25 | Reisen mal anders
Den ganzen restlichen Abend über war mir der Kuss und insbesondere Damian nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Wenn ich nur eine Sekunde länger mit Kaden da unten gestanden hätte, wäre er sicherlich heruntergekommen und hätte sich auf einen von uns beiden gestürzt.
Oder beide gleichzeitig. Bei ihm war ich mir nämlich sicher, dass er es locker bewältigen konnte.
Beim Abendessen war er auch nicht aufgetaucht, worauf Marian nur fragend die Augenbraue angehoben hatte, was die Anderen jedoch nur mit einem Schulterzucken betitelte.
Abgesehen von mir. Ich wusste, warum er nicht aufgetaucht war. Aber wie sollte ich ihnen das erklären. Außerdem war es ja auch Damians freie Entscheidung, ob er am Abend noch mit uns Zeit verbrachte oder sich anders sein Essen besorgte.
Innerlich hatte ich trotzdem irgendwie gehofft, dass er sich am nächsten Tag wieder in meiner Gegenwart blicken ließ. Jedoch hatte ich auch da eine Fehlanzeige kassiert.
Den ganzen Morgen bekam ihn niemand zu Gesicht und auch am Mittag war er nirgends zu finden. Irgendwann hatte ich es aufgegeben meine Gedanken an ihn zu verschwenden und setzte mich lieber zu Marian in die Bibliothek, um weiter etwas in den Büchern zu schmökern.
So konnte ich mich wenigstens ablenken und lieber glotze ich alte Stammbäume an, anstatt mir über Damian den Kopf zu zerbrechen.
„Stella?", riss mich Marian Stimme wieder mal aus den Gedanken, worauf ich leicht zusammenzuckte und sehen konnte, wie die alte Dame mich mit einem Schmunzeln betrachtete.
„Du ließt die Seite glaube ich jetzt schon zum fünften Mal. Ich denke du solltest mal umblättern"
„Oh...ähm ja", murmelte ich leicht peinlich berührt und blätterte auf die nächste Seite. Trotzdem beobachtete mich Marian weiterhin.
„Willst du über irgendwas reden? Du wirkst irgendwie so in Gedanken versunken", konnte ich sie schließlich sagen hören, worauf meine Augen etwas über den Rand des Buches schauten und dieses anschließend zuklappten und vor mir auf den Tisch legte.
Bedrückt schaute ich sie an, worauf sie mir etwas die Hand auf die Schulter legte. „Na komm spuck einfach aus. Was ist los? Ist irgendwas passiert?"
Seufzend schaute ich sie an.
Sollte ich ihr jetzt wirklich von dem Kuss mit Kaden erzählen und wie Damian uns dabei gesehen, aber nur ich es mitbekommen hatte.
Normalerweise waren solche Themen doch eher was für Valencia, oder nicht?
„Ich mach mir irgendwie Sorgen", murmelte ich schließlich und knetete meine Hände in meinem Schoß.
„Ich meine, ich habe keine Ahnung, was mit mir los ist und nur noch das Gefühl, dass es von Tag zu Tag schlimmer wird"
Gut, das war jetzt nicht ganz das Thema, was mir so Sorgen bereitete, aber dafür belegte es Platz zwei auf meiner Sorgenliste.
Nun seufzte Marian auch und betrachtete mich mit einem entschuldigenden Blick. Zumindest bis sich ihre Miene schlagartig veränderte. Verwundert hob ich nur eine Augenbraue und wollte schon fragen, was los sei, aber da hatte sie mir schon eine Antwort gegeben.
„Deine Oma wohnt doch in Chicago, oder?"
Langsam nickte ich mit dem Kopf und schaute sie misstrauisch an.
„Ja, wieso?"
„Ich denke, es wäre ganz schlau ihr mal einen Besuch abzustatten. Bestimmt will sie dich auch gerne wiedersehen. Außerdem weiß sie vielleicht mehr als wir denken"
Immer noch verwirrt schaute ich sie an. Meine Oma war für mich immer die vergesslichste Person auf Erden, da konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass sie von irgendwas Ahnung hatte. Zudem sie bestimmt nicht mal von der Welt der Übernatürlichen wusste.
„Wenn ihr euch beeild. Schafft ihr es heute vielleicht noch hin und wieder zurück. Juliana wollte eh erst heute Abend kommen, also wäre es durch aus möglich", murmelte sie und warf dabei einen Blick auf ihre Armbanduhr, wobei ich so eine ähnliche schon mal an Valencias Arm gesehen hatte.
