band es an einem Ast an. Hier würde eh niemand vorbei kommen. Ich packte noch meinen Apfel aus und gab ihn Twister. Dann machte ich mich auf den Weg durch das dicke Dickicht. Mit Twister wäre ich niemals hier durchgekommen. Zudem gab es zu viele Stachelgebüsche, an denen er sich verletzt hätte. Je weiter ich mich durchkämpfte, desto deutlicher hörte ich das Wasser. So gut es ging versuchte ich nicht an den Dornen und Stacheln hängen zu bleiben, als ich plötzlich ins Freie trat. Ich blickte mich um. Ich stand auf einer kleinen Lichtung am Berg. An der Felswand war ein Wasserfall und ein kleiner See. Der See hatte etwa eine grösse eines Teiches, war aber deutlich tiefer. Er war umgeben von flachen Felsen. Das Wasser war so klar wie ein Wolkenloser Nachthimmel. Um die Felsen wuchsen wunderschöne bunte Blumen. Etwas magisches umgab diese Lichtung. Ich trat aus dem Schatten der Bäume in die Sonne. Ich spürte die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Ich lief zum See und zog mir meine Schuhe aus.
Das Sonnenlicht spiegelte sich im Wasser und blendete mich. Ich setzte mich auf einen Felsen und tauchte einen Fuss ins Wasser. Dann der zweite. Das Wasser war angenehm kühl, im Gegensatz zu den heissen Temperaturen. Ich bekam das Bedürfnis ganz in den See zu tauchen und mich abzukühlen. Ich blickte mich um. Ich konnte keine Menschenseele hören, geschweige denn sehen. Also schmiss ich kurzerhand meine Klamotten hinter den nächsten Felsen, wo auch meine Schuhe standen, und sprang in Unterwäsche in den See. Eine angenehme kühle breitete sich auf meiner Haut aus. Ich tauchte wieder auf und liess mich wie ein Seestern auf der Oberfläche treiben. Der Himmel war wolkenlos und wunderschön. Eine Weile lang blieb ich so und beobachtete die vorbeifliegenden Vögel. Ein ungewöhnliches Gefühl des puren Glücks machte sich in mir breit und schien sich in alle meinen Zellen einzunisten. Eine wohlige Wärme breitete sich in meinem Körper aus und ich fühlte, wie ich mich entspannte. Ich schwamm zum Wasserfall und liess das Wasser auf meine Schultern herabprasseln. Als ich wieder aus dem Wasserfall trat hörte ich plötzlich ein rascheln. Ich blickte zum Waldrand. Ich sah wie sich gegenüber von mir die Büsche leicht bewegten. Und ich hörte Stimmen. Stimmen von etwa vier Leuten, die immer näher kamen. Scheisse! , dachte ich mir. Schnell schwamm ich ans Ufer und kletterte hinaus. Gerade in dem Moment trat die erste Person aus dem Dickicht. Schnell duckte ich mich hinter dem Felsen, wo ich meine Kleider hingeschmissen hatte. Er war zum Glück genug gross und der Mann hatte mich anscheinend nicht gesehen. Ich atmete kurz durch. Das war knapp. Doch was jetzt? Durfte ich überhaupt hier sein? Besser ist wohl, wenn diese Personen mich gar nicht sehen werden. Aber wie komme ich hier unentdeckt davon? Vorsichtig blickte ich hinter dem Felsen hervor. Es waren tatsächlich 4 Personen. Drei Männer und eine Frau. Die Frau hatte schwarzes Haar, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Sie sah ziemlich kräftig aus. Genauso wie die drei Männer. Zudem trugen alle die selben schwarzen Klamotten. Zwei der drei Männer sahen ziemlich jung aus. Etwa in meinem Alter. Jedoch standen sie mit dem Rücken zu mir und ich konnte es nicht wirklich sagen. Der eine Junge hatte braunes voluminöses Haar und durch sein enges T-Shirt konnte ich gut seinen durchtrainierten Rücken erkennen. Der andere Junge war ein wenig schmaler und ein bisschen grösser als der andere. Er hatte ebenfalls braune Haare, jedoch waren seine lockig und irgendwie erinnerte er mich an jemanden, aber ich konnte nicht sagen an wen. Der letzte Mann war um die 35 Jahre alt. Er war sehr muskulös und hatte schwarze Haare. Seine Augen musterten den lockigen Jungen, der anscheinend gerade sprach. Jedoch konnte ich ihn nicht verstehen, da der Wasserfall zu laut war. Ich versteckte mich wieder hinter dem Felsen und sammelte meine Kleider ein. Mein Shirt zog ich mir über aber meine lange Reiterhose war mir zu anstrengend in dieser geduckten Haltung überzuziehen. Anschließend schlüpfte ich in meine Schuhe. Dann blickte ich zum Waldrand. Er war gut 3 Meter von mir entfernt. Wenn ich den richtigen Moment treffe, würden sie mich vielleicht nicht sehen. Ich schaute wieder hinter dem Felsen hervor. Die vier standen noch genau wie vorher. Jetzt konnte ich aber nicht gehen, da die Frau direkt zu mir stand und mich sehen würde. Nun sprach der Mann mit den schwarzen Haaren. Er zeigte zum Wasserfall und alle drei blickten dorthin. Nun konnte ich die Gesichter der beiden Jungen endlich sehen und ich wusste nun auch, an wen der Junge mit den lockigen Haaren mich erinnerte. Es war George! Der Junge, der mich gestern nach Hause begleitet hatte. Geschockt versteckte ich mich wieder hinter dem Felsen. Was machte er hier? Und wer waren diese Leute, mit denen er abhing? Verwirrt schaute ich wieder hinter dem Felsen hervor und da stockte mir der Atem. Der andere Junge schaute mich direkt an. Ich riss die Augen auf und war für einen Moment nicht fähig mich zu bewegen. Mist! Was nun? Wird er mich verpetzen? Wie soll ich das George erklären?, fragte ich mich. Doch der Junge fing an zu lächeln und in seinem Blick lag ein ‚Keine Sorge, ich helfe dir'. Er drehte sich wieder zu den anderen und fing an zu reden. Immer noch unfähig mich zu bewegen schaute ich ihnen zu. Der Junge sagte was und deutete dann in die entgegengesetzte Richtung als ich war. Alle schauten dorthin und ich erkannte meine Chance den Waldrand zu erreichen. Schnell schnappte ich mir meine Hose und sprintete in den Wald. Mit einem Satz stürzte ich mitten ins Gebüsch und machte mich so schnell ich konnte auf den Weg zu Twister.
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