5.Kapitel
Quinn
Völlig neben der Spur rannte ich aus dem Laden und über die Strasse. Irgendein Auto hupte, doch ich nahm es nicht wirklich wahr. Ich rannte einfach immer weiter die Strasse hinunter, bis ich am Stadtrand auf einer Brücke anhielt. Keuchend stützte ich mich auf meine Knie ab. Mein Kopf drehte sich. Ich versuchte mich auf den Boden zu konzentrieren. Ich spürte wie mein Herz klopfte. Langsam hörte das drehen auf. Ich richtete mich auf und lehnte mich gegen das Gelände. Mein Kopf legte ich in den Nacken und blickte in den Himmel. Es hatte aufgehört zu regnen, doch es fing langsam an zu dämmern. „Allie? Was machst du hier?", hörte ich eine Stimme fragen. Ich drehte mich um und sah ein Junge, ungefähr in meinem Alter und mit braunen lockigen Haaren, auf mich zu kommen. Verwirrt blickte ich ihn an. Der Junge blieb stehen und schaute mich nun auch verwirrt an. „Du bist gar nicht Allie", sagte er. Es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung. Trotzdem antwortete ich, als wäre es eine Frage gewesen: „Nein, wie's aussieht nicht." „Oh sorry, tut mir leid. Du hast einer Freundin von mir sehr ähnlich ausgesehen." „Kein Problem", meinte ich nur. Ich konnte noch immer nicht wirklich klar denken. „Ich heisse übrigens George", sagte er und hielt mir die Hand hin. „Quinn", stellte ich mich meinerseits vor. „Was machst du hier draussen? Ich meine hier ist nicht gerade viel los?", fragte George. „Ich bin gerade auf dem Weg nach Hause. Ich komme vom Land", erwiderte ich. Er musterte mich und ich kam mir jetzt ziemlich blöd vor mit meiner knall gelben Regenjacke und meinen Gummistiefeln. Er lächelte. „Okay, das hätte ich mir eigentlich denken können. Also nicht das... das es schlecht ist, ich meine... Du siehst gut aus... Also..." Ich musste kichern. „Schon klar, was du gemeint hast." Er wurde ein wenig rot. „'tschuldigung, jetzt habe ich mich schon zweimal in nur fünf Minuten blamiert." Ich lächelte. „Kein Problem. Es ist schön zu wissen, dass man sich nicht als Einzige immer blamiert." „Soll ich dich zur nächsten Bushaltestelle bringen? Ich meine, es fängt schon an zu dämmern und so ganz alleine ausserhalb der Stadt hier?", fragte er. „Ich bin schon mehrmals alleine nachts draussen rumgelaufen. Wenn man auf dem Land lebt, geht es manchmal nicht anders, aber es wäre schön mal eine Begleitung zu haben. Danke." Wir setzten uns in Bewegung. „Wohnen auf dem Land eigentlich viele Kinder in deinem Alter?", fragte George nach einer Weile der Stille. „Nein, also zumindest in meinem Dorf nicht. Ich muss immer in die Stadt zur Schule." „Ist die Busfahrt nicht voll lange?" „Ja schon. Etwa eine Stunde und wenn ich den Bus verpasse muss ich eine Stunde warten auf den nächsten. Also ja, ist ein wenig nervig, aber was bleibt mir anderes übrig?", meinte ich. Wir hatten den Wald erreicht und es wurde sofort viel dunkler. Ich war froh, dass ich George dabeihatte und ich rückte unwillkürlich näher zu ihm heran. „Ja da hast du wohl recht." „Auf welche Schule gehst du eigentlich? An meine Schule gehst du ja glaub ich nicht. Zumindest habe ich dich noch nie gesehen und in diesem Viertel der Stadt gibt es ja nur diese Schule", fragte ich ihn. „Also ich lebe eigentlich gar nicht in dem Viertel der Stadt. Ich geh auf eine Elite Schule und wohne auch in dem Viertel", sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Er kam also aus dem reichen Viertel der Stadt. Nicht, dass ich was gegen reiche Menschen hatte. Ich fand es nur komisch warum er hier soweit am Stadtrand war. „Ach so. Und was machst du dann hier? Also ich meine, wieso warst du am Stadtrand?" „Ach, das war einfach Zufall."
Wir schwiegen eine Zeit lang wieder und liefen einfach neben einander her. Beide in ihre eigenen Gedanken versunken. Ich dachte gerne nach. Man konnte sich endlos in seinen eigenen Gedanken verlieren, ohne zu wissen, wo man überhaupt angefangen hatte. Es war wie in einem Labyrinth, auf der Suche nach sich selbst. Mit einigen Menschen würde man dieses Schweigen als ‚Peinliche Stille' bezeichnen. Aber mit den Richtigen Leuten fühlte es sich nicht so an. Mit denen fühlt man sich einfach nicht so alleine, in dem riesigen Labyrinth aus Gedankengängen. Auch ohne, dass sie wussten, worüber du nachdenkst. Und obwohl ich George kaum kannte, fühlte es sich nicht nach dieser ‚Peinlichen Stille' an, sondern das andere Gefühl. Ich fühlte mich wohl bei ihm, als wären wir schon ewig miteinander befreundet. Und es fühlte sich gut an. Es fühlte sich gut an, endlich einen Freund zu haben, bei dem die Peinliche Stille nicht mehr peinlich war.
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