„Heute noch?", platzte es jedoch nur aus mir heraus. „Von New York nach Chicago dauert es doch 13 Stunden"
„Ich weiß", entgegnete Marian darauf nur. „Jedoch nicht, wenn wir auf unsere Art reisen"
„Auf eure Art?", hakte ich genauer nach und zog etwas die Augenbrauen zusammen. „Kann man dabei draufgehen?", schob ich noch hinterher, worauf Marian leicht lachte. „Nein, keine Sorge. Damian kann dir alles ganz genau erklären. Es wäre auch am besten, wenn er dich begleiten würde, falls etwas passiert"
Sofort veränderte sich mein Gesichtsausdruck. Das Letzte, was ich noch wollte, war nun mit Damian nach Chicago zu fahren und ihm dann meiner Oma vorzustellen, die bestimmt einen halben Herzinfarkt bekommen würde, wenn sie ihn sah.
Wahrscheinlich dachte sie ich würde, wenn ich mal einen Jungen mit nach Hause brachte die reinste Leseratte mitbringen sowie ich es war und kein möchte gern Arschloch wie Damian, was von Büchern nicht sonderlich viel hielt.
Zudem natürlich auch noch aussehen konnte wie der Tod, wenn er wollte.
Abgesehen davon, dass er dazu auch noch übernatürlich war.
„Ich glaube er ist oben in seinem Zimmer. Sag ihm einfach Bescheid. Ich hatte das ganze schon Mal mit ihm besprochen", riss Marian mich wieder aus den Gedanken, worauf ich verwundert aufschaute.
„Besprochen?", hakte ich verwundert nach.
„Na ja, ich hatte das Thema mit deiner Oma mal angeschnitten, aber mehr auch nicht", murmelte sie und räumte die Bücher auf dem Tisch zusammen.
„Schließlich ist sie die Frau, die dich aufwachsen gesehen hat. Bestimmt musst sie da irgenwas wissen"
Mit einem leichten Seufzen erhob ich mich aus dem Sessel. Anscheinend hatte Marian keine Ahnung, was für eine Frau meine Oma war. Denn sie steckte irgendwie mehr Hoffnung in die ganze Sache, als es wirklich gab.
„Ich geh mal Damian suchen", murmelte ich noch, bevor ich schließlich aus der Tür der Bibliothek verschwand.
Ich hatte nicht wirklich Lust nun an seiner Zimmertür zu klopfen und ihn darum zu bitten, mich mit nach Chicago zu begleiten.
Zum einen, da er bestimmt schlecht gelaunt war und wie bekanntlich ließ er dies ja gerne mal an mir aus.
Andererseits wollte ich aber auch gerne meine Oma wiedersehen, also musste ich da nun wohl oder übel durch. Manchmal musste man halt auch Verluste machen.
Sobald ich vor seiner Zimmertür angekommen war, atmete ich einmal tief durch, bevor ich meine Hand anhob und an der Holzverkleidung der Tür klopfte.
Angespannt stand ich da und wartete darauf, dass sich etwas tat, aber nichts passierte.
Zumindest bis ich Schritte vernehmen konnte. Anschließend ertönte ein Klicken und die Tür ging im nächsten Moment auf. Nun hatte Damian seinen Kopf herausgesteckt und ich konnte sehen, wie er sich etwas verwirrt umschaute, bis sein Blick etwas zu mir herunterwanderte.
Seine Haare waren verstrubbelt und sein Gesichtsausdruck allgemein sah noch ziemlich verpennt aus. Anscheinend hatte er bis gerade eben noch geschlafen, was auch erklärte, warum man ihn den gesamten Morgen nicht gesehen hatte.
Sobald seine Augen auf meine trafen und er realisiert, wer dort vor ihm stand, schlug er die Tür mit einem Knall zu, sodass ich nun vor einer verschlossenen Tür stand.
Perplex starrte ich das dunkle Holz an, wobei ich merkte, wie mir die Kinnlade herunterklappte.
Hatte er da gerade ernsthaft vor meiner Nase die Tür wieder zu geschlagen?
Etwas empört klopfte ich abermals an der Tür und nun etwas doller und deutlich länger, wobei es eher ein Hämmern war.
„Damian!", rief ich auch schon, wobei er mich bestimmt ignorieren würde.
Und damit hatte ich recht gemacht, denn die Tür wollte sich trotzdem nicht öffnen lassen.
„Ist das wirklich dein Ernst?"
Wieder bekam ich keine Antwort. Angepisst und auch etwas gekränkt machte ich ein paar Schritte von der Tür zurück und starrte sie an.
Das konnte doch nicht sein voller Ernst sein, oder etwa doch?
Angespannt starrte ich weiter auf die Tür, bis auf einmal der Türgriff etwas ruckelte. Verwundert riss ich die Augenbrauen hoch. War ich das etwa gewesen oder hatte Damian drinnen sich einfach einen Spaß erlaubt und am Türgriff herumgespielt.
Aber warum sollte er?
So eingeschnappt wie er war, würde er die Tür bestimmt in den nächsten zehn Jahren auch nicht mehr öffnen.
Langsam hob ich meine Hand etwas, worauf der Türgriff wieder wackelte und dieses Mal deutlich stärker.
Anscheinend hatte ich meine Lösung, wie ich in das Zimmer kam, schon längst parat.
Immer weiter hob ich meine Hand an bis auf einmal ein lautes Klicken ertönte und die Tür aufsprang, sodass ich nun endlich ins Zimmer eintreten konnte.
Damian, der sich anscheinend gelangweilt an das Gestell seines Bettes gelehnt hatte, riss zuerst etwas verwundert die Augen auf, bis sich seine Miene wieder in den grimmigen Zustand zurückversetzte.
„Hat dir Kaden jetzt etwa auch noch gezeigt, wie man die Türen öffnet?", konnte ich ihn fragen hören, wobei mir dieser arrogante Unterton jetzt schon auf die Nerven ging.
„Nein", entgegnete ich nur ruhig. Zumindest probierte ich ruhig zu bleiben.
„Komisch, dachte echt ihr hattet nach eurer Abeschleckaktion noch Zeit dafür es zu lernen. Er würde es dir bestimmt liebend gerne beibringen"
Empört schnaubte ich einmal auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es war ein Kuss Damian. Keine Knutscherei oder Abschleckaktion sowie du es nennst, also komm zurück auf den Boden der Realität"
Nun war er derjenige, der einmal auf schnaubte und sich anschließend mit einem Ruck vom Bettgestell abstieß und mir den Rücken zu wandte.
Ich dagegen starrte ihm hinterher, bis die Wut schließlich die Oberhand ergriff. „Ist das wirklich dein Scheiß ernst?"
Nun drehte er sich wieder zu mir herum und musterte mich abwertend mit seinen blauen Augen, wie als hätte ich etwas verbrochen. „Eigentlich wollte ich dich nur fragen, ob du mit nach Chicago kommst, damit wir mal eine Lösung für die ganzen Probleme finden, aber so wie es aussieht, hockst du lieber den ganzen Tag in deinem Zimmer und fährst jeden an, der auch nur in dein Sichtfeld kommt"
„Ach nach Chicago wolltest du?", entgegnete Damian gespielt überrascht und machte nun einen Schritt auf mich zu, wobei er sich ordentlich vor mir aufbaute. „Wollte Kaden doch nicht mitkommen, weswegen du nun bei mir antanzt?"
„Was hast du bitte so mit Kaden?", entfuhr es mir auch schon. „Bist du etwa eifersüchtig auf ihn. Eifersüchtig darauf, dass er mich geküsst hat"
Nun kam alles aus mir heraus. Egal, was es war. Es sprudelte einfach nur so hervor.
„Denn so wie du dich gerade aufführst, sieht das ziemlich danach aus"
Nun hatte sich ein gehässiges Grinsen auf seine Lippen gelegt. „Glaub mir, wenn ich die hätte küssen wollen, hätte ich es längst getan. Aber nicht jeder spielt halt in der selben Liga wie ich"
Autsch! Das hatte weh getan. Auch wenn es indirekt gemeint war. Den Stich, der sich in meinem Bauch breitmachte, wurde dadurch aber auch nicht verhindert.
„Gut, wie du willst", entfuhr es mir schließlich. „Dann fahr ich halt mit Kaden. Wenigstens benimmt er sich nicht wie ein Kleinkind"
Dann hatte ich mich auf dem Absatz umgedreht und die Tür des Zimmers hinter mir zu geknallt.
Wütend stampfte ich den Gang herunter, wobei meine Schritte an den Wänden widerhallten.
Meine Ansprache, dass ich nun mit Kaden fahren würde hielt ich natürlich nicht ein. Stattdessen schlug ich den Weg zu meinem Zimmer ein und schmiss die Tür hinter mir mit einem Knall zu, bevor ich mich anschließend aufs Bett sinken ließ und an die Decke starrte.
Er war eifersüchtig, das konnte er mir nicht vorspielen. Aber trotzdem verletzten mich seine Worte und es nervte mich zudem auch, dass er so tat, als könnte es ihm nichts anhaben, wobei dies offensichtlich der Fall war.
Mit einem Seufzen drehte ich mich auf die Seite, um nun an die gegenüberliegende Wand zu starren, welche ebenfalls von ein paar alten Bildern geziert wurde, die eine schöne Landschaft abbildeten.
Ich saß noch eine ganze Weile auf meinem Bett und glotzte einfach in der Gegend herum, wobei meine Gedanken jedoch total abschweiften.
Erst als es an der Tür klopfte, schoss ich verwundert hoch und konnte im nächsten Moment sehen, wie ein Zettel unter dem Türspalt durchgeschoben wurde.
Verwundert öffnete ich meine Augen etwas, bevor ich mich von meinem Bett erhob und über den Boden tapste, damit ich den Zettel schließlich aufheben konnte.
„Tut mir Leid", stand auf der Vorderseite geschrieben sowie ein Pfeil der auf die Rückseite verwies.
Vorsichtig wendte ich da Blatt in meinen Händen und und entfzieferte anschließend die krizelige Schrift auf der Rückseite.
„Wir fahren in 10 Minuten los. Zieh dich um!"
Trotzdem musste ich leicht schmunzeln, als ich das kleinen „Bitte" am Rand des Blattes entdeckte.
Anschließend erhob ich mich vom Boden und legte das Blatt auf mein Bett, bevor ich anfang mir meine Jacke und feste Schuhe anzuziehen, denn in Socken war es bestimmt keine gute Idee nach Chicago zu fahren.
Nachdem ich fertig war und meine Haar in einen Dutt gebunden hatte, der Locker in meinem Nacken hing, schlüpfte ich aus der Tür meines Zimmers.
Wie ich es schon erwartet hatte lehnte im Flur auch schon Damian an der Wand und musterte mich mit seinen blauen Augen, als ich aus dem Zimmer geschlüpft kam.
„Hast du dich wieder eingekriegt?", fragte ich, worauf er leicht schmunzelte und sich anschließend etwas zu mir vorbeugte und den Knoten in meinem Nacken löste, den ich gerade noch so Mühe voll gezaubert hatte.
Obwohl eigentlich hatte ich keine zwei Sekunden für das Ding gebraucht.
„Mit offenen Haaren siehst du hübscher aus", kam es schließlich von ihm, worauf ich mir das kleine Lächeln nicht verkneifen konnte.
Anschließend drehte er sich von mir weg, worauf ich mich schnell in Bewegung setzte, um hinter ihm den Gang runterzusprinten.
„Wie kommen wir denn nun nach Chicago?", fragte ich neugierig, als ich einigermaßen mit ihm Schritt hielt.
„Mit dem Auto dauert es doch viel zu lange"
„Wirst du gleich sehen", entgegnete er jedoch nur mit einem Schmunzeln im Gesicht und deutete mir an ihm weiter zu folgen, sodass wir letzten Endes im Keller ankamen, den wir schon mal durchquert hatten, als Leute von Santiago in das Gebäude eingedrungen waren.
Damian ließ seinen Blick nur etwas über die verschiedenen Regale an der Wand schweifen, die wirklich mit ziemlich viel Kram gefüllt waren.
Dann machte er einen Schritt auf sie zu und holte etwas heraus, bevor er sich zu mir wandte und eine kleine Ampulle reichte.
„Was ist das?", fragte ich, aber darauf ging er nicht sonderlich ein. „Einfach austrinken", murmelte er nur und öffnete den kleinen Korken von seinem Fläschchen.
„Ist das Cilium?", probierte ich weiter nach zu haken.
„Nein, und jetzt trink es weiter als andauernd nachzufragen, was es ist. Es wird dich schon nicht töten"
„Ach wirklich?", fragte ich und zog leicht eine Augenbraue hoch, worauf er einmal genervt aufstöhnte. „Ja, und da bin ich mir zu hundert Prozent sicher, also jetzt runter damit"
Zögernd schaute ich ihn an, bevor ich schließlich langsam den kleinen Korken aus dem Glas zog, worauf ein ploppendes Geräusch ertönt. Anschließend roch ich etwas an der Flüssigkeit, wobei diese aber keinen Geruch von sich gab.
Dann gab ich mir einen Ruck und kippte das Zeug herunter, bevor ich etwas das Gesicht verzog, obwohl es nicht mal einen seltsamen Geschmack hatte.
Nachdem ich es geleert hatte, schaute ich Damian nur fragend an, der sein Fläschen auf einem Tisch ablegte und anschließend auf mich zu gelaufen kam. Dann spürte ich, wie er mich an meinem Handgelenk näher zu sich heranzog, sodass ich nun gegen seine Brust knallt.
„Keine Sorge, du hast gleich wieder deinen Sicherheitsabstand. Aber erst müssen wir das hier überstehen", vernahm ich ihn murmeln, da er schon bemerkt hatte, dass mir die Nähe zu ihm unangenehm wurde.
Kurz darauf merkte ich nur noch, wie alles in meinem Sichtfeld weiß wurde und der komplette Keller um uns herum verschwand.
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